Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

(Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Und das ist das Wichtigste. Und das wiederum liegt in den Händen des leider nicht anwesenden Innenministers.

(Zuruf)

Er ist in Rheinland Pfalz? Vorher gibt es noch einen anderen Termin.

(Minister Armin Laschet: Er ist auf dem We- ge! – Minister Oliver Wittke: Er trifft vernünf- tige Regelungen!)

Ich hoffe, Herr Wittke, dass es vernünftige Regelungen werden. Wenn er sich wirklich für eine vernünftige Regelung einsetzt, macht er jetzt auch diese Vorgriffsregelung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn auf dem Weg dahin muss man jetzt ein klares Zeichen setzen. Andere Bundesländer haben das getan. Es gibt sogar Kommunen, die humanitär weiter sind als der Innenminister – Stichwort Mülheim, eine Stadt, die zivilen Ungehorsam übt und sagt: Wir schieben nicht ab.

Diese Situation muss der Innenminister klären. Das kann er nicht den Kommunen vor die Füße werfen nach dem Motto: Jetzt guckt mal, was Ihr mit den Leuten macht!

(Beifall von den GRÜNEN)

Da ist Rechtsunsicherheit im Raum. Dass die Kommunen rechtswidrig handeln, kann auch nicht im Sinne der Landesregierung sein.

Herr Innenminister, wir brauchen jetzt eine Vorgriffsregelung. Wir brauchen Rechtssicherheit vor Ort. Wir brauchen ein klares Moratorium. Ich hoffe, dass sich die Minister Schäuble und Müntefering mit ihrem Vorschlag durchsetzen. Ich bin, ehrlich gesagt, auch froh, dass dies der Innenministerkonferenz aus der Hand genommen wurde. Denn die Innenminister haben sich die letzten Jahre nicht besonders mit Problemlösungskompetenz in diesem Bereich hervorgetan.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute Morgen aufgepasst hätten, wären wir wahrscheinlich besser beraten gewesen, den Tagesordnungspunkt abzusetzen. Alle Redner vor mir haben darauf hingewiesen, wie schwierig die Ausgangslage ist. Wir sind dicht vor einer Entscheidung. Aber die Wasserstandsmeldungen mehr oder weniger im Stundentakt zeigen, dass uns die Beratung heute im Wesentlichen nicht weiter hilft.

Wir hatten uns vorhin darauf verständigt – ich sage das zu Beginn: alle waren einverstanden; das steht auch in der Niederschrift –, dass wir mit

Rücksicht auf die parallel beginnende IMK heute den Antrag in den Innenausschuss überweisen.

Damit wir aber wissen, worüber wir reden, erlaube ich mir, die Eckpunkte, die den Koalitionskompromiss in Berlin andeuten, fürs Protokoll vorzutragen. Es liegt Ihnen ausführlich vor: 13:12 Uhr, dpa.

„Der Kompromiss der Regierungskoalition von Union und SPD zum Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer sorgt weiter für Streit. Nachfolgend die wichtigsten Vereinbarungen gemäß einem Ergebnis-Protokoll, das der dpa in Berlin vorliegt.

Ausreisepflichtige Ausländer erhalten ein Bleiberecht, wenn sie schon sechs Jahre (Familien) oder acht Jahre (Alleinstehende) in Deutschland leben (‚Altfall-Regelung’). Vorgesehen ist eine zunächst auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung einschließlich einer Arbeitserlaubnis. Im Anschluss soll die Aufenthaltserlaubnis nur verlängert werden, wenn die Betroffenen ihren Lebensunterhalt ‚während dieser Zeit überwiegend durch legale Erwerbstätigkeit bestritten haben’ und dies auch künftig zu erwarten ist.

Geduldete Ausländer erhalten nach vier Jahren Aufenthalt eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis. Bisher konnten sie legal nur dann eine Arbeit annehmen, wenn dafür weder ein Bundesbürger noch ein EUAusländer Interesse hat. Diese ‚Vorrangprüfung’ soll künftig nach vier Jahren entfallen.

Der um 30 % gekürzte Sozialhilfesatz für geduldete Ausländer soll künftig vier Jahre gezahlt werden. Derzeit sind es drei Jahre.

Nach vier Jahren wird für die Betroffenen die so genannte Residenzpflicht gelockert. Das soll ihnen ermöglichen, sich überregional um Arbeit zu bemühen.

Auch beim Familien- und EhegattenNachzug wird der Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse verlangt.

Es bleibt beim eigenständigen Aufenthaltsrecht von Ehegatten unter der ‚Voraussetzung des zweijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft.’“

Es ist sicherlich ungewöhnlich, das hier vorzutragen. Aber so haben wir wenigstens einen Text, auf den wir die weitere Beratung stützen können.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das haben wir alle gelesen!)

Ob es letztlich so kommt, werden wir erst am Ende des Tages sehen, wenn die IMK entscheidet. Es ist ja nicht die erste Veranstaltung der IMK zu diesem Thema. Frau Düker, im Landtag reden wir – wenn ich richtig gezählt habe – in dieser Legislaturperiode bereits zum dritten Mal zu diesem Thema. Es geht einfach nicht weiter.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Jetzt zu meinen beiden Vorrednern. – Herr Dr. Rudolph, ich habe mitgeschrieben, dass Sie eine großherzige und unbürokratische Regelung wünschen. – Wir sind bei Ihnen: Ich habe bei meinen früheren Beiträgen zu diesem Punkt immer gesagt, dass diese Landesregierung und auch dieser Innenminister Gnade vor Recht ergehen lassen wollen – im Einzelfall.

Frau Düker, Sie sprachen von einer fairen Chance. – Auch an dieser Stelle sind wir überhaupt nicht auseinander.

Gestern hatten sich „Münte“ und Schäuble angeblich im Groben geeinigt. Wie das leider immer so ist, kommen sofort die, wie ich sie immer nenne, Oberverdachtsschöpfer. Am Ende wird aus diesem Problem ein ausschließliches Arbeitsmarktthema gemacht. Wer diesen Weg beschreiten will, wird am Ende des Tages sehen, dass die IMK gar nicht mehr zuständig ist, sondern alleine der Vizekanzler und Arbeitsminister Müntefering. Das wollen wir ja auch nicht. Denn dann wäre komplett ausgeblendet, welches Leid und welche persönlichen Schicksale es gibt.

Insofern möchte ich noch einmal darauf hinweisen: Unser Innenminister was sehr vorsichtig in seinen Äußerungen. Das kann man ihm nicht anlasten. Im Gegenteil: Ich habe eben die Meldung der „dpa“ von 13:12 Uhr zitiert.

(Monika Düker [GRÜNE]: Er war feige!)

Geduld!

Um 12:20 Uhr zitierte die „dpa“ mit der Überschrift „Wolf begrüßt Einigung über Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge“ folgenden Satz des Innenministers:

„Wer seit vielen Jahren hier lebt, seinen Lebensunterhalt mit legaler Arbeit verdient und dessen Kinder in die Schule beziehungsweise in den Kindergarten gehen, soll eine verlässliche Lebensperspektive bekommen.“

In weiteren Sätzen weist Minister Wolf auch auf Missbrauch hin, den wir nicht unterstützen.

Wir sind uns komplett darüber einig. Was uns trennt, ist möglicherweise die Zeit: Es dauert einfach zu lange. Das Prinzip der IMK ist Einstimmigkeit, sonst läuft nichts. Ich hoffe daher, dass wir am Wochenende endlich eine Regelung haben werden. Wir drücken die Daumen; mehr können wir hier nicht tun. Ich bin mir nicht ganz sicher, weil zu viele aus ganz unterschiedlichen Interessen an diesem Tuch herumzupfen. Ich hoffe es zumindest und bin damit einverstanden, Herr Präsident, dass wir den gesamten Antrag – so haben wir uns verständigt – zur Beratung in den Innenausschuss verweisen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Engel. – In Vertretung von Herrn Innenminister Dr. Wolf erhält Herr Minister Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesinnenminister … Innenminister Wolf ist auf dem Weg zur Innenministerkonferenz und hat mich deshalb gebeten, für die Landesregierung zum Thema Bleiberecht Stellung zu nehmen.

(Ralf Jäger [SPD]: Das ist eine Freudsche Fehlleistung ersten Grades!)

Ich denke, wir sind knapp davor, eine Bleiberechtslösung zu bekommen, die seit Jahren überfällig ist. Deshalb hätte ich anstelle der SPD heute gebeten, dass dieser Antrag abgesetzt wird. Denn das, was der Kollege Rudolph hier vorgetragen hat, ist …

(Ralf Jäger [SPD]: Es entscheidet aber nicht die Landesregierung, was wir hier im Plenum beraten! Sie sind hier Gast!)

Nein, natürlich nicht. Sie können jede Tumbheit und jede Blödheit machen. Sie dürfen machen, was Sie wollen. Ich sage nur: Anstelle der SPD, die ich glücklicherweise nicht bin, wäre ich etwas schlauer vorgegangen. Herr Rudolph hat sich hier hingestellt und jahrelange Schicksale beklagt, die alle in Ihrer Regierungszeit stattgefunden haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Von dem Zeitpunkt an, ab dem Christdemokraten …

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist ja nicht zu fassen! Das ist Geschichtsklitterung!)

Von dem Zeitpunkt an, liebe Frau Kraft, ab dem Christdemokraten und Liberale in diesem Land

regieren, ist eine Bleiberechtslösung erreicht worden.