Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Lassen Sie mich noch einen vierten Punkt ansprechen, weil er auch etwas mit der Frage des Arbeitsmarktes zu tun hat. Ich gehe bewusst nicht darauf ein, ob es zum Beispiel im Rahmen eines solchen Systems – da gibt es gewichtige Aussagen etwa von Richtern von Bundesgerichten – eine Äquivalenz zwischen dem geben muss, was man einzahlt, und der Chance, etwas herauszubekommen. Das ist die Frage, wie hoch sich die Solidarität in den Auszahlungsmöglichkeiten widerspiegelt. Ich will das alles wegen der Zeit nicht erläutern.

Mir ist wichtig, abschließend noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir die Politik bei Hartz mit dem Versprechen eingeführt haben, jedem arbeitswilligen und arbeitsfähigen Menschen innerhalb eines Jahres einen Arbeitsplatz anzubieten. Das hat bisher nicht funktioniert. Deshalb ist es notwendig, darüber zu diskutieren, wie wir dieses System verbessern können. Deshalb ist es notwendig und richtig, das zu tun, was die Bundeskanzlerin als generelle Überholung bezeichnet hat.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist eine völ- lig andere Frage!)

Das muss sowohl vom System, von der Art her, wie wir es handeln, besser werden als auch hinsichtlich der Frage der Gerechtigkeit zwischen Leistungen und Gegenleistungen. Es kommt darauf an, dass die Menschen das ordnungspolitisch verstehen.

Mir gibt es jedenfalls zu denken, wenn mehr als zwei Drittel – egal, welche Umfrage Sie nehmen – sagen: Wir brauchen diese Veränderungen, weil wir sonst mit unserer Lebensleistung in Bezug auf die Arbeit in diesen Systemen nicht mehr vorkommen.

Ich kann nur dringend an Sie appellieren: Lassen Sie das sein, was Herr Müntefering in dieser Fraktionssitzung gemacht hat! Machen Sie keine parteipolitische Schlacht aus dieser Sache,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wer macht das denn? Wer will sich denn hier parteipolitisch profilieren? Das sind doch nur Sie! Leere Worthülsen!)

sondern denken Sie an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und an die Arbeitslosen in diesem Land!

(Anhaltender Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz – LÖG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/2478

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie Drucksache 14/2878 – Neudruck

zweite Lesung

Es gibt Änderungsanträge der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in den Drucksachen 14/2925, 14/2926, 14/2927 und 14/2928 sowie einen Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 14/2924.

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Beratung und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn

Abgeordneten Lienenkämper das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir voraussichtlich morgen das neue Ladenöffnungsgesetz beschließen, dann geben wir sowohl den Händlerinnen und Händlern als auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern in NordrheinWestfalen mehr Freiheit.

(Frank Sichau [SPD]: Den Beschäftigten nicht!)

Der Staat muss nach unserem Dafürhalten nicht regeln, wann Läden geöffnet sind und wann Menschen einkaufen. Wann Menschen einkaufen wollen, bestimmen die Verbraucherinnen und Verbraucher selber. Wann Läden öffnen, können die Ladeninhaber ebenfalls gut selbst bestimmen. Deswegen ist es nicht Aufgabe des Staates, generell zu regeln, wann die Läden zu öffnen sind und wann nicht.

Allerdings ist es Sache des Staates, diese Freiheit in einen Verantwortungsrahmen zu setzen. Der Sonntag – das haben wir immer gesagt – ist ein Tag der Entspannung, der Einkehr, der inneren Ruhe, der Familie und bedarf deswegen des besonderen Schutzes. Das wiederum ist Aufgabe des Staates, diesen besonderen Schutz zu gewährleisten. Hier hat Staat eine Verantwortung und eine Funktion. Diese Funktion nimmt das Gesetz wahr. Der Sonntagsschutz ist geregelt und damit gewährleistet.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Unsere Änderungsanträge haben die Sortimente konkretisiert und berechtigte Anregungen aus der Anhörung aufgegriffen. Waren zum täglichen Gebrauch und Verbrauch gehören in der Tat nicht in den Kanon der Dinge, die am Sonntag verkauft werden sollten. Deswegen sind sie herausgenommen worden. Wir haben die Zahl der geschützten Feiertage deutlich erhöht, und zwar in einem Kontext, über den die örtlichen Ordnungsbehörden entscheiden. Wenn ich Kritik daran höre, dass beispielsweise der 1. Mai nicht in die geschützten Tage einbezogen worden ist, dann sage ich Ihnen, dass wir nach genauer Überlegung den 1. Mai genauso behandelt haben wie den Nationalfeiertag, den 3. Oktober. Daran kann ich prinzipiell nichts Falsches erkennen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nehmen Sie den doch mit rein!)

Und wir haben die örtlichen Ordnungsbehörden, die darüber entscheiden, ob an einem Sonn- oder

Feiertag die Ladenöffnung freigegeben wird. Meine Damen und Herren, aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung kann ich Ihnen sagen: Diese Aufgabe wird vor Ort verantwortlich wahrgenommen. Daran habe ich überhaupt keinen Zweifel.

Ferner haben wir die Bahnhöfe in Großstädten, die bekanntlich immer mehr zu Einkaufszentren werden, herausgenommen. Auch das trägt zum verbesserten Sonntagsschutz bei.

Kurzum: Wir haben den Sonntagsschutz in unseren Änderungsanträgen und damit im Ladenöffnungsgesetz gewährleistet, und das ist auch richtig so.

Wir haben auch den Arbeitsschutz im Auge gehabt. Wir hören ja immer wieder die Vorwürfe, der Arbeitsschutz sei nicht ausreichend geregelt. Meine Damen und Herren, der Arbeitsschutz in Deutschland ist in einer ganzen Reihe von Gesetzen geregelt, zum Beispiel im Arbeitszeitgesetz. Diese Regelungen gelten für alle Branchen und nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Läden. Insofern sind hier auch keine Spezialvorschriften notwendig. Deswegen brauchten wir im Ladenöffnungsgesetz den Arbeitsschutz auch nicht explizit zu regeln.

Wir haben besonders darauf geachtet, was in der Anhörung von den Kirchen bezüglich des Übergangs in den Sonntag gesagt worden ist. Das Argument der Kirchen war insbesondere: Wenn bis 24 Uhr am Samstagabend geöffnet werden darf, dann sind im Anschluss an diese Öffnung Nacharbeiten möglich, zum Beispiel aufräumen, Abrechnungen erstellen. Das führt im Ergebnis dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch am Sonntag arbeiten müssen.

Ein einfacher Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung: Im Arbeitszeitgesetz steht eindeutig, dass Beschäftigte an Sonn- und Feiertagen nach null Uhr nicht beschäftigt werden dürfen. Also findet kein Übergang in den Sonntag statt. Auch hier ist die Sonntagsruhe gewährleistet. Darauf haben wir geachtet – und das mit Bewusstsein.

(Beifall von CDU und FDP)

Im Rahmen der Diskussionen im Ausschuss ist vonseiten der Opposition eine ganze Reihe von Bedenken vorgetragen worden. Ich hatte fast das Gefühl, Sie hatten den Eindruck, der Untergang des Abendlandes würde bevorstehen. Sie haben dann einen Änderungsantrag eingebracht, der sich im Ergebnis in vier Stunden von unserem unterscheidet, nämlich am Samstagabend vom 20 bis 24 Uhr. In den vier Stunden wollen Sie das

Abendland retten? Das können Sie mir wirklich nicht erzählen. Das geht weit an der Sache vorbei.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben mit unseren Änderungsanträgen dafür gesorgt, dass ein guter Gesetzentwurf noch besser geworden ist. Wir geben den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Chance, selber zu bestimmen, wann eingekauft wird. Die Geschäfte werden sich daran nur orientieren. Wir vertrauen darauf und wissen, dass die Tarifpartner die Änderungen in den Arbeitszeiten dazu nutzen werden, dafür vernünftige Regelungen zu finden. Oskar Burkert wird Ihnen gleich noch Beispiele liefern; in der Vergangenheit sind ja bereits einige Beispiele genannt worden. Kein Mitarbeiter wird durch das Ladenöffnungsgesetz mehr arbeiten müssen; ausschließlich zu anderen Zeiten wird gearbeitet werden. Das ist in anderen Branchen genauso und im Ergebnis vertretbar, weil den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Freiheit gegeben wird.

Wer, meine Damen und Herren, will uns eigentlich wirklich vorwerfen, dass wir uns in NordrheinWestfalen an den Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren? Ein gutes Gesetz ist besser geworden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lienenkämper. – Für die SPDFraktion erhält der Abgeordnete Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Damit wir hinsichtlich der Mär, die Sie, Herr Lienenkämper, gerade wieder aufgemacht haben und die Herr Brockes gleich mit Sicherheit auch wieder aufmacht, gar keine Zweifel aufkommen lassen: Wir lehnen dieses Gesetz ab.

(Beifall von der SPD)

Wir lehnen dieses Gesetz ab, weil wir gegen 24 Stunden Öffnung sind, weil wir gegen die Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen sind, weil wir dagegen sind, dass letztendlich die Verbraucher die Zeche zahlen müssen. Auf vieles andere komme ich gleich noch zu sprechen. Im Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, können Sie alle Gründe im Einzelnen noch einmal nachlesen, weil Sie Zuhören – zumindest gilt das für den Kollegen Brockes – an der Stelle nicht gelernt haben.

Ich will noch einmal in Erinnerung bringen, wie das Verfahren ablief. Das Verfahren sah so aus: Das Gesetz wurde von Frau Ministerin Thoben eingebracht. Wir haben von Vornherein unsere Ablehnung signalisiert, gleichwohl aber gesagt, dass wir den Zeitablauf nicht blockieren, sogar einen zügigen Zeitablauf mitmachen würden, obwohl es an der einen oder anderen Stelle ein zeitlicher Galopp war, bei dem man nicht mehr richtig mitkommen konnte.

Ich will an die Anhörung und insbesondere an die eingereichten Stellungnahmen erinnern. Nicht eine einzige Stellungnahme, ausgenommen die eine, die sich für sieben mal 24 Stunden aussprach und meinte, mit diesem Gesetz sei auf dieser Welt alles gut

(Dietmar Brockes [FDP]: Wurde nicht be- rücksichtigt!)

ist nicht berücksichtigt worden; toll, Herr Brockes! –, war uneingeschränkt zustimmend zu diesem Gesetz. Auch diejenigen, die eingangs sagten, dass sie diesem Gesetz zustimmen würden, haben nachher fünf Seiten Begründung gebracht und aufgezeigt, was alles falsch sei und geändert werden müsse.

Was in der Anhörung herauskam, war, dass der Kollege Brockes eingangs eine Pressemitteilung der Kollegin Steffens kritisierte, in der sie die Christlichen Demokraten aufgefordert hat, hinsichtlich der Sonn- und Feiertagsregelung noch einmal in sich zu gehen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: So etwas tue ich!)

Wenige Zeit später – weit vor Ende der Anhörung und noch bevor sich Kirchen, Gewerkschaften und andere extreme Kritiker geäußert hatten – brachte er eine eigene Pressemitteilung heraus, in der er kundtat, dass die Anhörung positiv gewesen sei und die Sachverständigen weitestgehend seiner Meinung seien. Das ist unredlich und unverschämt, Herr Brockes; das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden.

(Beifall von der SPD)