In dem Zusammenhang dem Verfassungsrechtler Pieroth in Ihrer Eigenschaft als stellvertretender und zu der Zeit amtierender Vorsitzender der Anhörung das Wort zu entziehen, woraufhin dieser entrüstet den Saal verließ, war ebenfalls eine Unverschämtheit. Auch darauf will ich hinweisen.
Es bleibt dabei: Auch mit den Änderungsanträgen der Koalition, die reine Kosmetik darstellen, werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen.
Es war schon hanebüchen – und daran erkennt man die Rolle der FDP –, wie die FDP argumentiert hat: Da kommt der Kollege Romberg – auf ihn werde ich noch eingehen – in diese unsägliche Sondersitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales und verweist auf einen Entwurf von Mecklenburg-Vorpommern. – Mecklenburg-Vorpommern hat keinen Entwurf.
Im Wirtschaftsausschuss schießt Herr Brockes in die gleiche Richtung und amüsiert sich über Baden-Württemberg. Da hätten wir nur etwas von der SPD abgelesen. Fakt war: Das, was Rot und Grün in dem Änderungsantrag vorgetragen haben, war der Originalwortlaut des Gesetzentwurfs in Baden-Württemberg, und dessen Autor sind CDU und FDP. Daran sieht man, wie Sie sich intern mit dieser Sache auseinandergesetzt haben.
Die Sonn- und Feiertagsänderung der Koalition – ich gestehe das zu – geht in die richtige Richtung, ist aber definitiv nicht ausreichend.
Sie bleiben bei den unklaren Definitionen. Insbesondere in die Richtung der Christlichen Demokraten sage ich ganz ehrlich – und ich glaube, dass Sie sich dabei schwer getan haben –: Dass Sie den Samstag bis 24 Uhr auflassen wollen, ist extrem unchristlich, und da geht die Kritik der Kirchen in Ihre und nicht in unsere Richtung, wie Sie es uns eben glauben machen wollten.
Erinnern wir uns an die Einbringung vom 13. September zurück, Frau Ministerin Thoben. Da haben Sie diesen von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf vehement verteidigt. Sie haben Ihre vorgelegte Regelung zu den Sonn- und Feiertagen vehement verteidigt.
Wir mussten feststellen: Nicht nur wir haben bereits im Plenum darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf extrem unfachlich aufgebaut ist, dass die Unternehmen sehr wohl die Möglichkeit hatten, generell zu öffnen. Dies haben auch die Sachverständigen in ihren schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen bestätigt. Und die Anträge der Koalitionsfraktionen haben dies auch bestätigt.
Ich frage mich nur, wie Sie am 13. September letztendlich behaupten konnten, der Sonn- und Feiertag sei geschützt, hier gelte die Arbeitsruhe und die seelische Erhebung müsse gewährleistet werden, obwohl so zurückgerudert wurde, wie es Ihre Koalition getan hat. Das deutet doch darauf hin, Frau Thoben: Gesagtes und Getanes sind bei Ihnen wie bei vielen Mitgliedern dieser Landesregierung Zweierlei. Und das passt nicht.
Dass samstags spätestens um 20 Uhr geschlossen werden soll, ist nicht nur die überwiegende Meinung der Kirchen, sondern die breite Meinung innerhalb der Anhörung gewesen. Die CDU hat an dieser Stelle in der Koalition keine Durchsetzungskraft gehabt.
Was passiert denn mit den Familien am Wochenende? – Eine Einleitung des Wochenendes wird in den Familien nicht mehr möglich sein. Was ist denn mit der blanken Theorie, die wir eben wieder gehört haben, sonn- und feiertags würde nicht gearbeitet? Was ist denn, wenn bis 24 Uhr gearbeitet wird? Was passiert eine Minute nach 24 Uhr, also um 0:01 Uhr? Wird dann nicht mehr abgeschlossen? Wird keine Kasse mehr gemacht? Wird der Laden nicht mehr gereinigt? Wird keine Nacharbeit geleistet? In welcher theoretischen Welt leben Sie denn, dass Sie so denken und den Menschen draußen verklickern wollen, dass um 24 Uhr Schluss sei und danach gar nichts mehr passiere? – Natürlich muss danach noch gearbeitet werden. Von daher ist es sehr heuchlerisch, was Sie diesbezüglich vorgetragen haben.
Heuchlerisch war in der Anhörung im Übrigen auch der Verweis des Kollegen Weisbrich, die Kirchen versuchten zu reglementieren. Sie sollten sich seiner Meinung nach lieber auf ihre Stellungnahmen konzentrieren, und mit allem anderen hätten sie nichts zu tun. Das – so denke ich – wird an anderer Stelle und gerade von den Kirchen noch einmal aufgegriffen.
Wie sieht es denn mit den kleinen Unternehmen in den Städten aus? Wo gibt es denn die Kleinen, die mit all dem, was wir bereits dargestellt haben, mithalten können? – Wir sagten bereits: Sie können kein zusätzliches Personal einstellen. Sie können höhere Energiekosten nicht tragen. – All dies haben Sie außer Acht gelassen, obwohl es in der Anhörung gerade von den Vertretern des klassischen Einzelhandels aufgegriffen wurde, die sich ganz deutlich gegen ihre Verbände auf Landesebene gestellt haben, weil eine Rückkopplung dort gar nicht stattgefunden hat.
Heute bestätigt dies ein Artikel auf der Titelseite der „Westfälischen Rundschau“. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
„‚Längere Öffnungszeiten rechnen sich für uns nicht’, sagt beispielsweise Hans Borgmann, Vorsitzender des Gewerbevereins in DortmundBrackel. … Als ‚schieren Unsinn’ bezeichnet Udo Ständeke, Leiter des Toom-Baumarktes in Schwerte, die Aufhebung des Ladenschlusses. ‚Sollen unsere Mitarbeiter etwa bis Mitternacht für drei vereinzelte Kunden im Laden stehen?’ Wenn er sich den Strom abendlicher Kunden in die großen Städte wie Dortmund oder Köln vor Augen führt, ist Stefan Merz, Vorsitzender von ‚Wir für Altena’ weniger fröhlich ums Herz. ‚Dagegen können wir keine erweiterten Öffnungszeiten setzen …’“.
Das sind doch die Tatsachen, und diese belegen, wie es in Wirklichkeit im Einzelhandel aussieht. All das lassen Sie außer Acht, um solch ein Gesetz durchpeitschen zu können.
Kommen wir jetzt zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: Über 400.000 Betroffene im Einzelhandel, darunter 70 % Frauen. Jede bisherige Veränderung bei den Ladenschlusszeiten hat Arbeitsplatzabbau bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herbeigeführt.
Die Fachmeinung ist deutlich, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft: Das ist gesundheitsschädlich. Das Sicherheitsrisiko steigt. Der ÖPNV – wir wissen es – geht immer weiter zurück, insbesondere in den späten Abendstunden. Es ist familienfeindlich. Es zerschlägt das ehrenamtliche Engagement gerade bei den Beschäftigten, und es zerschlägt auch das Vereinsleben.
Dann kommen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Situation, dass sie in der Koalition keinerlei Berücksichtigung, keinerlei Gehör finden, wenn es um das Thema Arbeitszeit geht, aber auch nicht, wenn es um das Thema Arbeitsschutz geht. Der wiederholte Verweis auf das Arbeitszeitgesetz zeigt und dokumentiert, dass Ihnen die Kompetenz fehlt, dass Desinteresse zu Arbeitnehmerbelangen vorherrscht; denn das Arbeitszeitgesetz sagt nur an einer Stelle zu einem kleinen Detail etwas aus.
Das, was wir als Änderungsvorschlag im Wirtschaftsausschuss wie auch hier im Plenum dargelegt haben, ist 1:1 das, was Ihre Kolleginnen und
Kollegen von CDU und FDP in BadenWürttemberg richtigerweise im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgebracht haben. Sie verweigern sich dem Arbeitsschutz. Und das ist eine Schande gegenüber mehr als 400.000 Menschen.
Ich frage mich: Welche Rolle spielen die immer wieder zitierten über 40 CDA-Funktionäre in der CDU-Fraktion? Welche Rolle spielen sie bei der Arbeitszeit? Welche Rolle spielen die CDAFunktionäre bei Arbeitsschutz? Welche Rolle spielen die CDA-Kolleginnen und -Kollegen in ihren Gewerkschaften, wenn es um den 1. Mai geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem traditionellen Feiertag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland?
Welche Rolle die CDU dabei spielt? Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin Frau Maria Westerhorstmann im Frauenausschuss zum Thema Ladenöffnungszeiten:
Das ist eine Unverschämtheit, eine Frechheit, eine Brüskierung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Wo war die Stimme des CDA-Vorsitzenden Laumann, der sich für die Debatte um das arbeitnehmerpolitische Thema Ladenöffnungsgesetz überhaupt nicht interessiert; er hat sich nämlich an der Diskussion nicht beteiligt. Mit keinem Wort war der Arbeitsminister, CDA-Vorsitzender, an irgendeiner Stelle zu hören. Das spricht dafür, dass auch kein Rückgrat bei der CDA in dieser Fraktion vorhanden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Mär vom Kollegen Brockes, die er gleich wieder verkünden wird, dass wir für 24 Stunden von montags bis freitags eintreten, will ich mich nicht lange aufhalten. Das ist und bleibt eine Mär. Sie können das dem Entschließungsantrag entnehmen.
Es bleibt dabei, egal, wie Sie es interpretieren – Herr Brockes, vielleicht haben Sie schon wieder etwas in die Presse gegeben, ohne zu hören, was
gesagt wird; das liegt Ihnen besonders –: Wir sind generell gegen 24 Stunden von montags bis sonntags. Da gibt es kein Wenn und Aber. Wir sind gegen die Verdrängung der kleinen Unternehmen. Wir sind allerdings für den Arbeitnehmerschutz. Wir sind für den Schutz des kleinen klassischen Einzelhandels. Wir sind für die uneingeschränkte Ausübung des Ehrenamtes.
Unsere Änderungsanträge gehen da in die richtige Richtung. Ich erinnere nur an die Befristung und Evaluation, die Sie auch niedergestimmt haben. Wer wollte denn zu Regierungszeiten von Rot-Grün von Befristungen und Evaluationen reden?
Jetzt beantragen wir sie, und Sie schmettern Sie ab. Sie verweigern sich schon jetzt einer Evaluation im Vorfeld, weil Sie die negative Erfahrungen, die auf Sie zukommen, schon erahnen und Angst vor den Erfahrungen haben, die wir hier angekündigt haben.
Fazit! Es bleibt dabei: Dieses Gesetz ist arbeitnehmerfeindlich, familienfeindlich, mittelstandsfeindlich, verbraucherfeindlich, feindlich gegenüber christlichen Werten, ehrenamtsfeindlich. Das sind alles Fakten, die von den Sachverständigen sowohl schriftlich als auch mündlich vorgetragen wurden. Ein solches Gesetz ist im Sinne der Menschen, der Unternehmen, der Arbeitnehmer, der Verbraucher abzulehnen, und dies werden wir tun.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmeltzer. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Steffens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben als Koalitionsfraktionen in den Landtag einen klaren FDPGesetzentwurf eingebracht. Denn auch in der letzten Legislaturperiode war die Forderung nach Sonntagsöffnung der Videotheken, nach Waschstraßen rund um die Uhr immer das Anliegen der FDP. Die FDP wollte auch jetzt ein Gesetz, das eigentlich überhaupt keine Regelungen hat.
Es ist ein Gesetz, das weitergeht und mehr Standards für die Beschäftigten, aber auch für die Verbraucher/innen abbaut als in allen anderen Bundesländern. Da sind alle anderen CDUBeteiligungen in Regierungen weitaus klarer und deutlicher.