Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

(Beifall von CDU und FDP)

Es gibt im Schulwesen eben keinen großen Schalter, den man einfach umlegen kann, damit alles gut wird. Wir müssen vielfach tausend Schalter in Klassenzimmern und Schulen umlegen. Wir müssen uns besinnen, dass die individuelle Förderung dabei das Wichtigste ist. Wir müssen jedes Kind mitnehmen. Auf diesem Weg sind wir.

Zum Schluss möchte ich noch einmal meine Vorgängerin von der SPD, Frau Gabriele Behler, zitieren:

„Die deutsche Bildungspolitik war in allen Lagern mangels empirischer Fundierung eine Bildungspolitik im Blindflug, geprägt durch Mythen und Romantizismen. Auf der linken Seite lauteten sie einfach so: Je integrativer das System, desto besser die Ergebnisse, desto fröhlicher die Kinder, desto demokratischer das Gemeinwesen. – Nun sollte man annehmen, dass da

mit im Pisa-Zeitalter Schluss wäre. Aber weit gefehlt.“

(Zuruf von den GRÜNEN)

„Keine SPD-Konferenz, kein regionaler Parteitag,“

(Zurufe)

„auf dem zurzeit nicht wieder die vermeintlichen Heilsgewissheiten verkündet würden. Da feiern manche Mythen eine fröhliche Auferstehung.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Bis zum Wochenende ist es noch etwas weit. – Jetzt hat Herr Große Brömer das Wort.

Frau Ministerin Sommer, herzlichen Dank für die guten Wünsche zum Wochenende.

Die Landes-SPD wird zumindest diesen Samstag sicherlich dafür nutzen, Ergiebigeres zu erarbeiten, als heute von den Rednern der Koalition des ewigen Gestern zusammengestellt worden ist. Ich habe leider nur noch 4:45 Minuten. Mir bleibt zu wenig Zeit, um all die Seltsamkeiten und Merkwürdigkeiten richtig zu stellen, die von den Rednern in der Aktuellen Stunde seitens FDP und CDU erwähnt worden sind. Ich will mich von daher auf zwei Schwerpunkte beschränken.

Erstens. Herr Kollege Priggen hat gerade gefragt, warum diese Aktuelle Stunde beantragt wurde. Nach den Redebeiträgen von Herrn Witzel & Co. frage ich mich das auch. Es gibt eigentlich nur eine Erklärung dafür: Sie wollen mit dieser Aktuellen Stunde von dem Supergau ablenken, den Sie – Herr Witzel, Frau Pieper-von Heiden & Co. –, die Diffamierer des Gesamtschulsystems, empfunden haben müssen, als Sie von dem Probelaufverfahren der Abiturklausur erfahren haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es war ein Supergau für alle Diffamierer des Gesamtschulsystems. Man muss sich das einmal vor Augen halten.

Laut offizieller Mitteilung von Ministerin Sommer an den Schulausschuss dieses Landtags schwankt die Durchschnittsnote am Gymnasium zwischen Drei minus und Vier plus. Die Durchschnittszensur aller Klausuren im Gesamtschulbe

reich lautet Vier. Der Unterschied beträgt im Durchschnitt somit ein Drittel bzw. im Extremfall zwei Drittel einer Note. Das muss man sich vor Augen halten. Die Crème de la Crème im selektiven dreigliedrigen System, die besten zehn bis 20 % eines Schülerjahrgangs, die es bis zum Abitur am Gymnasium geschafft haben, bringen nur um eine Drittelnote bessere Leistungen als das heterogene System an der Gesamtschule.

(Beifall von der SPD)

Das ist der eigentliche Supergau. Das muss Ihnen zu denken geben.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Was ma- chen Sie mit Statistiken?)

Das ist das Problem. Wenn Sie dann von Schulqualität reden und Qualitätssteigerungen mit einer Kürzung der Schulleiterpauschale verbinden, hat das eine Logik, die sich wohl wirklich keinem vernünftigen Menschen erschließt. Daran müssen Sie sicherlich noch arbeiten.

Ich will noch einen anderen Aspekt ansprechen, weil er die Problematik und das Dilemma der bildungspolitischen Diskussion in diesem Lande besonders deutlich macht. Vor einer Woche hat in Mülheim ein Kongress des Realschullehrerverbandes stattgefunden. Herr Hallstein und Ministerin Sommer waren dort. Ich habe diese Veranstaltung ebenfalls besucht.

Herr Brambach, der Vorsitzende des Realschullehrerverbandes, hat sich in der Begrüßungsrede ausdrücklich bei der Landesregierung bedankt, unter anderem auch für die Verteidigung der Dreigliedrigkeit. Er hat in diesem Zusammenhang ein Bonmot gebracht – nicht von ihm selbst, sondern von einem Kollegen. Vor dem Hintergrund, dass es noch Hauptschulen gibt, hat er gesagt: Es ist sehr gut so. Wozu brauchen wir eine Dreigliedrigkeit? – Bei den Realschulen ist es so, dass man mit einem Klotz am Bein schlecht schwimmen kann.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Das ist symptomatisch für die bildungspolitische Diskussion, die Sie betreiben.

(Beifall von der SPD)

Denn es zeigt, dass es nach wie vor in diesem System Menschen gibt, die die individuelle Förderung mit individueller Forderung und Auslese verwechseln – massiv verwechseln. Frau Ministerin Sommer, ich kann nur feststellen: Ihr Gütesiegel

scheint beim Realschullehrerverband noch nicht angekommen zu sein.

(Beifall von der SPD)

Das Bonmot von Herrn Brambach möchte ich ihm persönlich gar nicht anlasten, denn es ist ein Zeichen dafür, wie systemimmanent dieses Denken in einem dreigliedrigen System ist. Deswegen ist es an der Zeit, ideologiefrei zu diskutieren.

Frau Ministerin Sommer, ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrem anschließenden Begrüßungsbeitrag auf diesem Kongress vielleicht doch dazu einen Hinweis gegeben hätten, dazu Stellung genommen hätten. Das haben Sie nicht getan. Sie haben stattdessen die Realschullehrerfunktionäre darüber informiert, dass Sie die Schulleitungspauschale bei den Gesamtschulen kürzen. Dafür haben Sie lebhaften Applaus geerntet.

Frau Ministerin Sommer, ich hätte mir gewünscht, dass Sie in ähnlicher Klarheit drei Wochen vorher im Schulausschuss das Gleiche verkündet hätten, wie Sie es vor diesem Kongress des Realschullehrerverbandes getan haben. Das haben Sie nicht getan. Sie mussten sich gestern in der Fragestunde einige Nachfragen gefallen lassen. Ich glaube, die Reihe der Nachfragen ist auch noch nicht beendet.

Abschließend appelliere ich an die CDU – ähnlich wie Kollege Priggen, weil ich selbst die geringsten pädagogischen Hoffnungen bei der FDP mittlerweile aufgegeben habe –, dass Sie endlich den Mut zu einer vorurteilsfreien Diskussion über die Leistungen unseres Schulsystems finden, dass Sie diesen Kleinkrieg gegen die Gesamtschule in Ihrer Koalition beenden – nicht im Interesse der Beschäftigten an den Gesamtschulen, sondern im Interesse der Kinder des Landes.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

Setzen Sie sich für eine wirkliche individuelle Förderung ein, auch in heterogenen Systemen! Dann schaffen Sie es vielleicht auch, von anderen Bundesländern zu lernen, nämlich …

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

… von der sturen Dreigliedrigkeit inhaltlich Abstand zu nehmen und neue Gedanken zu entwickeln. Schauen Sie

in die Presse von gestern: Das neueste EUUrteil …

Herr Kollege!

… über das Schulsystem in Deutschland spricht eine deutliche Sprache. Vielleicht sind Sie doch lernfähig. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Große Brömer. Bei aller Großzügigkeit: Halten Sie sich bitte an die vereinbarten Redezeiten! – Herr Kaiser von der CDU-Fraktion, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich etwas in Richtung von Frau Schäfer anmerken, weil sie laut eines Presseberichts gesagt hat, sie hätte die Untersuchungen zu den Ergebnissen der Abiturprüfungen veröffentlicht. – Sie bezieht sich dabei auf die Auswertung 2003. Herr Witzel hat es angesprochen. Für uns interessant sind aber 2004 und der unterschiedliche zeitliche Rahmen, in dem die Veröffentlichung jeweils erfolgt ist.

Die Veröffentlichung der Ergebnisse 2003 gelang innerhalb eines halben Jahres. Die Veröffentlichung der Ergebnisse 2004 benötigte über ein Jahr. Herr Witzel hat auf die Ursache hingewiesen. Die Veröffentlichung trägt das Datum 25. Mai 2005. Wir alle wissen: Der 22. Mai 2005 war ein entscheidendes Datum zur Verbesserung der Situation in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Hintergrund ist festzuhalten. Das erklärt auch, warum Sie diese Materialien dem Schulausschuss und damit der breiten Öffentlichkeit vorenthalten haben.

(Beifall von der CDU)

Das werfe ich Ihnen nach wie vor vor. Es ist nicht in Ordnung. Es ist unredliche Politik.