Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Ich sage Ihnen, Herr Schmeltzer, ich sage Ihnen, Herr Garbrecht, ich sage es der gesamten SPD: Wenn Sie dabei bleiben, dass Sie die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nicht stärker an das koppeln, was Menschen in ihrem Leben geleistet haben, werden Sie am Ende keine Volkspartei bleiben.

Das sage ich Ihnen voraus, weil es so gegen das Gerechtigkeitsgefühl der Leute ist, was in diesem Land passiert ist. Dass Menschen mit einer guten Ausbildung, die über Jahre Steuern und Beiträge bezahlt haben, nach zwölf Monaten in ein Bedürftigensystem geraten, ist eine offene Narbe. Sie wird sich nie schließen, wenn Sie nicht umkehren.

(Beifall von der CDU – Hannelore Kraft [SPD]: Sie saßen doch dabei, als das verab- redet wurde!)

Ich habe damals schon dagegen gestimmt. Wir haben die Anträge dagegen schon damals eingebracht.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist doch verlo- gen! – Weitere Zurufe)

Frau Kraft, regen Sie sich doch nicht auf.

(Hannelore Kraft [SPD]: Doch! – Weitere Zu- rufe von der SPD)

Schließen Sie mit uns gemeinsam diese Lücke! Seien Sie kein Sturkopf und lassen Sie nicht diese Wunde offen, wenn Sie eine Volkspartei bleiben wollen!

(Beifall von der CDU – Fortgesetzt Zurufe von der SPD)

Ein weiterer Punkt, den ich …

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist doch lächer- lich!)

Sie können sich gern weiter aufregen, Frau Kraft.

(Hannelore Kraft [SPD]: Darüber rege ich mich auch auf!)

Frau Kraft, Sie arbeiten zurzeit mit Herrn Müntefering an einem Projekt „18 % für die SPD“. Machen Sie ruhig so weiter.

(Hannelore Kraft [SPD]: Setzen Sie das doch durch! – Weitere Zurufe von der SPD)

Helfen sie uns doch dabei, wenn es um eine Gerechtigkeitslücke geht.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie saßen doch mit in der Runde, und sagen hinterher etwas an- deres!)

Ich dachte, Sie seien die Partei der Gerechtigkeit.

(Hannelore Kraft [SPD]: Wer hat welche Po- sition vertreten? Sollen wir die Protokolle einmal herausholen? – Zuruf von der SPD: Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der SPD)

Jetzt machen wir einen zweiten Punkt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Sie machen gar nichts!)

Das Schöne in unserem Land ist, dass wir heute 120.000 Erwerbstätige mehr haben als vor einem Jahr.

(Zuruf von der SPD: Wofür Sie nichts kön- nen!)

Es ist doch ohne Frage: Wenn wir es gut meinen mit den Arbeitslosen, müssen wir doch alles tun, dass diese Aufwärtstrend in der Erwerbstätigenstatistik schlicht und ergreifend weitergeht.

Ich glaube, dazu wird gehören, dass wir sehr darauf achten, Vorteile, die wir über die Jahre schmerzlich erreichen konnten – Herr Garbrecht, Sie haben völlig Recht: sie haben auch mit der Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften zu tun –, nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Es ist ganz wichtig, dass die Tarifpolitik in den nächsten Monaten und Jahren so gestaltet wird, dass sie eine Flexibilität in Tarifverträgen – das sage ich ausdrücklich – für betriebliche Situationen und Entwicklungen offen lässt und sie in die Lohnfindung ganz entscheidend einfließen lässt.

Wenn man das dann zu Ende denkt, braucht man, um es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerecht zu gestalten, endlich einen stärkeren Schub, auch die abhängig Beschäftigten an der Kapitalseite der Unternehmen zu beteiligen. Dann wird daraus ein richtiger Schub und nicht nur, wie Sie es gesagt haben, ein Schluck aus der Lohnpulle. Ein Schluck aus der Lohnpulle – auf die Betriebe bezogen – ja und eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an der Kapitalentwicklung der Unternehmen, um diese Gerechtigkeitslücke in den Griff zu bekommen.

Es wäre eine sehr moderne Politik, Wachstumskräfte stärker zu fördern und trotzdem das berechtigte Interesse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an dieser Aufwärtsentwicklung zu berücksichtigen: durch die Lohntüte und durch Beteiligung an den Unternehmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir sollten überlegen, was wir in diesem Haus gemeinsam leisten können, damit diese Idee endlich bei uns zu einem Durchbruch kommt. Das ist nämlich viel wichtiger als jede Arbeitsmarktpolitik.

Ich sage Ihnen noch einen Satz zur Arbeitsmarktpolitik: Es ist wahr, dass wir in den anderthalb Jahren, in denen ich hier die Verantwortung trage, einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gelegt haben, um bei der Jugend Langzeitarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit zu verhindern. Wenn die Jugendarbeitslosigkeit in diesem Land um 18 % abgenommen hat, sind wir mit unseren und mit vielen anderen Programmen einfach erfolgreich gewesen. Darüber freue ich mich.

(Beifall von der CDU)

Das lasse ich mir auch hier von niemandem mies machen.

Dann sprechen Sie das Thema der Langzeitarbeitslosigkeit an. Wir wissen auch, dass Langzeitarbeitslosigkeit damit zu tun hat, dass es Menschen gibt, die arbeitslos sind, wobei uns in den Argen und in den Anhörungen unseres Ausschusses viele Experten gesagt haben, dass sie mittelfristig kaum eine Perspektive sehen, diese Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, was zum Beispiel mit Ausbildungsdefiziten oder mit Erkrankungen zu tun hat.

Welcher Arbeitsminister in Deutschland hat denn ein Kombilohnmodell konzipiert, um gerade Menschen, die so beeinträchtigt sind, dass sie zu einem realen Marktwert keine Chance mehr auf Teilhabe an der Arbeit haben, eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen? Ich bin ja be

scheiden, aber das hat schon mit Karl-Josef Laumann und der jetzigen Landesregierung zu tun.

(Beifall von der CDU)

Dann höre ich von Herrn Müntefering, dass er dieses Kombilohnmodell gar nicht toll findet.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Der Mann ist störend für den Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen. Das ist die Wahrheit. Aber ich will hier keine Stäbe brechen. Die Wahrheit ist, dass jetzt in Berlin über einen dritten Arbeitsmarkt geredet wird. Wenn Sie sich die Papiere zum dritten Arbeitsmarkt anschauen – Sie haben sie genauso zur Verfügung wie ich –, sieht man darin sehr stark eine Denkweise, wie ich sie beim Kombilohn Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt habe.

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Schluss.

Deswegen freue ich mich darauf, dass wir auch diesen Punkt dann gemeinsam umsetzen werden, weil er Teilhabechancen für Menschen – auch für nordrhein-westfälische Menschen –, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht unterkommen, eröffnen wird.

Wenn Sie mich dabei unterstützen, ist es gut. Wenn Sie mich dabei nicht unterstützen, ist es auch egal. Ich werde meinen Weg weitergehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt noch einmal der Kollege Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lassen Sie mich zuerst – das ist der schnellere Part, weil immer einfach – auf die Äußerungen der Kollegen von der FDP eingehen.

Es ist schon hanebüchen, wie hier wieder einiges miteinander vertauscht wird und wie der eine Redner etwas anderes sagt, als der andere geschrieben hat. Herr Romberg, wenn Sie die Minijobs, die Teilzeitjobs und das alles ansprechen, frage ich mich, wie die Presseerklärung Ihres Kollegen Brockes in der letzten Woche zustande gekommen ist, der das alles begrüßt hat.

(Zustimmung von den GRÜNEN)

Wenn Sie die Minijobs und Teilzeitjobs als Jobs, die nicht gut sind, ansprechen,

(Zuruf von der SPD)

gebe ich Ihnen insofern Recht, als dass Sie diejenigen sind, die zum Beispiel beim Ladenöffnungsgesetz dazu beigetragen haben, dass die Menschen nur noch in 400-€-Jobs unterkommen und dass sie keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mehr haben.

(Beifall von der SPD)