Protokoll der Sitzung vom 21.12.2006

(Christian Lindner [FDP]: Meine Güte!)

Wenn Sie uns hier ansprechen, Herr Brinkmeier, wir würden in diesem Haushalt – Sie sagen das ja so prophetisch –, wenn Rot-Grün noch an der Regierung wäre, nicht genug investieren, sondern kürzen, dann frage ich Sie: Wer hat denn in den vergangenen Jahren den Qualitätspakt bei den Hochschulen implementiert?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wer hat ihn verlängert? Sie haben hier unser Erbe der Haushaltssicherung für die Hochschulen übernommen.

Wenn Sie jetzt einmal nicht rückwärts, sondern vorwärts in die Zukunft schauen würden, wäre Ihnen klar, mit welcher Realität Sie sich heute auseinandersetzen müssen. Denn schon heute fehlen 3.000 Ingenieure und Ingenieurinnen in Nordrhein-Westfalen. Auch in anderen Berufen steigt im Zuge des Strukturwandels die Nachfrage nach gut ausgebildeten Menschen. Deshalb müssen wir nach vorne blicken und in die Zukunft planen. Wir brauchen ohne Zweifel mehr Hochschulabsolventinnen und -absolventen als heute.

Deshalb ist die in den kommenden Jahren drastisch ansteigende Zahl der Studienberechtigten eine Chance und zugleich auch eine riesige Herausforderung. So werden wir in den Jahren 2008 bis 2012 etwa 15.000 mehr Studienberechtigte haben als heute, und zwar nicht insgesamt, sondern jährlich. 15.000 Hochschulzugangsberechtigte mehr in jedem Jahr! Das sind 15.000 neue Chancen für Innovationen in diesem Land, aber das ist auch eine große Herausforderung für uns alle. Wenn wir es nicht schaffen, diesen jungen Menschen ein Angebot für einen Studienplatz zu machen, wird dies dramatische Folgen haben, sowohl für den Arbeits- als auch für den Ausbildungsmarkt in Nordrhein-Westfalen, das heißt für die Zukunft des Standorts Nordrhein-Westfalen insgesamt.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, frage ich Sie: Halten Sie dieses Zukunftspäktchen, das Ihr Minister in Berlin mit ausgehandelt hat, tatsächlich für ausreichend, um die Herausforderungen für die Zukunft zu meistern? – Nein, Herr Pinkwart, das, was Sie jetzt in diesem Jahr und auch für die kommenden Jahre als Verpflichtungsermächtigungen für neue Studienplätze in diesem Haushalt festgeschrieben haben, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Allein für die Jahre bis 2010 errechnet nämlich die Hochschulrektorenkonferenz ein Defizit von

1 Milliarde € für Nordrhein-Westfalen. Die durchschnittlichen Kosten eines Studienplatzes liegen um 1.900 € pro Jahr höher als im Pakt veranschlagt, sagt die HRK. Darin sind keine Investitionen für Hörsaalgebäude, Labore und Seminarräume enthalten. Der Pakt enthält – das ist auch aus unserer Sicht das größte Defizit – außerdem keinerlei Mittel für den Mehrbedarf durch die Bologna-Reform und für die Studienreform in den Bachelor- und Masterstudiengängen.

Deshalb sagen wir: Dieser Pakt ist kein Zukunftspakt, sondern ein Dumpingpakt, Herr Minister Pinkwart.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eines muss man Ihnen vor allem vorwerfen: Sie haben in Berlin schlecht verhandelt. Wieder einmal werden wirtschaftsstarke, aber ausbildungsfaule Länder wie Baden-Württemberg für die Revision ihres Studienplatzabbaus durch die Verteilung der Mittel über den sogenannten Königsteiner Schlüssel sogar noch besonders belohnt.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Dasselbe Spiel hatten wir ja auch schon bei der Exzellenzinitiative. Das ist ja nur die Fortsetzung. Auch hier waren Sie ja offensichtlich kein Schwergewicht am Verhandlungstisch der Länder, Herr Pinkwart.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Sie ha- ben zehn Jahre Politik gemacht in Nordrhein- Westfalen!)

Gute Qualität in der Lehre war mitnichten ein Wettbewerbskriterium für Exzellenz. Belohnt wurden ausschließlich Baden-Württemberg und Bayern, die bisherigen Ausbildungsmuffel unter den Ländern. Da kann ich Sie nur auffordern: Setzen Sie sich ein für unser Land, Herr Minister Pinkwart!

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Genau das tun wir!)

Der entscheidende Knackpunkt am Hochschulpakt und an der entsprechenden Verpflichtungsermächtigung im Haushalt aber ist, dass die anvisierte Förderung der Lehre nur bis 2010 reicht. Dabei wird die Zahl der Studienberechtigten nach 2010 noch erheblich steigen. Warum heißt denn dieser Zukunftspakt eigentlich Zukunftspakt 2020, wenn er doch nur bis 2010 geht?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Hochschulen brauchen Planungssicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sie rechtzeitig eine ausreichende Zahl von qualifizierten

Lehrenden über das Jahr 2010 hinaus einstellen können. Diese Planungssicherheit vermissen wir in Ihrem sogenannten Zukunftspakt, Herr Pinkwart.

Darüber hinaus fehlt ein Konzept. Es fehlt ein Konzept, das schlüssig darstellt, wie die zu erwartenden Bundesmittel bis 2010 verteilt werden sollen.

Aber nicht nur der sogenannte Zukunftspakt der schwarz-gelben Landesregierung ist eine Mogelpackung, sondern beispielsweise auch das, was Sie als Frauenförderung im Haushalt verkaufen. Zunächst einmal kürzen Sie ganz eindeutig 3,4 Millionen € bei der Frauenförderung. Wenn die Landesregierung aber den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen an Hochschulen erheblich steigern will, dann müssen die von Rot-Grün eingeleiteten Best-Practice-Maßnahmen und auch die Weiterführung der zentralen Steuerungselemente im Rahmen der Chancengleichheit fortgeführt werden.

Es ist in der Tat Etikettenschwindel, wenn jetzt 15 % der Mittel aus dem Innovationsfonds für die Berufung von Wissenschaftlerinnen auf Professuren vergeben werden. Was soll denn das für eine Innovation sein, Herr Pinkwart, wenn Sie den Frauen hieran einen Anteil von gerade einmal 15 % zutrauen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sind sicher, dass hier kein zusätzlicher Euro mehr fließt als bisher, wenn man bedenkt, dass der Professorinnenanteil in Nordrhein-Westfalen etwa genau dieser Zielgröße entspricht.

Aber an entscheidenden Steuerungsmöglichkeiten wie zum Beispiel bei der leistungsorientierten Mittelvergabe – an einer so entscheidenden Stelle – fällt der Parameter Gleichstellung bei den Professorinnen weg. Hier scheint der von Ihnen so hoch gepriesene Wettbewerb offensichtlich nicht angesagt. Bei jeder Gelegenheit philosophieren Sie über einen Wechsel von der Input- zur OutputSteuerung. Aber hier, wo wir schon eine lupenreine Output-Steuerung hatten, da wollen Sie plötzlich nichts mehr davon wissen. Hier, wo es – wenn Sie bei der Frauenförderung weiter schlafen – den Hochschulen tatsächlich wehtun könnte, knicken Sie vor den Old-Boys-Networks ein.

Was die Arbeit der Koordinierungsstellen, der LaKoF und des Netzwerks Frauenforschung angeht, machen Sie lieber überhaupt keine Angaben mehr. Es bleibt im Dunkeln, wie viel Mittel aus der Titelgruppe 64 zukünftig für die entsprechende Arbeit fließen sollen. Dabei wäre es so einfach

gewesen: Wir hatten einen Antrag zur Ergänzung der Haushaltserläuterung gestellt, der nicht einen Cent zusätzliches Geld gekostet, aber viel Planungssicherheit gebracht hätte. Doch selbst diesen Antrag, Herr Brinkmeier und Herr Lindner, haben Sie abgelehnt. Also hören Sie doch bitte auf, von Planungs- und Zukunftssicherheit zu reden! Hier hätten Sie die Chance gehabt, doch hier haben Sie gezeigt, dass Sie genau das nicht wollen. Sie wollen eben keine Planungssicherheit bei der Frauenförderung. Wenn man es auf den Punkt bringen will, muss man leider sagen: Sie wollen eigentlich keine vom Land verantwortete Frauenförderung mehr an unseren Hochschulen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Innovativ, lieber Herr Pinkwart, ist das nicht.

Aber auch im sozialen Bereich – das ist mein dritter Punkt –, wenn es um die Studentenwerke geht, ziehen Sie die Daumenschrauben enger. Im letzten Haushalt haben Sie in diesem Bereich noch massiv die Zuschüsse gekürzt – mit dem Ergebnis, dass der mühsam in Gang gekommene Prozess zur Erschließung neuer Geschäftsfelder und wirtschaftlicher Eigenständigkeit ins Stocken geraten ist. In diesem Haushalt bleiben nun nicht nur die Zuschüsse auf diesem niedrigen Niveau, nein, Sie stellen auch die Zuschüsse für die Studentenwohnraumförderung auf Darlehen um und kürzen sie in diesem Zusammenhang um fast die Hälfte. Damit erschweren Sie ganz eindeutig weiter die Bemühungen der Studentenwerke, nach der Novellierung des Studentenwerksgesetzes mehr wirtschaftliche Eigenverantwortung zu übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch insofern bleibt für mich die Frage: Was soll dieser Widerspruch? Man muss ja fast den Eindruck haben, dass Sie selbst Reformprozesse, die von ihrer Natur her eigentlich in Ihre Welt hineinpassen würden, abwürgen, nur weil sie von der rot-grünen Vorgängerregierung angestoßen wurden. Innovativ ist das, Herr Pinkwart, beileibe auch nicht.

Deshalb sagen wir: Ihre Haushaltspolitik ist nicht innovativ. Sie nicht innovativ, weil sie nicht zukunftsfähig ist, weil Sie nicht genügend Studienplätze schaffen und weil die Hochschulen jetzt schon voll sind. Sie ist nicht innovativ, weil sie unsozial ist, weil Studiengebühren junge Menschen vom Studium abhalten und weil der Unterhalt künftig noch teurer wird. Und sie ist nicht innovativ, weil sie frauenfeindlich ist, weil Sie die Programme zur Chancengleichheit komplett zurück

fahren und weil Sie die Arbeit der Koordinierungsstellen einschränken.

Unsere Haushaltsanträge für eine Studienplatzoffensive und eine gute Frauenförderpolitik liegen Ihnen vor. Es wäre gut für unsere Hochschulpolitik, wenn Sie diesen zustimmen würden, damit aus diesem Wissenschaftsverwaltungshaushalt dann doch noch so etwas wie ein Innovationshaushalt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Dr. Seidl. – Für die FDP spricht nun der Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Herr Schultheis, Sie haben hier noch Material liegenlassen; ich bringe es Ihnen gleich.

(Karl Schultheis [SPD]: Schenke ich Ihnen!)

Ich darf das behalten?

(Zuruf von der SPD: Es ist ja bald Weihnach- ten!)

Okay, dann nehme ich das und auch ihre persönlichen Anmerkungen gerne zu den Akten.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Vorlesen! Dann bekommen Sie auch Beifall von uns!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man in einem Lexikon schaut und unter „parlamentarische Opposition“ nachschlägt, wird man darüber belehrt, dass die Opposition die Regierung zu kontrollieren habe,

(Karl Schultheis [SPD]: Das sollte das Par- lament machen, Herr Lindner, nicht nur die Opposition! Komisches parlamentarisches Verständnis haben Sie!)

und dass sie sich auch in Details des Regierungshandelns einbringen soll. Im Übrigen findet man in der Lehrbuchdefinition den Hinweis darauf, dass die Opposition eine Alternativfunktion hat.

(Karl Schultheis [SPD]: Ich weiß nicht, in welchem Duden Sie das nachgeschaut ha- ben!)

All das sind Sie heute hier schuldig geblieben.