Protokoll der Sitzung vom 21.12.2006

Herr Minister Wittke, auch wenn Sie gleich verkünden, wie viel Geld Sie für den Wohnungsbereich ausgeben, frage ich Sie: Brauchen Sie das Landeswohnungsbauvermögen nicht? Regelt das jetzt auch der freie Markt? – Dieser Richtungswechsel ist ein entscheidender Grund, weshalb die SPD-Landtagsfraktion den Bereich Bauen und Stadtentwicklung im Haushaltsentwurf 2007 ablehnt.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie mir trotz meiner etwas rauen Stimme geschenkt haben.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU hat jetzt Herr Kollege Sahnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Einzelplan 14 werden Wohnungs- und Städtebau gemeinsam besprochen. Wir können in diesem Bereich sehr deutlich feststellen, dass wir die in 2006 begonnene Politik gerade im Haushalt 2007 in wesentlichen Punkten fortschreiben. Es ist wichtig, ein paar Punke aus der Bilanz deutlich hervorzuheben.

Der erste Punkt: Wir setzen in der Förderpolitik auf Kontinuität und Verlässlichkeit. Dies geschieht im Gegensatz zu der Mär, die Sie verbreitet haben, Frau Ruff-Händelkes, wonach ein Einbruch käme. Das ist absolut nicht der Fall. Wir werden weiterhin auf einem hohen Niveau fördern. In diesem Jahr sind Darlehen in Höhe von 917 Millionen € für die Wohnungsbauförderung aus dem Wfa-Vermögen geflossen. Das ist richtig und gut so. Diese Politik wird fortgesetzt.

Zweiter Punkt: Wir wollen Antworten auf gesellschaftliche Veränderungen geben. Stichwort: Demografie. – Es ist notwendig, die Altersversorgung zu ermöglichen. Dazu gehört gerade für junge Familien auch die Eigentumsbildung.

Einen anderen Punkt haben wir in diesem Jahr sehr konsequent durchsetzen können. An vier Beispielen wird deutlich, dass wir Bürokratieabbau betreiben. Das sind die richtigen Antworten. Zum Bürokratieabbau will ich die Stichworte noch einmal kurz in Erinnerung rufen.

Erstens: Wir haben die Fehlbelegungsabgabe dankenswerterweise abschaffen können. Ich denke, an dieser Stelle bekommen wir sogar von vielen Sozialdemokraten Beifall. Das ist gut so; das ist eine richtige Entscheidung.

Zweitens: Wir haben die Zweckentfremdungsverordnung zum 31. Dezember aufgehoben.

Drittens: Wir haben die Kündigungssperrfristverordnung neu geregelt.

Viertens ist in diesem Zusammenhang wichtig: Wir haben die Zahl der Genehmigungsbehörden für Maßnahmen der sozialen Wohnraumförderung von 88 auf 54 reduziert. Dabei legen wir in besonderer Weise jetzt den Schwerpunkt auf Kreise und kreisfreie Städte.

Wohnungsbaupolitik ist vor allem auch im Hinblick auf das zu sehen, was wir in diesem Jahr beschlossen haben. Das ist gerade im Kontext der Entscheidung der Landesregierung und der Bestätigung durch das Parlament im Hinblick auf den Verkauf der LEG der Fall. Das ist eine sicherlich ganz wichtige Maßnahme.

Wir haben richtig daran getan, sehr anspruchsvolle Sozialstandards zu formulieren. Wir sind sehr dankbar, dass Finanzminister Dr. Helmut Linssen und Bauminister Oliver Wittke eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt haben, die diesen Prozess sehr sorgfältig begleitet. Sie achtet darauf, dass die von uns festgelegten und formulierten Standards eingehalten werden. Das ist ein wichtiger Punkt.

Ich komme noch einmal zu Ihrer Mär, wir würden das Wohnungsbauvermögen abschmelzen oder sogar verhökern, wie Sie es ausgedrückt haben. Das ist absolut nicht der Fall. Ich habe schon erwähnt, dass auch in diesem Jahr 917 Millionen € abgeflossen sind. Diese Höhe an Mitteln gab es in den letzten Jahren mehr oder weniger immer. In gleicher Weise ist die Zahl der Fälle auf diesem hohen Niveau geblieben. Dadurch wird die Kontinuität auf diesem Gebiet deutlich.

Lassen Sie mich noch einmal auf den Grundstücksfonds zu sprechen kommen. Wir setzen in den Jahren 2007 und 2008 zwei Maßnahmen aus dem Zinsgewinn des Wohnungsbauvermögens für Mittel des Grundstücksfonds ein, damit eine Komplementärfinanzierung erfolgen kann. Das haben Sie richtig gesagt. Würden wir das nicht tun, müssten wir entweder das Geld aus dem Landeshaushalt nehmen oder die EU-Mittel zurückgeben. Beides wollen wir nicht. Deswegen haben wir uns für die Jahre 2007 und 2008 für diesen Weg entschieden. Wir unterstützen diesen vorgeschlagenen Weg ausdrücklich.

Zum Städtebau: Wohnungsbau und Städtebau hängen eng zusammen. Das wird in besonderer Weise deutlich, wenn wir uns das Stichwort „Soziale Stadt“ ansehen. Da wird eine Menge getan. Die Rahmenbedingungen ändern sich gerade in diesem Bereich erheblich, und es geschieht deutlich etwas. Sie haben darauf hingewiesen, dass das vom Bundesfinanzministerium kommt. Nun gut; wenn das so ist, ist das sicherlich zu begrüßen. Wir steuern aber auch aus dem eigenen Haushalt eine Menge bei. Wir haben als Land ja auch den Auftrag, diese Dinge umzusetzen.

Für uns ist es ganz wichtig, an den Punkten festzuhalten, die wir in einer gemeinsamen Sitzung in Gelsenkirchen beschlossen haben, nämlich im Bereich des Städtebaus in besonderer Weise die Innenstädte zu betonen und uns deutlich das Stichwort „Soziale Stadt“ vorzunehmen. Dazu gehören auch einschneidende Maßnahmen bis hin zum Rückbau. Vornehm heißt es „Stadtumbau West“. Konkreter könnte man von Rückbau sprechen. Etwas platter ausgedrückt handelt es sich um einen Abriss. Das ist eine notwendige Maßnahme. Wir stehen dazu. Wir sind der Auffassung, dass das in diesem Zusammenhang mit erledigt werden muss.

Insgesamt sind wir der Auffassung, dass wir gerade im Bereich des Städtebaus auf einem vernünftigen Weg sind. Ich habe die Punkte, die wir seinerzeit in Gelsenkirchen besprochen haben, schon erwähnt. Ich denke auch, dass wir durch Evaluierung des Programms von Immobilien- und Standortgemeinschaften in 21 ausgewählten Städten die gemeinsame Erkenntnis gewonnen haben, dass wir uns den Innenstädten verstärkt zuwenden müssen. Das tun wir. Ich will einfach einmal das Stichwort Kamen-Süd nennen, das aufgerufen ist. Wir werden das alsbald, wohl im kommenden Jahr, angehen – allerdings in Verbindung mit Einzelhandelserlassen und planungsrechtlichen Fragen. Wir haben uns verständigt, das gemeinsam anzugehen.

Unser ausdrücklicher Wille ist aber – das wiederhole ich an dieser Stelle –, das gemeinsam mit den Einzelhandelsverbänden, aber auch mit den Städten und Gemeinden zu tun. Wenn wir das schaffen, ist das ein richtiger Weg. Dann sind wir tatsächlich dabei, den Städten ein neues Gesicht zu geben und sie zu wirklichen Zentren zu machen, wo Lebensqualität deutlich wird, wo Menschen gut leben können, wo Kultur, Kommunikation, aber auch Handel und Dienstleistung sowie Wohnen möglich ist. Das ist unsere Zielsetzung.

Wenn wir das erreichen, sind wir auf einem guten Wege, im Bereich „Städtebau und Wohnen“ den Anspruch dieser Regierung zu erfüllen, den der Ministerpräsident häufig zitiert: Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb stimmen wir dem Entwurf von Einzelplan 14, Teilbereich „Städtebau und Wohnen“, in zweiter Lesung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sahnen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Kollege Sahnen, der Einzelplan 14 zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass er auf der einen Seite von wirtschaftlicher Vernunft und auf der anderen Seite von dem Gedanken sozialer Gerechtigkeit geprägt ist. Vielmehr nehme ich an, dass dieser Haushalt von dem ideologischen Grundsatz der Heuschreckenpartei geprägt ist und von einem ideologischen Grundsatz eines Ministers,

(Ralf Witzel [FDP]: Hilfe!)

der das in der Vergangenheit schon öfter bewiesen hat, nämlich dem Grundsatz „Privat vor Staat“, der aus meiner Sicht an dieser Stelle wirtschaftlich nicht vernünftig ist.

„Privat vor Staat“ – mit dieser Ideologie, Herr Minister, haben Sie auch als ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen Ihrer Stadt eine Altlast hinterlassen, die der jetzige Oberbürgermeister abräumen muss. „Gelsenkirchen saniert den Sanierer“ ist die heutige Überschrift in der „taz NRW“, mit dem die misslungene Sanierung des Hans-Sachs-Hauses jetzt mit einem PPP-Modell beendet werden soll. 20 Millionen € muss die Stadt Gelsenkirchen für die Altlasten von Oliver Wittke aufbringen. Damit stellt sich heute die Frage, was das Land zukünftig für die

vom Abbruchminister produzierten Altlasten aufbringen muss.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dieser Haushalt ist für den Bereich „Städtebau und Wohnen“ kein Haushalt für die Zukunft, sondern es ist ein Haushalt des Abbruchs. Es ist ein Haushalt mit gekürzten Investitionen. Es ist ein Haushalt, mit dem zulasten künftiger Generationen verzehrt wird. Es ist ein Haushalt des Stillstands in der Stadtentwicklung. Es ist ein Haushalt mit mehr Flächenverbrauch. Es ist ein Haushalt mit Zersiedlung und Umweltzerstörung, und vor allem ist es ein Haushalt gegen die Mieterinnen und Mieter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe bedeutet Sozialwohnungen für Reiche. Subventionsvorteile werden in diesem Land – in diesem Fall allerdings mit tatkräftiger Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion – nicht mehr abgeschöpft. Im Ergebnis fehlen der Wfa und dem Wohnungsbauvermögen des Landes insgesamt 34 Millionen € jährlich an Einnahmen. Es passt ins Bild, dass der Investitionsrahmen für die Modernisierung und den Neubau von Wohnungen um 40 Millionen € zurückgefahren wird. Die Wohnungswirtschaft braucht allerdings diese Investitionen für die Erneuerung der Wohnungsbestände, und die mittelständischen Unternehmen brauchen diese Investitionen in besonderem Maße.

Auch für die Stadtentwicklung und Stadterneuerung sind die Landesmittel in den Städten und Gemeinden in dieser Zeit zur Spardose geworden. Bereits bei der Übertragung der Städtebauförderungsmittel aus dem kommunalen Steuerverbund für den Haushalt 2006 hat es die Beratung nicht überdauert, dass die ursprüngliche Summe der Zweckzuweisungen bereits um 15 Millionen € gekürzt worden ist. Für das Jahr 2007 haben Sie mit weiteren 5 Millionen € zugeschlagen. Sie haben sich also um insgesamt 20 Millionen € von den ursprünglichen 121 Millionen € entfernt. Die Städtebauförderungsmittel als zentrale Investitionsförderungsprogramme in diesem Land sind eigentlich für diese Kürzung zu schade gewesen. Diese Mittel sind bereits allein aus den Verpflichtungen der Vorjahre verplant. Sie haben wenig Geld für neue Maßnahmen – und das vor dem Hintergrund, dass jeder eingesetzte Euro 8 € Nachfolgeinvestitionen nach sich zieht.

In diesem Zusammenhang will ich auf ein weiteres Ärgernis hinweisen. Wer die zeitlichen Abläufe in diesem Jahr gesehen hat, musste zur Kenntnis

nehmen, dass die entsprechenden Erlasse für die Städtebauförderung erst im Oktober die Bezirksregierungen erreicht haben und damit alle fünf Regionalräte ausgehebelt worden sind, ihr gesetzlich verbrieftes Recht wahrzunehmen, über diese Mittel zu beraten und eine Priorisierung vorzunehmen. Das ist besonders kritikwürdig,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

weil man weiß, dass das für das Jahr 2007 wieder genauso angelegt ist. Die Bezirksregierungen sollten die Mittel bereits bis zum 15. Dezember anmelden, ohne dass die Regionalräte – alle fünf! – darüber beraten konnten.

Das und die Anwendung im nächsten Jahr – sie wird nämlich zwingend sein durch die Zuweisung des Jährlichkeitsprinzips in die Fachetats – wird zu enormen Schwierigkeiten beim Abfluss der Städtebauförderungsmittel führen. Um es ganz deutlich zu sagen, Herr Minister Wittke: Entgegen Ihren lauten Ankündigungen, mit denen Sie den Eindruck zu erwecken versuchen, in diesem Kabinett ein Schwergewicht zu sein, glaube ich, dass Sie in Wahrheit eine der Spardosen von Herrn Linssen darstellen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Unter dieser Landesregierung sind in den Städten und Gemeinden dieses Landes in diesem Bereich Investitionsausfälle in Höhe von 160 Millionen € zu verzeichnen.

In diesem Land soll neuerdings Vermögen verzehrt werden. Diesem Parlament liegt zurzeit der Entwurf zur vierten Änderung des Wohnungsbauförderungsgesetzes vor. Der Hintergrund ist, dass aus dem Wohnungsbauvermögen des Landes – das wurde hier eben erwähnt – die Finanzierung für die Aufgaben der Projekte des Grundstücksfonds erfolgen soll.

Wer sich ein wenig damit beschäftigt hat, herauszufinden, was der wahre Hintergrund ist, weiß: Dass Sie diese Operation vornehmen müssen, ist letztlich der Tatsache geschuldet, dass Sie die LEG privatisieren wollen. Das heißt, Sie haben hier eine weitere Folgewirkung Ihrer „Privat vor Staat“-Ideologie zu verzeichnen. Sie ziehen nämlich aus dem Wohnungsbauvermögen erneut zig Millionen € heraus, weil Sie in diesem Land im nächsten Jahr die LEG privatisieren wollen.

Sie wissen, dass Sie an dieser Stelle eigentlich ein rechtliches Problem vor sich haben. Ich bin sehr gespannt, wie Sie das in den nächsten Monaten umschiffen wollen. Das werden Sie nicht durch eine einfache Gesetzesänderung hinbekommen. Ich bin mir sehr sicher, dass es noch

rechtliche Überprüfungen geben wird, und ich bin gespannt, ob Sie alle Klippen umschiffen können.

Fest steht auf jeden Fall, dass unter der Vorgängerlandesregierung ein solches Verhalten, nämlich ein solcher Verzehr des Wohnungsbauvermögens, ein Tabu war. Sie brechen dieses Tabu, obwohl die Rahmenbedingungen in diesem Land eigentlich eine aktive Wohnungsmarktpolitik des Landes und der öffentlichen Hand notwendig machen.

Meine Damen und Herren, in der Wohnungspolitik folgt diese Landesregierung – dieser Minister – nur einem Ziel: Aus ideologischen Motiven werden den Kommunen sämtliche Instrumente einer aktiven Wohnungsmarktpolitik aus der Hand geschlagen. In wenigen Tagen, zum Jahreswechsel, wird die Kündigungssperrfristverordnung abgeschafft und die Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum wird auslaufen.

Der Abbau des Schutzes der Mieterinnen und Mieter vor dem Kündigen der Wohnung dient aber einzig und allein dem Zweck, den Verkaufspreis für die LEG-Wohnungen nach oben zu treiben. Zum Zweck der Haushaltssanierung wird mehr als 300.000 Menschen in den LEG-Wohnungen eine sichere Zukunft genommen. In diesem Sinne werden mehr als 300.000 Menschen in den LEGWohnungen den Heuschrecken zum Fraß vorgeworfen.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Die „Heuschrecken-Liberalen“ sorgen für eine höhere Marge in der Immobilienwirtschaft. – Aber dass die CDU-Fraktion, die sich früher als Oppositionsfraktion für die Kommunalisierung der Zweckentfremdungsverordnung eingesetzt hat, jetzt davon nichts mehr wissen will, sondern bei diesem Kurs mitmacht, ist aus meiner Sicht hoch bedauerlich.

Zusammengefasst lässt sich feststellen: Die selbst ernannte Partei eines selbst ernannten Arbeiterführer, die selbst ernannte Partei der sozialen Schutzrechte macht in der Wohnungs- und in der Wohnungsmarktpolitik das Gegenteil. Sie zerschlagen jeglichen sozialen Ansatz der Wohnungspolitik in NRW. Das machen Sie mutwillig. Sie wissen, was Sie tun, und Sie setzen das alles auf den Altar der FDP. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)