Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Auf den Internetseiten der Bezirksregierung Arnsberg heißt es unter der Überschrift „17 Jahre REN-Programm in NRW, die Erfolgsstory“:

„Nordrhein-Westfalen will … beim Einsatz der regenerativen Energien in Deutschland führend werden. Das Engagement der Landesregierung spiegelt sich deshalb auch in der Höhe der Haushaltsmittel für das REN-Programm wider.“

Wie wahr, wie wahr, kann man da nur sagen. Diese Landesregierung hat das REN-Programm im Jahre 2006 und 15 % und in diesem Jahr um weitere 43,5 % zusammengestrichen: keine Knete, kein Engagement!

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Wo der Arnsberger Regierungspräsident Recht hat, hat er Recht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Nicht besser, Herr Kollege Pinkwart, sieht es bei der Energie- und Umweltforschung aus. Energieforschung sei ein zentraler Schwerpunkt, feiern Sie sich auf der Homepage des Ministeriums. Nur beim Geld folgt eine Kürzungswelle der nächsten.

(Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pink- wart)

So gehören die Zeiten schnell zur Vergangenheit, Herr Pinkwart, an denen 20 % der Standorte zur Energieforschung in NRW angesiedelt waren – so viele wie in keinem anderen Bundesland. So verspielt diese Landesregierung Zukunft. Erneuerbare Energien sind Zukunft. Doch die Landesregierung koppelt sich von dieser Wachstumsbranche ab.

Das ist ein verhängnisvoller Irrtum. Das belegt die letzte Ausgabe der „Wirtschaftswoche“; ich weiß nicht, ob Sie schon Gelegenheit hatten, sie zu lesen. Die Titelgeschichte heißt: Die Umwelttechnik mausert sich zur Wachstumsindustrie des 21. Jahrhunderts. Das Wirtschaftsmagazin be

scheinigt Deutschland die „leistungsfähigste Umweltindustrie der Welt.“ Sie steht vor gigantischen Exportchancen, ist dort zu lesen. In 15 Jahren wird sie die Leitindustrie sein. Wahrscheinlich wird Kanzlerin Merkel das heute bei dem Weltwirtschaftsforum in Davos noch einmal deutlich machen.

Meine Damen und Herren, diese Schritte hat RotGrün im Bund und im Land eingeleitet. Das lassen wir auch nicht wegdiskutieren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Apropos Ökologie: Wir werden uns in den kommenden Plenartagen noch eingehend mit den Folgen des Orkans Kyrill beschäftigen und welche politischen Schritte sich daraus ergeben. Aber ich möchte schon heute die Gelegenheit nutzen, den vielen Helferinnen und Helfern zu danken, die während des Orkans und anschließend unermüdlich im Einsatz waren und sind. Unser Dank gilt der Polizei, der Feuerwehr, dem THW, den Hilfsdiensten, dem Roten Kreuz und den Johannitern, aber auch ganz ausdrücklich den Waldarbeitern und den Forstbediensteten, die nach Kyrill rund um die Uhr damit beschäftigt sind, die erschreckend hohen Schäden, die ich am Wochenende zum Teil auch selbst gesehen habe, zu beseitigen und den massiv betroffenen Waldbauern zu helfen.

In einer solchen Notsituation zeigt sich, welch ungeheuer hohen Stellenwert ehrenamtliches Engagement für eine Gesellschaft hat. Bei uns in NRW ist das Ehrenamt lebendig. Auch deshalb ist es richtig und gut, dass Bundesfinanzminister Steinbrück bürgerschaftliches Engagement über Steuererleichterungen mit immerhin 400 Millionen € belohnen will.

(Beifall von der SPD)

Die Union im Bund sollte die Kritik daran zurücknehmen. Es ist ein kleiner, ein ganz kleiner Ausgleich für den freiwilligen Dienst ohne Lohn, den Tausende von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land an ihrer Gesellschaft leisten, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, kommen wir zu den Hauptleidtragenden Ihrer Politik des Haushalts 2007! Wir müssen die Zukunft der Kommunen und ihre Leistungsfähigkeit auf Dauer sichern. Stattdessen belasten Sie sie durch drastische Kürzungen und wälzen auch noch Aufgaben auf sie ab.

Ich will die Folgen des Landeshaushalts 2007 einmal am Beispiel der Stadt Dortmund darstellen: Dortmund erhält aufgrund Ihrer Kürzungen in diesem Jahr 36,3 Millionen € weniger Mittel vom Land. Wenn Sie das mit den Ausgaben vergleichen, die diese Stadt für Kinder in Tagesbetreuung ausgibt – das sind rund 96 Millionen € –, ist das eine dramatisch hohe Zahl.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Andersherum gesagt: In Dortmund könnte ein Drittel mehr an Plätzen in der Tagesbetreuung angeboten werden,

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

wenn Sie dieses Geld für die Stadt nicht gestrichen hätten.

(Beifall von der SPD)

Sie bleiben die Antwort auf die Frage schuldig, wie diese Stadt diesen Ausfall nach Ihrer Vorstellung kompensieren soll.

(Zuruf von der CDU: Mit den Gewerbesteu- ereinnahmen!)

Das habe ich schon gegengerechnet; das brauchen Sie gar nicht hereinzurufen.

Höhere Verschuldung, höhere Gebühren, schlechtere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger werden die Folge sein. Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort werden die Leidtragenden dieser Politik sein, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dann setzen Sie noch einen drauf: Gestern haben Sie uns die Beschlüsse des Kabinetts zu den wirtschaftlichen Betätigungen der Kommunen kundgetan, § 107 der Gemeindeordnung. So wie es jetzt verabredet ist, verbieten Sie die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in wesentlichen Aufgabenfeldern. Die versprochene Bestandsschutzklausel – seien sie ehrlich zu den Menschen! – soll das doch alles nur verkleistern. Aus einem plötzlichen Tod machen Sie nur einen langsamen Tod auf Raten. Das Ergebnis ist das gleiche: Tot bleibt tot. In der Wirtschaft gibt es keine Wiederauferstehung.

(Beifall von der SPD)

Das Schlimme ist, dass Sie aus ideologischer Verblendung heraus ohne jede selbstkritische Überprüfung handeln. Das Credo „Privat vor Staat“ ist Ihre oberste Handlungsmaxime. Gewinne sollen privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Das ist neoliberale Politik von vorgestern.

Das ist die Politik dieser Landesregierung, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD – Lachen von Horst Be- cker [GRÜNE])

Genauso falsch sind die Pläne, Herr Finanzminister, das Sparkassenrecht zu ändern. Unsere Politik ist klar. Wir wollen keine Privatisierung. Wir wollen aber auch kein Einfallstor für Privatisierungen. Wir wollen auch kein Einfallstor für Europa. Vor den Folgen einer solchen Gesetzesänderung wurde das Land auch von einem sicherlich unverdächtigen Zeugen gewarnt.

Der Stadtrat von Straelen – ich kann es Ihnen nicht ersparen, Herr Kollege Linssen –, der immerhin von einer Zweidrittelmehrheit der CDU regiert wird, hält größte Vorsicht für nötig – so ist in der Resolution zu lesen –, damit Großbanken oder Finanzkonzernen kein Einfallstor geöffnet wird.

Herr Finanzminister, wie weit ist es eigentlich von Issum nach Straelen? – Ich habe im Routenplaner nachgeguckt: Es sind 18,6 km. Reden Sie doch einmal mit Ihren Freunden vor Ort!

(Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik des Landes soll dazu dienen, den Wirtschaftsstandort voranzubringen, um damit Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Sie haben es selbst gerade verkündet, Frau Ministerin Thoben: In den letzten 40 Jahren sind zwar 2,2 Millionen Stellen verloren gegangen, aber es sind 3,4 Millionen neue Stellen entstanden. In 40 Jahren hat NRW also um 1,2 Millionen Stellen zugelegt. 40 Jahre sind 39 plus 1. Das ist in der Regierungszeit der SPD erreicht worden.

(Beifall von der SPD)

Das zeigt aber vor allem, dass es weit besser um die Wirtschaft in unserem Land steht, als Sie das lange wahrhaben wollten. Aber wir haben immer noch eine zu hohe Arbeitslosigkeit. Der Strukturwandel gerade im Ruhrgebiet kommt voran, aber er ist noch nicht beendet. Es spricht gegen jede Sachkenntnis, wenn die Wirtschaftsministerin verkündet, der Strukturwandel stehe praktisch vor dem Abschluss.

(Lachen von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Das ist peinlich!)

Die FDP ist an dieser Stelle dankenswerterweise sofort eingeschritten. Die positiven Wachstumsraten der letzten Jahre sollten nicht darüber hinweg

täuschen, dass dort noch viel zu tun ist. Insbesondere bei der strukturell bedingten Arbeitslosigkeit haben wir nach wie vor Probleme. Sie wissen es, Herr Minister Laumann: Bei uns wächst dieser Teil der verfestigten Arbeitslosigkeit um 4,9 %, während bundesweit ein Rückgang von 0,1 % zu verzeichnen ist. Das sind Daten und Fakten. Deshalb muss der Prozess der strukturellen Anpassung unvermindert weitergeführt werden. Genau das tun Sie nicht.

Sie sagen, wir seien im Ruhrgebiet mit der Gießkanne durch das Land gegangen, und sprechen von Leuchttürmen. Das passt zwar nicht zusammen, aber das macht ja nichts. Die EUFördermittel sollen dazu dienen, diese Strukturprobleme in den einzelnen Regionen anzugehen und zu bekämpfen. Wie können diese Gelder ziel- und zweckgerichtet verwendet werden, Herr Kollege Stahl, wenn Sie sie über das ganze Land ausgießen? Sie wollen umverteilen zulasten der strukturschwachen Gebiete, zulasten des Ruhrgebiets. Das dürfen wir nicht zulassen. Auch das ist der falsche Weg in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, was haben die Bürgerinnen und Bürger im Jahre 2007 von der Landesregierung zu erwarten? – Wir hatten uns nach Ihrer Kabinettklausur Aufschluss darüber erhofft. Aber wenn dort nicht mehr besprochen worden ist als das, was Sie der Presse vorgestellt haben, dann wird es ein mageres Jahr 2007.

Sie wollen die Gemeindeordnung, § 107, verändern – darüber haben wir ja gerade gesprochen – und die Wahl der Räte und die der Oberbürgermeister und Bürgermeister entkoppeln. Das werden wir hier noch reichlich diskutieren. Völlig indiskutabel empfinde ich Ihre Entscheidung, die Stichwahl bei den Bürgermeisterwahlen abzuschaffen.

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Demokratie findet nicht mehr statt!)

Dann wird demnächst womöglich ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin für sechs Jahre mit weniger als 20 % der Stimmen der Wahlberechtigten gewählt. Beispielsweise wäre dies in Duisburg der Fall gewesen, wo Herr Sauerland mit nur 19,2 % der Wahlberechtigten zum Oberbürgermeister gewählt worden wäre. In Bad Oeynhausen wäre das mit 17,9 %, in Hagen mit 18,5 %, in Warstein mit 19,5 % und in Ratingen mit 18,9 % geschehen. Meine Damen und Herren, was Sie da planen, ist schlicht und einfach undemokratisch. Sie