Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Dann wird demnächst womöglich ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin für sechs Jahre mit weniger als 20 % der Stimmen der Wahlberechtigten gewählt. Beispielsweise wäre dies in Duisburg der Fall gewesen, wo Herr Sauerland mit nur 19,2 % der Wahlberechtigten zum Oberbürgermeister gewählt worden wäre. In Bad Oeynhausen wäre das mit 17,9 %, in Hagen mit 18,5 %, in Warstein mit 19,5 % und in Ratingen mit 18,9 % geschehen. Meine Damen und Herren, was Sie da planen, ist schlicht und einfach undemokratisch. Sie

werden damit zur Politikverdrossenheit der Menschen in diesem Land beitragen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Darüber hinaus steht das RVR-Gesetz an. Sie wollen den Vorstand des RVR abschaffen, und zwar frei nach dem Motto: Wenn das Wahlvolk nicht so wählt, wie es der Regierungsmehrheit passt, umso schlechter für das Wahlvolk. Dann ändern wir halt die Strukturen, damit das alles so ist, wie wir es wollen.

(Zurufe von der CDU)

Noch schlimmer ist jedoch das, was Sie beim Landespersonalvertretungsgesetz planen. Angeblich ist dieses Gesetz hinderlich beim Personalabbau. Ich sage Ihnen: So, wie Sie das mit Ihrem Gesetzentwurf vorhaben, kann und darf man mit den Menschen, mit den Mitarbeitern in diesem Land nicht umgehen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihr Parteifreund Zylajew, MdB, hat die Personalräte der Ministerien und Behörden in NRW in einen direkten Zusammenhang zu dem Skandal bei VW gestellt. Ihr eigener Personalrat in der Staatskanzlei, Herr Ministerpräsident, hat Sie gebeten, dazu ein klärendes Wort zu sprechen. Hier und heute haben Sie Gelegenheit dazu.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dass nicht nur wir das mit dem LPVG so sehen, zeigen auch die Ausführungen Ihres Parteifreundes von der CDA. Herr Minister Laumann dreht sich schon weg; er weiß, was kommt. In einem Brief, aus dem ich zitiere, wird Ihnen bescheinigt:

„Die dort genannten Beispiele, warum das alles nicht funktioniert, sind schlichtweg getürkt“

„können alle bei intelligenter und richtiger Anwendung des Gesetzes ad absurdum geführt werden.“

Hören Sie bitte auf, diese Stimmen aus Ihren Reihen zu ignorieren! Sie – insbesondere Sie als CDA-Chef – können doch nicht allen Ernstes mit einem Landespersonalvertretungsgesetz hinter die Rechtsmöglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes zurückgehen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Minister Laumann!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Hauptpersonalräte sprechen von Politik nach Gutsherrenart. Es droht die Gefahr, dass Motivation und Leistungsbereitschaft Schaden nehmen.

Für mich ist eines ganz wichtig: Das Menschenbild, das bei Ihnen dahinter steht, ist falsch. Ich habe dort gearbeitet und habe die Ministerien kennengelernt. Ich sage Ihnen: Diese Menschen wollen Leistung bringen, sie wollen aber auch mitreden. Wenn Sie Veränderungsprozesse in diesem Land zu einem guten Ziel bringen wollen, dann müssen Sie die Menschen mitnehmen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dann ist der Spruch falsch, dass man nicht die Frösche fragen darf, wenn man den Teich austrocknen will. Die Frösche wissen, wie es richtig geht, dass dieser Teich lebenswert funktionieren kann. Das ist der richtige Weg.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Gegen die Menschen kann man das nicht umsetzen, aber ich fürchte, Sie werden genau das tun. Herr Papke hat ja bezogen auf die Demonstrationen vor der FDP gesagt:

„Endlich haben wir mal eine richtige Demonstration. Ich hatte schon Sorge, dass wir mit unserer Reformpolitik nicht konsequent genug sind.“

Herr Kollege Papke, das ist arrogant und unverschämt. Das ziemt sich nicht.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Zynisch! – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Sie sind unverschämt!)

Mit solch flotten Sprüchen kommen Sie ja auch bei der Privatisierungspolitik des Landes – Stichworte: LEG, WestLB. Welche Strategie haben Sie da eigentlich? Der Ministerpräsident sagt, LEG und WestLB könnten im Jahre 2007 noch nicht privatisiert werden. Völlig unklar bleibt, wie der ominöse Innovationsfonds überhaupt mit Leben gefüllt werden soll. Oder ist Ihre Strategie, Herr Papke, dass Sie sich in Wahrheit um den Kollegen Pinkwart sorgen?

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Ich mache mir Sorgen um Sie!)

Denn ohne Innovationsfonds hat er ja eigentlich nicht so richtig Geld zur Verfügung, mit dem er etwas machen kann. Ich habe den Eindruck, Sie machen ein ABM-Programm für Minister Pinkwart. Das steht in Wirklichkeit dahinter.

(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und das auch noch öffentlich geför- dert!)

Nun warten wir alle ganz gespannt – auch dieses Thema kann ich Ihnen nicht ersparen – auf Ihre

Bundesratsinitiative zum Arbeitslosengeld I. Herr Kollege Laumann hat ja nach der Beerdigung dritter Klasse durch Merkel und Kauder die Zahlen vorgelegt. Diese besagen, was wir schon immer gewusst haben, wer belastet wird: Frauen, junge Familien, ältere Menschen, die schon einmal arbeitslos waren.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ja, ja, ja!)

Nun wollen Sie das alles über den Bundesrat machen. Dies hatten Sie uns ja angekündigt, Herr Ministerpräsident, die Kollegen Lindner, Stahl und alle anderen auch. Ich rate Ihnen: Beeilen Sie sich mit der Bundesratsinitiative! Ich glaube, der Stoiber ist nicht mehr lange da. Vielleicht unterstützt der Sie wenigstens noch dabei.

(Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜ- NEN)

Oder gibt es Probleme mit dem Preis, den die FDP für diese Bundesratsinitiative gefordert hat? Ich habe das ja verfolgt: Den Kündigungsschutz müssen wir wegräumen und die Tarifautonomie gleich mit erledigen; das hatten Sie ja direkt gesagt. – Herr Minister, Sie sind ja offensichtlich auch schon auf der Reise nach Dänemark.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Sie erzählen die Unwahrheit! Das ist einfach falsch! – Gegen- ruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist doch beschlossen! Lesen Sie die Protokolle!)

Herr Kollege Papke, Sie können doch gleich noch in Ruhe reden. – Ich glaube, der Preis ist am Ende zu hoch. Sonst werden Sie noch mehr Fälle erleben, wie den Fall des Ratsherrn Walter Weber aus Lindlar. Da ich weiß, dass Sie uns gleich mit dem Austritt von Rüdiger Frohn kommen, der allerdings schon vor anderthalb Jahren stattgefunden hat, komme ich jetzt zum Austritt des Ratsherrn Walter Weber aus Lindlar. Der hat Ihrer Partei nach 20 Jahren Ratsmitgliedschaft zu Weihnachten den Rücken gekehrt. Der „Kölner StadtAnzeiger“ zitiert:

„Als besonders schlimm empfinde er die Landespolitik unter Jürgen Rüttgers, die von ‚gebrochenen Wahlversprechen und Lügen nur so gespickt’ sei. ‚Man sehnt sich ja fast wieder nach Rot-Grün’.“

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Guter Mann!)

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die auf Innovationen setzt, statt Stillstand zu verwalten. Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die neue Beschäftigung schafft, statt Alimentierung zu verlängern,

und wir brauchen eine Bildungspolitik, die Chancen schafft, statt neue Hürden aufzubauen.

Wir brauchen eine Familienpolitik, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich sicherstellt, statt Frauen zu benachteiligen. Wir brauchen eine konsequente Umwelt- und Klimaschutzpolitik, mit der wir weiter technologischer Vorreiter sein können, statt den Anschluss zu verlieren. Und wir brauchen eine Energiepolitik, die uns unabhängig von Importen macht, statt neue Abhängigkeit zu schaffen.

Wir müssen bereit sein, neu zu denken. Wir müssen die Herausforderungen annehmen, darum ringen, sie zu gestalten. Politik muss gestalten und darf nicht nur verwalten. Nordrhein-Westfalen braucht neue Antworten auf die Fragen der Zukunft.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit den Antworten von gestern und den Konzepten von vorgestern werden wir diese Herausforderungen nicht meistern können. Herr Ministerpräsident, fangen Sie an, gestalten Sie endlich die Zukunft! Sonst werden Ihre Regierungsjahre verlorene Jahre für Nordrhein-Westfalen sein, und das darf nicht passieren. – Glück auf!

(Lang anhaltender Beifall von der SPD – Bei- fall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kraft. – Für die CDU spricht nun der Fraktionschef, Herr Stahl.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Nach dem Flachsinn dieser Rede halte ich es lieber mit der Realität.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Die Realität ist Gott sei Dank eine andere.