Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

Die haben nämlich verstanden, dass Sie bei Kindergartenbeiträgen bis 140 € keine Bedenken haben. Die haben verstanden, dass sie für die Kosten der Ganztagsbetreuung, soweit sie überhaupt diesen Begriff rechtfertigt, bis zu 100 € zu bezahlen haben.

(Frank Sichau [SPD]: Bis zu!)

Damit gab es überhaupt kein Problem. Die haben aber auch verstanden, dass wir fordern, knapp 85 € im Monat zu nutzen, um an Universitäten wieder Studienbedingungen zu schaffen, die auch denjenigen, die dort Abschlüsse anstreben, hinterher im Wettbewerb helfen, Arbeitsplätze zu bekommen.

Bitte vergleichen Sie einmal, was Sie denjenigen zumuten, die bei Ihrer Schulpolitik studieren müssen. Es gibt fast 25 % Studienabbrecher, die eine Lehre beginnen, weil sie nicht vorbereitet sind. 20 % der Schulabgänger sind nicht ausbildungsfähig. Und dann wagen Sie es, noch zu tönen, Sie hätten für eine gescheite Bildung gesorgt? - Das sind die Verlierenden dieser Zeit. Das werden wir in der nächsten Zeit ändern. Diesen Ballast müssen Sie herumtragen.

Die nachgelagerte Studiengebühr und die Befreiung derer, die BAFöG bekommen, sind die Schienen, die helfen, jedem einen Studienplatz anzubieten, auch denen, die vielleicht nicht in der Lage sind, die Kosten zu tragen.

Sie haben heute gegen die Aufhebung von Schulbezirksgrenzen getönt. - Nein, wir haben parallel angeboten, massiv Integrationsmaßnahmen an den Schulen einzuführen, an denen Bedarf besteht. Damit helfen wir, genauso wie mit unserem Sprachunterricht für Vier- bis Sechsjährige. Das ist der Weg, alle schulfähig zu machen. Sie dagegen haben ein bisschen an alle verteilt.

„NRW familienfreundlich“! Zu den Ideen der Familienzentren haben Sie heute keinen Satz gesagt, obwohl das tolle Instrumente sind. Bei allen Wahlveranstaltungen draußen im Land haben wir damit

überzeugen können. Hier werden keine Wahlen gewonnen. Deshalb können Sie hier schimpfen, wie Sie wollen. Die Menschen draußen haben unsere Botschaft verstanden.

Mein letztes Stichwort: Finanzausstattung und Kommunen. Sie sehen die Leistungsfähigkeit der Kommunen gefährdet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, was Sie in den letzten Jahren den Kommunen aufgebürdet haben, verschlechtert massiv die Situation.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Schauen Sie sich doch einmal die Haushalte der Kommunen an. Wenn Sie wissen, dass kaum eine Kommune mehr als 0,7 bis 1 % freies Ermessen hat, wofür sie Ausgaben verwendet, dann hätten Sie keine Bedenken, alle Haushalte klar zu bekommen, wenn wir darauf verzichten.

Was haben Sie stattdessen gemacht? - Es gibt Nothaushalte in fast der Hälfte aller Gemeinden landesweit, weil sie Aufgaben aufgebürdet bekommen haben, die zulasten der Gemeinden gehen. Ich möchte einige simple Beispiele nennen.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU] - Gi- sela Walsken [SPD]: Was machen Sie denn mit den Kommunen?)

Das sind zunächst die hohen zusätzlichen Personalkosten, die Sie beispielsweise meinem Kreis aufbürden, liebe Frau Walsken,

(Gisela Walsken [SPD]: Erzählen Sie doch einmal! Sie sind jetzt in der Regierung!)

indem Sie etwa bei der Heimpflege oder beim Umweltschutz zwölf Verordnungen noch gerade eben auf den Weg gebracht haben, die nun umgesetzt werden müssen. Die Kreise haben alle Personalkosten zu zahlen. Das Land hilft mit keinem Euro.

Sehen Sie sich die Kosten für die Heimpflege an, die Sie vom Landschaftsverband an die Kommunen delegiert haben. Das sind für den Oberbergischen Kreis rund 6 Millionen €. Das entspricht etwa 2,5 % der Kreisumlage, die die Gemeinden zu bezahlen haben.

(Zuruf von Gisela Walsken [SPD] - Weitere Zurufe von der SPD)

- Schreien Sie doch nicht!

(Gisela Walsken [SPD]: Sie schreien doch so!)

Sie können ja gleich belegen, dass meine Aussage falsch ist. Nur: Machen Sie es hier, dann können wir es nachvollziehen.

Nehmen wir den letzten Bereich: 9,2 Millionen € beträgt gegenwärtig das Risiko meines Kreises bei der Unterdeckung von Hartz IV. Wir haben damals zugestimmt

(Gisela Walsken [SPD]: Aha!)

mit dem Wissen um das Versprechen des Bundes: Wir gleichen aus. - Was ist gegenwärtig aus Berlin zu hören? Erstens wissen wir nicht, wie viel wir ausgleichen, und zweitens erst recht nicht, wann. Das ist ein Risiko von knapp 4 % bei der Kreisumlage auch für die Gemeinden in meinem Kreis. Das sind die Dinge, die die Finanzfähigkeit, die die Leistungsfähigkeit der Kommunen gefährden. Und diese Dinge werden wir ändern.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Wenn Sie fragen, Frau Walsken: „Was wollen Sie denn anders machen?“, dann zeigt sich daran genau das, was Helmut Stahl gesagt hat: Sie bleiben verhaftet in den Modellen Ihrer Vergangenheit.

(Gisela Walsken [SPD]: Ich frage nur, was Sie machen, Herr Kollege!)

Wir wollen aber ein völlig …

(Günter Garbrecht [SPD]: Auf das, was Sie gerade angekündigt haben, warten wir ganz gespannt! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Wer schreit, hat Unrecht. Das habe ich schon in Kinderschuhen gelernt.

(Gisela Walsken [SPD]: Dann seien Sie ru- hig, Herr Kollege!)

Die Lautstärke macht Ihre Hilflosigkeit deutlich.

Wenn Sie wissen wollen, was wir alternativ machen, dann empfehle ich Ihnen: Lesen Sie unsere Wahlprogramme, das der Freidemokraten, das der Christdemokraten!

(Gisela Walsken [SPD]: Haben wir schon!)

Lesen Sie die Koalitionsvereinbarung!

(Gisela Walsken [SPD]: Haben wir!)

Und lesen Sie vielleicht noch einmal die Regierungserklärung!

(Gisela Walsken [SPD]: Haben wir auch ge- macht!)

Wenn Sie dann nach wie vor sagen: „Ich weiß es immer noch nicht“,

(Gisela Walsken [SPD]: Deshalb fragen wir ja!)

dann sind wir gerne bereit, Ihnen das Ganze auch in Vieraugengesprächen zu erklären.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Hier im Par- lament! Nicht nur in der Lesestube! Hier!)

Herr Remmel, die Arbeit, unsere Programme zumindest einmal zu lesen, die wollen wir Ihnen nicht abnehmen; denn dann haben Sie auch einmal etwas Vernünftiges zu lesen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Biesenbach. - Als Nächster hat der Kollege Sagel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn Lautstärke kein Argument ist, wie der Ministerpräsident es gerade gesagt hat, dann hat er offensichtlich keine Argumente. Oder, wie Herr Biesenbach gesagt hat: Wer schreit, hat Unrecht. - Da kann ich nur sagen: Dann hat er auch noch Unrecht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Denn eine derartige Brüllveranstaltung, wie ich sie heute vom Ministerpräsidenten erlebt habe, habe ich hier im Landtag, ehrlich gesagt, selten erlebt.

Herr Rüttgers, wenn Sie der Fraktionsvorsitzenden der SPD das Recht absprechen, hier als Fraktionsvorsitzende zu sitzen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Waren Sie nicht auch einmal Minister? Sind Sie nicht auch abgewählt worden? Ist es nicht so, dass Herr Linssen, der jetzt auch am Kabinettstisch sitzt, vor einiger Zeit noch über Sie gesagt hat: „Dass die Hofsänger von Kohl nun die größten Erneuerer sein wollen, ist erstaunlich“? Es ist doch immer wieder interessant, wenn man sich so etwas noch einmal zu Gemüte führt.

(Hans Peter Lindlar [CDU]: Sind Sie jetzt fer- tig?)

Bei diesem neoliberalen Geschwätz, das wir heute vom FDP-Fraktionsvorsitzenden gehört haben - übrigens von einem Menschen, der nicht einen einzigen Tag in seinem Berufsleben tatsächlich in einem Betrieb verbracht hat; das ist, ehrlich gesagt, auch kaum auszuhalten -, ist, glaube ich, noch einmal sehr deutlich geworden: Natur und Landschaft zerstören, durch gentechnisch veränderte Lebensmittel die Gesundheit der Menschen gefährden, Sozialabbau betreiben, Menschen in die Armut treiben - das sind die politischen Vorhaben dieser neuen Landesregierung. Ein Minis