Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

(Beifall von der FDP)

Wir jedenfalls wollen - das hat der Ministerpräsident gestern in seiner Regierungserklärung deut

lich gemacht - Nordrhein-Westfalen und auch die Geschichte des Landes nicht verstellen. Wir wollen auch nicht die Stärken des Landes leugnen. Deshalb sind sie auch eingangs der Regierungserklärung deutlich gemacht worden.

Wir sagen auch im Rückblick nicht, alles sei nur schlecht gewesen und schlecht gemacht worden. Aber wir müssen auch auf die Fehler aufmerksam machen, wenn wir eine klare Analyse wagen. Denn sonst haben wir, und zwar nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition in der kritischen Begleitung der Landesregierung, gar keine Chance, diese Fehler in der Zukunft nicht nur zu vermeiden, sondern aus den Fehlern auch die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, um aus der schwierigen Situation des Landes erfolgreich herauszufinden.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind gewaltig. Das muss in einer solchen Debatte auch gesagt werden. Insbesondere geht es darum, die hohe Arbeitslosigkeit in diesem Land zurückzuführen.

Mich hat schon erstaunt, dass Frau Kraft in ihrer Rede nicht ein einziges Wort zu 1 Million Arbeitssuchenden und ihren Familienangehörigen in diesem Land gefunden hat. Denn um die muss es uns ja gehen. Denen müssen wir ja neue Chancen eröffnen. Hierauf müssen wir unsere Strategien ausrichten, und das - das ist unser Bemühen - mit einer in Zukunft stringenten Politik, indem die einzelnen Politikfelder auch ineinander greifen und auf ein gemeinsames Ziel hin orientiert sind, nicht durch kurzatmige Maßnahmen, sondern durch ein langfristig und in sich konsistent angelegtes Regierungsprogramm.

Das ist Ihnen hier vorgestellt worden. Das muss natürlich in den nächsten Jahren beharrlich verfolgt werden. Da wird es aufgrund der Ausgangslage keine kurzfristigen Erfolgsmeldungen geben können, wie sie die Vorgängerregierung den Wählern immer wieder vorgegaukelt hat. Ich erinnere etwa an die großen Ankündigungen von Herrn Clement, der die Arbeitslosigkeit in NordrheinWestfalen bei Antritt der letzten Landesregierung von damals 800.000 auf 500.000 Arbeitssuchende in diesem Jahr zurückführen wollte. Wir wissen, sie ist heute genau doppelt so hoch.

Es kann nicht darum gehen, den Menschen irgendwelche Ankündigungen vorzugeben, sondern wir müssen den Menschen in diesem Land endlich wieder die Rahmenbedingungen geben, damit sie selbst ihren Beitrag dazu leisten können,

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

dieserlei Misere für unser Land zu überwinden.

(Beifall von der FDP und Manfred Kuhmichel [CDU])

Wir haben in der Rede von Frau Kraft einen Punkt gehört, auf den ich noch eingehen möchte und bei dem ich an den Hinweis von Herrn Rüttgers heute Morgen im Sinne der Political Correctness anknüpfen kann. Aber jeder kann es ja auch halten wie er will, wenn es darum geht, ob sich ehemalige Minister in der Opposition dann genau in den Fachgebieten betätigen, in denen sie vorher gearbeitet haben. Nur wenn sie das schon tun, dann sind sie, wie ich meine, in besonderer Weise zu hoher Fachlichkeit und Sachlichkeit verpflichtet.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen möchte ich einen Passus aus der Rede von Frau Kraft aufgreifen, in dem sie gesagt hat - ich darf zitieren, Frau Präsidentin -:

„50.000 neue Jobs sollen im Umfeld der Hochschulen entstehen.“

Sie verweist auf den Wahlkampf.

„Auch hier Fehlanzeige bei den konkreten Schritten. Schlimmer: Bei der Haushaltssperre haben Sie zwar die Hochschulen, aber nicht die Forschung ausgenommen. Dort sind viele Projekte und damit Arbeitsplätze bedroht.“

So weit das Zitat von Frau Kraft.

Nun habe ich das Haus, das von Frau Kraft bis vor zehn Tagen oder bis zum Wahltag geführt worden ist, dazu befragt. Ich habe gefragt, ob diese Aussage denn zutreffend sei. Daraufhin hat mir mein Haus, das bis vor kurzem von Frau Kraft geführt worden ist, geantwortet - ich darf den Inhalt wiedergeben -: Über 95 % der Forschungsmittel befinden sich im vom Qualitätspakt geschützten Bereich. Dazu gehören alle Mittel, die Hochschulen, Unikliniken und den gemeinschaftsfinanzierten Forschungseinrichtungen, zum Beispiel Fraunhofer, zukommen. - Das heißt, genau die sind durch die Haushaltssperre des Finanzministers, die eben genau den Qualitätspakt ausgenommen hat, nicht berührt.

Darüber hinaus sagt das Haus: Vom Kürzungsbereich nicht ausgenommen sind lediglich die weniger als 5 % Forschungsmittel, die den landeseigenen Instituten und Einrichtungen, zum Beispiel dem Wissenschaftszentrum, zukommen. Von denen allerdings sind die meisten schon abgerufen worden.

Das ist der Sachverhalt. Hier kommt der Hinweis - heute früh noch vor laufenden Fernsehkameras -:

Dort sind viele Projekte und damit Arbeitsplätze bedroht. Da meine ich: Wenn man schon die Öffentlichkeit verunsichert, sollte man es mit Substanz tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Nun bin ich bei der Einlassung des Abgeordneten Sagel.

(Zuruf von der FDP: Das ist schon eine Qua- litätsfrage!)

Er ist, glaube ich, nicht mehr im Raum. Er hat auf Nachfrage noch einmal wiederholt - es hätte ihm ja auch als Ausrutscher durchgehen können -: Er bleibe dabei: Der Ministerpräsident erdreiste sich - so aus seiner Sicht - zu lügen

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

in Anbetracht der Darlegungen zu den 1.000 zusätzlichen Lehrerstellen. Dabei bezieht Herr Sagel auf eine Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses. Dem Haushalts- und Finanzausschuss lag heute früh eine Vorlage vor, in der es heißt:

„Um den Grundbedarf in den Schulen decken zu können und um Unterrichtsausfall bereits zu Beginn des neuen Schuljahres entgegenzuwirken, müssen … 1.000 neue Stellen bereitgestellt werden.“

Das heißt, in der Vorlage des Haushalts- und Finanzausschusses ist genau auf das Ziel abgestellt worden,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Nein!)

das der Ministerpräsident gestern in seiner Regierungserklärung für die neue Landesregierung vorgegeben hat:

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist Ihre In- terpretation!)

Unterrichtsausfall, der sich sonst in diesem Land massiver als in der Vergangenheit ereignet hätte, wenn es zu dieser Entscheidung nicht gekommen wäre, soll begegnet werden.

(Carina Gödecke [SPD]: Das ist etwas ande- res!)

Das heißt, damit ist hier genau das getan worden, was die neue Regierung vorgibt. Dieses in dieser Weise zu qualifizieren,

(Carina Gödecke [SPD]: Eins plus eins ist zwei!)

halte ich nicht nur für sachlich nicht geboten, ich halte es auch parlamentarisch nicht für verantwortungsvoll.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte mit Blick auf dieserlei zusätzlichen Lehrerbedarf noch einmal bekräftigen, dass der sich natürlich nie über Nacht ergibt, sondern ein solcher Bedarf ist über eine gewisse Zeit im Voraus erkennbar. Das ist hier auch dargelegt worden. Das heißt: Schon die Vorgängerregierung hatte Hinweise darauf, dass es hier einen zusätzlichen Bedarf gibt, sie hat aber keine hinreichenden Maßnahmen parlamentarischer Art ergriffen, um durch eigene Initiative einem dann zusätzlichen Unterrichtsausfall zu begegnen. Insofern richten sich die Worte, die dazu von der Opposition getroffen worden sind, gegen Sie selbst.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gleiche möchte ich mit Blick auf die Einlassungen sowohl von Herrn Sagel als auch von Frau Walsken sagen, die sich mit dem Finanzierungskonzept der neuen Regierung auseinander gesetzt haben, die sich mit dem Nachtragshaushalt auseinander gesetzt haben und die eingefordert haben, dass müsse jetzt alles schon vorgelegt werden. Sie muss ich fragen: Aus welcher Problemaufnahme und aus welchem Kontext kommen Ihre Einlassungen?

Sie haben dieses Jahr Ihren Haushalt doch selbst mit einer geplanten Neuverschuldung von noch unter 3 Milliarden € aufgestellt - das sind Ihre Planungen gewesen -, diese Neuverschuldung aber im Nachtragshaushalt nahezu verdoppeln müssen und haben erkennbare Haushaltsrisiken, auch in diesem Nachtragshaushalt nicht abgebildet, obwohl sie Ihnen bekannt waren. Auf einen Sachverhalt habe ich gestern aus meinem Zuständigkeitsbereich bereits aufmerksam gemacht. Dieserlei Haushaltsrisiken, die Sie schon hätten kennen können oder die sie schon kannten, aber nicht abgebildet haben, müssen von der neuen Landesregierung sorgfältig identifiziert werden, damit dem Parlament mit dem Nachtrag, der bevorsteht, eine Bilanz vorgelegt werden kann, die der Wahrheit entspricht und klar Auskunft über die finanzielle Situation dieses Landes gibt, eine Bilanz, die nichts verschleiert,

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

sondern den Bürgerinnern und Bürgern und dem Parlament deutlich macht, welche Handlungsmöglichkeiten diesem Land überhaupt zur Verfügung stehen. Insofern: Mit Ihrer Kritik an der neuen Regierung kritisieren Sie die Versäumnisse Ihrer alten Regierung.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Deswegen sagen wir Ihnen: Wir wollen die Dinge seriös bearbeiten und mit Ihnen seriös diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Professor Pinkwart. - Ich nehme an, dass die Rednerliste jetzt abgearbeitet ist. Oder möchte sich noch jemand zu Wort melden? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir die Debatte schließen. Der Tagesordnungspunkt 1 ist damit erledigt.

Ich komme zu: