Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

2 Bestellung eines „Projektausschusses Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau“ als Sonderausschuss des Landtags

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/35

Ich eröffne die Beratung und gebe das Wort an Herrn Priggen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es ganz kurz. Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, einen solchen Projektausschuss zu machen. Die Geschäftsordnung sieht das Instrumentarium vor. Wir wissen, dass der Prozess des Ausstiegs aus der Steinkohle ein Prozess mit sehr vielen Facetten ist, dass er auch im Detail sehr schwierig sein wird. Wir meinen, dass es sinnvoll ist, neben der Arbeit der Landesregierung, die diese machen muss, diesen Prozess auch im Detail parlamentarisch zu begleiten.

Jetzt weiß ich aus dem Wirtschaftsausschuss in der letzten Legislaturperiode, dass dort über 20 Kollegen sitzen und davon 5 oder 6, die die Steinkohle mit Leidenschaft verfolgen. Wenn wir alles, was dort ansteht, im Wirtschaftsausschuss machen, lähmen wir den in Teilen, auf der anderen Seite ist die Begleitung des Themas notwendig. Deswegen ist unser Vorschlag, einen solchen zeitlichen befristeten Projektausschuss zu machen.

Im Antrag steht jetzt: neun Mitglieder. Wir sind aber für alle Vorschläge der anderen Kolleginnen und Kollegen offen, wenn der Wunsch bestünde, eine andere Anzahl einzusetzen. Wir haben die direkte Abstimmung beantragt. Auch da sind wir offen. Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie das nicht machen wollen, müssen wir das

nicht weiter in den Ausschuss tragen. Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie Beratungsbedarf haben, signalisieren Sie es, dann müssen wir nicht direkt abstimmen.

Insofern ist das ein Vorschlag, der aus der Sache heraus vernünftig ist und den wir umsetzen sollten. Wir warten auf Ihre Antwort. - Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Priggen. - Als nächster Redner hat Herr Dr. Droste von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung und der damit verbundene Strukturwandel des Ruhrgebiets -der Ministerpräsident hat das gestern in seiner Regierungserklärung noch einmal sehr klar ausgeführt - sind zentrale Aufgaben nordrheinwestfälischer Landespolitik.

Die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung in dieser Frage wird ein wesentlicher Meilenstein sein, an dem sich auch diese Regierung messen lassen muss. Mit der Begründung Ihres Antrages, Herr Priggen - wir sind Ihnen dankbar dafür -, haben Sie in diesem Punkt deutlich gemacht, dass auch Sie diesen Weg des Ausstiegs aus der Kohlesubventionierung, den die neu gewählte Landesregierung und die Regierungsfraktionen gehen wollen, unterstützen. Das ist gut so, und das begrüßen wir.

(Beifall von der CDU)

Denn jeder - auch Sie von der Opposition -, der die Einsicht hat, dass der Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung unverzichtbar ist, um nicht nur dem Land, sondern vor allem dem Ruhrgebiet langfristig und dauerhaft eine Perspektive zu geben, wird gebraucht, um die betroffenen Menschen auf diesem Weg mitzunehmen und ihnen klar vor Augen zu führen, dass es keine Alternative zum Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung gibt, der so umgesetzt werden muss, wie es auch im Koalitionsvertrag vorgeschrieben ist.

Nun aber zu Ihrer Beschlussempfehlung Ihres Antrages und der Einrichtung eines solchen Projektausschusses. Meine sehr verehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, obwohl wir begrüßen, dass Sie beim Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung mitmachen wollen, ist der von Ihnen heute beantragte Sonderausschuss - wie wir glauben - nicht der richtige Weg. Das po

litische Anliegen wird damit nicht gefördert, sondern - ich sehe es anders, als Sie, Herr Priggen, es gerade vorgetragen haben - die parlamentarische Arbeit wird unnötig befrachtet.

Ich darf dazu Ihr Augenmerk auf den Bericht der Parlamentarischen Geschäftsführer zur Vorlage an den Ältestenrat mit dem Titel „Effizienz- und Attraktivitätssteigerung der Parlamentsarbeit und mögliche Konsequenzen aus der Verkleinerung des Landtags“ aus der vergangenen Legislaturperiode richten. Dort heißt es zur Anzahl der damaligen Ausschüsse wörtlich - ich darf zitieren -:

„Gleichwohl gibt es kein anderes Landesparlament, das seine Arbeit in einer so hohen Anzahl an Ausschüssen ausdifferenziert hat. Eine Verringerung der Zahl der Ausschüsse, eine kritische Überprüfung der Zuschnitte ist deshalb dringend geboten.“

Für jeden, der sich mit der Neuorganisation des Parlaments beschäftigt hat, ist unübersehbar, dass die Regierungsfraktionen den Auftrag zur Verschlankung des Parlaments und der parlamentarischen Arbeit erhalten und die Vorgabe konsequent umgesetzt haben. Dadurch werden Arbeitsabläufe gestrafft, die Anzahl der Ausschüsse deutlich verringert, Entscheidungswege verkürzt und nicht zuletzt auch erhebliches Geld eingespart.

Herr Droste, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Remmel?

Bitte, Herr Remmel.

Herr Droste, wären Sie dann bitte auch so freundlich, die Passage zu zitieren, in der wir gemeinsam angeregt haben, für zeitlich befristete Anliegen eben solche Projektausschüsse einzurichten?

Herr Remmel, ich weiß nicht, ob Sie sich diese zeitliche Befristung, die Sie zur Einrichtung eines solchen Sonderausschusses vornehmen wollen, selber setzen können, um das zu verwirklichen, was dieser Ausschuss Ihrer Auffassung nach leisten soll. Wir haben unlängst von der Wirtschaftsministerin gehört, dass uns der Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung wahrscheinlich noch so lange beschäftigen wird, dass alle, die heute diesem Parlament angehören, dann nicht mehr in diesem Parlament

sind. Deswegen greift die zeitliche Befristung in dieser Frage überhaupt nicht.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist ja inte- ressant!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage deshalb nochmals deutlich: Wir sollten uns fragen, ob die Einrichtung eines Sonderausschusses wirklich der Sache dient. Ist sie effektiv, oder ist es in erster Linie Außenwirkung, die damit erreicht werden soll?

Wenn wir für jede landespolitische Aufgabe von besonderem Stellenwert einen Sonderausschuss einrichten, brauchen wir zum Beispiel einen Sonderausschuss zur Konsolidierung der Landesfinanzen, einen Sonderausschuss zur Lösung der Probleme des Arbeitsmarktes, einen Sonderausschuss Ruhrgebiet und sicherlich noch etliche weitere mehr.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist nicht vergleichbar!)

Deshalb werbe ich um Verständnis dafür, dass wir dem Vorhaben Ihres Antrages, einen derartigen Ausschuss einzurichten, nicht zustimmen können und wollen. Wir sind vielmehr der Auffassung, dass die in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Verfahrensschritte in Bezug auf den Steinkohleausstieg von den vorhandenen Gremien, nämlich vom Wirtschaftsausschuss samt Unterausschuss für Grubensicherheit, vorzubereiten und zu begleiten sind. Denn dort ist genügend qualifiziertes Personal, um diese wichtigen Aufgaben abzuarbeiten.

Abschließend noch ein Wort zu Ihrer Forderung nach mehr Transparenz im Regierungshandeln beim Steinkohlebergbau. Ich darf doch davon ausgehen, Herr Priggen, dass sich dieser Hinweis beziehungsweise diese Klage mehr an das Regierungshandeln der abgewählten Landesregierung richtet.

(Beifall von der FDP - Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das kann nicht sein!)

Ich erwähne die Frage - da haben wir ja gemeinsam mit Ihnen um mehr Transparenz gerungen -, wofür die vom Land gezahlten rund 570 Millionen € Subventionen für die Steinkohle im Einzelnen ausgegeben werden. Hier gab es ein zähes Ringen um jede Antwort.

Die rot-grüne Landesregierung ist nicht zuletzt auch deshalb abgewählt worden, weil in den zurückliegenden Jahren vieles verkleistert und unter den Teppich gekehrt wurde, was eigentlich auf den Tisch dieses Hauses gehört hätte.

Das Regierungsprogramm der neuen Landesregierung ist getragen von dem Gedanken „Klarheit und Wahrheit“. Ich habe großes Vertrauen, dass dieser Gedanke auch eine neue Form des Umgangs der Landesregierung mit diesem Parlament prägen wird und dass diese neue Form des Miteinanders mit dazu beitragen wird, dass auch die schwierigen Aufgaben im Steinkohlebergbau gelöst werden.

(Carina Gödecke [SPD]: Eben lief eine Pres- sekonferenz parallel! Das ist die neue Um- gangsform der Landesregierung mit dem Parlament!)

In diesem Sinne bedanke ich mich sehr herzlich für Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. - Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Dr. Droste. - Als nächster Redner spricht Herr Römer von der SPD-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich werbe bei dem Antragsteller nicht um Verständnis dafür, dass wir den Antrag ablehnen, sondern ich nenne kurz und knapp unsere Gründe dafür.

Erstens - das wird Sie nicht überraschen -: Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir in Deutschland auch langfristig einen leistungsfähigen Steinkohlenbergbau brauchen, und wir stehen deshalb zu den Verabredungen, die der Bund zusammen mit der Landesregierung und dem Bergbau geschlossen hat.

Das Ganze ist nicht nur ein Ausdruck von Vertragstreue, sondern das ist auch energiepolitisch geboten, technologiepolitisch förderlich, arbeitsmarktpolitisch notwendig und alles in allem volkswirtschaftlich sinnvoll.

Ich halte deshalb ausdrücklich fest, Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen: Die durch den deutschen Steinkohlenbergbau ausgelöste und mit ihm ganz eng verbundene Wertschöpfungskette ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für unser Land, und diese Wertschöpfungskette ist eine Stärke unseres Landes. Sie sichert viele zehntausend Arbeitsplätze, und sie sichert vor allem auch die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen.

Auch deshalb, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf es einen Auslaufbergbau nicht geben. Von daher ist die Bestellung eines „Pro

jektausschusses Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau“ unvernünftig.

Zweitens. Es liegt auf der Hand, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen solchen Ausschuss vor allem auch dafür nutzen will - wir haben das vor einigen Tagen von Herrn Priggen bereits als Beispiel gehört -, die Beziehungen zwischen dem Bergbau, dem Bund und dem Land als intransparent zu geißeln. Wir haben einen solchen Vorgeschmack bekommen. Eine solche, von den Grünen unterstellte Intransparenz gib es nicht.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Die bisherigen Landesregierungen haben das Parlament immer in verantwortungsvoller Weise umsichtig und ausreichend über alle Transaktionen und Verbindungen zu den Unternehmen des Bergbaus und zur RAG Aktiengesellschaft unterrichtet.

(Zurufe von den GRÜNEN - Dr. Axel Horst- mann [SPD]: Zuhören!)

Ich gehe davon aus, dass die neue Landesregierung das ebenfalls in dieser verantwortungsvollen umsichtigen Art und Weise tun wird.