Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich brauche mir nur in Erinnerung zu rufen, was Sie in den letzten Wochen getan haben. Sie - ge

rade die FDP, aber auch die CDU - haben sich im Wahlkampf sehr ambitioniert zur Kohle geäußert.

Die Koalitionsvereinbarung selbst ist da schon wesentlich weicher. Ich weiß ja auch, wer aus Ihren Reihen am anderen Ende zieht und das nicht will. Insofern ist das schon mal eine weichgespülte Variante gewesen.

Und schließlich muss man sich anschauen, was in der Debatte über unseren Transparenzantrag tatsächlich an Argumenten gekommen ist. Zu der etwas kabarettistischen Einlage, es habe immer Transparenz geherrscht, sage ich: Fragen Sie den Finanzminister. Alle, die nicht in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses in den vergangenen Legislaturperioden waren, sollten die Protokolle lesen. Sie werden dann feststellen, dass es über Jahre hinweg eine von allen Beteiligten vereinbarte vollständige Intransparenz gegenüber dem Parlament gegeben hat.

Unseren Transparenzantrag haben Sie abgelehnt. Herr Weisbrich war so ehrlich, das damit zu begründen, dass man vertrauliche Gespräche führen will. Das Parlament solle da herausgehalten werden. - Dann gab es die Regierungserklärung, in der Walsum nicht mehr auftauchte. Hinter das, was Sie einst angekündigt haben, gehen Sie Schritt für Schritt zurück. Um es ganz klar zu sagen: Das war keine Präzisierung, sondern ein Rückzug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach der Regierungserklärung fand eine Fragestunde statt. Auf die Frage von Herrn Kollegen Jäger hat Herr Uhlenberg die Karten auf den Tisch gelegt und mitgeteilt, dass im Kabinett, in dem nun mal zwei FDP-Minister sitzen, bezogen auf die Genehmigung für Dinslaken, für die Trinkwasserbeeinträchtigung, gegen die gerade Sie in Ihrer Region immer vehement aufgetreten sind, Schweigen im Walde herrscht. Dort wird diese Sache durchgewinkt. Es ist völlig klar, dass das, was Sie noch bis zum 22. Mai vor Ort versprochen haben, in den allerersten Wochen Ihrer Regierungstätigkeit gekippt und ganz anders exekutiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich nehme natürlich jedes Angebot zur sachlichen Zusammenarbeit und zur Aufklärung an. Der Eindruck, dass Sie sich hier auf einem schnellen Rückzug von dem befinden, was Sie verkündet haben und was schriftlich festgehalten worden ist, wächst aber. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten sehr genau zugucken, ob Sie tatsächlich Transparenz herstellen und ob die Zah

len kommen oder ob wir an der Stelle, so, wie auch in den vergangenen Jahren, daran arbeiten müssen, dass das Parlament im Detail informiert wird. Dies werden wir in der Sache mit aller Gelassenheit tun. Im Prinzip ist es eine Sache, die sich lohnt.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Ich bedauere es ein bisschen, dass wir mit unserem Anliegen bei den Kollegen von der SPD nicht weiterkommen. Herr Römer, ich brauche dafür kein Forum. Ich bin gewählter Abgeordneter. Ich kann mich im Parlament und in einem anderen Ausschuss artikulieren. Für mich brauche ich keinen Extraausschuss. Sie wissen aber genau, dass es keine Transparenz gibt. Wenn Sie eben meinten, Intransparenz gäbe es nicht, ist das nun wirklich kurios.

Der Prozess ist für viele Betroffene - Bergleute und andere - sehr wichtig, sodass wir ihn dann eben im Ausschuss, so, wie in den letzten fünf Jahren auch, mit aller Gründlichkeit verfolgen werden. - Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Priggen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir können zur Abstimmung kommen. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag Drucksache 14/35 von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? - Das sind die CDU-Fraktion, die FDPFraktion und die SPD-Fraktion. Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe auf:

3 Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit von Schwarz-Gelb bei der Forderung nach der Abschaffung der Entfernungspauschale?

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/37

Für die antragstellende Fraktion hat sich Herr Keymis bereits zum Rednerpult bewegt. Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Heute geht es um das Zusammenbrechen einer politischen Mär von Ehrlichkeit und Verlässlichkeit,

welche die CDU in den letzten Wochen den Wählerinnen und Wählern geboten hat. Statt konstruktiver Politik zum Abbau von Subventionen wurde allein aus wahltaktischen Überlegungen blockiert und auf die rot-grüne Haushaltspolitik eingedroschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und FDP, nicht die rot-grüne Bundesregierung, nicht die rot-grüne Landesregierung haben in den letzten Jahren Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung verhindert, sondern diesen Schuh müssen Sie sich anziehen. Ihr Blockadeinstrument ist der Bundesrat. Dies ist in der letzten Woche bei der Debatte über die Eigenheimzulage deutlich geworden und wird auch heute in der Debatte über die Entfernungspauschale deutlich werden.

Was sind die Fakten? Die rot-grüne Bundesregierung hat mit dem Haushaltsbegleitgesetz für das Jahr 2004 vorgeschlagen, die Entfernungspauschale auf 15 Cent pro Kilometer abzusenken. Das bedeutet 3 Milliarden € Einspareffekt für den Haushalt des Bundes und die Haushalte der Länder.

Eine breite Front der CDU-geführten Bundesländer hat gegen den Kürzungsvorschlag mobil gemacht. An der Spitze der Widerstandsfront standen die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen mit den Ministerpräsidenten Stoiber, Koch sowie dem Finanzminister von BadenWürttemberg. Zutiefst ungerecht, völlig inakzeptabel, ein Schlag gegen die Menschen, die bereit sind, weite Wege auf sich zu nehmen, das waren die Worte der CDU-Ministerpräsidenten.

Seit Montag dieser Woche wissen wir, dass die Debattenbeiträge von Koch und Stoiber und diverser CDU-Finanzminister an Verlässlichkeit und Ehrlichkeit nicht zu überbieten sind. Seit Beginn dieser Woche wissen wir, dass die CDU mit ihrem Regierungsprogramm die Entfernungspauschale auf 25 Cent pro Kilometer absenken will, begrenzt auf maximal 50 km.

Kaum liegt dieser Vorschlag auf dem Tisch, meldet sich die CDU in den östlichen Bundesländern, in denen man die Entfernungspauschale vollständig in ihrer jetzigen Form erhalten will. „Darüber“, so wird der CDU-Ministerpräsident von SachsenAnhalt, Wolfgang Böhmer, in der „Berliner Zeitung“ zitiert, „wird bei der Umsetzung in ein Gesetze noch einmal gesprochen werden müssen“.

Heute geht es um die Mär von der Verlässlichkeit und Ehrlichkeit der CDU. Wir Grüne sagen klipp und klar: Wir wollen mit der Senkung der Entfernungspauschale einen weiteren Subventionsabbau von 2 Milliarden € für die Haushalte in Bund

und Ländern. Wir Grüne sagen ebenso klipp und klar: Wir wollen die Entfernungspauschale auf 15 Cent pro Kilometer absenken, aber ohne Kilometerbegrenzung, weil Fernpendeln für viele der Berufstätigen alltägliche Realität geworden ist. Wir Grüne sagen klipp und klar: Das kann in wenigen Tagen beschlossen werden, um endlich die dringend notwendigen Investitionen für Innovationen, Forschung und Bildung in unserem Land zu ermöglichen.

Die Worte „geht nicht“ werden gestrichen, hat der Ministerpräsident gestern in seiner Regierungserklärung gesagt. Ich bin gespannt, ob diesem großen Wort auch gleich große Taten folgen werden.

Heute geht es um den Beweis der CDU, für eine Politik der Ehrlichkeit und Verlässlichkeit einzutreten. 2,2 Milliarden € Mehreinnahmen im Landeshaushalt war in der letzten Woche der Vorschlag der Grünen zur Abschaffung der Eigenheimzulage. 2 Milliarden € Mehreinnahmen im Haushalt von Bund und Ländern ist der heutige Vorschlag der Grünen zur Absenkung der Entfernungspauschale. Ich freue mich also auf die Unterstützung unseres Antrags zum Subventionsabbau durch die Senkung der Entfernungspauschale.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, wir haben Ihnen innerhalb von einer Woche aufgezeigt, wie kurzfristig rund 4 Milliarden € Mehreinnahmen für die öffentlichen Kassen realisiert werden könnten. Wir zeigen Ihnen damit auch, dass Sie nicht 100.000 Mieterhaushalte bei der LEG in tiefe Verunsicherung über das Schicksal ihrer Wohnung, ihre Zukunft stürzen müssen, um den Haushalt des Landes zu sanieren.

Ich stimme mit Ihnen, Herr Ministerpräsident, absolut überein: Wir müssen verhindern, dass in unserem Land Slums entstehen. Das hat der grüne Wohnungsbauminister Vesper in den letzten Jahren erfolgreich verhindert.

Aber, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie Ihren eigenen Anspruch an eine Politik der Ehrlichkeit und Verlässlichkeit tatsächlich erfüllen wollen, dürfen Sie sich auch aus der aktiven Wohnungspolitik des Landes nicht verabschieden. Das haben die Menschen im Land, die Mieterinnen und Mieter nicht verdient. Es wäre gut, wenn Sie dem Antrag, die Entfernungspauschale zu senken, zustimmen würden, damit das Geld in die Kassen kommt, das wir für dringend zu erledigenden Aufgaben des Landes benötigen. Auch darum geht es heute. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Keymis. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fragen über den sozialen Charakter der Entfernungspauschale könnte man auch im Haushalts- und Finanzausschuss stellen. Ein Antrag im Plenum ist dafür nicht nötig. Gerade haben wir von meinem grünen Vorredner etwas über die Kontinuität der Debatte über die Eigenheimzulage in der vergangenen Woche gehört.

Ich wiederhole es hier noch einmal: Wir sind nicht bereit, eine steuerpolitische Einzelfrage aus dem Gesamtzusammenhang herauszubrechen und einzeln zu entscheiden. Das machen wir nicht mit, und das wissen Sie inzwischen.

Auch aus grundsätzlichen Erwägungen ist es unsinnig, so zu operieren. Denn das Herumdoktern an einzelnen Details unseres Steuerrechts wird das Problem nicht lösen. Vielleicht ist es sogar das zentrale Problem unseres Steuerrechts, dass immer wieder an einzelnen Fragen herumgedoktert wurde - mit dem Ergebnis, dass es so kompliziert geworden ist.

(Beifall von der CDU)

In dieser Tradition der verkomplizierenden Einzelaktivitäten bleiben Sie mit Ihrem Antrag und kultivieren damit den Unsinn der vergangenen Jahrzehnte. Wir brauchen eine größere Perspektive in der Steuerpolitik, einen Gesamtentwurf, damit es wieder neue Chancen für unser Land gibt.

Worum geht es bei der Entfernungspauschale? - Jeder muss sein komplettes Einkommen versteuern. Diese Regel ist in Deutschland normal. Genauso normal ist, dass der Steuerpflichtige die Kosten, die entstanden sind, um dieses Einkommen zu erlangen, von seinem Einkommen abziehen kann. Das ist überall so. Deutsche Tradition ist es, dass zu diesen Kosten zur Erlangung des eigenen Einkommens, also zu den Werbungskosten, auch die Wegekosten zur Arbeitsstelle gehören.

Genau das wird bei uns auch als Teil der sozialen Gerechtigkeit betrachtet. Wenn jemand hohe Kosten zur Erlangung seines Einkommens - auch hohe Wegekosten - hat, braucht er das seinem Nettoeinkommen nicht zuzurechnen. Er muss dann eben weniger versteuern.

Das ist nicht überall so. Hier und da wird es als Privatvergnügen bezeichnet, wo man wohnt und ob man einen weiten Weg zurücklegen muss. Es

mag Vorteile haben, sich in diese Richtung zu bewegen. Sie haben uns das eben anhand unseres Bundeswahlprogramms attestiert.

Diese Entfernungspauschale ist aber nicht auf der grünen Wiese entstanden. Insofern kann ich meine Bemerkungen zur Eigenheimförderung wiederholen: Diese Entfernungspauschale ist mehr oder weniger eine Reaktion auf unser Steuerrecht, das immer durch ziemlich hohe Steuersätze geprägt war.

Deshalb haben deutsche Steuerfachleute immer gedacht, man müsse viele Einzeltatbestände ausnehmen und die Bemessungsgrundlage an einigen Stellen durch Tatbestände beschneiden, die als Werbungskosten angesetzt werden. Dieses Vorgehen führte zu dem Ergebnis, dass auf der einen Seite unsere Steuersätze heute immer noch sehr hoch sind, auf der anderen aber die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer geschrumpft ist.

Wenn wir über diese Frage diskutieren, müssen wir über beide Seiten diskutieren: über die Steuerrechtsfragen insgesamt, inklusive der Tarife, und über die Breite der Bemessungsgrundlage. Ist sie ungerechtfertigt geschmälert und muss sie verbreitert werden?

Diesen Gleichklang, beide Seiten zu betrachten, verfolgen wir mit dem eben zitierten Wahlprogramm der CDU, das eine Absenkung der Entfernungspauschale und das darüber hinaus auch eine Begrenzung der Gesamtkilometerzahl beinhaltet.

Dafür hätte ich Zustimmung, gerade auch von den Grünen, erwartet, weil es umweltpolitisch sogar sinnvoll ist. Dagegen steht natürlich das Interesse derer, die weite Wege zu ihrer Arbeitsstätte pendeln müssen - aus Gründen, die sie nicht selbst zu vertreten haben. Wir haben allerdings in der Vergangenheit auch beobachtet, dass genau dieses Phänomen in vielen Fällen zu Missbrauch geführt hat.