Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

Wir haben ein klares ordnungspolitisches Leitbild für die Zukunft Nordrhein-Westfalens, das weit über den ökonomischen Bereich hinausgeht. Es gibt eine Philosophie in diesem Koalitionsvertrag, auf die wir Freien Demokraten - ich will es offen sagen - besonders stolz sind. Der Ministerpräsident hat das gestern in seiner Regierungserklärung noch einmal ausdrücklich betont. Diese Philosophie lautet: Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erarbeiten vor Verteilen, Verlässlichkeit statt Beliebigkeit.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist das neue Vaterunser!)

Dass Sie sich hier hinstellen, Frau Löhrmann, und das Prinzip Freiheit vor Gleichheit als Quatsch bezeichnen, zeigt, welch Geistes Kind Sie und die

Grünen hier im Landtag Nordrhein-Westfalen sind.

(Beifall von FDP und CDU - Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Es freut mich, dass Sie mir wider- sprechen!)

Sie haben unserem Leitbild und unserer Philosophie für die Erneuerung Nordrhein-Westfalens tatsächlich nichts entgegenzusetzen. Das gilt für die SPD wie auch für die Grünen. Die SPD ist dabei, sich komplett von der nötigen Modernisierungspolitik zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes zu verabschieden. Wo ist die Agenda 2010 geblieben? Statt die Reformen fortzusetzen, marschiert die SPD nach links und stellt sich als Traditionskompanie für Gewerkschaftsfunktionäre und Steinkohlesubventionen auf.

(Beifall von FDP und CDU)

So haben Sie sich in den ersten Tagen der neuen Wahlperiode hier eingelassen.

Die grüne Dosenpfandpartei, meine Damen und Herren, würde Nordrhein-Westfalen am liebsten zu einer staatlichen Besserungsanstalt mit grünen Hausmeistern machen.

(Beifall von der FDP)

Das haben Sie, Frau Löhrmann, auch noch einmal dargelegt. Aber die Menschen lassen sich das nicht mehr bieten, Frau Löhrmann. Wissen Sie das? Sie haben genug von der Bevormundungsphilosophie,

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Von Ihnen haben wir auch genug!)

die Sie den Menschen aufoktroyieren wollen. Die wollen mehr Freiheit haben, und deshalb sind Sie abgewählt worden.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie bleiben auch in der Opposition. Machen Sie sich da keine falschen Hoffnungen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Wir setzen dem rot-grünen Modell der staatlichen Bevormundung eine Gesellschaft der Freiheit in Vielfalt gegenüber. Freiheit, meine Damen und Herren, ist Vielfalt. Vielfalt in der Gesellschaft steht für die Toleranz unterschiedlicher Lebensentwürfe. Wir wollen eine weltoffene Gesellschaft. Wir wollen Familien und andere Gemeinschaften unterstützen, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Wir wollen, dass jeder Bürger in Nordrhein-Westfalen nach seiner Facon leben kann, solange er damit niemandem schadet.

Deshalb ist der FDP-Fraktion auch die innere Liberalität ein besonderes Anliegen. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben das Recht auf Privatheit. Im Gegensatz zu den Grünen reden wir nicht nur über Bürgerrechte, sondern handeln auch entsprechend, meine Damen und Herren. Deshalb wird es in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel keine Ausweitung der Videoüberwachung und keine Schleierfahndung geben; denn wir wollen nicht, dass die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt wird. Das passt nicht zu einer liberalen Bürgergesellschaft.

Zur Wahrung der Bürgerrechte haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben - das will ich zum Schluss noch einmal ergänzen -, dass der Datenschutz weiter ausgebaut wird. Wir werden uns als neue Landesregierung und als neue Koalition für die Wiedereinführung des Bankgeheimnisses stark machen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das kann ich mir vorstellen! - Johannes Remmel [GRÜNE]: Um die Steuerhinterzieher zu schützen! - Gi- sela Walsken [SPD]: Der Zweck ist klar!)

Die Grünen haben mit ihrer Zustimmung zu diesem „Schnüffelgesetz“ wieder einmal die Bürgerrechte mit Füßen getreten, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber so kennt man das ja. Sie reden viel davon, aber sie fallen dann um. Frau Löhrmann, weil Sie das hier noch einmal aufgegriffen haben, stelle ich fest: Seit Sie regieren, muss der Begriff der Umfallerpartei doch völlig neu definiert werden.

(Beifall von der FDP)

Sie haben ganz andere Dimensionen dargelegt, seit Sie regieren. Kommen Sie jetzt also bitte nicht wieder mit diesem uralten Vorwurf. Schauen Sie sich doch einmal an, was Sie selber gerade auf dem Politikfeld der Bürgerrechte in den letzten Jahren in Sachen Konsequenz abgeliefert haben.

Meine Damen und Herren, klar ist aber auch, dass die Kriminalitätsbekämpfung in NordrheinWestfalen effektiver werden muss - da sind wir uns ebenfalls einig -, damit sich die Bürger auch subjektiv wieder sicherer und freier fühlen können; denn die Zahl der Straftaten in NordrheinWestfalen ist seit dem Jahr 2001 stetig gestiegen. Dass 2004 nicht einmal jede zweite Straftat aufgeklärt werden konnte, gehört auch zur Abschlussbilanz von Rot-Grün.

Deshalb wird es eine große Polizeireform geben. Mehr fahnden, weniger verwalten - das ist das

Motto. Wir sorgen für eine Neuaufstellung der Polizei. Wir bringen Polizisten aus den Verwaltungsstuben wieder auf die Straße; denn dort werden sie gebraucht.

(Ralf Jäger [SPD]: Und was machen Sie mit den Landräten?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird die neue Landesregierung selbstverständlich mit aller Kraft unterstützen. Wir werden Ideen liefern. Wir werden gut mit dem Koalitionspartner zusammenarbeiten - mit Ihnen und Ihrer Fraktion, Herr Kollege Stahl, und mit Ihnen und Ihrer Landesregierung, Herr Ministerpräsident. Wir werden gerne mithelfen, Tempo zu machen, wo es für das Land der neuen Chancen, für das neue NRW, nötig ist. - Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Papke. - Das Wort hat nun der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. Jürgen Rüttgers.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich gut daran erinnern, wie das ist, wenn man als Oppositionsführer hier an diesem Rednerpult steht und auf eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten antworten muss - ganz besonders, wenn man neu gewählt ist. Dann muss man sich anstrengen. Dann muss man auch eine Schippe drauflegen und den eigenen Leuten beweisen, dass man richtig etwas zustande bringt.

Ich finde, das ist auch alles okay. Nur, Frau Kollegin Kraft: Sie haben das vor einigen Tagen in einem Interview in die Formel gefasst, Sie wollten mich nicht in Ruhe lassen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das habe ich auf dem Parteitag gesagt!)

Wenn das alles war, dann liegen fünf ruhige Jahre vor mir.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP)

Sie haben geschimpft, manchmal wohl wie ein Rohrspatz. Ich sage Ihnen aber eines: Frechheit ersetzt keinen Intellekt.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Löhrmann hat sich hierhin gestellt, die Regierung angegriffen, die Regierungserklärung kri

tisiert und gesagt, wo sie anderer Meinung ist. Das geht alles in Ordnung. Nicht in Ordnung geht aber, wenn man sich hierhin stellt, die Fakten verdreht, dann darauf einschlägt und sagt, das sei ja alles ganz furchtbar. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, Frau Abgeordnete Kraft, dass Sie sich hier mit Verdrehungen und Halbwahrheiten aufstellen.

(Beifall von CDU und FDP)

Fangen wir einmal mit dem ersten Beispiel an. Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir, die SPD, sind der Anwalt für kleine Kinder bzw., wie Sie ausdrücklich gesagt haben, für alle Kinder. - Frau Kollegin Kraft, vor allen Dingen Sie von der SPD sind verantwortlich dafür, dass immer mehr Kinder in diesem Land unter Ihrer Regierung ärmer geworden sind und weniger Lebenschancen haben. Das ist Ihre Verantwortung und nicht die Verantwortung dieser Regierung.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie stellen sich hierhin und sagen: Die Polizeireform findet nicht statt, damit die Landräte weiter mit Blaulicht und Eskorte durch die Lande fahren können. - Wo, bitte, gibt es in diesem Land Landräte, die mit Blaulicht und Eskorte durch die Lande fahren? Es ist eine Unverschämtheit, so etwas zu behaupten, Frau Kraft.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie stellen sich hierhin und behaupten, ich hätte auf dem Medienforum gesagt, das Medienland Nordrhein-Westfalen wäre internationale Spitze. Auch dies ist falsch. Ich habe gesagt: Wir haben gerade in den letzten Jahren Probleme gehabt. Dieses Land muss wieder Weltspitze werden. - Das ist etwas anderes als Ihre Verdrehungen und Unwahrheiten, Frau Kraft.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie stellen sich hierhin und sagen, dass die jetzigen Minister die Kofinanzierung bei der EUFörderung nicht mehr sicherstellen wollten, und greifen dies an. Ich lese Ihnen einmal folgendes Zitat aus einem Gesprächsbericht des Wirtschaftsministeriums über Aussagen Ihres Finanzministers mit der Überschrift „Ausreichende Kofinanzierung des Landes“ vor:

Der Finanzminister (FM) hat zu Beginn dieses Jahres

- das ist Anfang 2005 -