Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Svenja Schulze [SPD]: Ja!)

Die Klimaschutzfrage ist eine Frage, die nicht wieder von der Tagesordnung verschwindet, sondern die sich zuspitzt. Wir können das nicht dadurch ins Lächerliche ziehen, dass wir sagen: Heute ist es nur das Wetter, aber keine Klimaschutzkatastrophe. Das ist keine Antwort darauf.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Natürlich mag es von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr immer wieder andere Wetterphänomene geben. In der EU, unter der konservativen Regierung unter Kohl, jetzt unter der von Frau Merkel geführten Großen Koalition wird und wurde das Klimschutzproblem anerkannt. Ich verweise auf die Kyoto-Zielsetzung. Es war auch eine Überraschung, als gestern US-Präsident Bush zum ersten Mal zugab, dass es eine Klimaschutzproblematik gibt. Das rettet ihn zwar auch nicht, aber zum ersten Mal kommt es auch dort auf die Tagesordnung. Dort wird es einen Wahlkampf mit einer Klimaschutzdebatte geben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann wird es eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten geben. Auch in Frankreich kommt es so.

Die Einzigen, die sich gegen diese Erkenntnis mannhaft stemmen, sind hier vor allem die Kollegen von der FDP, und leider stemmen sie sich als Koalition gemeinsam dagegen.

Wenn der Prozess so läuft, dann hat er Auswirkungen auf dieses große Industrieland. Das ist völlig richtig.

Herr Priggen, Herr Weisbrich hat eine Frage. Wollen Sie die zulassen?

Bitte schön.

Bitte, Herr Weisbrich.

Herr Kollege Priggen, in der Tendenz bestreitet niemand das, was Sie gerade gesagt haben. Ich habe vorhin aber bewusst gesagt: Wir übernehmen bereits jetzt für 75 % der CO2-Minderungsziele der EU. Wie viel Prozent sollen wir Ihrer Ansicht nach denn übernehmen?

Ich bin absolut für Klimaschutz. Ich bin aber nicht dafür, dass Deutschland und Nordrhein-Westfalen alleine verpflichtet werden, die Welt zu retten.

Herr Weisbrich, das ist völlig richtig. Deutschland und vor allem auch Nordrhein-Westfalen können nicht alleine die Welt retten. Das ist in Ordnung.

Aber über das, was wir hier mit dem Emissionshandel gemacht haben, müssen wir ehrlich reden. Die Zusagen, die wir aus Teilen der Industrie be

kommen haben, wurden nicht eingehalten; ich gehe gleich auf zwei Bereiche ein. Das ist eine Verhöhnung des Klimaschutzes. Ad eins.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die deutsche Automobilindustrie hat mit der europäischen Automobilindustrie eine freiwillige Selbstverpflichtung unterschrieben, die Kraftstoffverbräuche, die Emissionen zu senken. Wie alle freiwilligen Vereinbarungen halten sie sie nicht ein. Sie treiben Schindluder mit uns. Die Konsequenz kann nur sein: Es kann nicht nur freiwillige Vereinbarungen geben. Das Instrument ist nur wertvoll, wenn ich gleichzeitig Gesetze erlasse, in denen es heißt: Wenn das nicht funktioniert, tritt dieses oder jenes in Kraft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens. Ich komme zu den Kraftwerken, zu dem, was RWE mit uns macht. Im Regionalrat in Köln – Kollege Becker sitzt da, Kollegen von der CDU sind auch da – hat RWE versprochen – so lautete immer die Propaganda –: Wenn die BoA in Niederaußem ans Netz geht, schalten wir für dieses neue moderne Kraftwerk mit über 40 % Wirkungsgrad alte 150-MW-Blöcke mit einem 30%igen Wirkungsgrad ab und verbrennen in einem effizienteren Kraftwerk weniger Kohle, um die gleiche Menge an Strom zu erzeugen.

Da muss jeder zugeben, dass das einleuchtend ist. RWE betuppt uns aber da, wo Sie nur können. Sie haben einen einzigen 150-MW-Block abgeschaltet. Das Kraftwerk ist jetzt fünf Jahre am Netz. Bundeskanzler Schröder hat es damals eingeweiht. Sie haben die Altanlagen in Frimmersdorf nicht abgeschaltet. Das heißt, sie schaden damit dem Klima mehr als vorher, weil sie die uralten, zum Teil 50 Jahre alten 150-MW-Blöcke und die neue BoA-Anlage weiter betreiben.

Das hat dazu geführt, dass das in der Genehmigung für Neurath jetzt festgeschrieben werden musste. Wir müssen erkennen: Da, wo sie können, betuppen sie uns. Die Zusagen, die sie der CDU und den Grünen damals im Regionalrat gegeben haben – mir liegen alle Protokolle noch vor –, wurden alle nicht eingehalten. Das ist die Konsequenz.

Wir haben – das ist eine kritische Sache – bei den Emissionsrechten, die wir vergeben haben, Zugeständnisse gerade an die Kraftwerksindustrie, also an die Stromerzeuger, gemacht, die vernünftigerweise nicht zu vertreten sind.

Wenn ich das „Handelsblatt“ von heute richtig lese – das ist ja kein grünes Zentralorgan – und man davon ausgeht, dass solide ist, was darin steht, ist klar,

dass die EU diese Mogelpackung nicht mitmacht. Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin sehen, dass diese Position nicht haltbar ist. Es ist natürlich bitter, wenn man hier im Land immer eine Politik zugunsten von RWE gemacht hat und jetzt erkennen muss, dass diese Politik auf Dauer nicht durchzuhalten ist, es sei denn, der gesamte Klimaschutz führte sich selbst ad absurdum. Die Konsequenz ist bitter.

Das Risiko – das sehe ich genauso wie Sie – ist doch folgendes: Wenn wir weiter darauf setzen, elf neue Kohlekraftwerke ohne Wärmenutzung zu bauen und 2.000 Megawatt in die Luft blasen, um 1.000 Megawatt Strom herauszuholen, kommen wir aus der Steinkohleförderung heraus und bauen uns die nächste Industrieruine in einem Kranz von Kohlekraftwerken ins Land. Der CO2Emissionshandel wird sich doch noch verschärfen. Bei der Problematik wird es nicht billiger werden. Dann haben wir in 40 Jahren die Altanlagen der Republik wieder hier stehen.

Kohle wird man noch lange überall in der Welt brauchen, auch hier; das ist völlig klar. Im Ruhrgebiet gibt es den Luxus, überall Gas einzusetzen und parallel die Kohle im Kranz darum herum, um die Wärme an die Umgebung abzugeben. Es so einseitig zu machen, wie im Moment, ist keine vernünftige Politik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lange ist in diesem Land behauptet worden, wir sind die Größten, die Schönsten und die Stärksten. Dabei sind wir im Saldo 18 Millionen, an manchen Punkten gut und an manchen Punkten behaupten wir das nur. Man kann der EU manchmal nur dankbar sein, dass sie an der Stelle kommt und sagt: So geht es nicht. So lassen wir es euch nicht durchgehen. – Das halte ich für vernünftig. Das wird jetzt Gott sei Dank Konsequenzen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Priggen. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Thoben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Priggen, die Klimaschutzfrage steht unbestritten eigentlich sogar im Zentrum der europäischen Überlegungen, und da wird sie auch bleiben. Die Frage ist nur: Wie sieht die konkrete Maßnahme aus, die wir vertreten? Ich glaube, darüber gehen unsere Ansichten möglicherweise auseinander. Denn das

Problem ist nicht, dass wir keine überlegenen Technologien haben und sie weiterentwickeln. Wir haben sogar Demonstrationsanlagen – Comtess 700 –, um die Wirkungsgrade weiter zu steigern, damit wir Steinkohle und Braunkohle weiter nutzen können.

Aber wir müssen doch erkennen, dass unsere Kraftwerksstrukturen Ergebnis einer nationalen Verabredung sind. Deshalb müssen wir Wert darauf legen, dass wir bei Überlegungen, die die Bundesregierung anstellt, mit unseren spezifischen Problemen nicht alleine gelassen werden. Das ist der Hintergrund. Ich sage schon seit mehr als einem Jahr ausdrücklich: Es war ein Hirngespinst, das nicht brennstoffspezifisch zu machen. Das ist ein Gedankenfehler.

(Beifall von der FDP)

Wenn ich einen Energiemix will und verschiedene Primärenergieträger – in welcher Kombination auch immer – haben möchte, muss ich das primärenergiespezifisch anlegen, weil sonst der Ursprungsgedanke, Technologien im jeweiligen Primärenergiesektor anzustoßen, die die Umwelt weniger in Anspruch nehmen, gar nicht klappen kann.

Zugespitzt heißt das: Wenn Sie sich mit Ihrer radikalen Position durchsetzen, müssen Sie sehen, dass Sie aus fast allem aussteigen. Sie lehnen die Kernenergie aus völlig anderen Gründen ab, obwohl sie unter CO2-Gesichtspunkten die einzige wäre, die übrig bliebe. Durch das Gas, das durch ein sehr scharfes Vorgehen sehr begünstigt würde, bringt man sich in internationale Abhängigkeiten, die man in dem Umfang auch nicht haben möchte. Braunkohle und Steinkohle sind nun einmal unterschiedlich, Herr Römer, Herr Priggen. Sie brauchen unterschiedliche Benchmarks.

Das Einzige, worüber wir heute streiten, ist die Frage: Gelingt es uns noch, die Bundesregierung zum Verbündeten dafür zu machen, dass auf europäischer Ebene ausgehalten wird, dass man unterschiedlichen Bedingungen von Steinkohle und Braunkohle Rechnung trägt?

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Das ist der eigentliche Punkt. Ich hätte nicht gerne eine Position, dass wir uns bei der Steinkohle wahnsinnig verkämpfen, die unwirtschaftlich ist und die wir besser importieren, wenn wir intelligent sind, und wir der Braunkohle, dem einzigen Primärenergieträger, der sich bei uns wirtschaftlich erzeugen lässt, das Licht ausknipsen. Darüber streiten wir eigentlich.

Dass wir ehrgeizige Umweltschutzziele haben, muss ich Ihnen doch nicht vortragen. Nach Berechnungen des Bundesumwelt- und des Bundeswirtschaftsministeriums wird Deutschland sein Klimaschutzziel von minus 21 % bis zum Jahr 2012 sicher erreichen. Es ist also nicht so, dass nichts passiert. Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass wir bei den spezifischen Energieträgern möglichst viel Kompetenz, möglichst fortschrittliche Technologie und möglichst hohe Wirkungsgrade organisieren.

Dann bin ich auch noch bereit, darüber nachzudenken, Herr Priggen, ob uns bei der dezentralen Versorgung noch das eine oder andere einfällt. An diesem Punkt bin ich doch bei Ihnen. Lassen Sie uns doch lieber darüber reden. Aber jetzt geht es ganz praktisch darum, ob wir die Kraft haben. Das hatten wir der Bundesregierung gegenüber geäußert. Im Moment ist Herr Gabriel dagegen, zwischen Braun- und Steinkohle zu differenzieren; die Kanzlerin würde es gerne tun.

Deshalb ist unsere Bitte: Das, was heute im „Handelsblatt“ steht, beschreibt nicht den aktuellen Verhandlungsstand. Wenn sich der Kompromiss in Brüssel nicht abzeichnet, müssen wir zum letzten Mittel greifen und klagen. Es geht sonst zulasten unseres Landes.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Ministerin Thoben. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zum Schluss der Beratung.

Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Deshalb kommen wir zunächst zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/3505. Wer diesem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. – Wer ist dagegen? – Das sind Grüne und SPD. – Dann ist dieser Antrag angenommen.

Wir stimmen nun ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/3588. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Das sind die drei anderen Fraktionen.

(Zuruf von der CDU: Auszählen!)

Wer enthält sich? – Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir stimmen schließlich ab über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/3600. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. – Wer ist dagegen? – Das sind die drei anderen Fraktionen. – Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende von Tagesordnungspunkt 5.