Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Meine Damen und Herren, ich bitte herzlich darum, hier nicht immer als Bedenkenträger aufzutreten.

Wenn ich in die Protokolle der Debatten der vergangenen Jahre blicke und dabei nur zurückgehe bis zum Jahre 2001, finde ich dort die Aussage der rot-grünen Landesregierung, es sei außerhalb ihrer Kompetenz, Tagespflege sei ausschließlich Angelegenheit der Kommunen.

Zum Tagesbetreuungsausbaugesetz hieß es in einer Antwort der rot-grünen Landesregierung: Zur Umsetzung des TAG ist in NordrheinWestfalen keine Änderung bestehender Vorschriften erforderlich. – Gott sei Dank sind Sie in diesem Punkt ein bisschen weiter und erkennen an, dass durchaus eine Notwendigkeit besteht.

(Beifall von der CDU)

Am 5. Januar 2004 führte die rot-grüne Landesregierung aus: Der Landesregierung liegen daher keine Informationen zu Altersstruktur und Familienstruktur der Kinder vor, die in Tagespflege betreut werden.

Hatten Sie gar keine Informationen? In den letzten zehn Jahren hatten wir dazu Anhörungen. Und dann sagt die Landesregierung, sie habe dazu gar keine Informationen. Anschließend hieß es weiter, im Übrigen sei das alles eine Angelegenheit des örtlichen Jugendhilfeträgers. Das Land habe damit also nichts zu tun. – Ich finde schon bemerkenswert, wie man damit umgegangen ist.

Im April 2004 – es war wohl bei einer Ausschusssitzung – erklärte die damalige Ministerin: Es fällt uns zurzeit noch schwer, den tatsächlichen Bedarf

genau einzuschätzen. – Eine Seite weiter wird die Ministerin zitiert mit den Worten, der Bedarf werde vor Ort ermittelt. – Die Landesregierung habe damit also nichts zu tun. – Weiter heißt es, den Bedarf könne man auch nicht landesseitig eruieren.

Die Entwicklung, Frau Altenkamp, ist bisher verpennt worden. Das ist richtig.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2002 hat der Paritätische Wohlfahrtsverband schon die damalige Regierung aufgefordert, endlich etwas zu tun und die Tagespflege gesetzlich zu verankern.

Die Kernfrage der Kinder- und Familienpolitik lautet also – da stimmen wir mit der Bundesfamilienministerin überein –, wie wir ein System von Tagesbetreuung schaffen können, das Bildung und Erziehung mit einer wertebezogenen Erziehung verbindet, eine frühe Förderung von Kindern und gute Beratung der Eltern gewährleistet.

Meine Damen und Herren, ich muss zum Schluss kommen: Ich schließe mich der Beurteilung der 3. Vorsitzenden des Tagesmütter-Bundesverbandes für Kinderbetreuung in Tagespflege e. V., Frau Anne Lipka, an, die auf dem Bundeskongress im März 2006 Folgendes sagte:

„Die Arbeit der Tagesmütter ist enorm wichtig und wertvoll. Tagesmütter erziehen, bilden und betreuen individuell und familiär. Tagesmütter sichern mit ihrer Flexibilität die Berufsfähigkeit der Eltern. Tagesmütter arbeiten in einem kindgerechten Wohn- und Sozialumfeld und vernetzen sich mit Kindertageseinrichtungen.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Wir sind damit am Schluss der Beratung. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/3499 an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration – federführend –, den Ausschuss für Frauenpolitik sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für die Überweisung des Antrages? – Das sind alle drei im Plenarsaal vertretenen Fraktionen. Wir nehmen einmal an, dass das auch für

die vierte im Landtag vertretene Fraktion gilt. In jedem Fall ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zu

3 Qualitäten für Kinder und Jugendliche nach der Föderalismusreform sichern!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/3176

Ich eröffne die Beratung. Frau Kollegin Asch hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bleiben beim Thema Kinder und Jugendliche, auch wenn es jetzt etwas sperriger wird als vorher. Aber dieses Thema ist wichtig, weil die Föderalismusreform auch Auswirkungen und Implikationen für die Kinder- und Jugendhilfe hat.

Die Föderalismusreform trat, wie wir alle wissen, am 1. September 2006 in Kraft und wurde als Mutter aller Reformen gerühmt. Ob das Ergebnis aber tatsächlich diesen Ruhm verdient, daran gibt es ganz erhebliche Zweifel. Es gibt nämlich Kollateralschäden. Dazu zählt leider der Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts.

Im neuen Art. 84 Abs. 1 GG wird geregelt – das ist jetzt sehr technisch –, dass die Länder bei Behördeneinrichtungen und Verfahrensbestimmungen abweichen dürfen, sofern sie nicht verbindlich im Bundesgesetz gekennzeichnet sind.

Was hier so theoretisch klingt, bedeutet de facto: Dieser Landtag kann den Beschluss fassen, dass es jeder Kommune freigestellt ist, ob sie ein Jugendamt und ob sie einen Jugendhilfeausschuss einrichtet.

Das haben in der Diskussion um die Föderalismusreform sowohl die Experten und Verbände wie auch die Kinderkommission des Bundestages – übrigens einstimmig, also mit den Stimmen von CDU und FDP – scharf kritisiert. Sie haben gefordert, dass das KJHG und damit die Bundeseinheitlichkeit der Kinder- und Jugendhilfe gerettet werden müssen.

Doch das stieß, wie wir wissen, auf taube Ohren. Auch die scharfe und breite Expertenkritik, die dann bei der Anhörung zum Gesetz im Bundestag erfolgte, bei der vor den Folgen der Zersplitterung eindringlich gewarnt worden ist, blieb von CDU und SPD ungehört. Das große Werk der Föderalismusreform sollte nicht gefährdet werden. Die

Kinder- und Jugendhilfe war für einige Politiker offensichtlich unwichtiges Gedöns.

Interessant ist am Rande – auch das muss erwähnt werden –, dass es zwar viele Kollateralschäden durch die Föderalismusreform gibt, dass bis jetzt aber die tatsächlichen Vorteile ausgeblieben sind. Gerade letzte Woche konnten wir in der Presse lesen, dass weiterhin 50 % der Gesetze zustimmungspflichtig sind. Auf 30 % wollte man die Quote senken. Das hat man nicht geschafft. Ich kann dazu nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!

Diese Reform hat es aber geschafft, eine hundertjährige Tradition, nämlich die deutschlandweite Jugendhilfe, zu beenden. Es liegt nun an den Ländern, Entscheidungen hierzu zu treffen: Wollen wir bewährte und effiziente und an den Interessen der Kinder und Jugendlichen orientierte Strukturen erhalten, oder wollen wir sie zerschlagen?

Wir wissen, dass es schon länger interessierte Kreise gibt, die hier ein Feld sehen, Geld zu sparen. Das sind zum Beispiel die örtlichen Kämmerer in den Kommunen. Meine Damen und Herren, wenn das passiert und realisiert würde, bedeutete das, dass wir Kindeswohl vor Kassenlage stellen. Das darf nicht sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Deutsche Landkreistag ist schon aktiv geworden und hat in einem Schreiben vom 13. Dezember letzten Jahres dazu aufgerufen, in den Ländern die Möglichkeiten zur Abschaffung der bewährten Strukturen zu nutzen. Es gibt also schon ganz deutliche Bewegungen in diese Richtung.

Meine Damen und Herren, damit wird die Einheit und Einheitlichkeit der Jugendhilfe aufs Spiel gesetzt, die sich bewährt hat, und zwar deshalb bewährt hat, weil sie eine enge Verzahnung zwischen Leistungen anderer Sozialgesetze und dem Familien- und Kindschaftsrecht schafft. Diese einheitlichen Strukturen und Verwaltungsverfahren erleichtern die Zusammenarbeit erheblich.

Man muss sich das in der gegenwärtigen Situation einmal klarmachen: Gerade in Zeiten, in denen wir um den bestmöglichen Schutz von Kindern ringen, um den Schutz vor Vernachlässigung und Gewalt, in Zeiten, in denen wir mehr Vernetzung und Kooperation im Sinne des Kindeswohls fordern, soll nun ausgerechnet das Jugendamt als die Instanz, die die Kinder in den Mittelpunkt ihres Verwaltungshandelns stellt, die bereits eine Verzahnung herstellt, zur Disposition gestellt werden.

Das, meine Damen und Herren, ist geradezu paradox und riecht danach, dass hier blindes Sparen auf Kosten der Qualität stattfindet.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Minister Armin Laschet: Wer tut denn das?)

Auf dem Spiel steht auf die Zweigliedrigkeit der Jugendämter. Es geht damit um die Existenz der Jugendhilfeausschüsse und ihre spezielle Verfasstheit, die freie Träger zu stimmberechtigten Mitgliedern macht. Diese freien Träger gehören dort hinein, denn sie erbringen einen Großteil der Jugendhilfeleistungen und werden über die Mitgliedschaft und Stimmberechtigung in den Jugendhilfeausschüssen an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt. Das ist gut so, denn damit ist die Möglichkeit der wirklichen und wirksamen Partizipation realisiert. Vielfach sind es Jugendliche selber, die dort über die Jugendverbände als Mitglieder in den Jugendhilfeausschüssen mitwirken.

Damit ist keine partizipative Spielwiese geschaffen, die in ihren Beschlüssen oft konsequenzenlos bleibt und so manchen Jugendlichen frustriert. Nein, hier werden wirkliche Entscheidungen gefällt, die Auswirkungen auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen haben.

Sie abzuschaffen bedeutet deshalb einen zivilgesellschaftlichen Rückschritt. Zu Recht werden die Jugendlichen alle Forderungen nach anderen Elementen der Beteiligung dann als Rhetorik entlarven, wenn demgegenüber die Jugendhilfeausschüsse abgeschafft werden.

(Minister Armin Laschet: Wer tut das denn? Wer will die denn abschaffen?)

Herr Minister, ich bin froh, wenn Sie jetzt ankündigen, dass das niemand hier im Lande will. Dann können Sie Ihre Fraktion gerne auffordern, dem Antrag zuzustimmen.

Meine Damen und Herren, es sind nicht nur die kommunalen Jugendhilfestrukturen, die wir sichern müssen. Auch die Landesjugendämter mit den Landesjugendhilfeausschüssen sind unverzichtbar.

(Minister Armin Laschet: Wo Frau Asch kei- ne Probleme hat, schafft sie sich welche!)

Das KJHG hat aus gutem Grund zwischen der örtlichen und der überörtlichen Jugendhilfe klar unterschieden. Herr Lindner, ich erinnere an Anträge Ihrer Fraktion in der letzten Legislaturperiode, als Sie noch in der Opposition waren, die genau das gefordert haben. Darüber können wir einmal sprechen. Damals vertraten Sie genau diese Position.

Die Landesjugendämter gewährleisten ein effizientes Aufsichtsverfahren im Sinne des Kindeswohls. Eine Kommunalisierung der Aufgabe führt dazu, dass eine Kommune, die Kindergärten betreibt, sie gleichzeitig selbst beaufsichtigt. Ich brauche Ihnen, glaube ich, nicht zu sagen, welche Gefahr für die Qualität an der Stelle lauert.

Die Landesjugendämter haben nicht nur Aufsichtsfunktion, sondern sie bieten darüber hinaus wichtige Beratung, Fortbildung und Information an. Über die überörtliche Sichtweise und die Unabhängigkeit von der Ortsebene nehmen sie auch eine wichtige Mittlerfunktion zwischen Trägern und Kommunen wahr.

Schließlich – das ist angesichts der heutigen Debatten, die wir führen, relevant – sind sie ein wichtiger Baustein des staatlichen Wächteramtes im Kinder- und Jugendschutz. Das ist heute wichtiger denn je.

Wir haben bereits ein negatives Beispiel aus Niedersachsen. Dort wurden fast im Handstreich die Landesjugendämter aufgelöst und ihre Aufgaben in einem ersten Schritt auf verschiedene Ministerien und untergeordnete Behörden verteilt. Damit wurden fachliche Zusammenhänge zerschlagen und eine neue Unübersichtlichkeit geschaffen. Aufgaben der Steuerung, die bisher beim Ministerium lagen, wurden mit Aufgaben der fachlichen Entwicklung und Umsetzung vermischt, die bis jetzt beim Landesjugendamt lagen. Das führt zu Komplikationen, die von den Einrichtungen vor Ort ganz direkt ausgebadet werden müssen.

Auch die beiden Landesjugendämter in Nordrhein-Westfalen sind beunruhigt. Minister Laschet hat in einer gemeinsamen Sitzung der Gremien auf entsprechende Fragen, die ihm gestellt wurden, geantwortet, dass die Kernaufgaben der Landesjugendämter in kommunal verfasste Trägerschaften gehören.