Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Auch die beiden Landesjugendämter in Nordrhein-Westfalen sind beunruhigt. Minister Laschet hat in einer gemeinsamen Sitzung der Gremien auf entsprechende Fragen, die ihm gestellt wurden, geantwortet, dass die Kernaufgaben der Landesjugendämter in kommunal verfasste Trägerschaften gehören.

Nun, Herr Minister Laschet, wir haben in Nordrhein-Westfalen durch die Ansiedlung der Landesjugendämter bei den Landschaftsverbänden diese kommunal verfasste Trägerschaft bereits. Das wissen Sie. Sagen Sie doch bitte auch, dass es so bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Nein!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns hier und heute gemeinsam ein Zeichen setzen. Minister Laschet hat es bereits signalisiert, dass ich sozusagen offene Türen bei ihm einrenne: Hier in Nordrhein-Westfalen werden die bewährten Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe nicht abge

schafft! Wir wollen Jugendämter und Jugendhilfeausschüsse in ihrer bewährten Form örtlich und überörtlich erhalten! Wir wollen sie erhalten, weil wir nicht weniger, sondern weil wir mehr wollen, nichts weniger für Kinder und Jugendliche, sondern wir wollen Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt unserer Politik stellen! – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Kern das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Grüne! Mit Ihrem Antrag „Qualitäten für Kinder und Jugendliche nach der Föderalismusreform sichern!“ betätigen Sie sich wieder einmal als Zeiträuber, wie Sie das schon in der letzten Sitzung des Ausschusses für Generationen getan haben. Schon da hätte manch einer beim Ministerium nachfragen können. Das Ministerium könnte Ihnen sicher weiterhelfen. Das hat uns im Ausschuss viel Zeit gekostet. Auch heute hätten Sie durch einen Anruf beim Ministerium Ihre Chancen erhöhen können, sachkundig zu werden.

Ihnen geht es schon lange nicht mehr um eine sachliche Auseinandersetzung. Immer dann, wenn – wie gerade in jüngster Zeit – irgendwo Halbwahrheiten oder Desinformationen im Land verbreitet werden, fällt auf, dass direkt oder indirekt immer eine grüne Duftnote daran haftet. Ich will keine Namen nennen, Andrea Asch, aber ich kann natürlich verstehen, dass Sie die verlässliche Politik der CDU/FDP-Koalition extrem beunruhigt, weil Sie jeden Tag erkennen müssen, dass wir es besser machen als Sie.

(Beifall von der FDP)

Trotz knapper Ressourcen sorgen wir mit Ideen und Engagement dafür, dass Ihre Positionen in Vergessenheit geraten.

Ob Familienzentrum, konsequenter Ausbau der U3-Betreuung, Sprachförderung schon im vorschulischen Bereich, neues Geld für soziale Brennpunkte, Stärkung von Eigenverantwortung, kulturelle Förderung von Jugendlichen, die konsequente Reduktion von Unterrichtsausfall oder insbesondere die Festlegung der individuellen Förderung von Schülern im Schulgesetz – wir tun deutlich mehr, als Sie zugeben können. Wir schaffen wieder echte Perspektiven für die Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen, und die Menschen spüren das.

Offensichtlich ist es zurzeit trotz besseren Wissens Ihre Strategie, die Bevölkerung und die betroffenen Interessengruppen durch ihre suggestiven Anträge zu verunsichern und zu täuschen. Mit seriöser Politik hat das nichts zu tun.

Nun zu Ihrem Antrag. Eines vorweg: Die Jugendämter und die Jugendhilfeausschüsse leisten vor Ort eine gute, aufrichtige Arbeit. Die Landesjugendämter unterstützen diese Maßnahmen.

(Beifall von der CDU)

Hier wird ehrliche Arbeit abgeliefert.

Die Föderalismusreform hat die Länder gestärkt. Das ist gut so. Sie gibt uns in NordrheinWestfalen die Chance, neue, notwendige Möglichkeiten bei der Kinder- und Jugendhilfe zu eröffnen. Natürlich heißt das für uns hier im Land – und im Landtag – auch, Verantwortung zu tragen. Natürlich ist das eine Aufgabe, der wir uns stellen werden und stellen müssen – aber nicht überhastet und zu früh. Es wäre allerdings auch fahrlässig, darauf zu verzichten.

Das heißt also, eine Standortbestimmung, eine Analyse vorzunehmen allerdings nicht in dem Sinne, dass wir bewährte Strukturen nur um der Veränderung willen verbessern werden. Aber prüfen werden wir schon, ob Positionen weiterentwickelt werden können. Dazu sind wir ständig aufgefordert.

Sie fordern mit dem, was in Ihrem Antrag steht, eine Politik des Stillstandes und stellen sich damit ein passendes Zeugnis aus.

(Beifall von der CDU)

Wissen Sie, wem wir den herrlichen Fußballsommer anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 verdanken? – Jürgen Klinsmann. Wissen Sie, warum? – Er hat die bisherigen Strukturen im deutschen Fußball analysiert und geschaut, was andere Länder besser machen. Er hat geschaut, welche Stärken wir haben. Er hat sich gegen erhebliche Widerstände und falsche Bewahrer durchgesetzt. Er hat sich von kurzfristigen Rückschlägen nicht beeindrucken lassen und ist konsequent seinen Weg gegangen. Er hat die vorhandenen Strukturen mit neuen Ideen und neuen Impulsen gefüllt. Er hat seinen Mitarbeitern vertraut, sie an ihre individuellen Stärken erinnert und sie weiterentwickelt. Er hat nicht gesagt: „Es wird schon irgendwie gehen, Augen zu und durch“, sondern er hat mit klarem Blick analysiert und konsequent gehandelt. Er hat seinen Spielern notwendige Freiräume gewährt, ihnen aber auch Verantwortung übertragen.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen keinen Stillstand. Für einen solchen Stillstand sind uns unsere Kinder viel zu wertvoll.

(Carina Gödecke [SPD]: Stillstand! Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden?)

Wir beseitigen den von Ihnen verursachten Stillstand. Wir tun das nicht laut, aber wir arbeiten stetig und mit der notwendigen Offenheit für notwendige Veränderungsprozesse.

Die Qualitäten für Kinder und Jugendliche sind nach der Föderalismusreform nicht gefährdet, sondern sie haben sich bereits seit dem 22. Mai 2005 deutlich verbessert. Sie werden sich durch die Nutzung der durch die Föderalismusreform gegebenen Chancen weiter verbessern, weil die Bürger uns die Verantwortung übertragen haben. Wir wollen und wir werden das kinder-, jugend- und familienfreundlichste Bundesland werden. Den vor uns liegenden Weg werden wir konsequent gehen.

Unser Ziel ist es, für eine große Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche zu sorgen. Gerade hier haben Sie, insbesondere was die soziale Herkunft von Kindern betrifft, erheblich versagt. Sie sollten die neue, gute Entwicklung mit Demut und Respekt beobachten. Gleiche Chancen für alle Kinder haben Sie nicht gesichert.

Natürlich benötigen wir weiterhin eine eigene, gut funktionierende Fachverwaltung in Jugendfragen. Wir benötigen Koordinatoren für Fortbildungs- und Beratungsfragen. Dabei hat das Land zu unterstützen. Die Landesjugendämter sind hier in der Vergangenheit ihrer Aufgabenstellung überwiegend gerecht geworden.

Wir müssen sicherstellen, dass die Arbeit auch in Zukunft zeitgemäß geleistet werden kann. Auf welcher Ebene, wird die Überprüfung ergeben. Aber wir trauen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den örtlichen Jugendämtern eine ganze Menge zu. Sie haben unser Vertrauen und werden die Freiräume, die wir ihnen geben, jeden Tag mit mehr Freude nutzen.

Was das Fachliche betrifft: Es ist meine Überzeugung, dass sich die Zweigleisigkeit der Jugendämter, mit Fachverwaltung und Kinder- und Jugendhilfeausschuss vor Ort, bis zum heutigen Tag bewährt hat, gerade weil beratende und abstimmungsberechtigte Mitglieder der freien Träger aus nicht politischem Raum die Entscheidungen beeinflussen. Hier wird gute Arbeit geleistet. Als ehemaliger Vorsitzender des Kinder- und Jugendhilfeausschusses in Lemgo weiß ich aus zehnjähriger Erfahrung, wovon ich spreche.

Wir werden Ihrem Antrag Drucksache 14/3176 nicht zustimmen können, weil Sie quasi einen Stillstand fordern. Wir werden sorgfältig prüfen, wie wir mit den neuen Chancen, die die Föderalismusreform den Ländern bei der Kinder- und Jugendhilfe gibt, umgehen. Wir werden uns mit dem Thema zum richtigen Zeitpunkt auseinandersetzen, nämlich dann, wenn es tatsächlich auf der Agenda steht. Dieses komplizierte System muss mit größtmöglicher Sorgfalt angegangen werden.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Wenn nach der Analyse festgestellt wird, dass beim Kinder- und Jugendhilfegesetz Handlungsbedarf besteht, dass örtliche Jugendämter zusätzlicher Unterstützung bedürfen, wie die Jugendämter zu unterstützen sind und dass die Arbeit der Landesjugendämter, die ohne Zweifel gute Arbeit geleistet haben, weiterentwickelt werden muss, wird es zu Empfehlungen kommen, und dann werden wir handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, tun Sie mir einen Gefallen: Beschreiben Sie mit Ihren Anträgen nicht so viel Papier. Das schont auch unsere Ressourcen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜ- NEN)

Für Ihren Antrag und Ihre Befürchtungen gibt es – außer der Befriedigung Ihres grundsätzlichen, aber unbegründeten Misstrauens – zurzeit keinen aktuellen Anlass. Menschen, die nicht vertrauen können, sind über kurz oder lang unglücklich. Liebe Frau Asch, als Psychologin wissen Sie das ganz genau.

Meine Damen und Herren von den Grünen, Denkverbote werden wir uns von Ihnen nicht auferlegen lassen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Was ist mit der Bildungspolitik?)

Wir haben Vorstellungen, Sie haben Vorstellungen. Ich glaube, dass diese Vorstellungen trotz allem in vielen Punkten deckungsgleich sind und sein werden.

(Christian Lindner [FDP]: Das glaube ich nicht!)

In vielen Punkten durchaus. – Gut Ding will Weile haben. Bleiben Sie gelassen. Wir sind es, und wir gehen systematisch vor. Entwickeln Sie langsam Vertrauen in die gute Politik der Koalition.

Lassen Sie mich meine Rede aus aktuellem Anlass so beenden: An diesem Wochenende gehört mein Heimatkreis Lippe 60 Jahre zum Land Nord

rhein-Westfalen. Ich möchte Ihnen ein Zitat von Heinrich Drake, dem Vater der Lippischen Punktuationen, nennen: „Steht nicht rum und bekakelt die Lage – arbeitet!“

(Beifall von der CDU)

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Tag. Ich freue mich auf weitere Sacharbeit und gute Diskussionen im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Meurer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Asch, Sie haben gerade von „sperrig“ gesprochen. Ich gebe zu, dass der Antrag auch für uns ein bisschen sperrig ist.

Herr Kern, ich muss Ihnen gestehen, dass auch ich nicht im Ministerium angerufen habe, um mich zu erkundigen, welche Meinung das Ministerium zu diesem Antrag, also zur Föderalismusreform im Zusammenhang mit der Jugendhilfe, vertritt. Aber ich würde es nie als „Zeit klauen“ bezeichnen, wenn wir miteinander reden, denn miteinander reden und Themen diskutieren müssen wir.

(Beifall von der SPD)

Das Wohl von Kindern geht uns alle an. Kindern, Jugendlichen und Eltern kann in ihrer Not nur geholfen werden, wenn sie auf klare Behördenstrukturen und verlässliche Verfahrensvorgaben bauen können. Für jeden in unserem Land ist wichtig, dass jede und jeder das zuständige Jugendamt und das Familiengericht kennt. Eltern müssen wieder erfahren, dass Jugendhilfe Hilfe ist, die ihnen in der Not zur Seite steht. Es ist nötig, Vertrauen zu den Helferinnen und Helfern zu haben. Es nutzt nichts, wenn die oder der Helfende sagt: „Alles was du mir erzählst, muss ich der Polizei melden“. Noch schlimmer könnte beispielsweise für eine drogenabhängige Mutter sein, wenn sie zum Entzug bereit ist und mit der Drohung konfrontiert wird, ihr das Kind zu entziehen. Einfühlsam reagieren, aber gesetzlich sicher geregelt aufgestellt sein – das sind wir mit dem SGB VIII.