Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Steffens für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag gestellt, weil das Präventionskonzept, das vom Ministerium im Juli 2006 vorgestellt worden ist – seitdem steht es auch im Internet, für jeden erhältlich –, eigentlich weit hinter den Stand zurückfällt, an dem das Land Nordrhein-Westfalen am Ende der letzten Legislaturperiode mit der Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheit in NRW“ angekommen war.
Wenn man sich das Konzept anguckt, gibt es keinen geschlechterdifferenzierten Ansatz. Das kann ich an einem Beispiel deutlich machen. Bezogen auf das Rauchen, wozu die Enquetekommission sehr intensiv gearbeitet hat, haben wir nur für die Männer Zahlen, Daten und Informationen. Dort steht, dass 37 % der Männer über 15 Jahre mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 700 € rauchen, dass aber nur 27 % der Männer mit einem darüber liegenden Einkommen rauchen. Aber mit keiner einzigen Zahl steht dort etwas über das Rauchverhalten von Frauen.
Es fällt weit hinter den Stand der Wissenschaft zurück, dass man hier nur aus einem Geschlecht, nur aus einem Beispiel Konsequenzen für ein Präventionskonzept zieht. Nein, wir müssen sehr differenziert an diese Fragen herangehen. Auch aus dem Kreis der Mediziner und derjenigen, die im Gesundheitssystem arbeiten, kommen ganz viele Vorschläge, wie man geschlechterdifferenziert an Fragen herangehen kann.
Deswegen haben wir einen Antrag vorgelegt, in dem wir sagen: Wir möchten, dass das Präventionskonzept des Landes massiv überarbeitet wird, dass genau diese Punkte – Stand der Wissenschaft und Entwicklungsstand der Forschung – hier einfließen, und zwar nicht nur bezogen auf die Frauen. Es ist auch bei vielen anderen Beispielen so, dass Männer eine andere Präventionsansprache haben und von Problemen anders betroffen sind als Frauen. Deswegen möchten wir,
Danke schön. – Frau Steffens, ich wollte wieder die Standardfrage stellen: Wo ist der zuständige Minister? – Aber er kommt gerade hereingeeilt. – Danke, Herr Minister, dass Sie doch Interesse an diesem Tagesordnungspunkt zeigen.
Wir haben diesen Antrag vorgelegt, damit die Geschlechterdifferenzierung Einfluss auf die Gesundheitspolitik des Landes nimmt. Es wäre schön gewesen, wenn man diese Ansätze schon früher in das Konzept aufgenommen hätte. Ich habe sie sowohl bei der Landesgesundheitskonferenz, bevor das Präventionskonzept erarbeitet worden ist, als auch im Rahmen der Vorstellung des Präventionskonzeptes angesprochen. Aber vonseiten des Ministeriums kam immer die Antwort: Das denken wir alles mit.
Ich muss sagen: Wenn ich mir das Präventionskonzept jetzt in der Ausgestaltung angucke, findet sich da nichts von Mitdenken, sondern etwas von Ausblenden. Deswegen möchten wir hier und heute den Prozess eröffnen, damit auch dieser Diskurs, der wissenschaftlich anerkannt ist, wieder Eingang ins Ministerium findet. – Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steffens. – Ich will mir kurz die Bemerkung erlauben, dass der Minister natürlich kommen und gehen kann, wann er will. Das muss man so festhalten, Frau Meurer. In diesem Fall sind wir 20 Minuten vor der vorgesehenen Zeit. Das ist möglicherweise der Grund. Ich habe das
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Prävention hat in der gesundheitspolitischen Diskussion an Bedeutung gewonnen. Das ist ohne Frage wahr. Prävention will Gesundheit stärken, Krankheit verhüten und Krankheitsfolgen minimieren. Erfolgreiche Prävention muss zielgruppenspezifisch angelegt sein und muss die Unterschiede in der gesundheitlichen Situation von Frauen und Männern beachten.
Allerdings – so sagen uns die Experten – gibt es erst wenige wissenschaftliche Studien, die im Bereich der Prävention zweifelsfrei nachweisen, dass geschlechterspezifische Strategien in allen Fällen notwendig und erfolgversprechend sind. Ich möchte auf den Gesundheitsbericht des Landes Brandenburg von 2003 verweisen, in dem diese Fragen sehr ausführlich in Bezug auf Nichtrauchen und Nichtalkoholgebrauch dargestellt werden.
In der kurativen Medizin gibt es diese Fragestellung nicht mehr. Die Notwendigkeit zur geschlechterspezifischen Betrachtung ist belegt und seit Jahren unumstritten. Darin stimmen wir überein, Frau Steffens.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Artikel im „Handelsblatt“ vom 17. Januar 2007 mit dem Titel „Frauenherzen schlagen anders“. Der Artikel enthält eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Symptomatik eines Herzinfarktes bei Frauen und bei Männern und ist ein eindringlicher Hinweis, dass Unkenntnis dieser Fakten und ein Fixiertsein auf das typische Krankheitsbild bei Männern Lebensgefahr für Frauen bedeutet, weil die Erkrankung zu spät erkannt, zu spät behandelt wird und so wertvolle Zeit verlorengeht.
Der aktuelle Pressebericht unterstreicht, dass der geschlechterspezifische Ansatz im Gesundheitswesen sinnvoll, notwendig und inzwischen weitgehend anerkannt ist. Dazu, dass dieser Erkenntnisstand auch in der Prävention, wo immer sinnvoll, Anwendung finden muss, gibt es bei der CDU keinen Dissens zum Anliegen des vorliegenden Antrags von Bündnis 90/Die Grünen „Präventionskonzept für den Gesundheitsbereich in NRW geschlechterspezifisch gestalten!“.
Konkret sprechen Sie die Vorlage des Ministeriums an, die Sie eben näher vorgestellt haben. Sie erheben als antragstellende Fraktion den Vorwurf, dass dieses Konzept sein Ziel, nachhaltig zum Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung beizutragen, verfehlt, weil es – so Ihr Vorwurf – nicht geschlechterdifferenziert vorgeht.
Dieser Vorwurf, Frau Steffens, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich finde, die Kritik greift deswegen zu kurz, weil es sich bei diesem Konzept nicht um eine konkrete Umsetzungsstrategie handelt, sondern lediglich um die Definition und Festlegung von einzelnen Präventionszielen. Es werden vier Landesinitiativen definiert, deren Umsetzung – das wissen Sie – verschiedenen Lenkungsgremien übertragen worden ist.
Unter dem Punkt Koordination werden zum Beispiel bei der ersten Landesinitiative „Leben ohne Qualm“ die Landesverbände der Krankenkassen, die Ärztekammern und die Deutsche Krebshilfe genannt. Zudem arbeiten verschiedene Einrichtungen und Institutionen aus dem Bereich der Gesundheitsförderung mit der Suchtprävention in Nordrhein-Westfalen in dieser Gemeinschaftsinitiative mit. Bei diesen Partnern darf doch wohl mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie im operativen Teil des Präventionskonzeptes die geschlechterspezifischen Erkenntnisse berücksichtigen und sehr wohl beachten, welche Zielgruppe mit der einzelnen Kampagne erreicht werden soll. – Hier unterscheiden wir uns wirklich bei der Bewertung dieses Konzepts.
Wenn das Konzept zudem noch festlegt, dass das operative Geschäft für diese Kampagne in den Händen von Ginko, der Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung, liegt, genügt ein Blick in das Internet um festzustellen, dass dort konsequent geschlechterdifferenzierend vorgegangen wird.
Zusammenfassend: Die grundsätzliche Kritik an der Ausrichtung des Präventionskonzeptes teilen wir nicht. Aber das Konzept ist nicht statisch. Ich habe eben darauf hingewiesen, dass Weiterentwicklungen und Verbesserungen im Bereich der Prävention notwendig sind. Wenn die heutige Diskussion bewirkt, dass bei der Umsetzung der Präventionsziele die gruppen- und geschlechterspezifischen Ansätze noch konsequenter beachtet werden, hat der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sein Gutes.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte noch einmal ganz kurz auf meine Zwischenfrage von eben eingehen. Wir Abgeordneten, die heute sprechen werden – ich nehme an, Frau Pieper-von Heiden wird gleich noch reden –, sind alle pünktlich hier. Wir wissen nämlich, dass wir schon einmal unserer Zeit – nicht nur beim Reden – voraus sind. Das gilt auch für Ministerien und für Minister.
(Hendrik Wüst [CDU]: Das ist unverschämt, was Sie machen! – Parl. Staatssekretär Manfred Palmen: Der Minister ist doch da!)
Wir sprechen heute über das Präventionskonzept der Landesregierung. Frau Steffens und die Grünen waren diesmal sehr rücksichtsvoll mit Ihnen. Sie haben von geschlechtergerecht gesprochen und nicht von Gender-Mainstreaming. Das ist natürlich trotzdem gemeint. Wenn wir Ihr Konzept aufmerksam oder auch weniger aufmerksam lesen, stellen wir fest, dass Sie noch immer nicht verstanden haben, dass Sie Gender-Mainstreaming umsetzen müssen.
Ich gebe Ihnen einige Beispiele: Zu Beginn Ihres Präventionskonzeptes lassen Sie sich über ein Leben ohne Qualm aus. Sie sprechen von Männern – das haben wir eben schon von Frau Steffens gehört –, von denen trotz niedrigen Haushaltseinkommens 37 % rauchen, wovon wiederum 68 % mit Hauptschulabschluss dem blauen Dunst verfallen sind. Sie sprechen von der Todesrate bei Nichtrauchern durch Passivrauch: 3.300 bundesweit, aber eben nur bei Nichtrauchern. Dann wären wir Frauen noch einmal davongekommen; es trifft ja „nur“ sie. Auch bei den Rauchern sind es 23.000 jährlich in NRW, nur bei den Rauchern. Haben Sie das gemeint, Herr Minister Laumann?
Die Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ – nicht die „Bild“-Zeitung dieses Mal, sondern tatsächlich der Enquete-Bericht – kommt zu anderen Schlüssen. Dort werden ausdrücklich auch Raucherinnen benannt. Auf Seite 219 können Sie das in einer ruhigen Stunde nachlesen und dann Ihr Konzept nachbessern. Da steht explizit, dass rauchende Frauen und Mädchen eine besondere Risikopopulation darstellen. Neben erhöhtem Krebs
risiko hat das Rauchen eine negative Auswirkung auf die Reproduktionsfähigkeit – man höre und staune.
In diesem Zusammenhang wollten Sie auch die Schulen auf ihrem Weg zur rauchfreien Schule begleiten. Nach unserer sehr guten Vorarbeit – das Projekt „Leben ohne Qualm“ gibt es bereits seit 2002; damals hatte das zuständige Ministerium noch einen anderen Namen und vor allem eine kompetente Ministerin – hat Frau Sommer dann also diesen Weg doch weitestgehend allein zurückgelegt; denn die Schulen in NRW sind seit Sommer 2006, so sagte sie in der letzten Plenardebatte zum Passivrauchschutz, rauchfrei.
Dann greifen Sie die Gesundheit von Mutter und Kind auf. Sie ergehen sich darin, dass Sie insbesondere die Gesundheit von Frauen während der Schwangerschaft und deren Kindern im ersten Lebensjahr fördern wollen. Ausdrücklich erwähnen Sie hier die Migrantinnen. Aber was ist mit den behinderten Frauen? Kommen die geistig und körperlich Behinderten auch darin vor? Was ist mit den Drogenabhängigen, den HIV-infizierten, den minderjährigen Schwangeren und in diesem Kontext mit der Prävention? Wie ist die geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Kinder bei den Vorsorgeuntersuchungen? Oder unterscheiden Sie nur zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund? Decken Sie das alles mit „Familien mit einem niedrigen Sozialstatus“ ab?
Was ist in dem Zusammenhang mit den Männern, den Vätern? Schwanger werden die Frauen, da haben Sie Recht, aber krank können beide sein. Die Krankheit des Vaters kann sich genauso entwicklungshemmend auf das Kind auswirken. Literatur, die das wissenschaftlich belegt, finden Sie reihenweise.
Bei Übergewicht und Fettsucht von Kindern und Jugendlichen führen Sie viele Punkte wie energiedichte und fettreiche Nahrungsmittel, kalorienreiche Süßgetränke und familiäres Essverhalten auf, unterscheiden aber nicht nach Jungen und Mädchen. Greifen Sie doch bei Ihrem Konzept auf eine geschlechtsspezifische Präventionsarbeit zu den Themen Alkohol, Nikotin, Essstörungen, Konsum und Missbrauch von Arzneimitteln zurück!
Bei den Sturzprophylaxen sind wieder nur die Senioren betroffen, wahrscheinlich weil sie häufiger Osteoporose haben. Sie behaupten, dass Bewohner von Pflegeeinrichtungen besonders stark betroffen seien. Worauf stützen Sie diese Behauptung? Sind die Männer dort so starrköpfig, oder liegt das auch an der aktivierenden Pflege? Wie verlässlich ist Ihr Datenmaterial? Warum nut