Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

Meine Damen und Herren, damit ist Tagesordnungspunkt 3 erledigt, und wir kommen zu:

4 Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranbringen – Familienfreundlichkeit der Landesverwaltung ausbauen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/3841

Ich erteile dazu der Kollegin Milz das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man sagt immer: Mit gutem Beispiel vorangehen! Das wird sehr gerne gesagt, aber nicht immer gerne getan. Die Koalitionsfraktionen haben sich bereits im vergangenen Jahr mit der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigt. Nun ist es ein Leichtes, für solche Vorhaben andere zu suchen, die das dann umsetzen sollen – die eigene Glaubwürdigkeit erhöht man dadurch jedoch nicht. Wenn wir also wollen, dass alle Unternehmen im Lande familienfreundlich sind, müssen wir uns auch selbst fragen, was hier zu tun sein könnte.

So haben wir uns parallel zu den Bemühungen, Unternehmen zu sensibilisieren, Gedanken gemacht, was wir im Düsseldorfer Landtag umsetzen können. Soweit ich weiß, hat sich bisher außer Nordrhein-Westfalen nur der Landtag von Rheinland-Pfalz auf den Weg gemacht, seine Familienfreundlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Ihm wurde im November 2006 erst das Grundzertifikat zum „audit berufundfamilie“ erteilt. In der Begründung, warum sich der Landtag Rheinland-Pfalz zu diesem Schritt, eine Zertifizierung zu wollen, entschlossen hat, heißt es – ich zitiere –:

„Der Landtag Rheinland-Pfalz möchte sein Angebot familienbewusster Maßnahmen ausbauen und weiterentwickeln, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern sowie ihre Motivation und Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Mittels einer nachhaltigen familienbewussten Personalpolitik möchte der Landtag RheinlandPfalz im eigenen Bereich mit gutem Beispiel vorangehen.“

Dem kann ich mich nur anschließen und daher auch für unseren Antrag werben. Wir wissen alle, dass sich die Förderung der Balance zwischen Familie und Beruf sowie die Förderung von Müttern und Vätern auch im öffentlichen Dienst lohnt. Es ist ein Teil der gesellschaftlichen Verantwortung, allen Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und Sinnerfüllung auch in der Arbeitswelt zu geben. Direkt Begünstigte einer solchen verbesserten Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht nur bei der alltäglichen Koordination ihrer unterschiedlichen Lebensentwürfe entlastet werden, sondern die hierdurch auch eine kontinuierliche Erwerbsbiografie und verbesserte berufliche Entwicklungsperspektiven erreichen können.

Zum Zweiten profitiert auch der Staat, der nicht nur bei der Umsetzung seiner sozialpolitischen Aufgaben unterstützt wird, sondern durch die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung auch höhere Steuereinnahmen und Sozialbeiträge erzielt.

Als dritte Gewinner stehen last, but not least die Arbeitgeber im Blickpunkt, bei denen neuere Forschungen verstärkt darauf hindeuten, dass sich durch mitarbeiter- und familienfreundliche Personalpolitik Wettbewerbsvorteile und auch Kosteneinsparungen erzielen lassen.

Wenn wir dies in Düsseldorf als Auftrag begreifen, sind die Themen, denen sich die Landtagsverwaltung und die Fraktionen stellen müssen, schnell klar. Die Bandbreite der Angebote, die wir prüfen müssten, die auch die Landtagsverwaltung prüfen sollte, sind die Kinderbetreuung, um den Arbeitnehmern Flexibilität zu ermöglichen, über Kooperationen mit lokalen Bündnissen für Familien nachzudenken, Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeiter im Erziehungsurlaub oder während Pflegezeiten zu avisieren, über die Vermittlung von kurzzeitigen Arbeitseinsätzen während der Unterbrechungszeiten in Krankheits- oder Urlaubsfällen nachzudenken, sich über die Möglichkeit von Familienbesuchsprogrammen oder -betreuung während Veranstaltungen im Landtag Gedanken zu machen, Angebote für Mitarbeiter bereitzuhalten, die Menschen pflegen, bis hin zur Zusammenarbeit mit umliegenden Ministerien oder Unternehmen zu kommen, sofern sich das lohnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle kennen den Grundsatz: Führen durch Vorbild. Nur wer die Maßstäbe, die er an andere legt, auf sich selbst ebenso anwendet, erreicht Glaubwürdigkeit. Das, was die bereits zertifizierten Unternehmen ge

schafft haben, ohne dass die Politik ihnen hier Vorgaben gemacht hat, sollte auch uns möglich sein.

Wenn ich mir am Schluss die Bemerkung erlauben darf: Was Rheinland-Pfalz kann, das können wir doch sicher auch, oder? Packen wir’s an. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Frau Milz. – Für die FDP spricht nun der Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich freue mich sehr, dass es möglich geworden ist, heute diesen Antrag einzubringen. Die Koalitionsfraktionen zeigen damit, dass der Landtag in besonderer Weise familienpolitisch gefordert ist. Wenn er sich an Unternehmen, an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wendet, dann muss er auch selbst die strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Familie und Beruf in seinem eigenen Umfeld besser miteinander verbunden werden können.

Das ist im Übrigen nicht nur eine gesellschaftspolitisch bedeutsame Aufgabe; ich bin nachhaltig davon überzeugt, dass es im Eigeninteresse eines jeden Unternehmens und einer jeden Behörde liegt, Familienfreundlichkeit auch in der täglichen Praxis unter Beweis zu stellen. Die Mitarbeiterzufriedenheit – das zeigen alle Untersuchungen – steigt dann, wenn insbesondere diejenigen der Beschäftigten, die Eltern sind, sich etwa nicht um die Betreuung ihrer Kinder sorgen müssen, wenn es Flexibilitäten in den dienstlichen Verpflichtungen gibt.

Aus diesem Grund haben die Koalitionsfraktionen ein Signal senden wollen, den Landtag selbst auch familienfreundlicher zu machen, in erster Linie gerichtet an die Beschäftigten. Ich kann mir aber auch gut vorstellen und halte es für empfehlenswert, wenn wir die zahlreichen Besucherinnen und Besucher des Landtags in diese Form der Unterstützung in geeigneter Weise einbeziehen könnten. Das gilt es dann zu prüfen. Das wäre zudem ein Beitrag zu der von der Präsidentin und ihrem Vorgänger betriebenen Öffnung des Landtags in die Gesellschaft hinein.

Meine Damen und Herren, erforderlich ist es selbstverständlich, dass die Landesverwaltung insgesamt familienfreundlicher wird. Es gibt eine Reihe von Ministerien, die zertifiziert sind und Maßnahmen auf den Weg gebracht haben. Ande

re Ministerien folgen. Es ist übrigens interessant, dass – wenn ich richtig unterrichtet bin – das Familienministerium selbst erst jetzt dabei ist, selbst als familienfreundlich zertifiziert zu werden. Der Minister wird das vielleicht gleich genauer sagen können. Da hat offenbar die Vorgängerregierung gepennt. Es musste erst ein Regierungswechsel stattfinden, bevor das Familienministerium selbst familienfreundlicher wird.

Hier ist also insofern noch eine ganze Menge zu tun. Wir gehen dieses Thema an. Der Landtag wird seiner Verantwortung gegenüber seinen Beschäftigten gerecht und übernimmt eine Vorbildfunktion. Meine Damen und Herren, deshalb bitte ich Sie herzlich um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die SPD spricht Frau Hack.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir freuen uns über diesen weiteren Beitrag der Regierungsfraktionen zu einer Frage, die derzeit landauf, landab diskutiert wird, seit sich die Kinderfrage von einem weichen zu einem aus unserer Sicht harten ökonomischen Faktor entwickelt hat. Es geht um die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

In der heutigen Debatte stand die frühe Förderung und Bildung von Kindern bereits zu Beginn im Mittelpunkt, heute Morgen teils unter dem Aspekt, ob die Auseinandersetzung mit dieser Frage nun ein weiteres Anzeichen für die Sozialdemokratisierung der CDU – wo waren eigentlich die vorherigen Anzeichen? – oder, um den Minister zu zitieren, für die Christdemokratisierung NordrheinWestfalens sei.

Für mich geht es nicht so sehr um Sozialdemokratisierung oder Christdemokratisierung von wem oder was auch immer, sondern die Realisierung gesellschaftlichen – hier: familialen – Bedarfs in der hiesigen CDU, und das glücklicherweise und offenkundig unbeeinflusst von Augsburger Sonntagsreden oder ähnlich ausgeprägt fachlichem Rat.

(Beifall von der SPD)

Den nach dem vorliegenden Antrag Betroffenen, den Beschäftigten des Landtags, ist es herzlich egal, warum Plätze für ihre Kinder eingerichtet werden. Egal ist aber nicht – dazu fehlt uns in Ihrem Antrag eine Aussage –, ob das Handlungs

programm, das Sie ausarbeiten wollen, auch für die Abgeordneten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen Gültigkeit haben soll oder nicht.

Hinzu kommen noch die von Ihnen erwähnten Beschäftigten in den umliegenden Ministerien. Wir sprechen hier also über eine viel höhere Anzahl potenziell betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Ihr begrüßenswerter Vorschlag interessieren wird. Deutlich mehr als die ca. 320 Beschäftigten im Landtag müssten aus unserer Sicht die Vorteile einer Kinderbetreuung hier im Hause in Anspruch nehmen können.

Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Warum erwähnen Sie nicht ganz ausdrücklich die Institution Betriebskindergarten?

(Beifall von der SPD)

Für uns muss ein Kinderbetreuungsangebot, wie Sie schreiben, selbstredend hohe Qualität gewährleisten, individuelle Förderung und Bildung für die Kleinsten bieten und von dafür qualifiziertem Personal durchgeführt werden. Zu hoffen ist, dass das in Ihrem Antrag keine Erwähnung findet, weil diese Anforderungen zwischenzeitlich Allgemeingut und auch in ihrem Denken Voraussetzung geworden sind.

Es gibt eine weitere Frage, die wir sicherlich in der Ausschussdebatte klären müssen: Warum die Festlegung auf einen – wie Sie schreiben – Familienservice? – Wir haben eine Vielzahl verschiedener Träger, die ein für den vorliegenden Bedarf passendes qualitätvolles Angebot machen können. Wir wünschen uns, dass dieses neu zu schaffende Angebot ebenso das Kind an die erste Stelle stellt wie alle anderen Einrichtungen im Land. Zertifizierungen sind nicht unser vorrangiges Anliegen. Es ist gut, sie zu erreichen. Sie sind aber nicht Motor unserer Anstrengungen für die Kinder. Ein ausreichendes und qualifiziertes Angebot für sie, die Kinder, schafft bekanntlich die deutlichste Verbesserung für die Familienfreundlichkeit und damit für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ein Letztes: Sie wissen, dass wir als SPD bereits im vergangenen Jahr die Machbarkeit der Beitragsfreiheit beginnend mit dem letzten Kindergartenjahr vorgerechnet haben. Wir bleiben bei der Position, das in Nordrhein-Westfalen erreichen zu wollen. Andere Bundesländer – Frau Milz, Sie haben es angeführt – machen es vor. Wenn wir das Gebot der Chancengleichheit ernst nehmen und vor allem die Einrichtungen für die unter fünf- bzw. unter sechsjährigen Kinder als Elemente in der

Bildungskette verstehen, müssen wir uns auf den Weg zur Beitragsfreiheit machen, egal ob in kommunalen, betrieblichen oder sonstigen Einrichtungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Hack. – Frau Asch spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die familienpolitische Diskussion nimmt in letzter Zeit einen erfreulich breiten Rahmen in der Debatte ein. Gerade die CDU holt in diesen Tagen eine Diskussion nach, die sie seit Jahren ausgesessen und vernachlässigt hat. Deshalb freue ich mich sehr über jede noch so kleine familienpolitische Initiative.

Der öffentliche Dienst hat seit jeher eine Vorbildfunktion. Das ist auch gut so. Wir können ja schlecht in der Gesellschaft Familien- und Kinderfreundlichkeit fordern und genau das in unseren eigenen Strukturen nicht umsetzen. Insofern müssen wir uns immer fragen lassen – deshalb ist der Ansatz richtig –, was wir selber im Landtag tun können, um Familien den Alltag mit ihren Kindern zu erleichtern.

Ich finde, es ist wichtig an dieser Stelle auch einmal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, sei es in der Verwaltung oder auch in den Fraktionen. Ich weiß, welchen Eiertanz sie manchmal machen müssen, um uns als Parlamentarierinnen zeitnahe Reaktionen auf tagesaktuelle Themen zu ermöglichen. Dabei geht für manche der Abend mit der Familie drauf, und manches Kind kann dann nachmittags nicht pünktlich abgeholt werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen es trotzdem, in letzter Sekunde umzudisponieren. Manchmal bezahlen sie dafür auch einen hohen Preis. Deshalb verdienen ihre Sorgen unsere Aufmerksamkeit. Daher an dieser Stelle mein herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landtag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, genauso zahnlos wie Ihr Antrag zu familienfreundlichen Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft kommt auch dieser Antrag zu hauseigenen Maßnahmen daher. Ich verstehe, dass Sie gern Politik mit Symbolcharakter machen. Aber das, was Sie hier vorlegen, ist ein Sammelsurium, das in sich nicht schlüssig ist und das nach meiner Auffassung auch nicht ausreichend ist.

Ich bin gern dabei, wenn es wirklich darum geht, unseren Beschäftigten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Aber ich bin nicht dabei, wenn es nur darum geht, schöne Worte zu machen und Symbolpolitik zu betreiben.

Was geht bei diesem Antrag durcheinander? – Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie für die Zertifizierung durch die Hertie-Stiftung 10.000 € in die Hand nehmen wollen, um das umzusetzen, was Sie selber schon vorschlagen. Dieses Geld wäre besser angelegt, wenn Sie es tatsächlich den Familien und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Hause zugute kommen lassen würden. Dann könnten Sie nämlich zum Beispiel das von Ihnen geforderte entgeltliche Kinderbetreuungsangebot in ein kostenloses umwandeln, damit Mütter und Väter, die hier in den Randstunden arbeiten, Betreuung wegen Überstunden brauchen oder in den Schulferien vor geschlossenen Kitas stehen, nicht noch doppelt bestraft werden. Diese Zertifizierung durch die Hertie-Stiftung ist wirklich überflüssig.

Auch die Kooperation mit dem lokalen Bündnis für Familie in Düsseldorf oder mit anderen Ministerien ist zwar ein werbewirksames Anliegen, aber auch das brauchen wir nicht für die Umsetzung der Maßnahmen im Landtag. Bevor Sie anfangen, diese Ressourcen zu binden, und an allen möglichen runden Tischen teilnehmen, fangen Sie doch erst einmal damit an, hier konkret etwas zu tun.

Wichtig ist zunächst einmal Folgendes: Wir brauchen eine Erhebung darüber, wie hoch der Bedarf bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hause ist und für welche Zeiträume die Eltern ein solches Angebot an Kinderbetreuung brauchen.

Ich habe mich gefragt, was eigentlich ein sogenanntes Angebot für Mitarbeiter sein soll, die Angehörige pflegen. Geht es hier nicht eigentlich um Frauen? Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, die besagen, dass gerade in unserem Haus nur Männer ihre Angehörigen pflegen? Ihnen scheint nicht bekannt zu sei, dass wir uns alle einmal gemeinsam auf eine geschlechtsneutrale Sprache geeinigt haben. Vielleicht lesen Sie das im Landesgleichstellungsgesetz noch einmal nach. Es sind nämlich in der Mehrzahl Frauen, die diese Pflegearbeit übernehmen.

Wenn es Ihnen wirklich um die Sache geht und nicht nur darum, öffentlichkeitswirksame symbolische Anträge vorzulegen, wäre es sinnvoll gewesen, einmal auf die anderen Fraktionen zuzugehen, das gemeinsame Gespräch zu suchen und den Dialog darüber zu führen, wie wir alle mitein

ander diesen Landtag familienfreundlicher gestalten können.