Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

(Wolfgang Jörg [SPD]: Deshalb packen Sie jetzt keinen Pfennig mehr in das System! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich zitiere den damaligen Staatssekretär Dr. Schulz-Vanheyden aus dem Jahr 2004:

„In diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass nach § 24 SGB VIII die Jugendämter in der Pflicht stehen, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu verwirklichen. Das Land hat keinen Einfluss auf die örtlichen Jugendhilfeplanungen. Lösungen müssen vor Ort gefunden werden. Für die Landesregierung und unser Ministerium kann ich zusagen, dass wir uns in solche Gesprächen konstruktiv einbringen werden. Ich sage aber auch deutlich, dass das Land an dieser Stelle keine Ausfallbürgschaft übernehmen kann und wird.“

Will sagen: Sie haben die Kommunen mit ihren Finanzierungsproblemen allein gelassen, die aufgrund der Verschlechterung der Finanzlage der Kirchen eingetreten ist. Das war Ihre Politik!

(Beifall von FDP und CDU – Wolfgang Jörg [SPD]: Sie haben doch 170 Millionen raus- gezogen!)

Aus dem Grunde haben wir gesagt: Das kann so nicht bleiben, wenn wir auch die Kirchen im System halten wollen. Deshalb wird der Eigenanteil der Kirchen reduziert, und in gleicher Weise verpflichten sich die Kirchen – das steht im Konsenspapier –, dass sie im Rahmen ihres pastoralen Auftrags weiter im Betreuungssystem verbleiben. Das hilft nicht nur den Kirchen, sondern es hilft in besonderer Weise auch den Kommunen, die sonst Probleme bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs gehabt hätten.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Zu den Elterninitiativen möchte ich ausführen: Wir haben erreicht – das ist richtig so –, dass der Eigenanteil der Elterninitiativen, die wirtschaftlich nicht so leistungsfähig sind, bei 4 % verbleibt. Die Einrichtungen, die möglicherweise gleichwohl aufgrund ihrer besonderen Situation Finanzierungsprobleme haben, erhalten einen zusätzlichen Bonus von 15.000 € zur Bestandssicherung.

Ich will auch sagen, dass wir nach meinem Dafürhalten einen sehr klaren Appell an die 900 Elterninitiativen im Land richten müssen, das jetzt auch als Chance zu begreifen, ihre eigene Arbeit und insbesondere ihre Organisation zu hinterfragen. Eine einzelne Einrichtung auf dem Land mit 15 Kindern und einer kleinen Altersmischung, wie wir sie jetzt haben, die völlig alleine arbeitet, kann nie so leistungsfähig sein, kann auch nicht so viele Reserven haben und kann nicht so viele Möglichkeiten haben, Vertretungen organisieren zu können, wie ein Verbund.

Deshalb lauten mein Appell und meine Bitte, dass sich die Elterninitiativen nach Möglichkeit auf Ebene der Kreise oder auch kreisübergreifend stärker zu Kooperationen zusammenfinden. Wir haben solche Beispiele, etwa im Kreis Soest. Dort haben die Elterninitiativen eine gemeinsame gemeinnützige GmbH gegründet und sind dadurch qualitativ so gut wie bisher, aber können betriebswirtschaftlich viel besser wirtschaften.

Meine Damen und Herren, mein letzter Gedanke: Dieses Gesetz – und das freut uns sehr; gerade Helmut Stahl und ich freuen uns sehr darüber –, ist kein Spargesetz. Während wir in diesem Jahr 866 Millionen € für Kindertageseinrichtungen aufwenden, ist es Helmut Stahl, dem Finanzminister, Gerhard Papke und anderen mit zu verdanken, dass wir in diesem Jahr 959 Millionen € für das Jahr 2008 zusagen können und dass wir danach einen Aufwuchs auf über 1 Milliarde € hier schon in die mittelfristige Finanzplanung haben aufnehmen können. Das ist eine Schwerpunktbildung für Kinder, damit Nordrhein-Westfalen das Land der

neuen Chancen gerade für Kinder werden kann. Dieses Gesetz ist ein wesentlicher, ein wichtiger Baustein dafür. – Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lindner. – Für die Landesregierung erhält das Wort Herr Minister Laschet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur noch auf drei Bemerkungen der Debatte eingehen und einige Klarstellungen liefern.

Frau Asch, ich glaube, bezüglich des Demokratieprinzips und im Denken darüber, wie man Politik macht, leben wir wirklich auf unterschiedlichen Planeten. Das ist so und wird sich scheinbar in diesem unserem Leben auch nicht mehr ändern.

Das normale Verfahren bei jedem Gesetzgebungsprozess, den wir machen, und bei jedem Gesetzgebungsprozess, den es zum GTK in den letzten Jahren gab, ist bzw. war, dass das Ministerium einen Gesetzentwurf in das Kabinett einbringt. Das Kabinett beschließt darüber. Dann sieht unsere Verfassung eine Verbändeanhörung vor. Dann nimmt man die Anregungen der Verbände auf. Anschließend beginnt das eigentliche Gesetzgebungsverfahren. Dann beraten die Ausschüsse und das Plenum in erster, zweiter und dritter Lesung, und am Ende wird entschieden. Das ist das normale Verfahren.

Wir sind jetzt an dem Punkt, wo das Kabinett den Gesetzentwurf noch nicht beschlossen hat. Das wird am 20. März passieren. Im Vorfeld dieses Prozesses habe ich gesagt: Ich will nicht nur mit unserer Fachabteilung, mit den Fachbeamten, sondern auch mit denen sprechen, die das vor Ort machen, mit den Trägern, den Kirchen und den Kommunen. Ein solches Verfahren nennt Frau Asch undemokratisch, und deshalb lebt Frau Asch auf einem anderen Planeten als ich.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich bekenne mich dazu: Ich habe fundamental ein anderes Verständnis von Politik als Frau Asch,

(Beifall von CDU und FDP)

weil ich mit den Menschen und nicht nur mit Apparaten, mit Beamten, mit Kabinetten – die sind auch wichtig; aber wichtiger sind mir die Menschen – sprechen will. Sie können es gerne laut und öffentlich als undemokratisch diffamieren,

dass ich mit den Menschen spreche, die Probleme haben. Ich werde dann jedem sagen, dass ich anders bin als Frau Asch, weil ich mit denen rede, die es am Ende betrifft.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin Asch?

Ja.

Bitte schön.

Herr Minister Laschet, Sie sagen, Sie haben mit den Menschen geredet. Ich sage, Sie haben mit den Trägern gesprochen. Sind die Menschen, die betroffen sind, keine wesentlichen Beteiligten in diesem Prozess, zum Beispiel die Elternvertreter, die die Auswirkungen dieses Gesetzes konkret zu spüren haben? Wo waren die Erzieherinnen und Erzieher, die in ihrem Arbeitsalltag genau diese Auswirkungen zu spüren bekommen, und wo waren die Menschen, die die Kinderinteressen vertreten? Das ist meine Kritik.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ihre Grundkritik war, das Verfahren sei undemokratisch.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Beantworten Sie die Frage!)

Ich beantworte sofort Ihre Frage, Frau Asch. Ich möchte nur kurz in Erinnerung rufen, was Sie hier im Plenum des Landtags von NordrheinWestfalen eben und vor Wochen gesagt haben. Sie sagen, das Verfahren ist undemokratisch, wenn man mit kommunalen Spitzenverbänden und mit Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege redet und im Vorfeld versucht, eine Einigung zu erzielen. Hier leben wir auf zwei unterschiedlichen Planeten, und ich will mit Ihnen in dieser Frage auch gar nicht auf einem Planeten leben.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Sie fragten, wo die Eltern, die Erzieherinnen waren. Um mich genau in diesen Fragen sachkundig zu machen, habe ich beispielsweise mehrere Elterninitiativen besucht. Ich habe darum gebeten, mir zu sagen, wie die das abrechnen, wie das bei denen funktioniert. Bei mir im Ministerium war ver.di. Ich war auf der Jahrestagung des VBE, der

ein Verband der Erzieher und Erzieherinnen ist. Wir haben diese Gespräche geführt und werden sie auch weiter führen, denn wir sind ja erst am Beginn dieses Verfahrens.

Frau Asch, Sie sagen, wenn man auf ein Bedenken von denen, die es ausüben, eingeht, dann ist man gescheitert oder umgefallen. Das ist der Jargon, in dem Sie reden. Sie sagen: Die Kopfpauschale haben Sie gewollt, jetzt machen Sie doch etwas anderes. Ich sage Ihnen dazu – Herr Lindner hat gerade dazu etwas zitiert –: Die Kopfpauschale hat die alte rot-grüne Regierung den Menschen in die Köpfe gesetzt. Ich habe in meinem ganzen Leben weder im Plenum noch in Interviews noch in irgendeinem Gespräch gesagt, ich wolle eine Kopfpauschale. Ich habe gesagt, ich will ein System, das kindgesteuert ist und von den alten Abrechnungssystemen weggeht. Das war von Anfang an unsere Position.

Wenn mir ein Träger erklärt, mit der Kopfpauschale – angenommen, ich hätte sie gewollt – habe man ein Problem, und ich auf die Menschen dahin gehend eingehe, dass ich sie nicht mache, weil wir ein Gesetz machen wollen, das ein gutes Ergebnis bringt, dann nennt Frau Asch das Umfallen und sie sagt, man sei gescheitert. Nein, ein Minister, der hört, was die Menschen wollen, und ein System erarbeitet, das gut funktioniert, ist nicht gescheitert, sondern der geht auf Menschen ein. Auch da leben wir auf unterschiedlichen Planeten.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel, wie weit das geht. In dem ganzen Verfahren hat niemand das Problem der eingruppigen Einrichtungen benannt. Es gibt aber ein Problem für eingruppige Einrichtungen. Das ist für die großen Trägerverbände, für die AWO, Caritas, kein wirkliches Problem, für die Elterninitiativen ist es aber ein Problem. Deshalb habe ich in dem gesamten Prozess mehrmals mit Herrn Steinhausen, mit denen, die in Elterninitiativen arbeiten, bilateral gesprochen, um zu erfahren, was das Problem bei denen ist und warum es ein Problem ist. Daraufhin haben wir beschlossen, in der Übergangszeit 15.000 € zur Verfügung zu stellen.

Das ist doch kein Einknicken, das ist doch kein Scheitern, wenn man ein Einzelproblem wahrnimmt und eine Abhilfe in das Gesetzgebungsverfahren einbaut, sondern das ist – so verstehe ich Politik – Politik für die Menschen, für diejenigen, die es vor Ort machen.

Wir hatten in unserem Pauschalsystem vor, das auch bei den Mieten zu machen, nämlich eine

Mietpauschale für das ganze Land. Jetzt können Sie wieder sagen, wir seien gescheitert. Im Ergebnis ist natürlich klar, dass die Mieten in Köln und Düsseldorf höher sind als im Kreis Warendorf. Die Träger haben zum Teil langfristige Verträge gemacht, die man nicht schnell kündigen kann. Also haben wir gesagt, wir erkennen das Problem an und treffen für die Mieten eine andere Regelung als für die anderen Dinge. Sie können sagen, ich bin wieder gescheitert, weil ich erst andere Ideen hatte und dann das aufgegriffen habe, was uns vorgetragen worden ist. Insofern liegen wir da ziemlich weit auseinander. Ich sehe auch hier kaum Wege, dass wir uns da noch einmal auf einem Planeten vereinigen könnten.

(Britta Altenkamp [SPD]: Jetzt auch noch gleich vereinigen! – Allgemeine Heiterkeit)

Zu Ihrer Bemerkung zu Kienbaum: Man kann über eine Unternehmensberatung und darüber,,ob ihre Einschaltung sinnvoll ist oder nicht, so oder so reden, aber ich finde, Sie sollten in der Öffentlichkeit und an einem Ort wie einem Parlament nicht die Arbeit einer vom Land beauftragten Institution, die uns insbesondere beim Rechnen geholfen hat, infrage stellen. Sie hat geholfen zu erfahren, was es für die Stadt X und die Stadt Y bedeutet, wenn wir an dieser oder jener Stellschraube etwas verändern. Das kann die Landesverwaltung nicht, Frau Asch. Wir selbst können dieses nicht von einer Sekunde auf die andere berechnen. Deshalb haben wir uns der Fachleute bedient. Vielleicht, Frau Asch, wäre bei der alten Landesregierung manches Problem nicht entstanden, hätte man sich schon früher des Sachverstands bedient.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Das war der Vorteil in diesem Prozess: Zu keiner Sekunde wurde über Zahlen diskutiert. Alle Träger, alle Kommunen haben anerkannt, dass die Hilfe von Kienbaum für unsere Arbeit sehr wichtig war. Das sollten Sie im Nachhinein nicht diskreditieren.

Zu Ihrer Bemerkung, wir hätten nur mit den großen Verbänden diskutiert.

(Minister Karl-Josef Laumann [an die SPD gewandt]: Das Problem, das Ihr habt: Ihr könnt nicht sagen, es ist gut! – Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Diese Verbände haben vor Unterzeichnung alles rückgekoppelt. Denn natürlich fällt es einem solchen Verband – erst recht, wenn er politisch dieser Landesregierung gar nicht nahesteht – nicht leicht, am Ende ein Konsenspapier zu unterzeichnen. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsver

band beispielsweise hat vor der Unterschrift das Ergebnis in einer Rund-E-Mail an alle seine Kreisverbände, an alle Elterninitiativen genau kommuniziert, um bis in den letzten Kreisverband rückzukoppeln: Können wir ja sagen oder nicht? – Auch das ist, finde ich, in einem solchen Verfahren wichtig und macht es akzeptabel. Deshalb sollten Sie diesen Konsens nicht so diskreditieren, als hätten wir im Hinterzimmer mit sechs oder acht Leuten zusammengesessen. Ganz im Gegenteil: Die Teilnehmer der Runde haben das Ganze in einem breiten Prozess mit ihren Organisationen diskutiert.

Die kommunalen Spitzenverbände – es gibt nicht nur CDU-Oberbürgermeister in den Präsidien, in den Vorständen des Städte- und Gemeindebundes oder des Städtetages –