Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

Herr Stotko, Sie haben eben ausgeführt, wir würden das Justizvollzugsamt offenkundig zu spät auflösen, da es dort Missstände gebe.

(Zuruf von Thomas Stotko [SPD])

So durfte man Sie verstehen. Aber Ihren Kollegen Sichau dürfen wir immer so verstehen, dass er der Meinung ist,

(Thomas Stotko [SPD]: Sie haben nicht zu- gehört!)

dass NRW das einzige Land in ganz Deutschland sein sollte, das ein solch komisches Amt über

haupt hat. Sie sollten zunächst intern klären, wie Ihre eigene Position dazu ist.

Sie reden hier immer ständig davon, die neue Landesregierung würde die Verantwortung tragen. Das hört sich so an, als würden Sie sagen, der Sanierer ist schuld und nicht derjenige, der die Ruinen zurückgelassen hat.

(Beifall von FDP und CDU)

Bei Letzterem liegt aber in Wirklichkeit die Verantwortung, und diese Verantwortung werden Sie in diesem Untersuchungsausschuss vielleicht mehr, als Ihnen lieb ist, zu spüren bekommen.

Herr Groth, Sie sagen, Sie hätten gerne eine unabhängige Untersuchungskommission gehabt. Das Parlament wird jetzt untersuchen. Das Parlament hat aber auch die Vollzugskommission, die schon immer unabhängig untersucht.

(Zuruf von Thomas Stotko [SPD])

Wir definieren unsere Arbeit nicht so, dass wir uns als Regierungsjubler verstehen, sondern wir als regierungstragende Fraktionen begleiten die Arbeit der Regierung auch kritisch. Insofern ist alles das, was das Parlament mit Mehrheit beschließt, Ausdruck der parlamentarischen Kontrolle der Regierung. Hier haben wir anscheinend ein anderes Staatsverständnis als Sie.

(Beifall von FDP und CDU)

Insofern können wir gerne den Untersuchungsausschuss angehen. Sie sollten einmal darüber nachdenken, warum Sie solange gebraucht haben. Richtig wäre es gewesen, wenn Sie den Mut gehabt hätten, den vorschnell geforderten Untersuchungsausschuss heute nicht zu beantragen. Sie hätten vielleicht besser eine Enquetekommission beantragt, aber die haben Sie ja schon für andere Themen verbraucht. Insofern müssen wir heute diesen Untersuchungsausschuss beschließen, dessen Einsetzung wir natürlich, dem parlamentarischen Recht der Opposition folgend, zustimmen werden. Ich freue mich auf die Debatte. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Biesenbach das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zumindest in den beiden Fraktionen CDU und FDP waren wir heute Morgen gespannt, ob wir ein wenig mehr darüber

erfahren, warum die SPD diesen Untersuchungsausschuss beantragt.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Bisher war es uns rätselhaft, Herr Sichau – Ihr Zwischenruf zeigt dies auch –, denn aus dem von Ihnen vorgelegten Antrag erschließt sich nicht, was Sie wirklich wollen. Alles das, was Sie im Antrag als Gründe angegeben haben, ist Sache für den Staatsanwalt. Das gehört ins Strafverfahren. Alle Fragen, die der Kollege Stotko heute gestellt hat, sind Fragen, die das Strafverfahren vor dem Gericht beantworten wird. Das ist nicht Sache der Ministerin. Herr Stotko, wir haben uns schon oft darüber unterhalten, mit welcher Fachkunde das in Ihrer Fraktion betrieben wird. Glauben Sie es also: Das ist Sache des Strafverfahrens und nicht Sache der Ministerin.

Alles, was Sie schildern, bleibt offen. Fünf Punkte – das beantragen Sie – soll der Untersuchungsausschuss klären. Zu einem Punkt geben Sie ein paar Gründe an, nämlich zu dem fünften Punkt. Zu den anderen vier Punkten, warum Untersuchungsausschuss, warum das Verhalten der Ministerin attackiert wird, warum untersucht werden soll, was der Staatssekretär getan hat, gibt es keine einzige Info, weder im Antrag noch heute. Das ist dünn, und das ist genauso dünn wie das, was wir von Ihnen bisher in allen Situationen erlebt haben.

Warum soll es einen Untersuchungsausschuss geben? Herr Groth hat zu Recht eine Menge Fragen gestellt, und wir hören da das Interesse heraus, nach Lösungen zu suchen, die helfen sollen, den Strafvollzug zu verbessern. Da sind wir im selben Boot; das wollen wir auch. Deswegen unterstützen wir auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, obwohl die Aufträge zur Beantwortung der Fragen nicht beitragen können.

Ich finde es wichtig, dass wir gemeinsam die Ministerin einmal loben, denn Sie hat gut begonnen, in diese Richtung etwas zu tun. Ihr Schmunzeln zeigt, dass Sie das ähnlich sehen. Dass Sie von der SPD das nicht so sehen, ist okay. Was bleibt denn übrig, wenn Sie keine Anträge mit Inhalt stellen? Hier kann ich nur ein Zitat des ehemaligen Außenministers Fischers – auch wenn er bei den Grünen war – nennen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ist!)

„Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist erstens ein Kampfinstrument, zweitens ein Kampfinstrument, drittens ein Kampfinstrument.“

Wofür wollen Sie denn kämpfen? Für bessere Verhältnisse im Strafvollzug? Dann machen Sie doch mit. Etwas Besseres auf den Weg bringen als das, was diese Ministerin auf den Weg gebracht hat, kann niemand, und erst recht nicht die SPD, denn Sie haben Jahrzehnte verpennt.

(Beifall von CDU und FDP)

Geht es Ihnen um die tatsächlichen Verhältnisse im Strafvollzug? – Das kann nicht sein, denn Sie sind schlicht feige. Warum? – Weil Sie den Untersuchungszeitraum am 1. Januar 2003 beginnen lassen wollen. In diesem Zeitraum – da sind wir uns einig – sind keine Ursachen für die miese Lage im Justizvollzug gesetzt worden. Die Ursachen lagen alle vorher. Damit Sie ein kleines Alibi haben, sagen Sie: Wir opfern Gerhards, der ist bei uns ohnehin unbeliebt. – Nein, er hat auch nur das weitergeführt, was der Kollege vorher angefangen hat, und das war der Kollege Jochen Dieckmann, Ihr Justiz- und Ihr Finanzminister. Die Ministerin, die Sie jetzt attackieren und beschimpfen, die hat angefangen, deutlich gegenzusteuern.

Sie mögen dies alles nicht gerne hören, aber es hilft, ein wenig in den Zeitungen zu blättern. Im März 1999 ist Jochen Dieckmann Justizminister geworden. Am 4. Mai 1999 stand im „Kölner Stadt-Anzeiger“:

„Die Gefängnisse in NRW platzen aus allen Nähten. Bei 17.115 Haftplätzen sind sie mit fast 19.000 Gefangenen drastisch überbelegt, sagte Justizminister Dieckmann in Bonn.“

Die „Rheinische Post“ vom 21. Dezember 2000 schreibt – ich zitiere –:

„Die Entwicklung im nordrhein-westfälischen Strafvollzug ist besorgniserregend. Zu diesem Fazit kommt eine Lageanalyse des Landesjustizministeriums unter Führung von Jochen Dieckmann.“

Weiter in demselben Artikel:

„Starke Gewaltbereitschaft in geschlossenen Männergefängnissen sowie Überbelegung der Haftanstalten erschweren die Situation.“

„Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 24. Juli 2002:

„Spannung in Gefängnissen steigt Justizminister“

Dieckmann –

„warnt vor Gewaltbereitschaft in überbelegten Haftanstalten.“

„Westpol“, WDR-Fernsehen am 25. März 2001:

„In nordrhein-westfälischen Jugendgefängnissen ist offenbar der Teufel los. Jugendliche Strafgefangene schließen sich zu Banden zusammen und terrorisieren die Mithäftlinge.“

In derselben Sendung führt Justizminister Jochen Dieckmann aus:

„Es hat keinen Sinn, die Augen vor solch einer Gefahr zu schließen.“

Das waren die Aussagen 1999, 2000 bis 2002. Das waren die Ursachen, alle seinerzeit bekannt. Was hat der Justizminister gemacht? – Nichts! Aber als Finanzminister hat er dann geholfen, die Mittel für den Justizvollzug weiter zu kürzen.

(Beifall von der CDU)

Das alles, das alles wollen Sie nicht wahrhaben. Deswegen kann man Sie nur als feige beschimpfen. Sie haben Angst vor der Wahrheit, denn sonst hätten Sie unserem Vorschlag zugestimmt, den Zeitraum zu verlängern. Sie sind an einer Sachaufklärung überhaupt nicht interessiert. Sie wollen Jochen Dieckmann schützen und diese Ministerin nur mit Schmutz bewerfen.

(Beifall von der CDU)

Das ist der Makel, mit dem dieser PUA leben muss und mit dem dieser PUA startet. Sie wollen nur Klamauk. Das beste Beispiel, Herr Kollege Stotko, war Ihre Rede, denn Sie haben keine weiteren Fakten benannt.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben nur deutlich gemacht, worum es Ihnen geht, was auch an einer anderen Stelle des Antrags deutlich wird. Wenn Sie den Antrag einmal anschauen, dann erkennen Sie: Die ersten vier Punkte, die sich mit dem Verhalten beschäftigen sollen, wollen Sie zuerst geklärt haben. Erst danach, nach dem Zwischenbericht, soll es um die tatsächlichen Verhältnisse gehen. Da wird wieder deutlich, dass Sie an der Sache nicht interessiert sind. Denn wie wollen Sie Verhalten bewerten, wenn Sie die Fakten nicht kennen? – Wer das wollte, muss mit den Fakten beginnen und dann fragen, ob das Verhalten richtig oder falsch war.

Wenn hier von einem Skandal die Rede ist – Sie haben das Wort gebraucht, ich hätte damit gar nicht angefangen –, dann nehmen Sie doch einfach zur Kenntnis: Skandalös ist, wie Sie seinerzeit im November, Dezember und Januar mit der Wahrheit umgegangen sind. Skandalös ist, wie Sie mit dem Schicksal von Menschen umgehen, und skandalös ist die Angst, die Sie haben, die