Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

(Zustimmung von Hendrik Wüst [CDU])

Das betrifft zwei Bereiche: Zum Ersten wird nach wie vor in allen möglichen Geschäften Alkohol an Minderjährige verkauft. Das muss endlich unterbunden werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Zweite ist, dass auch im Gaststättenbereich überhaupt nicht kontrolliert wird. Wenn wir uns die aktuellen Fälle anschauen, die in den Medien rauf und runter diskutiert worden sind, gerade den Jugendlichen aus Berlin, der letzte Nacht aus dem Koma heraus verstorben ist, wissen wir: Diese Jugendlichen hätten nicht trinken dürfen. Wenn der Jugendschutz konsequent eingehalten worden wäre, wäre dieser Junge noch am Leben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen also klarere Kontrollen, und Kontrollen müssen auch mit Sanktionen einhergehen. Aber für Kontrollen fehlt oft viel. Man kann sich das in Nordrhein-Westfalen anschauen. Wir hätten dazu gerne Zahlen vom Ministerium. In BerlinMitte ist es so, dass es für 3.000 Lokale gerade einmal zwei Kontrolleure gibt, also ein Kontrolleur für 1.500 Lokale. Da kann man Jugendschutz nicht kontrollieren. Da ist Jugendschutz letztendlich eine Farce.

Also, wir müssen uns auch als Land dafür einsetzen, dass der Jugendschutz intensiv eingehalten wird und auch kontrolliert wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber darüber hinaus gibt es etwas Neues – das haben uns die Untersuchungen alle gezeigt –: Wir haben nämlich nicht mehr Jugendliche, die trinken, aber wir haben viel mehr Jugendliche, die so weit trinken, dass sie im Krankenhaus auf der Intensivstation landen. Eine Ursache dafür ist, dass wir in dieser „Geiz ist geil“-Mentalität, die wir im Moment in allen Bereichen haben, halt diesen neuen Spross der Flatrate-Angebote vorfinden: Saufen, bis der Arzt kommt! Saufen bis zum Umfallen! Saufen, so viel wie eben reingeht!

Schauen Sie einmal ins Internet, was da unter Jugendlichen ausgetauscht wird! Da gibt es die Top Ten des heutigen Abends: Wie viel muss ich trinken, damit es sich richtig lohnt? Welche Angebote lohnen sich? 10 Bier, und du hast deine Knete wieder drin! Oder Angebote wie: Wer 30 trinkt, der hat gewonnen!

Man kann sich stundenlang damit beschäftigen, worüber sich die Jugendlichen austauschen und wie sie am nächsten Morgen darüber berichten, wie ihnen das Trinken bekommen ist. Und wer am meisten erbrochen hat, ist dann der Sieger des Tages. – Ich kann jedem nur empfehlen, damit man weiß, was bei unserer Jugend da passiert, einmal in Google unter den Stichworten nachzugucken.

Deswegen sagen wir: Wir wollen nicht, wie eingangs ausgeführt, alles verbieten; aber solche Angebote des Flatrate-Saufens, die nur darauf angelegt sind: „Trinkt so viel eben geht!“, diese Angebote sind eigentlich sittenwidrig. Die gehören nicht in unsere Gaststätten!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn es sich dabei nicht um Alkohol handeln würde, sondern im illegale Drogen, würde jeder sagen: Das ist ein Bereich des Anfixens. Da werden die Jugendlichen in eine Situation hineingebracht, bis sie bis oben hin betrunken sind und in die Abhängigkeit kommen. Das kann nicht unser Anliegen sein.

§ 20 Abs. 2 des Gaststättengesetzes sagt eigentlich: An Betrunkene darf kein Alkohol mehr ausgegeben werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber hier wird reihenweise an die betrunkenen Jugendlichen so viel Alkohol ausgegeben, dass sie hinterher auf den Intensivstationen unserer Krankenhäuser landen. Das kann und darf nicht sein. Da müssen wir eingreifen.

Deswegen, meine Damen und Herren, fordern wir die Landesregierung auch an der Stelle auf, alles Mögliche zu tun, um dieses zu unterbinden. Wir sind auf keinen Weg festgelegt, sondern das sind Diskussionsangebote. Wir wollen nur, dass wir gemeinsam den Weg gehen und diese Dinge für Nordrhein-Westfalen eindämmen. Wir werden das Trinken bei Jugendlichen nicht verhindern – das ist nicht das Ziel –, aber wir müssen da, wo es vermeidbar und wirklich lebensbedrohlich ist, die Schritte, die wir gehen können, an der Stelle auch gemeinsam gehen. – Danke.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Kern das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon richtig, dass wir dieses Thema ansprechen; das möchte ich sehr deutlich sagen. Wir reden heute über das gesellschaftliche Phänomen des Flatratesaufens. Vor einem Jahr war das vielleicht noch ein Begriff, den keiner von uns kannte. „Einmal saufen – endlos trinken!“ könnte die vereinfachte Formel lauten.

Das ist ein für Gastronomen scheinbar gutes Geschäft, aber unverantwortlich. Für Jugendliche ist das ein verhängnisvolles Angebot. Es gilt sicherlich, zu prüfen, ob die Modifizierung des Jugendschutzgesetzes – 2002 im Deutschen Bundestag unter dem Stichwort „Erwachsene Begleitperson“ beschlossen – der Grund für diese Entwicklung ist. Wir sollten zwischen Ursache und Anlass allerdings unterscheiden. Ich verweise hierzu auf den entsprechenden Artikel aus dem „Spiegel“, Heft Nummer 13.

Wir sind es der Objektivität und unseren Kindern schuldig, nicht zu vergessen, dass die Zahl der Jugendlichen, die Alkohol trinken, insgesamt zurückgeht. Es trinken zwar weniger; aber diejenigen – wie eben bereits gesagt –, die es tun, trinken umso mehr.

Das Deutsche Kinderhilfswerk fasste in seinem Überblick „Kinder und Jugendliche in Deutschland 2006“ zusammen:

Der Alkoholkonsum unter 12- bis 17-Jährigen ist generell rückläufig.

Dieses Ergebnis ist zunächst überraschend.

2005 konsumierten in dieser Altersgruppe 18 % mindestens einmal pro Woche Alkohol.

2004 waren es noch 2 % mehr, nämlich 20 %.

Außerdem nahm das Risikobewusstsein zu: 52 % der männlichen und 59 % der weiblichen Jugendlichen waren sich der Gefahr des Alkoholkonsums bewusst.

Das war bei den Jungen eine Zunahme um 10 % und bei den Mädchen um 7 %. Obwohl diese Zunahme auf den ersten Blick erfreulich ist, dürfen wir nicht nachlassen, noch bessere Werte zu erzielen. Denn immerhin 34 % der 12- bis 17Jährigen hatten im Jahr 2005 mindestens einen Alkoholrausch. Rein statistisch gesehen zeichnet sich hier eine Dominanz harter, süßer Alkoholika

ab. Nach wie vor gelten süße Getränke, in denen man den Alkohol nur schwach schmeckt, als Einstiegsrauschmittel.

Meine Damen und Herren, wir sind uns, glaube ich, alle darin einig, dass wir dieses Problem nicht verharmlosen dürfen. Auch die verschiedenen Bundestagsfraktionen befassen sich aktuell mit dieser Problematik. Gerade für junge Menschen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, besteht großes Suchtpotenzial. Bei regelmäßigem Konsum besteht die Gefahr von Organschäden und Spätfolgen.

Der richtige und vor allem maßvolle Umgang mit Alkohol will gelernt sein. Dafür braucht es Vorbilder, die vorwiegend im Elternhaus zu finden sein sollten. Leider ist dazu nicht jedes Elternhaus in der Lage. Die Aufklärung über Risiken und Folgen passiert in der Schule sowie durch zahlreiche Initiativen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Medien in dem Zusammenhang wertvolle Arbeit leisten.

Ich komme zum Schluss. Es geht um eine objektive Darstellung des Problems, weder eine Verharmlosung noch eine subjektive Dramatisierung von Einzelfällen. Der Staat sollte und darf sich nicht bevormundend in alle Lebensbereiche einmischen. Das ist nicht seine Aufgabe. Deshalb sind Verbotsansätze nicht immer zielführend.

Es ist aber unsere Aufgabe, die bestehenden Gesetze konsequent umzusetzen und vor allen Dingen zu kontrollieren, sei es in diesem Fall das Jugendschutzgesetz, das die Abgabe von Alkoholika an Jugendliche und ihren Aufenthalt in Gaststätten und Lokalen regelt, oder das Gaststättengesetz, nach dem die Wirte verpflichtet sind, an offensichtlich Betrunkene nichts mehr auszuschenken. Den Betreibern und Veranstaltern solcher Partys muss klar sein, dass sie unter Umständen ihre Konzession riskieren.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

Den Tod des 16-Jährigen aus Berlin können wir als erschütterndes Beispiel anführen.

Es ist die eigentliche Aufgabe der Eltern als Erziehungsverantwortliche, ihre Kinder stark zu machen und zu schützen. Wir müssen dafür sorgen, dass die vorhandenen Gesetze strikt eingehalten und von den Ordnungsbehörden stärker kontrolliert werden. Jugendliche müssen einen kritischen Umgang mit Alkohol lernen. Systematisches Trinken oder gar Saufen ist nicht cool und imponiert niemandem.

Meine Damen und Herren, Ihren Antrag von den Grünen werden wir im Ausschuss diskutieren. Die

CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat beschlossen, dass die Bundesregierung in den nächsten Wochen eine Schwachstellenanalyse zu dieser Problematik vorlegen soll. Auf diese Ergebnisse können wir gespannt sein. Gespannt sind wir auch auf die Diskussion im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Meurer das Wort.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Wer von uns kann sich nicht an die Happy Hour in den Diskos an Wochentagen erinnern: In den Kneipen kostet heute Abend jeder Cocktail 4 €! Bis acht Uhr jedes Getränk zum halben Preis! 99Pfennig-Party! – Heute heißt das ganze: Flatratesaufen! Einen kleinen Unterschied gibt es schon noch: Die Sache ist zeitlich nicht befristet.

Alkohol, diese gesellschaftlich anerkannte Droge, wird noch zu häufig verharmlost. Die Aufklärung über gesundheitliche Schäden, den Verlust der Kontrolle über das eigene Handeln, und über Sucht sind notwendig, werden aber auch von Schule, Gesundheitsämtern und Drogenbeauftragten durchgeführt. Verstärkte Polizeikontrollen am Wochenende sind Routine.

Schlechte Vorbilder auf Familienfeiern, Schützenfesten, schlicht überall da, wo Jugendliche torkelnden, grölenden, speienden und prügelnden Erwachsenen begegnen, prägen. Kinder und Jugendliche lernen vieles für ihr späteres Verhalten durch Adaption.

Saufen bis zum Abwinken ist nicht neu, hat es immer schon gegeben, wird aber durch Berichte in den Medien an die Öffentlichkeit und in die öffentliche Diskussion gebracht. Dort gehört das Thema hin und muss von allen aufgegriffen werden: von Eltern, Lehrern, Ausbildern und der offenen Jugendhilfe.

Keiner findet gut, dass in Berlin ein Junge ins Koma gefallen ist. Er ist nicht mehr aufgewacht. Von dieser Stelle mein Beileid an seine Mutter Jutta. Wir können nicht mehr sagen, welche Schäden der Alkohol bei Tom hinterlassen hätte. Tom ist tot! Er ist ein Opfer mehr, das uns mahnt, präventiv mehr zu tun. Jeder Rausch tötet Gehirnzellen, die nicht mehr regeneriert werden.

Vor allem die Eltern müssen wir in die Verantwortung nehmen, und zwar anders, als Sie das gera

de gesagt haben, Herr Kern, nämlich nicht durch Vortrinken zuhause, sondern ganz anders. Wenn Kids und Co. auf Partys ziehen, sind sie häufig bestens mit Alkoholika aus der häuslichen Bar ausgestattet. Da helfen keine gesetzlichen Verbote, kein Verhindern von Flatrates. Wir appellieren an die Eltern, den Schnaps unter Verschluss zu halten. Zwölfjährige gehen nicht in Kneipen und trinken 52 Tequilas. Die haben andere Quellen.

So zu tun, als habe man noch nichts unternommen, wie aus Ihren Forderungen abgeleitet werden könnte, Frau Steffens, ist falsch. Ich will nicht sagen, dass wir gut aufgestellt sind, und unterstütze Sie daher in Ihrem Anliegen, mehr Kontrollen in den Kneipen, den Discos, den Gaststätten, den Geschäften, die alkoholische Getränke verkaufen, und auch in Festzelten bei Festen durchzuführen.

Wenn der § 9 des bestehenden Jugendschutzgesetzes richtig angewandt wird, dann kann es zu diesen Auswüchsen nicht kommen. Wenn auch das Gaststättengesetz mit den geltenden Ordnungswidrigkeiten und den damit in Verbindung stehenden Strafen von bis zu 5.000 € bei Ausgabe von Hochprozentigem an Jugendliche richtig angewandt wird, dann kann es auch nicht zu diesen Auswüchsen kommen.