Wir wissen doch, wie wichtig die Bildungsangebote gerade für Kinder aus ärmeren Verhältnissen sind. Sie können von den zusätzlichen Bildungsangeboten in der offenen Ganztagsschule profitieren. Das ist nicht nur gut für den Magen, sondern auch gut für den Geist und für das Lernen.
Ich will eine zweite Entwicklung nennen. In NRW gibt es den gewollten und den schleichenden Ganztag. Wenn Kinder von morgens bis nachmittags zur Schule gehen, wenn Lehrerinnen und Lehrer länger in der Schule sind, dann müssen sie ein vernünftiges Mittagessen haben, auch dann, wenn die Schule offiziell bisher keine Ganztagsschule ist.
Dies wird im Moment besonders an den Gymnasien deutlich. Zehnjährige gehen in die fünfte Klasse und haben aufgrund der Schulzeitverkürzung demnächst bis zu 35 Unterrichtsstunden. Hinzu kommen die Hausaufgaben. Das ist also eine richtige 35-Stunden-Woche: ab und an mit Überstunden. – Die Kinder sind oft bis 14 oder 15 Uhr in der Schule. Gerade im ländlichen Raum
Ich sage Ihnen klipp und klar: Wir Grünen meinen, diese Kinder müssen ein warmes Essen bekommen. Es ist ein Unding, dass sie sieben Stunden lernen sollen, ohne etwas Vernünftiges im Bauch zu haben.
Das überfordert die jungen Menschen. Das weiß jeder Pädagoge, jede Pädagogin und jeder Ernährungswissenschaftler. Im Schulministerium sollte es auch eigentlich jeder wissen. Von wegen: mehr Lehrer oder mehr Essen. – Was ist das denn?
Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor: Viele Kinder kommen heute schon hungrig in die Schule. – Das ist leider Realität. Deshalb müssen wir die körperlichen Grundlagen für geistige Höchstleistungen schaffen. Auch deshalb müssen alle Schülerinnen und Schüler ein warmes Essen bekommen.
Zusammen mit drei Kolleginnen und Kollegen habe ich in Finnland gesehen, wie es geht. Da geht manches anders. Fangen wir aber einmal mit dieser Frage an. Dort ist es schlicht und ergreifend undenkbar, dass nicht alle Kinder in der Schule etwas zu essen bekommen. Dort gehört das gemeinsame Mittagessen zur Schulkultur. Den Kindern tut es gut, den Lehrkräften tut es gut, der Gemeinschaft tut es gut, und dem Lernen tut es gut.
Davon haben wir Grüne uns anstecken lassen. Wir wollen das auch für unsere Kinder. Lassen Sie sich doch wenigstens in diesem Punkt von uns und von dieser finnischen Philosophie anstecken. Ein warmes Mittagessen für alle Kinder muss auch in NRW eine Selbstverständlichkeit werden.
Der Ministerpräsident – das meine ich mit vollem Ernst – hat eine gute Initiative gestartet: Jedes Kind soll ein Instrument lernen. Ich sage ausdrücklich: Diese Initiative halten wir für richtig. – Ich hoffe, der Ministerpräsident und die Schulministerin stimmen mir auch zu, wenn ich frei nach Brecht feststelle: Erst kommt das Essen und dann die Musik. – Wir müssen den Bildungshunger, wir müssen den richtigen Hunger unserer Kinder stillen.
ein Weg. Da finden wir viele Partner. Sie und wir, wir können es schaffen, wenn es uns wirklich am Herzen liegt.
Meine Damen und Herren, wir fangen auch nicht bei null an. Es gibt viele Ideen, Initiativen, wie Kinder schon heute etwas zu essen bekommen: aktive Elternvereine, benachbarte Universitäten, Altenheime, mobile Küchen oder Schülerfirmen. Darauf kann aufgebaut werden. Nur: Wir dürfen es doch nicht dem Zufall überlassen und dürfen nicht allein auf das ehrenamtliche Engagement setzen, ob es etwas zu essen gibt oder nicht. Das müssen wir systematisch allen Kindern in unserem Land ermöglichen.
Meine Damen und Herren, für den Fall, dass Sie immer noch Einwände haben, bringe ich es auf den Punkt. Es ist Fakt: Immer weniger Kinder bringen von zu Hause Essen mit, immer mehr kommen hungrig in die Schule. Es ist Fakt, dass Essen und Trinken eine entscheidende Grundlage für die Aufnahmefähigkeit des Geistes ist. Es ist Fakt, dass die Kinder in NRW immer länger in der Schule sind. Es ist Fakt, dass gemeinsames Essen einen wichtigen Beitrag leistet, dass die Schule vom Lernraum zum Lebensraum wird. Es ist Fakt, dass auch und gerade bei Ernährung gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Und es ist Fakt, dass es das an vielen Schulen nicht gibt. Wenn die Politik hier nichts ändert, hier nichts wagt, dann brauchen wir uns über gute und gesunde Schulen in NRW nicht mehr zu unterhalten.
Meine Damen und Herren, die Regierung Rüttgers hat mit dazu beigetragen, dass Schule für viele Kinder ein Fulltimejob ist. Jetzt sorgen Sie bitte auch für Speis und Trank! – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir wenige Vorbemerkungen zum eigentlichen Thema.
Aus meinem eigenen Erleben als betroffener Schüler heraus, aber auch aufgrund meiner Erfahrung als Lehrer und Rektor ist für mich die wichtigste Kernbotschaft unseres politischen Han
delns: Es darf nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängen, ob junge Menschen eine Chance haben. Diese Kernforderung habe ich persönlich gelebt und versucht, wo immer es geht, in bildungspolitisches Handeln umzusetzen.
Dieses Ziel ist auch jahrzehntelang von den Sozialdemokraten und später auch von Bündnis 90/Die Grünen gepredigt worden. Nur leider – das wissen Sie auch – war die Realität eine andere. Sie kennen das deprimierende Ergebnis von PISA, wonach in keinem anderen Bundesland die Bildungschancen so von der sozialen Herkunft abhängen wie in unserem Land.
Dazu gehört auch das, Frau Löhrmann. – Wenn 350 Millionen € für Nachhilfe ausgegeben werden, dann ist das für mich ein Skandal.
Das heißt nämlich, dass es vom Portemonnaie der Eltern abhängt, ob junge Menschen Entwicklungschancen haben oder nicht.
Tatsache ist auch, dass gerade die neue Koalition von Schwarz-Gelb massive Anstrengungen unternimmt, diese von Ihnen zurückgelassene Erblast nach und nach abzubauen. Doch wir sagen auch ganz offen und ehrlich: Wir schultern gerade im Bildungsbereich einen riesigen Kraftakt, der sich nicht nur in einem zusätzlichen Plus von 4.000 Lehrern niederschlägt. Angesichts dieser Belastungen, die Sie kennen, sind uns Grenzen gesetzt. Wir können die Defizite, die Sie verursacht haben, nicht in kürzester Zeit ausgleichen. Auch das gehört zur vollen Wahrheit.
Frau Löhrmann, ich finde es schon abenteuerlich, wenn Sie bei den Haushaltsberatungen den Ganztagbetrieb für alle Schulformen einfordern, es aber selbst in den letzten zehn Jahren nicht geschafft haben, der am meisten belasteten Schulform, der Hauptschule, dieses dringende Zusatzangebot zu ermöglichen.
Wir haben gerade hier gehandelt. Sie wissen, welche Schüler dort sind. Bisher sind es 100 Hauptschulen, und circa 35 bis 40 zusätzliche Schulen werden endlich auch von diesem Angebot Gebrauch machen.
Wir haben in einem weiteren Punkt gehandelt: Während die rot-grüne Landesregierung die Gewährung von Investitionszuschüssen aus dem
Bundesprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ bis 2005 auf den Primarbereich beschränkt hatte, hat die neue Landesregierung dieses Programm auch für die ab dem 1. Februar 2006 eingerichteten Hauptschulen und Förderschulen mit erweitertem Ganztagsbetrieb geöffnet. Ganztagsschulen sind nun einmal eine wichtige Voraussetzung für gemeinsame Mahlzeiten.
Frau Löhrmann, da sind wir uns übrigens völlig einig: Eine gemeinsame Mahlzeit trägt zu einer vernünftigen Rhythmisierung von Anspannung und Entspannung bei. Eine gemeinsame Mahlzeit fördert auch Lernverhalten und Lernerfolg.
Sie hat auch eine hohe erzieherische Bedeutung und stärkt vor allem den sozialen Zusammenhalt. Da sind wir uns alle hier im Hause einig.
Doch wir wissen auch: Der Bedarf für eine Mittagsverpflegung ergibt sich nicht erst seit der Erweiterung der Stundentafel im Hinblick auf die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur. Dieser Bedarf ergibt sich seit Langem: aus vielfachem Nachmittagsunterricht und zusätzlichen Nachmittagsangeboten, wie sie an vielen Schulen schon jahrelang praktiziert werden.
Meine Damen und Herren, ich hatte zu Beginn meiner Ausführungen auf meinen Leitsatz hingewiesen: Es darf nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängen, ob junge Menschen eine Chance haben. – Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich diese Forderung nicht nur auf die Bildungspolitik bezieht, sondern auch auf eine angemessene Mahlzeit in der Schule.
Aber ich sage auch offen und ehrlich: Ich halte es nicht für angemessen, Frau Löhrmann, wenn die Allgemeinheit – sprich: auch der sogenannte kleine Mann – mit ihren Steuergroschen die Mahlzeit für alle Kinder finanzieren soll.
Da, wo Eltern es leisten können, sind diese in der Pflicht, zumal entsprechende Kosten zu Hause eingespart werden können. Aber ich sage für die CDU genauso deutlich: Wo Eltern es nicht leisten können, müssen wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege, mit Kirchen und Jugendämtern nach Lösungen suchen. Wir wissen – Sie haben es eben gesagt, Frau Löhrmann –, dass auch in der offenen Ganztagsschule im Primarbereich – aber nicht nur dort – Kinder aus Kostengründen nicht am Mittagessen teilnehmen. Daher kann man nur dankbar sein für jede Initiati
ve vor Ort – meist durch die Schulträger –, angemessene Leistungen zu finden, sei es durch Zuschüsse oder sogenannte Freitische.
Aber wir brauchen weitere Hilfen – da sind wir uns einig –: landes- und bundesweit. Übrigens haben wir dieses Thema bei der Tagung der CDUSprecher der 16 Länder in der letzten Woche aufgegriffen; denn dieses Problem tangiert nicht nur Nordrhein-Westfalen. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Gesetzesinitiative des Saarlandes im Bundesrat, die das Ziel hat, ein Mittagessen in der Ganztagsschule bei der Berechnung der Zuschüsse gemäß SGB II als Mehrbedarf anzuerkennen.
Die Fraktion der CDU ist bereit, mit allen im Hause vertretenen Gruppierungen vertretbare und machbare Lösungen auf den Weg zu bringen. – Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einer warmen Mahlzeit für jedes Schulkind ist natürlich auch für meine Fraktion ein wichtiges Thema, nicht allein schon deshalb, weil, wie die Fraktion der Grünen zu Recht betont, die Schulzeitverkürzung an unseren Gymnasien eine Unterrichtsverdichtung in der Sekundarstufe I nach sich zieht und die Schülerinnen und Schüler gleich an mehreren Tagen bis in den Nachmittag hinein in der Schule sind.