Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Auch für die Eltern gilt die große Freiheit in Wahrheit nicht. Denn es ist bestenfalls die halbe Wahrheit: Eltern können sich nur innerhalb der Kapazitäten entscheiden; das sagt auch der Düsseldorfer Schulverwaltungsleiter Gucht.

Und in der Sekundarstufe ist es dann gänzlich Makulatur. Der Prognoseunterricht lässt grüßen.

Also, die freie Schulwahl ist eine Fiktion der schwarz-gelben Landesregierung. Wie gesagt: Die wirklich freie Schulwahl findet im Augenblick in den Kommunen im Münsterland statt, die sich für den richtigen Weg frei entscheiden, für den Sie politisch leider nicht die Kraft haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Beer. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Schulministerin Sommer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es schon mehrfach von allen Vorrednerinnen und Vorrednern gehört: Es geht um 15 Kommunen, und es geht auch um die Frage, ob diese 15 Kommunen und das, was sie uns zeigen, repräsentativ sind.

Ich glaube schon, dass es so ist. Denn wenn man diese einzelnen Kommunen in ihrer Größe und Zusammensetzung sieht, können wir in diesem Zusammenhang sagen, dass sie uns einen ersten sehr wichtigen Hinweis geben, der meiner Meinung nach repräsentativ ist.

In keiner Gemeinde – ich wiederhole das noch einmal sehr deutlich – ist es nach dem Wegfall der Schulbezirksgrenzen zu einem nennenswerten Problem gekommen. Ich danke Herrn Kaiser ausdrücklich dafür, dass er dies so praxisnah an seiner Gemeinde veranschaulicht hat.

Ich erinnere Sie mit Nachdruck an die Diskussionen, als es um die Abschaffung der Schulbezirksgrenzen ging. Die Opposition hatte damals vermutet, dass wir ein Chaos anrichten würden. Nichts davon ist eingetreten. Wir sind auch nicht integra

tionsfeindlich, und einen unfairen Wettbewerb haben wir damit auch nicht angezettelt. Im Gegenteil: Ich glaube, dass diese Maßnahme dazu führen kann, einen sehr fairen Wettbewerb zu führen.

(Beifall von der CDU)

Ich bin aufgrund der bisherigen Ergebnisse sehr zuversichtlich, dass sich die vorher geäußerten Befürchtungen nicht bewahrheiten werden. Die allermeisten Familien wählen nach wie vor die Schule in der Nachbarschaft. Das kann man als ein positives, aber auch als ein negatives Ergebnis werden. Die Opposition – Herr Prof. Bovermann, Sie haben es eben angedeutet – wird sagen: Ja, was macht ihr denn da? Schließlich bewegt sich doch nichts.

Ich glaube, es ist in Ordnung, wenn es wenigstens einzelne Eltern sind, denen wir die Möglichkeit geben, diese Freiheit zu nutzen und darüber zu entscheiden, ob ihr Kind besser auf diese oder jene Schule passt, ohne zum Schulamt zu rennen und ihre Schulwahl beispielsweise damit begründen – ich nenne jetzt einen imaginären Grund –, dass die Großmutter auf das Kind aufpasst.

Meine Damen und Herren, Sie können sich gar nicht vorstellen, in welchem Maße Schulämter oft über mehrere Wochen hin mit Anträgen auf Wahl einer nichtzuständigen Grundschule belastet worden sind.

(Beifall von CDU und FDP)

Glauben Sie denn, dass wir jedem Antrag nachgehen konnten? – Wir wollten es nicht, und wir konnten es auch nicht. Wir hätten im Grunde genommen detektivische Fähigkeiten haben müssen, um überhaupt zu verifizieren: Ist das, was dort geschrieben steht, wirklich die Wahrheit oder nicht?

In diese Bedrängnis, meine Damen und Herren, werden wir unsere Eltern nicht bringen. Insofern begrüße ich es, dass im nächsten Jahr alle Kommunen die Schulbezirke öffnen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte gerne noch ein paar Beispiele bringen. In einer mittelgroßen Stadt wie Hagen meldeten weniger als 10 % der Eltern ihr Kind an einer anderen Schule als der im ehemaligen Schulbezirk an. In den Städten Siegburg und Iserlohn sieht es genauso aus. Kleine Kommunen, beispielsweise Oelde, meldeten kein deutlich verändertes Anmeldeverfahren. Das müssen wir auch einmal als Tatsache hinnehmen. In der einzigen Großstadt, in Düsseldorf, wählten – auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen – bereits im vorigen Jahr –

wohlgemerkt: vor dem Wegfall der Schulbezirke – 12,5 % der Eltern eine andere Schule als die örtlich zuständige. Lediglich 6 % mehr Eltern haben ihr Kind an einer Schule außerhalb des ehemaligen Schulbezirks angemeldet.

Was machen diese Beispiele deutlich? Die Kommunen sind nicht ins Chaos gestürzt. Eine Prognostizierbarkeit der Schulentwicklung ist im Sinne einer verlässlichen Planung nach wie vor gegeben. Das hat sich nicht verschlechtert. Auch mit den Schulbezirken könnte die Auslastung von Schulgebäuden und die Steuerung der Klassengrößen nicht besser erreicht werden. In 14 von 15 Kommunen, die bislang bereits Erfahrungen sammeln konnten, bewegten sich die Anmeldezahlen im Rahmen der veranschlagten Kapazitäten. In Düsseldorf wurde die Kapazität durch Erhöhung der Zügigkeit – auch das ist eine Bewegung, die wir durchaus unterstützen wollen – kurzfristig an den jeweiligen Bedarf angepasst.

Bereits vor dem Wegfall der Schulbezirksgrenzen haben Eltern für ihre Kinder die nicht zuständige Grundschule gewählt. Wie man die dafür notwendige Ausnahmegenehmigung gegenüber der Schulaufsichtsbehörde durchsetzen konnte, das habe ich eben erwähnt. In diesem Bereich der Lügerei und der Vortäuscherei wollen wir Eltern nicht mehr belassen.

(Zustimmung von Manfred Kuhmichel [CDU] – Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, immer wieder genannte sozialintegrative Funktion der Schulbezirke war und ist Wunschdenken. Dies ist ein Befund, den auch der PISA-Koordinator Andreas Schleicher aus internationaler Perspektive stützt. Er sagt, dass durch Schulbezirke Kinder mit Zuwanderergeschichte unbeabsichtigt in problematischen Stadtteilen festgehalten würden.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb gebe es kaum Staaten, in denen die Schulbezirke noch aufrechterhalten würden.

(Christian Lindner [FDP]: Sehr gut! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Bitte den ganzen Schleicher, nicht nur Bröckchen! – Gegenruf von Christian Lindner [FDP]: Sie machen das auch immer!)

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer?

Ich möchte meine Rede gern beenden.

Okay.

Schleicher fordert allerdings auch – das ist der zweite Teil –, Schulen in sozial schwierigen Lagen besonders zu unterstützen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Eine Schule für alle Kinder fordert Herr Schleicher vor allem! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Er fordert sehr viel mehr!)

Frau Beer, ich weiß, dass Sie aus jedem Thema, egal welches es ist – das ist eine durchschlagende Taktik –, versuchen, eine Schuldebatte zu machen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass Schleicher hier deutlich unseren Weg unterstützt.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir können ihn gerne wieder fragen, denn wir werden ihn sicherlich auch wieder einladen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wunderbar! Man muss aber auch daraus lernen!)

Die Landesregierung geht genau diesen Weg. Wir stellen im kommenden Schuljahr insgesamt rund 3.450 Lehrerstellen für die Grundschulen über den Grundbedarf hinaus bereit. Diese Stellen dienen unter anderem dazu, Schulen mit schwierigen sozialen Voraussetzungen zu unterstützen. Das, Herr Prof. Bovermann, verstehe ich unter fairem Wettbewerb.

Die Landesregierung führt erstmalig – das ist schon gesagt worden, aber ich möchte es an dieser Stelle gerne wiederholen – einen Sozialindex ein. Schulen in sozialen Brennpunkten werden mit zusätzlichen Lehrerstellen ausgestattet.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr gut!)

Wir haben dazu einen ersten Schritt in den Schulamtsbezirken für Grund- und Hauptschulen unternommen und die Stellen bedarfsgerecht zugewiesen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vor allem Schulen mit besonders schwierigen Bedingungen haben zusätzliche Lehrkräfte bekommen. In Dortmund und im Kreis Coesfeld wird zurzeit exemplarisch untersucht, wie ein Sozialindex entwickelt werden kann, der sich auf die ein

zelne Schule bezieht. Auch das ist meiner Ansicht nach fair.

Entscheidend ist für uns, meine Damen und Herren, die bestmögliche Förderung für jedes Kind und jeden Jugendlichen. Ich möchte das an einem Beispiel belegen. Ich sehe die Entwicklung der Kleinen Kielstraße sehr positiv. Das ist eine Schule in einem sogenannten Problemviertel. Für ihre herausragende pädagogische Arbeit erhielt sie im vergangenen Jahr den Deutschen Schulpreis. Was besagt dieses Beispiel? Gute Schule geht überall, auch unter schwierigen Bedingungen,

(Beifall von CDU und FDP)

im Fall der Kleinen Kielstraße auch dank der großen Eigenverantwortlichkeit der Schule.

Dass wir mit der freien Schulwahl auf dem richtigen Weg sind, hat sich bereits gezeigt. Wir werden die Zusammenarbeit mit den Kommunen fortsetzen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir diesen auch zukünftig als verlässliche Partner zur Seite stehen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Sommer. – Für die SPD spricht nun Frau Schäfer.