Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

(Beifall von der SPD)

Sie verlagern Streitigkeiten aus der Behörde – dort, wo sie hingehören und wo man sie lösen sollte – auf die Verwaltungsgerichte und schütten diese mit neuer Arbeit zu.

(Theo Kruse [CDU]: Blödsinn!)

Blödsinn? Sie wissen doch selber, dass in Niedersachsen 40 % mehr Verwaltungsgerichtsverfahren laufen. Das ist Arbeit für die Verwaltungsgerichte, die sich schon heute nicht über zu wenig Arbeit beklagen können.

Sie streichen damit ein anerkannt effektives und kostengünstiges Mittel zur Schaffung von Rechtsfrieden. Genau das, was Sie vorhaben, ist in Bayern mit dem Ergebnis geprüft worden, dass das Widerspruchsverfahren nicht gestrichen und nicht darauf verzichtet wird, weil die Effizienzgewinne, die Sie anführen, dort eben nicht gesehen worden sind.

(Ute Schäfer [SPD]: Das müssen Sie viel- leicht noch einmal nachlesen!)

Wie Sie auf die Idee kommen, Kosten zu senken und Personal einsparen zu können, ist fraglich.

Punkt 2. Was die Eingliederung der Schulaufsicht für die Haupt- und Förderschulen in die Bezirksregierungen angeht, rennen Sie bei mir als Vertreter für starke Mittelbehörden offene Türen ein. Aber auch dieser Vorschlag ist unlogisch und wirft Fragen auf. Warum nur Haupt- und Förderschulen? Die Grundschulen bleiben bei den Schulämtern. Warum gliedern Sie die Aufgaben zusätzlich

in die Bezirksregierungen ein, wenn Sie sie zügig abschaffen wollen?

Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen. Mit Ihrer bisherigen Politik verwirren Sie jedenfalls die Menschen und die Mitarbeiter in den Behörden des Landes.

Warum schaffen Sie nicht mutig eine Schulaufsicht, die die selbstständige Schule vor Ort unterstützt, wo Sie doch angeblich selbstständige Schulen wollen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vor Ort bleiben künftig nur noch Beratung und Service. Finanziell und rechtlich relevante Entscheidungen werden bei den Bezirksregierungen getroffen. Ich verweise auf die Stellungnahme des Städtetags, aus der deutlich hervorgeht, wie die Städte und Gemeinden des Landes diese Maßnahmen bewerten. Anstatt eine gemeinsame Schulaufsicht vor Ort zu stärken, zementieren Sie in Ihrem Schubladendenken die Schulformaufsicht. Das begründen Sie auch noch mit der angeblichen Optimierung der Verwaltungsstrukturen.

In Wahrheit wollen Sie lediglich knapp 150 Stellen bei den lokalen Personalräten einsparen. Ich halte das für falsch. Genauso erachte ich Ihr erstes Argument für fadenscheinig. Aber wenn Sie das schon wollen – darauf hat Frau Düker gerade hingewiesen –, sollten Sie wenigstens ehrlich zu den Menschen und zu Ihren Mitarbeitern sein.

Punkt 3. Arbeitnehmer werden künftig allein gelassen. Was die Vorredner der Koalition gesagt haben, macht das noch einmal ganz deutlich, beispielsweise bei den Kündigungen. Bisher sind die ordentlichen Kündigungen mitbestimmungspflichtig. Künftig sind sie nur noch mitwirkungspflichtig. Während der Personalrat heute eine Kündigung im Interesse des Arbeitnehmers verhindern kann, kann er die Kündigung künftig nicht mehr verhindern. Er kann nur noch Einwendungen vorbringen. Das bedeutet wiederum, dass die Arbeitnehmer künftig alleine um ihre Rechte kämpfen müssen und im Zweifel vor Arbeitsgerichte ziehen werden. Die bedanken sich ebenso wie die Verwaltungsgerichte wahrscheinlich sehr für die zusätzliche Belastung.

Wenn das Ihre Auffassung von sozial gerechter Politik ist, stellen sich mir allerdings eine ganze Menge Fragen. Ich frage mich zum Beispiel, was die CDA sagt – sie wurde gerade angesprochen – , was Herr Laumann sagt, der in der CDA an nicht ganz unverantwortlicher Stelle steht. Im Moment, in diesen schweren Tagen, sind die Gewerk

schaftsmitglieder der CDU bei diesen sensiblen Punkten relativ ruhig.

Zusammenfassend – ich komme zum Ende –: Die Koalition der Ernüchterung bleibt sich treu. Wir erleben einen Kahlschlag bei der Mitbestimmung, eine Politik gegen Personalräte, gegen Gewerkschaften und gegen die eigenen Mitarbeiter, eine Politik der hohlen Schlagworte. Das sind Ihre Markenzeichen. Dialog ist bei Ihnen nicht angesagt. Sie setzen eher auf Diktat. Sie sehen die Mitbestimmung als Teil des Problems an, die SPD sieht sie als Teil der Lösung.

Anstatt die Beschäftigten bei den anstehenden Veränderungen einzubinden und sie mitzunehmen, kapseln Sie sich ab. Wir halten das für falsch.

Zum Abschluss noch ein kurzes Zitat des „Büchsenspanners“ Palmen: Wer den Teich trocken legen möchte, der darf nicht die Frösche fragen. In diesem Zitat zeigt sich Ihre gesamte Einstellung zum Thema Mitbestimmung. Deswegen kann ich mich dem Vorredner Karsten Rudolph nur anschließen: Wir lehnen Ihren Vorschlag ab.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Link, haben Sie noch Zeit zur Beantwortung einer Zwischenfrage? Wir halten die Zeit an. Herr Ellerbrock hätte dann die Möglichkeit, noch zu fragen.

Bitte, Herr Ellerbrock.

Herr Link, aus Ihren Ausführungen wird eines nicht ersichtlich, und da bitte ich um Hilfestellung bei der Interpretation: Wenn das, was jetzt in Nordrhein-Westfalen vorgelegt ist, eine Angleichung an das Bundesrecht ist: Wieso beschimpfen Sie dann Ihre eigenen Leute in Berlin so? Das verstehe ich nicht.

Das erläutere ich Ihnen gern noch einmal in Ruhe. Ich beschimpfe im Augenblick nicht die eigenen Leute in Berlin, sondern ich rege mich darüber auf, dass die Landesregierung hier einen deutlichen Abbau von Personalmitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten im Land Nordrhein-Westfalen vorantreibt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Link. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich jetzt noch einmal Frau Abgeordnete Beer zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Herr Wolf, auch Herr Ellerbrock, Ihnen müsste klar sein, dass die Behördenstruktur auf der Bundesebene eine ganz andere ist als auf der Landesebene. Das sollten Sie fein auseinanderhalten. Sie wollen hier die Vorreiterrolle des Landes Nordrhein-Westfalen, die wir zurzeit in Sachen Mitbestimmung haben, in ein rückwärtsgewandtes Modell umkehren und uns an das Ende setzen. Das wird sehr deutlich.

Lassen Sie mich zu dem Thema Schule sagen: Das, was Sie hierzu im Rahmen der Novellierung vorgelegt haben, ist allein an schwarz-gelber Ideologie ausgerichtet. Da helfen auch die Argumente des Landesrechnungshofs nicht. Die FDP hatte sich mit dem Einsparziel von 200 Stellen schon auf den Marsch durch die Zeitungen, durch die Presse gemacht.

Das Problem war nur: Den Bericht des Landesrechnungshofs hatte wohl niemand gelesen, denn dahinter stand ein ganz anderes Modell der Personalvertretungen an Schulen, eines, was ganz und gar nicht zu Ihrer Schulideologie passt.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Dann ist es nämlich schnurzpiepegal, was der Landesrechnungshof sagt. Dann machen Sie doch etwas anderes. Der Landesrechnungshof sagt deutlich: Eine separate schulformbezogene Personalrätestruktur ist ineffizient und nicht zu rechtfertigen. Das muss Ihnen doch ungeheuer wehgetan haben, auch von dieser Warte aus dokumentiert zu bekommen, welche Ressourcenverschwendung durch die Schulformfixierung jeden Tag auf allen Ebenen praktiziert wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was machen Sie? Sie bedienen Ihre Lobbygruppen und tasten vor allen Dingen das „Philologenreservat“ nicht an. Dafür wird jetzt die Dienstaufsicht der Hauptschulen und Förderschulen auf die Bezirksregierungsebene hochgezogen: Schulaufsicht und Fachaufsicht werden sachwidrig und unsinnig getrennt.

Lapidar heißt es in Ihrem Entwurf unter dem Stichwort Kosten: Die Neuausrichtung der Schulaufsichtsstruktur bedingt Personalmehrbedarf auf allen Ebenen der Bezirksregierung. Für Ihren ideologischen „Schulformquark“ ist Ihnen nichts zu teuer.

Was Sie aber nicht tun, ist, die eigenverantwortliche Schule so mit einer Qualität von Mitbestimmung, die auch gerechtfertigt ist, auszugestalten, dass die Qualität von Schule weiterhin gewährleistet ist. Dafür brauchen wir die Mitbestimmungsressourcen sehr dringend, die Sie jetzt im Augenblick schleifen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die müssen nämlich an die eigenverantwortliche Schule.

Das alles zeigt, dass Sie von Personal- und Organisationsentwicklung offensichtlich nicht viel verstehen und dass Sie auch nicht wissen, was die Qualität von Mitbestimmung mit der Qualität der Organisation zu tun hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Der LPVG-Gesetzentwurf heißt übersetzt für den Schulbereich: Lobbygruppen- und Parteiinteressenverteidigungsgesetz wider aller Vernunft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile ausdrücklich nicht die Einschätzungen, die die Vorredner der Opposition speziell für den Bildungsbereich und die Auswirkungen schulrechtlicher Regelungen im Rahmen der LPVG-Novelle vorgenommen haben. Ich teile weder die Pauschalpolemik, die der Abgeordnete Sören hier vorgetragen hat, noch die letzten Anmerkungen von Frau Kollegin Beer.

Lassen Sie sich eines gesagt sein: Das, was Sie, als Sie noch die Mehrheit hatten, die Jahre vor dem Politikwechsel – das ist, zu Ihrer Erinnerung, gerade knapp zwei Jahre her – gemacht haben, kann nicht a priori deshalb falsch sein, weil andere auch bestimmten Strukturprinzipien folgen. Es war für Sie als Grüne nie ein Thema, etwas am Grundsatz einer fachlichen Personalvertretungsstruktur zu ändern, bei der man sich an Schulformen orientiert. – Ich will das nicht.

Wo waren denn Ihre Initiativen? Wenn Sie nur halbwegs glaubwürdig sein wollen, nennen Sie einmal konkrete Maßnahmen, die Sie damals, als Sie die Mehrheit hatten und handeln konnten – das gilt für die SPD genauso –, unternommen ha

ben. Sie haben sie bewusst unterlassen. Sie hätten niemandem geraten, dies zu tun.

Der Landesrechnungshof hat in der Tat die durch das Landespersonalvertretungsgesetz zugelassenen und weit überproportionalen Freistellungen von Personalräten kritisiert. Wir sorgen dafür, dass es jetzt einen adäquaten Erwirtschaftungsbeitrag gibt, was auch nur geht, weil wir uns bei der Vertretungsstruktur an der Fachlichkeit orientieren. Dadurch haben wir die notwendige Homogenität, die es uns ermöglicht, die Gremiengrößen so anzupassen, dass wir für mehr Arbeitsfähigkeit sorgen und trotzdem eine hinreichende Nähe zum Fachbezug der Personalvertretungen aufweisen können.

Insofern sieht der Landesrechungshof zu Recht – das muss man als Abgeordneter natürlich ernst nehmen – alleine durch die Freistellungen bei Lehrern im Umfang von knapp 500 Vollzeitstellenäquivalenten ein Einsparungspotenzial von 10 Millionen €. Uns wird es gelingen, 160 Vollzeitstellenäquivalente einzusparen: durch Ansiedlung der Dienstaufsicht für Haupt- und Förderschulen auf der Ebene der Bezirksregierung und durch Deckelung der Höchstzahl der Mitglieder örtlicher Personalvertretungen auf 15. Bei örtlichen Personalvertretungen auf der Bezirksebene wird – abweichend von den allgemeinen Regeln – jeweils ein Personalratsmitglied weniger freigestellt.

Wir sind uns bewusst, dass es an dieser Stelle auch um besondere Flexibilität und Anpassungsnotwendigkeit der Lehrer geht. Wir ermuntern sie alle und danken allen Beteiligten, die sich auch auf neue Strukturen einstellen.