Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Dagegen wehre ich mich.

(Beifall von der SPD)

Das Fitmachen kann nur ein Teilaspekt sein. Wichtiger ist die ganzheitliche Entwicklung des Kindes, des jungen Menschen.

(Beifall von der SPD)

Dazu gehört während der Grundschulzeit die ganz bewusste Einordnung in das unmittelbare Wohnumfeld des Kindes. Sie sollte nur in Ausnahmefällen aufgebrochen werden.

Kinder, die auf dem Rücksitz des elterlichen PKW oder, schlimmer noch, alleine im Schulbus hin- und hergekarrt werden, will ich nur in unumgänglichen Fällen sehen - und zwar im Interesse der Kinder. Eine freie Grundschulwahl birgt die Gefahr, dass die Kinder aufgrund egoistischer Elterninteressen um ihr Recht gebracht werden, im gewohnten und vertrauten Lebensraum, möglichst zusammen mit ihnen schon aus dem Kindergarten bekannten Kindern die zuständige Grundschule besuchen zu dürfen.

(Beifall von der SPD)

„Ich gehe davon aus“ - so Herr Solf im Jahre 2001; ach, ist er jetzt da? Ich habe ihn eben noch nicht gesehen; ja, da ist er - “dass der Schulausschuss im Landtag in diesem Sinne entscheiden wird.“

(Beifall von der SPD)

Nun, Herr Solf, wie Sie sich erinnern, hat der Schulausschuss in der letzten Legislaturperiode in diesem Sinne entschieden, und zwar mit den Stimmen von Rot-Grün und CDU. Er hat das FDP-Ansinnen abgelehnt.

Nach der Wahl sieht es auf einmal anders aus. Es gibt eine neue Landesregierung, und - siehe da - bei der CDU konnte man den Eindruck bekommen, dass sie nach dem Motto handelt: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?

(Beifall von der SPD)

Im Koalitionsvertrag ist nämlich nachzulesen, dass, dem Wunsch der FDP entsprechend, die Abschaffung der Schulbezirke bis zum Jahr 2008 festgeschrieben wird.

Herr Recker hat in seiner gestrigen Pressemeldung noch eins draufgesetzt. Er schreibt:

„Wir haben in der letzten Legislaturperiode ein Feuer gelegt.“

Sie benutzten sogar diese Vokabel, Herr Recker.

„Die SPD will den Eltern vorschreiben, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken sollen. Mit dieser Gleichmacherei ist jetzt Schluss.“

(Beifall von der SPD)

Haben Sie sich eigentlich schon einmal mit Herrn Solf darüber unterhalten? Haben Sie sich schon einmal mit Frau Kastner darüber unterhalten? Ich habe mir überlegt, ob ich nicht heute hier die Rede von Frau Kastner vortrage, die im Plenum, vor dem Landtag genauso wie Herr Solf argumentiert hat.

Ich könnte Ihnen auch eine Pressemeldung von Herrn Fehring, Ihrem Kollegen aus Höxter, vorlesen, der sich mit dem Bürgermeister vor Ort in Bad Driburg getroffen hat. Beide sind sich einig, dass die Abschaffung der Schulbezirke gerade für den ländlichen Raum ein riesengroßes Problem bedeutet. - Ja, was machen wir denn da?

Dann finde ich es außerdem ganz erstaunlich, dass es auch zwei Minister in der Landesregierung gibt - ich gucke die Schulministerin, Frau Sommer, und den Herrn Minister Laschet, der für Integration zuständig ist, an -, die sich kritisch geäußert haben. Sie haben gesagt, dass dies nicht das erste und vordringliche Problem sei, das zu lösen sei. Man hört also auch innerhalb der Landesregierung sehr wohl kritische Töne und muss sich wirklich die Frage stellen: Warum machen Sie das alles?

(Beifall von der SPD)

Es ist häufiger nachzulesen, dass es immer um das Wohl des Kindes geht: Das Maß aller Dinge ist das Wohl des Kindes. Ich finde, Herr Solf sowie auch Frau Kastner und Herr Fehring haben diese Dinge sehr wohl im Blick. Aber was machen denn der Rest der Koalitionsfraktionen und die Landesregierung zukünftig? Ich frage Sie: Warum tun Sie das?

Es mischen sich noch weitere kritische Stimmen in die Debatte, nämlich die der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände. Auch von dieser Seite wird in zwei Äußerungen davor gewarnt, die Schulbezirke aufzulösen, weil das die Kommunen, auch was ihre schulpolitische Planung betrifft, tatsächlich in ein Chaos stürzen würde. Die Kommunen können dann nicht mehr handeln und ihre Finanzströme nicht mehr entsprechend kalkulieren. Der Städte- und Gemeindebund hat in seiner letzten Präsidiumssitzung einen Beschluss gefasst, in dem er die Abschaffung der Schulbezirke ablehnt.

(Beifall von der SPD)

Interessanterweise waren in dieser Sitzung auch Herr Palmen und Herr Papke anwesend. Beide haben sich massiv gegen dieses Votum ausgesprochen. Sie konnten immerhin erreichen, dass

das Präsidium diesen Beschluss etwas modifiziert hat. Ursprünglich sollte er lauten: „Wir lehnen dieses strikt ab.“ Nach der Intervention von Herrn Papke und Herrn Palmen lautet er nun: „Wir lehnen ab.“

(Beifall von der SPD - Zuruf von der SPD: Das sind echte Erfolge!)

- Donnerwetter, das ist ein echter Erfolg.

(Beifall von der SPD)

Noch einmal: Das Maß aller Dinge ist das Wohl unserer Kinder. Danach handelt die neue Landesregierung.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sagt sie!)

Ich frage Sie allen Ernstes: Woran, glauben Sie, hat die alte Landesregierung ihr Handeln ausgerichtet? Ich frage Sie allen Ernstes, ob Sie annehmen, wir hätten das Wohl der Kinder nicht in den Mittelpunkt gestellt. - Gerade weil wir das getan haben, haben wir entschieden: Es ist wichtig, dass ein Kind wohnortnah in die Schule geht, weil dieser wohnortnahen Beschulung eine sozialintegrative Funktion zukommt.

(Beifall von der SPD)

Es muss in dem Umfeld, in dem es aufwächst, auch zur Schule gehen. Es muss zusammen mit Kindern aus seinem Umfeld groß werden.

Wollen Sie wirklich, dass die Kinder durch die Gegend gefahren werden - von Punkt A nach Punkt B -, wobei Sie genau wissen, dass sich dadurch im Land Schulen für Reiche und Schulen für Arme entwickeln werden? Wollen Sie dies wirklich? Das frage ich Sie.

(Beifall von der SPD - Zuruf von der FDP)

Sie gucken immer wieder nach Bayern. Der Ministerpräsident wird ja nicht müde, dies zu betonen. Ich habe fast den Eindruck, das Maß aller Dinge ist das, was in Bayern passiert. Dann sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in Bayern Schulsprengel gibt - das heißt dort so nett und dass in Hessen und in Baden-Württemberg Schulbezirke existieren. Niemand käme dort auf die absurde Idee, diese aufzulösen.

(Beifall von der SPD)

Ich bitte Sie also: Überdenken Sie Ihre voreilig gemachten Verlautbarungen, und stimmen Sie unserem Antrag heute in der Plenardebatte zu. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Kaiser von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schäfer, es freut mich, hier zumindest eine Gemeinsamkeit feststellen zu können. Wir beide schätzen den Kollegen Solf sehr. Da gibt es natürlich einen Unterschied: Sie schätzen ihn aus Ihrem sozialdemokratischen Herzen heraus - ich verfüge nicht über ein solches -, während ich ihn und all seine Diskussionsbeiträge aus ganzem Herzen schätze.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU)

Zur Sache selbst! Das, was die SPD hier schulpolitisch vorgelegt hat, ist ein kapitaler Fehlstart. Ich zitiere aus der „Westfälischen Rundschau“, die sicher nicht im Verdacht steht, Hofberichterstatter der CDU zu sein, vom 25.08. Darin fordert die SPD: „Schulen bestrafen“. Das ist wirklich die Spitze der Ungeheuerlichkeit, meine Damen und Herren.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist Unsinn!)

Ich bin der Meinung, dass unsere Schulen mit 39 Jahren SPD-Schulpolitik wahrlich genug gestraft sind.

(Beifall von der CDU)

Die neue Koalition wird dafür sorgen,

(Hannelore Kraft [SPD]: Zum Thema!)

dass sie jetzt endlich wieder frei arbeiten dürfen. Vielleicht hätte es der SPD nach 39 Jahren Verantwortung in der Schulpolitik gut getan, zunächst einmal zuzuhören, in welche Richtung die Entwicklungen gehen.