Wenn man Ihnen bei Amtsantritt ein „leeres Blatt“ vorgelegt hat, dann gehe ich davon aus, dass man Ihnen die Rückseite eines Blattes vorgelegt hat. Sie hätten es umdrehen müssen, dann hätten Sie festgestellt, dass im Hausbandgewerbe, im Bandwebergewerbe, im Gebäudereinigerhandwerk Allgemeinverbindlichkeitserklärungen in Nordrhein-Westfalen vorgelegen haben. Das ist, um einmal ihre Worte zu zitieren, „die Wahrheit“.
(Beifall von der SPD – Minister Karl-Josef Laumann: Da arbeitet doch kein Mensch! – Unruhe von der CDU)
Sagen Sie nicht immer irgendetwas mit den Worten „das ist die Wahrheit“, wenn Sie bewusst die Unwahrheit sagen, Herr Minister!
Herr Minister, des Weiteren müssen Sie zur Kenntnis nehmen: Wenn es um Allgemeinverbindlichkeiten geht, dann sprechen wir auch über die Allgemeinverbindlichkeiten auf Bundesebene. Wir haben nicht nur Flächentarifverträge, die das Land Nordrhein-Westfalen betreffen. Wir haben auch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen auf Bundesebene und wir haben Dank des von Ihnen eben zitierten Bundesarbeitsministers Müntefering auch das Arbeitnehmerentsendegesetz.
Wenn Sie es mit den Löhnen, die Sie eben angesprochen haben, die Sie sich auf die Fahnen schreiben, weil Sie nichts anderes gemacht haben
als das, was im Gesetz steht, nämlich auf Antrag der Tarifvertragsparteien Allgemeinverbindlichkeit zu erklären, ernst meinen, dann nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass zehn weitere Branchen vom Bundesarbeitsminister angeführt wurden, um sie ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufzunehmen, damit diese Menschen in den zehn Branchen existenzsichernde Löhne haben. Ihre Partei blockiert auf Bundesebene. Sie als CDABundesvorsitzender machen den Mund nicht auf, obwohl Ihre eigene Organisation ganz massiv auf unserer Seite steht und nicht an Ihrer, Herr Minister.
Lassen Sie mich noch einiges zu der Mär sagen, die Sie hier immer wieder versuchen zu verbreiten. Wir könnten auch über das Liebesleben der Ameise sprechen und Sie würden wieder diese Mär bringen.
Sie haben zu einem Zeitpunkt, Herr Minister Laumann, als es in Berlin schon längst vom Tisch war, als Ihre eigenen Parteifreunde, Ihr Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, und andere von allen Seiten gesagt haben „Lass das sein, wir werden das nicht debattieren“, einen Finanzierungsvorschlag vorgelegt. Dieser Finanzierungsvorschlag war eine Blendung par excellence. Die Presse weiß schon, warum Sie nur ganz klein darüber geschrieben hat.
Sie haben mit Ihrem Finanzierungsvorschlag genau das gemacht, was wir prophezeit haben. Sie haben Ältere gegen Jüngere ausgespielt. Sie wollen hier eine Klassengesellschaft aufbauen. Sie wollen Jüngere in die Ecke schreiben. Sie wollen die Stammtische beherrschen. Das scheint Ihr Kredo zu sein. Das können Sie mit uns nicht machen. Für uns haben alle Arbeitslose Vorrang. Eine Klassifizierung zulasten anderer Menschengruppen, wie Sie sie vorhaben, lehnen wir ab.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmeltzer. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Beratung zum Tagesordnungspunkt 3.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/4250 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält
4 Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzugs in Nordrhein-Westfalen (Jugendstrafvoll- zugsgesetz Nordrhein-Westfalen – JStVollzG NRW)
Zur Einbringung des Gesetzentwurfes erteile ich für die antragstellende Fraktion der Abgeordneten Düker das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Politik hat vom Bundesverfassungsgericht einen klaren Handlungsauftrag bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass es endlich eine gesetzliche Regelung für den Jugendstrafvollzug braucht. Die Politik ist aufgefordert, dies bis Ende des Jahres zu schaffen. Nach der Föderalismusreform sind hierfür die Bundesländer zuständig.
Das Bundesverfassungsgericht hat es nicht bei dieser allgemeinen Aufforderung belassen. Nein, das Bundesverfassungsgericht hat neben Mindestvoraussetzungen auch sehr konkrete Schlussfolgerungen für den Gesetzgeber gezogen.
Das Bundesverfassungsgericht sagt: Im Jugendbereich muss die Strafe Ultima Ratio sein. Bei den Jugendlichen muss die Resozialisierung als oberstes Erziehungsziel definiert werden. Es hat auch den Schluss gezogen, dass die soziale Integration im Vordergrund stehen muss, dass die Ausrichtung der Vollzugsgestaltung sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten muss, dass es einen effektiven Rechtsschutz geben muss und vieles andere mehr.
Also: Das Bundesverfassungsgericht setzt einen klaren Rahmen für die Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs.
Dieser Geist des Bundesverfassungsgerichts und auch des Jugendgerichtsgesetzes hat mit dem, was der Parteitag der CDU an diesem Wochenende beschließen will, nämlich der einfache Ruf nach mehr Härte im Kampf gegen Jugendkriminalität, Herr Giebels und andere, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Das wissen Sie auch.
Wir sind – das muss man nüchtern bilanzieren – weit davon entfernt, in unseren Jugendstrafvollzugsanstalten den Anforderungen an einen modernen Jugendstrafvollzug, den uns das Bundesverfassungsgericht aufgibt, in der Realität zu genügen. Deswegen haben wir Grüne einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, wie diese Ziele erreicht werden können. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf auch deutlich machen, dass wir einen sehr viel weiter gehenden Anspruch an einen an der Wiedereingliederung orientierten Jugendstrafvollzug stellen, als dies die Regierung mit ihrem derzeit vorliegenden Referentenentwurf tut:
Zweitens. Wir sind sehr viel konkreter, was die Standardsetzung angeht, und belassen es nicht bei Kann-Regelungen und diffusen Zielformulierungen.
Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen. Was bedeutet eine konsequente Orientierung am Ziel der Resozialisierung? Für uns bedeutet das zunächst als Kernaussage: Wir wollen das Regel-Ausnahme-Verhältnis offener/geschlossener Vollzug umkehren. Wir wollen den offenen Vollzug als Regelvollzug definieren. In dieser Forderung geben uns die Fachverbände und die Wissenschaft in Untersuchungen Recht, dass wir das Potenzial von Jugendlichen, die in der Lage sind, in den offenen Vollzug zu gehen, noch lange nicht ausgeschöpft haben, auch wenn wir in Nordrhein-Westfalen eine sehr hohe Quote mit fast 17 % der Jugendlichen im offenen Vollzug haben.
Der Bundesentwurf – 2004 gab es einmal einen Entwurf der Bundesregierung zum Jugendstrafvollzug, der nicht zum Tragen gekommen ist – sieht das übrigens ebenfalls als Regel vor. Wir glauben, dass der offene Vollzug, wenn die Jugendlichen es schaffen, sehr viel besser geeignet ist, die Jugendlichen wieder ins normale Leben einzugliedern, als dies im geschlossenen Vollzug der Fall ist.
Was heißt, Standards konkreter zu formulieren? Wir sagen: Die verbindliche Unterbringung in Wohngruppen muss gewährleistet und in der Größe standardisiert sein. Denn es bringt nichts, Jugendliche in Riesengruppen unterzubringen, in denen dieses Erziehungsziel überhaupt nicht umgesetzt werden kann. In unserem Gesetzentwurf
Bei diesem Wohngruppenvollzug muss auch der Erziehungsgedanke sehr viel stärker in den Mittelpunkt gestellt werden, dass die Jugendlichen nicht weggesperrt werden. Sie müssen dort sozialen Umgang lernen. Sie werden gezwungen, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen, um nicht nur eine Anpassung an irgendwelche Spielregeln im Knast, sondern eine wirkliche Verhaltensänderung zu erreichen, die sie auf das Leben draußen vorbereiten kann.
Für uns hat auch die Größe der Jugendhaftanstalten etwas mit erfolgreichem Jugendstrafvollzug zu tun, und wir fordern, ähnlich wie es auch Fachverbände tun, maximal 200 Haftplätze. Die Planung der Landesregierung, in Wuppertal eine Jugendhaftanstalt mit 500 Plätzen zu errichten, ist aus unserer Sicht nicht geeignet, einen modernen effizienten Jugendstrafvollzug zu gewährleisten.
Außerdem wollen wir, dass die Anzahl der Bediensteten durch Rechtsverordnung festgelegt wird und nicht der Finanzminister diktiert, wie die Personalausstattung aussieht, sondern dass wir ein Leistungsgesetz mit Rechtsverordnungsvorbehalt auch für die Standards in dem Bereich haben.
Wir wollen konkrete Vorgaben für die Aus- und Fortbildung der Bediensteten. Die Ministerin spricht davon, sie müssten dafür irgendwie geeignet sein. Nein, das ist in Diskussionen auch zu dem unseligen Thema Siegburg immer wieder deutlich geworden: Wir brauchen auch im allgemeinen Vollzugsdienst klare Aus- und Fortbildungsregelungen für die Bediensteten, damit sie für ihre schwere Aufgabe gewappnet sind.
Wir brauchen klare Kommunikations- und Besuchsregelungen. Den Jugendlichen müssen – auch das hat das Bundesverfassungsgericht gesagt – weitaus mehr soziale Kontakte ermöglicht werden, als dies im Erwachsenenvollzug der Fall ist. Wir müssen diese Kontakte stärken. Denn sie haben für den Jugendstraftäter eine viel größere Bedeutung als für den erwachsenen Straftäter. Wir wollen Besuche von mindestens acht Stunden pro Monat ermöglichen – damit gehen wir weiter als die Landesregierung – und sehen auch Langzeitbesuche von Kindern, Ehegatten oder Lebenspartnern der Gefangenen vor.
Wir wollen unter Aufsicht auch das Schreiben und Empfangen von E-Mails ermöglichen sowie Zugang zum Internet geben. Und wir glauben, dass solch ein Vollzug besser auf die Freiheit vorbereitet, wenn die Lebensrealität, soweit es möglich ist, in den Strafvollzug aufgenommen wird. Auch in diesem Fall geben uns Fachverbände Recht.
Konfliktregelungen haben bei uns eindeutig Vorrang vor Disziplinarmaßnahmen. Die Gefangenen sollen sich mit ihren Taten, mit dem, was nicht läuft, mit ihren Konflikten auseinandersetzen. Disziplinarmaßnahmen führen zur Anpassung, aber nicht zu Verhaltensänderungen, die wir gerade bewirken wollen.
Wir dürfen diese Jugendlichen nicht aufgeben, auch wenn sie noch so schlimme Taten begangen haben, auch wenn es noch so hoffnungslos erscheint. Um diese Jugendlichen muss sich der Staat kümmern; sie dürfen nicht weggeschlossen werden. Sie sollen sich auseinandersetzen, sie sollen eine Verhaltensänderung hinbekommen und auf das Leben in Freiheit vorbereitet werden, damit es nicht mehr zu den hohen Rückfallquoten kommt, die wir jetzt im Jugendstrafvollzug haben und die zwischen 70 und 90 % liegen. Bei diesen Rückfallquoten können wir nur konstatieren, dass wir das Vollzugsziel, die Jugendlichen auf ein Leben in Straffreiheit vorzubereiten, derzeit mit unserem Jugendstrafvollzug nicht erreichen. Hier wollen wir dringend und konsequent nachbessern.
Ich komme zum Schluss. Im Gegensatz zum Entwurf des Justizministeriums formulieren wir im Gesetzentwurf insgesamt konkretere Standards, und wir sind konsequenter. Wenn das Jugendstrafvollzugsgesetz wirklich wirken soll, muss es ein klares Leistungsgesetz werden, das in der Auseinandersetzung mit den Ressourcen verbindliche Vorgaben schafft, die nicht durch den Finanzminister korrigierbar sind.
Erstaunt habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Justizministerin meint, dass sie all diese Ziele, die sie zum Teil auch vertritt – Sie formulieren ja ähnliche Ziele –, ohne zusätzliche Kosten erreichen kann.