Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

(Beifall von den GRÜNEN – Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist unglaublich!)

In Ihrem Referentenentwurf steht – es ist in der Tat unglaublich –: Zusätzliche Kosten sind dafür nicht notwendig. Wir bauen einen neuen Knast in Wuppertal, haben ein paar kw-Vermerke gestri

chen, und das ist es. Wenn wir die Folie mit diesen Anforderungen auf unser Land übertragen, dann müssen wir der Realität ins Auge sehen. Dafür werden wir mehr Geld brauchen, und dieses Geld ist gut und richtig angelegtes Geld.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch da muss man sehr ehrlich sein und sagen, dass das Geld kosten wird. Wir glauben daher, dass unser Gesetz ein besseres Gesetz ist als der Referentenentwurf der Landesregierung, und freuen uns auf die Auseinandersetzung in der Anhörung und danach. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Giebels.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen handelt es sich in wesentlichen Teilen um einen abgeschriebenen Text aus dem Entwurf des Bundesjustizministeriums, versehen mit redaktionellen Änderungen. Einzelne Formulieren wurden allerdings auch inhaltlich geändert. Diese Änderungen machen deutlich, weshalb dieser Gesetzentwurf auch nicht die Mehrheit im nordrheinwestfälischen Landtag finden wird.

Bereits in § 3 des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird deutlich, warum dieser Gesetzentwurf in die falsche Richtung geht. Die noch im Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vorgesehene Sicherheit der Allgemeinheit fehlt nämlich in dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf.

Selbstverständlich ist das Vollzugsziel die Resozialisierung der jungen Gefangenen – keine Frage –, der Schutz der Allgemeinheit ist jedoch ebenfalls Bestandteil der Gestaltung des Vollzugs, und zwar, wie im Gesetzentwurf der Justizministerin vorgesehen, als seine Aufgabe. Das angestrebte Ziel des Vollzugs der Jugendstrafe, dass die jungen Gefangenen ein Leben ohne Straftaten führen, führt natürlich auch zum Schutz der Allgemeinheit. Und die Allgemeinheit, also die Gesellschaft, muss davor geschützt werden, dass Straftaten begangen werden.

Für den Charakter des Gesetzentwurfes, wie Sie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihn vorgelegt haben, ist es schon bezeichnend, dass ausgerechnet dieser Passus fehlt.

Im § 5 beschreibt der Entwurf Ihrer Fraktion die Leitlinien der Förderung. Hier fällt auf – Sie haben es angesprochen –, dass aus der Kann-Bestimmung des Gesetzentwurfes des Bundesjustizministeriums eine Ist-Bestimmung geworden ist. Während der Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vorsieht, dass der Vollzug aufgelockert und in geeigneten Fällen weitgehend in freien Formen durchgeführt werden kann, so fordern Sie den offenen Vollzug ohne Einschränkung als Regelfall.

Die CDU hingegen ist der Auffassung, dass die Förderung der jungen Gefangenen individuell festgelegt werden muss. So ist zum Beispiel nicht jeder Gefangene von vornherein geeignet, im offenen Vollzug untergebracht zu werden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt!)

Deshalb wäre es falsch, dies im Gesetz als eine in jedem Fall anzuwendende Vollzugsform festzulegen.

Ergänzend sei angemerkt, dass Ihre Position zum offenen Vollzug klar den derzeit geltenden rechtlichen Bestimmunen widerspricht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Quatsch!)

Auch im Jugendstrafvollzug ist der geschlossene Vollzug aufgrund der bundesrechtlichen Vorschriften – Sie können sie ja mal nachlesen – der Regelfall.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Dort heißt es: Der sogenannte offene Vollzug kommt hiernach nur dann infrage, wenn der Gefangene den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und eine Erprobung im offenen Vollzug verantwortet werden kann. – Das ist die normierte Voraussetzung für einen Gefangenen im offenen Vollzug.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Der Personenkreis, der sich nicht für den offenen Vollzug eignet, muss zum Schutz der Bevölkerung natürlich hinter Schloss und Riegel. Das sagen wir hier ganz deutlich.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD] und Monika Düker [GRÜNE])

Im Übrigen – Sie haben es selber angeschnitten – ist Nordrhein-Westfalen ganz klar Spitzenreiter, was den offenen Vollzug betrifft. 17 % hat kaum ein anderes Bundesland. Darauf wollen wir ganz deutlich hinweisen.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Auch die Regelung, wie Sie sie betreffend den Förderplan im § 10 des Entwurfes vorschlagen, wollen wir nicht akzeptieren. Sie wollen festschreiben, dass in der Regel von einer Entlassung auf Bewährung nach Verbüßung von höchstens zwei Dritteln der Strafe auszugehen ist und dass eine hiervon abweichende Planung, die einen späteren Entlassungszeitpunkt vorsieht, nur zulässig ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Anstalt nicht in der Lage ist, den Gefangenen auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten.

Wir sagen ganz klar: Die Aussetzung der Haftstrafe auf Bewährung nach Verbüßen von höchstens zwei Dritteln stellt in der Praxis keine Regel, sondern wenn, dann eine gut begründete Ausnahme bei besonders guter Führung dar. Die von Ihnen vorgeschlagene Regelung unterstellt, dass es ausschließlich Aufgabe der Anstalt ist, den Gefangenen auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Sie vergessen oder negieren dabei, dass hierzu auch eine Mitwirkung des Gefangenen notwendig ist. Diese Mitwirkung ist in dem Entwurf des Bundesjustizministeriums enthalten; in Ihrem Entwurf fehlt diese Voraussetzung.

Die Mitwirkung ist aber erforderlich. Denn ohne Einsicht und entsprechende Motivation des Gefangenen ist keine Anstalt in der Lage, den Gefangenen so zu fördern, dass er in Zukunft ein straffreies Leben führen wird.

Ein weiterer kritikwürdiger Punkt in Ihrem Entwurf ist, dass eine Verlegung und Überstellung der Gefangenen nur mit deren Zustimmung durchgeführt werden können. Das ist nach unserer Ansicht schlicht realitätsfremd. Eine Verlegung und Überstellung nur mit Zustimmung des Gefangenen durchzuführen, würde dazu führen, dass der Vollzugsablauf letztlich allein vom Wunschdenken des Gefangenen abhängt. Im Übrigen gibt es auch Fälle, in denen Wünsche des Gefangenen und übergeordnete Interessen eine Verlegung und Überstellung erforderlich machen. Ein Vetorecht des Gefangenen kann es da natürlich nicht geben.

Sie sagen in Ihrem Entwurf, dass Gefangene im geschlossenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dies wünschen. Wir sagen: Gefangene werden im geschlossenen Vollzug untergebracht, wenn dies erforderlich ist. Auch hier wird der unterschiedliche Charakter, die unterschiedliche Sichtweise ganz deutlich.

Sie sagen weiterhin: Für die Durchführung von Fördermaßnahmen auch außerhalb der Anstalt

sind Vollzugslockerungen zu gewähren. Auch hier verändern Sie die ursprüngliche Formulierung in dem Entwurf des Bundesjustizministeriums als Kann-Vorschrift in eine zwingende Ist-Regelung. Dabei verkennen Sie aber, dass Vollzugslockerungen nur dann zu gewähren sind, wenn der betroffene junge Gefangene dazu geeignet ist und durch seine Mitwirkung dazu beiträgt, dass die Fördermaßnahmen auch außerhalb der Anstalt dem Vollzugsziel dienlich sind. Deshalb lehnen wir Ihnen Vorschlag in § 16 Ihres Entwurfes ab.

Für Lockerungen und Urlaub können Weisungen grundsätzlich erteilt werden und nicht nur aus wichtigem Grund, wie es Ihr Gesetzentwurf beinhaltet – ganz abgesehen davon, dass Sie nicht erläutern, was denn ein wichtiger Grund sein könnte.

Erstaunlich ist ebenfalls, dass Sie in § 22 Ihres Entwurfes, der die Unterbringung regelt, ganz offensichtlich die noch im Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vorgesehenen weiblichen Gefangenen vergessen haben. Da stellt sich die Frage: Warum ausgerechnet das? Der Anteil der weiblichen Gefangenen ist natürlich sehr gering, wie wir aus den Belegungszahlen wissen. Nichtsdestotrotz gibt es sie. Dafür müssen auch entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden.

Die Möglichkeit, für männliche und weibliche Gefangene gemeinsame Förderangebote anzubieten, fehlt in Ihrem Gesetzentwurf leider auch. Das ist ein weiterer Grund, warum wir nicht zustimmen können.

Auch der in Ihrem Entwurf vorgesehene Umfang des Besuchsrechts ist nicht zweckdienlich. Sie wollen die acht Stunden, wie Sie gerade erläutert haben, festschreiben. Uns ist diese Regelung zu starr. Wir sagen ganz klar: Wir halten es für richtig, wie es der Gesetzentwurf des Landes vorsieht, dass ein Minimum von vier Stunden festgeschrieben wird. Wie aber dieses Besuchsrecht gestaffelt oder vielleicht auch ausgeweitet werden kann, soll nach unserem Dafürhalten die Anstaltsleitung einzelfallbezogen mit Blick auf den betreffenden Jugendlichen, seine Entwicklung und sein Verhalten in der Anstalt entscheiden.

Sie haben auch nicht erwähnt, dass Praktiker mitunter sehr deutlich den Hinweis geben, dass es auch Jugendliche gibt, die man vor ihren Eltern und sonstigen Familienangehörigen schützen muss, weil es in der Vergangenheit schlechte Einflüsse gegeben hat, und man solche Einflüsse natürlich auch unterbinden muss, um den Jugendlichen auf den richtigen Weg zu führen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Da stimme ich Ih- nen sogar zu!)

Vielen Dank.

Das sind nur einige Punkte, die bereits jetzt klarmachen, dass wir dem Entwurf, wie Sie ihn hier vorlegen, nicht zustimmen können. Aber ich freue mich wie Sie auf die detaillierte Debatte im Rechtsausschuss und auch auf die Anhörung. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Giebels. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Sichau das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schönen Dank für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs! Wir sind uns angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus darüber im Klaren, dass das allenfalls reichen wird zu Alternativanträgen zum Gesetzentwurf, der ja bereits als Referentenentwurf der Landesregierung vorliegt.

Herr Giebels hat schon einige Ausführungen gemacht, die es in erster Linie zu kommentieren gilt, weil dort die Unterschiede am deutlichsten sind. Weiteres wird die Zeit vielleicht nicht bringen, aber es gibt auch noch ein paar andere Differenzierungen, die Frau Ruff-Händelkes noch in die Diskussion einbringen wird.

Das ist das alte Spiel Vollzugsziel. Es ist ganz klar: Das Vollzugsziel ist die Resozialisierung. Die Sicherheit der Allgemeinheit ist Instrument. Jemand, der im Vollzug ist, ist sozusagen in Sicherheit. Die Allgemeinheit kann in Sicherheit leben, weil jemand im Vollzug ist. Das Instrument als Vollzugsziel zu nennen halten wir für falsch.

Dann haben Sie vom offenen Vollzug gesprochen. Das ist auch ein alter Streit. § 10 des Strafvollzugsgesetzes für Erwachsene sieht als Regelvollzug den offenen Vollzug vor. Er sagt aber ganz eindeutig: Voraussetzung ist, dass das verantwortet werden kann, weil kein Missbrauch und keine weiteren Straftaten zu befürchten sind, die zur Rückkehr in den Strafvollzug führen. Das ist dort sehr deutlich formuliert.

Dann gibt es eine ganze Menge Erwägungen. Deshalb sind in Nordrhein-Westfalen auch nur ca. 25 % im offenen Vollzug. Wir halten das für ausbaufähig, aber daran sieht man, dass der Regelvollzug auch Ausnahmen kennt, weil diese Verantwortung zumindest am Anfang nicht übernommen werden kann. Insofern, Herr Giebels,

haben Sie das hier meines Erachtens nicht sachgerecht dargestellt.

(Beifall von den GRÜNEN)

„Gute Führung“ ist ein klassischer Begriff im Strafvollzug. Wir waren davon ausgegangen, wenn ich ein Vollzugsziel habe, nämlich Resozialisierung, dann ist gute Führung sicherlich ein Aspekt. Aber das Wesentliche ist doch die Zielerreichung. Kann ich davon ausgehen, dass keine weiteren Straftaten begangen werden? Dann habe ich nicht nur die Möglichkeit von Lockerungen, sondern auch der Entlassung. Im Jugendstrafvollzug kann heute der Vollstreckungsleiter auch lange vor der Endstrafe sozusagen eine Entlassung aussprechen. Dies richtet sich im Jugendstrafvollzug, wo der Erziehungsgedanke – das sage ich hier noch einmal ganz deutlich – den absoluten Vorrang hat, auch an der Erreichung des Vollzugsziels aus.

Ein dritter Punkt ist in diesem Zusammenhang deutlich zu nennen. Sie sagen immer: Die Menschen im Vollzug, die Jugendlichen, müssen mitmachen. Natürlich! Aber jedem Pädagogen, jedem Erzieher wird ständig gesagt: Du musst auch motivieren. – Wir wissen: Es gibt eine Menge Menschen, die erst dazu bewegt werden müssen mitzumachen. Ich kann diese Chance angesichts des Erziehungsgedankens nicht aufgeben, indem ich diejenigen aussortiere, die nicht mitmachen wollen – wie beim sogenannten Chancenvollzug. Das ist ja wie die sogenannte DDR. Das ist gar kein Chancenvollzug, was die Niedersachsen da machen. Ich muss die Möglichkeit der Motivation ausdrücklich mit einbeziehen und kann nicht sagen: Wer von Anfang an nicht mitwirkt, der bekommt die Endstrafe. Das widerspricht dem Erziehungsgedanken.