Aufschlussreich ist die Erkenntnis aus der Anhörung, dass es für viele Beteiligte wie auch für die Landesregierung verwerfliche Ausbauplanungen gibt. Allerdings: Aus Sicht des Landes NRW und der Propagandisten des Flughafenausbaus hier gibt es nur eine verwerfliche Ausbauplanung, nämlich die hinter der Landesgrenze in KasselCalden.
Der von der CDU-Regierung in Hessen favorisierte Ausbau in Kassel soll 150 Millionen € kosten. Alle Sachverständigen haben das, unabhängig von ihrer jeweiligen Interessenlage, massiv kritisiert. Bemerkenswert ist, dass die Ausbauplanungen innerhalb von NRW überhaupt keine Kritik erfahren haben und keine Orientierung an den gleichen Maßstäben erfolgt ist. Es wurde deutlich, dass sich die Flughäfen innerhalb des Landes nach dem Prinzip arrangiert haben: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Dabei, meine Damen und Herren, findet auch in NRW eine Kannibalisierung von Flughafenstandorten statt. Ich habe einmal auf dieser Karte
den 60-km-Radius aufgezeichnet, an dem Sie sich orientieren, wenn Sie sich mit Ihrer Kritik nach Hessen wenden. Anhand dieses 60-kmRadius erkennen Sie, dass sich die Regional- und
die internationalen Flughäfen in NRW weitestgehend um die gleichen Kunden bemühen, was zur Folge hat, dass es am Ende bei den Subventionen um die Ansiedlung von Billigflugairlines wie zum Beispiel Ryanair oder easyJet geht. Das sind genau die Subventionen und versteckten Beihilfen, von denen ich gesprochen habe.
Meine Damen und Herren, dass dieser Wettlauf um Subventionen volkswirtschaftlicher Unsinn ist, haben die von uns benannten Sachverständigen in der Anhörung am 20. März bestätigt. Dieser Sachverhalt lässt sich auch in den entsprechenden Studien der renommierten Wirtschaftsberatungsgesellschaften Booz Allen Hamilton, Boston Consulting Group und Deutsche Bank Research nachlesen.
Es verwundert auch nicht, dass die zahlreichen von CDU, FDP und SPD benannten Vertreter der Luftverkehrslobby in der Anhörung die Subventionierung der NRW-Flughäfen eher positiv sahen. Bei allen Unterschieden in der Bewertung der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit dieser Subventionen haben sie sich allerdings auf eine Position verständigt: Alle waren der Auffassung, dass sämtliche Subventionen transparent gemacht werden sollten.
Zumindest auf diese Position müssten sich auch die Fraktionen verständigen, damit nicht der Fall eintritt wie beim Kreis Kleve, der bis heute nicht alle Subventionen, die im Zusammenhang mit Weeze geleistet worden sind, offengelegt hat.
Meine Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung auf, dem Parlament bald einen Entwurf einer neuen Luftverkehrskonzeption vorzulegen, in dem sie sich auf deutlich weniger Flughafenstandorte konzentriert und klarlegt, dass das Land zwar weder Standorte schließt noch dazu auffordert, aber auch nicht mehr über eine eng begrenzte Anzahl hinaus fördert.
Weiterhin bedarf es einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Ländern sowie einer Erweiterung der Kompetenzen des Bundes bei der Flughafenplanung; denn nur so, meine Damen und Herren, ist der ruinöse Wettbewerb auf Dauer einzuschränken.
Es muss auch endlich zu einem Ende der Ungleichbehandlung der Verkehrsträger kommen. Während der gewerbliche Luftverkehr von der Mineralölsteuer, der Ökosteuer und der Mehrwertsteuer auf internationale Tickets befreit ist, werden alle anderen Verkehrsträger unterschied
lich stark mit diesen Steuern belastet. Deshalb benötigen wir neben der Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel auch endlich eine Kerosinsteuer und die Mehrwertsteuer für internationale Flüge. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Minister Oliver Wittke: Ich dachte, Sie sagen noch etwas zu Düsseldorf! – Horst Becker [GRÜNE]: Ich habe ja noch ein bisschen Zeit übrig! – Minister Oliver Wittke: Dann provo- ziere ich gleich ein bisschen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Becker, Ihre Wortwahl – Propagandisten, Luftverkehrslobby – zeigt uns ganz deutlich, wie Sie diesen Wirtschaftsfaktor in Nordrhein-Westfalen von vornherein beurteilen. Für uns sind das willkommene Investoren.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung, eine Expertenanhörung durchzuführen – diese hat am 20 März im Landtag stattgefunden –, war richtig. Das Ergebnis bestätigt uns in voller Breite: Wir brauchen die dezentrale Luftverkehrsinfrastruktur. Gerade deshalb möchte ich noch einmal ganz deutlich in Erinnerung rufen, auf welcher Basis wir heute über die neun Flughäfen in NordrheinWestfalen diskutieren.
Grundlage der Luftverkehrspolitik in NordrheinWestfalen ist die von der Landesregierung im Dezember 2000 erarbeitete Luftverkehrskonzeption bis zum Jahre 2010. Sie erinnern sich, dass zu der Zeit die Farben der Regierung im Landtag Rot und Grün waren. Im Landtag haben aber alle Fraktionen im November 2001 der Luftverkehrskonzeption zugestimmt. Auch wir, die jetzigen Regierungsfraktionen, haben die Konzeption mit einigen Auflagen unterstützt. Wir haben uns darüber geeinigt und die Regierung dazu aufgefordert, unter fortwährender Abwägung der wirtschaftlichen und ökologischen Belange sowie unter Beachtung der berechtigten Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner diese Konzeption umzusetzen. Gerade der letzte Passus war für uns damals sehr wichtig.
Westfalen beschrieben, begründet und die Bedeutung für unser Land herausgestellt. Dort heißt es unter anderem:
„Ziel der Luftverkehrskonzeption ist es, den Luftverkehr so zu organisieren, dass lange Anfahrten vermieden werden.“
Das ist also ein Punkt, der die dezentralen Standorte unserer Flughäfen direkt einfordert und begründet. Mit dem gegenwärtigen Ausbau der dezentralen Flughafenstandorte bietet die Luftverkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen dazu gute Entwicklungsmöglichkeiten.
Ich möchte nun Ihren Blick dahin gehend schärfen, wofür wir überhaupt Luftverkehr betreiben. Wir müssen erkennen und dementsprechend handeln, dass es für unser Land eine zentrale Standortfrage ist, über ausreichende Interkontinental-, aber auch europäische Verbindungen in alle Wirtschaftsregionen zu verfügen. Wenn wir uns auf weniger Flughäfen konzentrieren, dann bedeutet das, dass unsere Geschäftsleute und unsere Unternehmen weitere Wege und damit höhere Kosten in Kauf nehmen müssen.
Ein weiterer großer wirtschaftlicher Faktor sowohl für die Flughäfen, aber auch für die Regionen ist die Tourismusbranche. Reisen und Kurzurlaube sind heute ein Teil unserer Lebensqualität. Ob wir es wahr haben wollen oder nicht: Die Menschen fliegen mittlerweile zwei bis drei Mal im Jahr in Urlaub. Darauf hat sich die Tourismusbranche schon längst eingestellt.
Bedenkenträgern unter Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wird die Anhörung hoffentlich noch einen weiteren sehr wichtigen Aspekt verdeutlicht haben. Es geht nicht nur um KostenNutzen-Analysen und um Gewinn- und Verlustrechnung – das darf auch nicht unser politisches Interesse sein –, sondern es geht hier vielmehr um das gesamtwirtschaftliche Interesse und um die gesellschaftliche Rendite.
Die Experten haben uns sehr deutlich gemacht, welche Aufgaben die Politik zu erfüllen hat, nämlich das Bereitstellen einer vernünftigen Infrastruktur. Gerade vor diesem Hintergrund warne ich davor, der sich allmählich erholenden Wirtschaft irgendwelche Steine in den Weg zu legen. Für eine positive Entwicklung – daraufhin sollten wir alle unser Streben ausrichten – braucht die Wirtschaft Planungssicherheit und Kontinuität. Wer wie die Unternehmen in unserem Land über einen längeren Zeitraum disponieren will und muss, der braucht feste Anhaltspunkte. Dafür ist die Politik zuständig, indem sie verlässliche Rahmenbedingungen schafft.
Wir haben in der Luftverkehrskonzeption 2010 einen Zeitraum von zehn Jahren festgeschrieben. In diesem Rahmen gilt es zu agieren und nicht die von allen getragene Strategie infrage zu stellen. Sprunghaftigkeit und Unberechenbarkeit wären die Folgen der Forderungen des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen. Das bedeutet im Umkehreffekt Unzuverlässigkeit und zudem Kurzsichtigkeit.
Unsere Wirtschaft erholt sich, meine Damen und Herren. Mit großer Freude nehmen wir die positive Entwicklung für uns in Nordrhein-Westfalen zur Kenntnis, denn in den letzten zwei Jahren können wir 130.000 versicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr verbuchen, und gleichzeitig gibt es 113.000 weniger arbeitslose Menschen.
Zu den Grundlagen, auf denen unsere Unternehmen planen, gehören auch die Standorte unserer Flughäfen. Daran jetzt zu rütteln, hätte schlimme Folgen. Während wir hier lange Debatten über künftige Verkehrsentwicklung und deren Einschränkung führen, sind die Geschehnisse der vergangenen Jahre eindeutig andere.
Ich möchte nun Ihren Blick für weitere Gesichtspunkte schärfen. Oft genug haben Sie hier die Zahlen nach Gusto ausgelegt, als es nämlich um die Bewertung der Dichte des Flughafennetzes in unserem Land ging. Auch da haben Ihnen die Experten sehr deutlich bei der Anhörung und – das hoffe ich – jetzt auch abschließend gesagt, um was es geht: Nordrhein-Westfalen hat fast 18 Millionen Einwohner und ist somit das bevölkerungsreichste Bundesland. Auf dieser Basis liegt die Flughafendichte in unserem Land knapp unter dem deutschen, also auch deutlich unter dem Durchschnitt der anderen europäischen Länder. Bezogen auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen ist es doch unsere gemeinsame Aufgabe, diesen 18 Millionen Menschen eine vernünftige Infrastruktur bezogen auf die bereits genannten Bedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Somit ist die dezentrale Ansiedlung unserer Flughäfen zukunftsweisend.
Meine Damen und Herren, genau definiert sind die Ziele der nordrhein-westfälischen Luftverkehrspolitik in der bereits genannten Luftverkehrskonzeption. Sie beschreibt das, was Wirtschaft und Bevölkerung erwarten:
Erstens. Es ist der Bedarf von Wirtschaft und Bevölkerung nach europäischen und interkontinentalen Flugverbindungen zu decken. Die Tourismusbranche setzt auf die dezentralen Flughäfen in unserem Land ebenso wie die Wirtschaft. Um diesen Bedarf zu decken, ist eine technisch und wirt
schaftlich leistungsfähige Luftfahrtinfrastruktur bereitzustellen. Ebenso ist die Sicherheit des Flugbetriebes voll zu garantieren.
Zweitens. Die festgeschriebenen Ziele in dem Konzept gewährleisten, dass Umwelt und Naturschutz integrative Bestandteile der Luftverkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen sind. Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zeigt, dass sich die Flughafeninfrastruktur in unserem Land bewährt hat. Angesichts eines zu erwartenden Nachfragewachstums von 82 % – das sind allein für Nordrhein-Westfalen 52,2 Millionen Flugpassagiere bis zum Jahre 2020, eine Zahl, die sich übrigens auch im Masterplan der Initiative Luftverkehr auf Bundesebene wiederfindet – halte ich unsere endlosen Diskussionen zum Thema Flughäfen mittlerweile für überflüssig. Aber nun: Die Vertreterinnen und Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen wollen es so. Jedoch auch ihnen werden die nüchternen Zahlen, die uns die Experten genannt haben, gezeigt haben, dass sich die Luftfahrt in unserem Land gut entwickelt und zurzeit auch einer der Wirtschaftszweige ist, in denen neue Arbeitsplätze entstehen.
Flughäfen sind Jobmaschinen. Ich möchte das gerne mit folgenden Zahlen belegen: Im Jahre 2006 gab es in Nordrhein-Westfalen 31,7 Millionen Flugpassagiere und 32.000 direkte Arbeitsplätze an den Flughäfen. Darüber hinaus gab es weitere 32.000 Arbeitsplätze im Zulieferbereich, also beim klassischen Mittelstand angesiedelt. Das ergibt für Nordrhein-Westfalen insgesamt 64.000 Arbeitsplätze, die mit Luftverkehr zusammenhängen. Ich meine, das ist eine Zahl, die sich ganz deutlich bei uns einprägen muss.
All das ist Grund genug, an den bestehenden Konzepten festzuhalten und sie sogar noch zu stützen. Die Flughäfen als Luftverkehrsanbieter, als Arbeitgeber, als Auftraggeber, als Investoren und als Standort- und Imagefaktoren sind für mich Garant und wichtiger Bestandteil, um im europäischen Wettbewerb mitzuhalten und zu bestehen.
Meine Damen und Herren, wir werden in dieser 14. Wahlperiode über eine Fortschreibung des bestehenden Luftverkehrskonzeptes zu beraten und auch zu beschließen haben. Dabei müssen für uns alle bisherigen und zukünftigen Entwicklungen die Grundlage der Überlegungen bilden.
Zum jetzigen Zeitpunkt warne ich jedoch dringend davor, auf diesem einmal beschrittenen Weg umzukehren und bisherige Strukturen zu zerschlagen. Ein Land und dessen Entwicklung, aber auch dessen Stillstand und Rückentwicklung wird wesentlich durch das Handeln, aber auch das Unter
lassen der verantwortlichen Akteure in Politik und Regierung geprägt. Das gilt ganz besonders und darum umso nachhaltiger auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur. Denn gerade hier ist der zeitliche Verfahrensweg überproportional lang. Dieser Umstand erfordert deshalb ein langfristiges Ziel und zukunftsorientiertes Denken. Jetzt die positiven Entwicklungen zu stoppen hieße, Planungssicherheiten zu nehmen und gleichzeitig eine negative Entwicklung in Gang zu setzen. Das wäre wahrhaft sträflich.
Als unaufrichtig möchte ich es schließlich bezeichnen, wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, in Ihrem Antrag maximal noch vier Flughäfen in NordrheinWestfalen bevorzugen. Immer dann, wenn wir hier zum Beispiel über die Erweiterung der Flughäfen Düsseldorf oder Münster/Osnabrück beraten haben, haben Sie die Ausbauentwicklung vehement bekämpft. Dieses Verhalten passt nicht zusammen, um nicht zu sagen: Es ist gar scheinheilig.
Zum Schluss, meine Damen und Herren, will ich ganz deutlich sagen, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen, so, wie wir es auch im Verkehrsausschuss deutlich gemacht haben. – Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum einen, Herr Becker, zu Ihrer Karte, die Sie hier gezeigt haben: Wir haben in der Anhörung gehört, dass es unterschiedliche Zielgruppen und damit auch eine unterschiedliche Aufgabenteilung gibt. Deswegen sind diese Kannibalisierungstheorie und auch das Zeigen der Karte sachlich nicht zu begründen.
Zum anderen möchte ich mir gerne einmal die Zeit nehmen, um Ihnen den Unterschied zwischen direkter Subventionierung und Darlehensgewährung zu erklären. Aber das können wir an anderer Stelle machen.