Protokoll der Sitzung vom 23.05.2007

(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)

Damit es dann ein Stück weit, Herr Kollege Becker, versöhnlich endet, will ich Ihnen in einem Punkt zustimmen. Jawohl, Sie haben Recht, Kerosin und Flugbenzin gehören besteuert, aber nicht in einem nationalen Alleingang, sondern dann bitte in ganz Europa, damit Chancengleichheit herrscht, damit Wettbewerb stattfinden kann. Ich sage hier ausdrücklich: Ich bin für die Besteuerung von Kerosin und für die Besteuerung von Flugbenzin, aber in einer europäischen Lösung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für Bündnis 90/Die Grünen bittet noch einmal Herr Becker um das Wort. Er erhält es auch.

Herr Minister, zunächst einmal fange ich auch gerne persönlich mit der kleinen Einigkeit an. Ich freue mich ausdrücklich, dass Sie für die Besteuerung von Flugbenzin sind. Ich warte dann auf Ihre erste Initiative hier in diesem Haus und auf die erste Initiative Ihres Kabinetts im Bundesrat und darüber hinaus. Die habe ich bisher nicht gesehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Interessant ist, was ich von Ihnen nicht gehört habe. Sie haben zwar eine Menge dazu ausgesagt, dass Sie uns in der Argumentation gleichzeitig eine Nähe zum VCD, zur Deutschen Bank und zur Lufthansa unterstellen, aber Sie haben kein Wort zu den Subventionen der Billigfliegerei gesagt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben auch kein Wort dazu gesagt, dass der Ausbau des Luftverkehrs in Nordrhein-Westfalen damit verbunden ist, dass an jedem dieser Standorte der Regionalflughäfen, über die wir reden – bis auf Paderborn, aber selbst da wird es in Zukunft aber anders sein –, zurzeit rote Zahlen geschrieben werden und dass Zuschüsse nötig sind.

Sie haben kein Wort davon gesagt, dass Sie selbstverständlich 11 Millionen € Subventionen in den Flughafen Münster stecken. Das sind Subventionen. Wenn Sie das bestreiten – das geht auch in Richtung Frau Brüning –, dann müssten Sie sich einmal damit auseinandersetzen, dass Sie sowohl für die Subventionen in Münster als auch für die Subventionen des Programms NERES in Dortmund, also der Beihilfen auf die täglich abzurechnenden Gebühren, bis heute von der EU nicht eine einzige Genehmigung haben. Für NERES für Dortmund ist ein Antrag eingereicht worden. Der ist inzwischen zurückgezogen worden und durch einen neuen Antrag ersetzt worden. Es liegt bis heute keine Genehmigung vor. Für Münster/Osnabrück haben Sie ebenfalls keine Genehmigung. Es sind beides Beihilfen. Sonst müssten Sie nicht die EU um Genehmigung bitten.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich ebenfalls wieder nur daran abgearbeitet, dass wir Ihnen die vier Standorte nicht nennen. Ich könnte mir vorstellen, dass es beispielsweise die vier Standorte Köln/Bonn, Düsseldorf, Paderborn und Münster/Osnabrück sein könnten. Darüber kann man aber streiten. Wenn Sie der Meinung sind, es müssten fünf oder drei sein, dann sagen Sie das umgekehrt einmal!

Unsere Meinung allerdings ist ganz klar. Der dezentrale Ausbau zulasten des öffentlichen Geldes, zulasten der Bürgerinnen und Bürger, die die Subventionen leisten müssen, ist in der Tat verurteilenswürdig. Frau Brüning, es ist auch etwas völlig anderes, ob ich Billigflüge und Billigfluggesellschaften subventioniere oder aber den ÖPNV subventioniere, auf den täglich eine Masse von Menschen in ihrem Leben angewiesen ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein großer Unterschied. Dass Sie den nicht verstehen wollen, das zeigt in der Tat, dass hier ein fundamentaler Unterschied zwischen Ihnen und uns in der Betrachtung dieser Problematik besteht.

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Das ist auch gut so!)

Ja, das ist auch gut so, Herr Kollege. Dann sage ich Ihnen dazu gerne noch etwas. Es ist typisch, dass Sie meinen, Sie würden eine ausgewogene Luftverkehrspolitik betreiben, aber die Worte „Lärm“, „Energieverbrauch“, „Bürgerinnen und Bürger“ und „Subventionen“ kommen in diesem Zusammenhang faktisch nicht angemessen vor. Das ist Kennzeichen Ihrer Politik. Darin besteht der Unterschied, und das ist auch gut so.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Chris- tof Rasche [FDP])

Dass da eine unterschiedliche Sichtweise besteht, wissen Sie spätestens, seitdem Herr Keymis als mein Vorgänger in der letzten Wahlperiode bei der Verabschiedung der Luftverkehrskonzeption seinerzeit eine persönliche Erklärung abgegeben hat,

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

genau in diesem Zusammenhang, den ich heute hier aufgezeigt habe. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Becker. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Herr Minister Wittke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Da ich nur noch eine Minute und 23 Sekunden Redezeit habe, in aller Kürze!

Herr Becker, erstens: Das Land NordrheinWestfalen subventioniert an keiner einzigen Stelle in unserem Land Billigflieger. Wenn Sie der Auffassung sind, eine solche Subventionierung gäbe es an irgendeiner Stelle, dann gehen Sie in den Aufsichtsrat der Stadtwerke Dortmund oder in den Kreistag von Kleve,

(Beifall von CDU und FDP)

aber verschonen Sie uns hier im nordrheinwestfälischen Landtag mit solchen Anwürfen!

(Beifall von CDU und FDP)

Zweitens: Die 11 Millionen €, die der nordrheinwestfälische Landtag für die Verlängerung der

Start- und Landebahn am Flughafen Münster/Osnabrück bewilligt hat, sind ausschließlich ökologiebedingte Mehrkosten. Man könnte sie auch als Höhn-Kosten titulieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Weil Sie aus politischen Gründen in Ihrer Regierungsverantwortung den Ausbau kaputtmachen wollten und weil wir für Chancengleichheit sind, darum gibt es dort den ökologischen Ausgleich, den Sie hier politisch provoziert haben!

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Drittens: Herr Becker, tun Sie hier bitte nicht so, als hätten Sie in Ihrer Regierungsverantwortung nicht den Ausbau von Flughäfen subventioniert! Sie haben dafür gesorgt, dass in Dortmund das Terminal neu gebaut werden konnte und die Start- und Landebahn verlängert werden konnte. Sie haben den Arm dafür gehoben, dass Landesmittel dafür zur Verfügung gestellt wurden.

Das wird es künftig nicht mehr geben, weil das Wort gilt, das ich gerade gesagt habe: Diese Landesregierung wird den Ausbau von Flughäfen in Nordrhein-Westfalen, von internationalen Verkehrsflughäfen und von Verkehrslandeplätzen nicht länger subventionieren, so wie Sie es in Ihrer Regierungsverantwortung getan haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Wittke. – Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, sodass wir zum Schluss der Beratung kommen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Bauen und Verkehr empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/4318, den Antrag Drucksache 14/1029 abzulehnen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Das sind Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

5 Föderalismuskommission II für eine zukunftsfähige Gestaltung der Finanzsysteme nutzen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4338

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Löhrmann das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht um ein Thema, welches in der Regel nicht so viel Leidenschaft, aber auch nicht so viele Differenzen zwischen uns hervorbringen könnte. Es sollte aus meiner Sicht aber durchaus die gebotene Aufmerksamkeit zumindest derjenigen erweckt, die es interessiert. Es geht nämlich um nicht mehr und nicht weniger als um den Staats- und den Finanzaufbau der Bundesrepublik Deutschland.

In dem Kontext geht es auch um die Frage, wie es bei Bund, Ländern und Kommunen zugeht. Sind unsere staatlichen Ebenen, ist unser Land in der Lage, die Zukunftsaufgaben aufgrund dieser Struktur richtig anzupacken? Meine Fraktion ist sich sicher: Nur mit handlungsfähigen staatlichen Ebenen – Bund, Ländern und Gemeinden – wird auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und in den Staat insgesamt wieder wachsen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu den Messlatten, an denen die Menschen ihr Vertrauen in die Politik und in den Staat ausrichten, gehört sicherlich die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung. Dazu gehört sicherlich die Frage der öffentlichen Sicherheit. Darauf weist der Ministerpräsident aus unserer Sicht zu Recht hin.

Für das Vertrauen in die Politik ist aber auch die Frage zentral, ob es gerecht zugeht, ob die Menschen überall die gleichen Chancen haben. Es geht um gleiche Chancen für Menschen in Kommunen, um gleiche Chancen für die Kommunen in den Ländern und um gleiche Chancen für die Länder im Bund. Konkret heißt es: Es muss für ein Kind in Gelsenkirchen genauso möglich sein, jeden Bildungsabschluss zu erreichen, wie für Kinder in Neuss oder in Augsburg. Es muss in Solingen prinzipiell genauso möglich sein, Schulen und Spielplätze zu bauen, wie in Bonn oder in Leipzig. In NRW muss es genauso möglich sein, den Haushalt zu konsolidieren, wie in Bayern oder in Bremen. All das darf nicht durch ein System verhindert werden. In diesem Ziel sind wir uns einig; das hoffe ich zumindest.

Doch diese Chancengleichheit – eine gleiche Ausgangslage zu schaffen, ist nicht Gleichmacherei, Herr Lindner – ist in Deutschland nicht mehr gegeben. Die Schulden der öffentlichen Haushalte steigen weiter, unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, unabhängig von Abschwung

oder Aufschwung. Das nenne ich: systematische Überschuldung.

(Christian Lindner [FDP]: Ja, genau!)

Im föderalen Deutschland hat die eine Ebene eine Aufgabe, die eine andere Ebene bezahlt. Oder besser: Drei Ebenen bezahlen eine Aufgabe, die drei Ebenen haben. Oder noch besser: Zwei Ebenen bezahlen drei Aufgaben, die sich vier Ebenen untereinander aufteilen, wenn wir die europäische Ebene hinzurechnen. Es ist nicht mehr erkennbar, wer für was verantwortlich ist. Ich nenne das: systematische Verflechtung. Auch das schafft Politikverdrossenheit.

(Beifall von den GRÜNEN)