Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Verehrte Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Es geht um die Details der Erweiterung der Rundfunkgebührenbefreiung. Wie Sie wissen – das ist auch kurz angesprochen worden –, ist zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhängig. Dazu hat am 2. Mai 2007 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Dieses Urteil dürfte grundlegende Ausführungen zu Fragen der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks enthalten. Ich glaube, es ist klug, dieses Urteil erst einmal abzuwarten. Wir halten deswegen die Befassung mit diesem Antrag in dieser Form nicht für zielführend.

Ich will das noch einmal deutlich machen: Eine Ausdehnung der Rundfunkgebührenbefreiung ist nur möglich, meine Damen und Herren, wenn die bestehenden Rundfunkänderungsstaatsverträge von allen Landesregierungen und allen Parlamenten geändert werden. Die Positionen der 16 Landesregierungen, Ergänzungen zu Befreiungstatbeständen und Änderungen zu Härtefallregelungen im Rundfunkstaatsvertrag festzuschreiben, sind derzeit sehr, sehr unterschiedlich.

Zweitens gilt grundsätzlich: Eine Befreiung von Rundfunkgebühren ohne Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse würde – das muss man wissen – einen Bruch der bisherigen Systematik der Rundfunkgebührenbefreiung darstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Drittens kommt hinzu, dass das derzeitige Gebührensystem insgesamt auf dem Prüfstand steht. Nachdem sich im vergangenen Jahr die Proteste – etwa bei der Diskussion gegen die Gebührenpflicht von Internet-PCs – gehäuft haben, gaben die Ministerpräsidenten bei der Rundfunkkommission der Länder in Auftrag, auch einmal alternative Finanzierungskonzepte zu der derzeitig gerätebezogenen Gebühr zu erarbeiten. Auch dieser Umstand,

meine Damen und Herren, sollte Berücksichtigung finden.

Zudem ist die Frage der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einem Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig und das Urteil im Sommer abzuwarten.

Aus den genannten Gründen macht eine isolierte Betrachtung, lieber Kollege Kuschke, lieber Kollege Keymis, der im Antrag aufgeworfenen Änderungsvorschläge – ich betone das – zum jetzigen Zeitpunkt nach unserer Auffassung keinen Sinn. Auch wenn wir den Antrag, so wie ich das erwarte, heute nicht mit Mehrheit bescheiden können, nimmt die Landesregierung – das versprechen wir – das Anliegen auf und wird es gegebenenfalls zu entsprechender Zeit auch mit dem Parlament, wenn Sie das möchten, gerne wieder diskutieren und auch vernünftig und zielführend vorantreiben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe noch weitere Wortmeldungen vorliegen. Zunächst hat für die Fraktion der SPD der Kollege Garbrecht das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es tut mir ja Leid, dass ich jetzt wieder reden muss. Viel lieber hätte ich es gehabt, dass die Vorsitzende des Petitionsausschusses heute hier zu diesem Punkt spricht. Sie ist aber leider krank.

(Carina Gödecke [SPD]: Gute Besserung!)

Die guten Genesungswünsche des ganzen Hauses werden sie sicherlich begleiten.

(Allgemeiner Beifall)

Aber sie hätte sicherlich zu dem Verlauf dieser ganzen Angelegenheit noch viel besser Auskunft geben können als ich.

Ich will nur folgende Bemerkung machen: Ich erinnere die Mehrheit dieses Hauses an die Diskussion heute Morgen zu Tagesordnungspunkt 2, der hieß: Unterrichtung der Landesregierung zum Thema „Teilhabe gewährleisten – Konsequenzen aus der Sozialberichterstattung ziehen“.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der Petitionsausschuss quillt über zur Frage GEZ.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das findet die Ko- alition sehr lächerlich!)

In der Arbeit des Petitionsausschusses ist diese Frage der GEZ-Gebühren ein Punkt, der die Tagesordnungen sprengt. Von daher hat sich der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit dieser Thematik beschäftigt. Wir sehen es als unseren klaren Auftrag an, auch Konsequenzen aus diesem Bericht zu ziehen und heute hier diesen Antrag vorzulegen, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn Sie sich heute Morgen als die Speerspitze der Bekämpfung von Armut in diesem Land dargestellt haben, dann entlarven Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt, wenn Sie einen solchen Antrag ablehnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dieser Antrag – ich verstehe den Herrn Minister überhaupt nicht – ist in enger Abstimmung mit der Staatskanzlei erstellt worden. Er enthält kein Komma und keine Formulierung, die nicht mit der Staatskanzlei abgestimmt worden sind. Das ist ein Armutszeugnis, das Sie sich hier ausstellen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Steffens das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Debatte heute wirklich erstaunt. Denn wir haben im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales intensiv über das Thema diskutiert. Anlass – das müsste Ihnen allen ein Stück weit bekannt sein – sind die gehäuft und immer stärker eingehenden Petitionen zu diesem Bereich. Es gibt sehr, sehr viele Menschen in diesem Land, die sich an diesen Landtag gewandt haben und weiterhin wenden und um Hilfe bitten, weil diese Problematik für sie einfach auf dem Tisch liegt.

Deswegen hatten wir im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales genau über diese Petitionen und über die Ergebnisse des Petitionsausschusses – Sie haben doch auch Mitglieder im Petitionsausschuss – einen Bericht. Wir haben daraufhin diskutiert und gesagt: Ja, das stimmt.

(Zuruf von der CDU)

Hören Sie mir doch einmal weiter zu und brüllen Sie nicht sofort dazwischen! Ich habe doch gar nichts von „beschlossen“ gesagt. Hören Sie doch weiter zu!

Wir haben darüber diskutiert und gesagt, es muss einen Antrag dazu geben. Wir haben fraktionsübergreifend gesagt: Diese Problematik muss jetzt aufgegriffen werden, weil wir nicht denselben Fehler machen wollen wie beim 8. Staatsvertrag, nämlich dass alle 16 Bundesländer das verpennen, sondern wir wollen das im AGS diskutieren und damit auch an den Hauptausschuss gehen. Das ist meines Wissens mit der Staatskanzlei abgestimmt gewesen.

Mit der Staatskanzlei ist abgestimmt worden, dass es wichtig ist, das jetzt in den Prozess einzubringen. Das wird ja auch nicht nur hier in NordrheinWestfalen diskutiert. Gucken Sie sich doch einmal an, wie viele andere Bundesländer auch unter Ihrer Regierungsbeteiligung das ebenfalls diskutiert und beschlossen haben! Die Beschlüsse liegen mittlerweile vor.

In der Sache sind sich doch alle Sozialpolitiker darin einig, dass wir etwas ändern müssen. Die Diskussion wird übergreifend geführt. Ich kenne nur eine einzige Fraktion, von der offensiv bekannt ist, dass sie dagegen ist. Das ist die FDPFraktion. Die FDP-Fraktion hat gesagt, dass sie das nicht will. Herr Witzel hat es eben erklärt.

Die Folgekosten hängen bei seiner Blickrichtung natürlich ganz stark mit der Frage zusammen, wie hoch der Einnahmeverlust bei den Rundfunkgebühren ist. Aber „Folgekosten“, Herr Witzel – das Wort müssen Sie begreifen –, heißt etwas anderes als nur die Reduktion der Rundfunkgebühreneinnahmen. Wenn ich Menschen in der Menge, wie es heute auch im Sozialbericht klar geworden ist, von der gesellschaftlichen Teilhabe ausschließe, sind die Folgekosten ganz andere und viel massivere. Deswegen: Die Kosten, die man investiert, damit Menschen an Bildung und Medien partizipieren können, sind gut investierte Kosten. Das sind keine Folgekosten,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

sondern das sind Investitionen in unser Land und in unsere Menschen. Von daher, finde ich, müssen Sie darüber nachdenken, was Sie eigentlich hier gerade für eine Position vertreten haben.

Wenn wir alle einer Meinung sind, das Problem anerkennen und sagen, wir wollen es in einem zukünftigen Rundfunkvertrag gelöst haben, dann muss es doch möglich sein, hier einen Weg zu finden, der nicht darin besteht, das abzulehnen. Dann müssen wir einen Weg finden, wie wir mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil umgehen, aber gleichzeitig sagen, in der Sache …

(Zuruf)

Ja, das hat er gesagt, aber die Frage ist doch: Wollen wir es denn in dem Sinne gelöst haben? Wenn Sie hier sagen, wir wollen es in dem Sinne gelöst haben, aber auf der Grundlage des Bundesverfassungsgerichtsurteils, dann ist das etwas anderes, als wenn Sie erst einmal das Urteil abwarten und dann weitersehen wollen. Damit ist für mich nicht klar geworden: Wollen Sie denn den Inhalt? Teilen Sie das immer noch? Oder teilen Sie das nicht, und wir sollen uns weiterhin mit den Petitionen beschäftigen? Das sind zwei verschiedene Sachen.

Deswegen fände ich es wichtig, dass Sie noch einmal klar sagen: Wollen Sie mit uns eine Lösung für die Menschen, die die Petitionen schreiben? Oder wollen Sie ein Bundesverfassungsgerichtsurteil abwarten, damit Sie dann wieder sagen können, dass Sie doch nichts tun wollen?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat Kollege Kuschke für die Fraktion der SPD noch einmal das Wort.

(Unruhe)

Ich kann nur darauf hinweisen: Die SPD hat noch 4:24 Minuten Redezeit zur Verfügung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat noch 1:21 Minuten. Die CDU hat noch 8:14 Minuten und die Landesregierung noch 9:26 Minuten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das, was zwischen allen Fraktionen einvernehmlich verabredet worden ist. In diesem Rahmen hat jetzt Herr Kollege Kuschke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn das Angebot, das ich Ihnen, auch stellvertretend für den Kollegen Keymis, gemacht habe, angenommen worden wäre, wären wir jetzt schon beim nächsten Tagesordnungspunkt.

Es geht darum, zu sagen: Wenn die antragstellenden Fraktionen, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, weite Teile der CDU-Fraktion – Herr Weisbrich hat vorhin zusammen mit der FDP geklatscht, aber das nehme ich ihm gar nicht mehr übel; ich kenne ihn – und auch die Landesregierung über die Staatskanzlei – Herr Minister Breuer – deutlich macht, dass das Anliegen gemeinsam getragen wird, dann lassen Sie uns doch einen Antrag verabschieden, Herr Staatssekretär, der nicht mehr und nicht weniger beinhaltet, als dass dort steht – ich darf zitieren –:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich im Zuge der Verhandlungen zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag dafür einzusetzen, dass …“

(Beifall von der SPD)

Nicht mehr und nicht weniger! Wir haben natürlich das Bedingungsgefüge eingeschoben – ich habe das ausdrücklich vorgetragen –, was mit der KEF, also der Ermittlung des entsprechenden Finanzierungsbedarfs, verbunden ist.

Dazu muss ich noch einmal sagen: Ich habe bei den Mitgliedern der antragstellenden Fraktionen, auch beim Kollegen Hegemann und bei Herrn Minister Breuer festgestellt, dass sie zwar bereit sind, einen solchen Weg zu gehen; Letztere sagen aber, es sei möglicherweise besser, abzuwarten, wie das Verfassungsgerichtsurteil aussieht, und es gebe beim 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vielleicht zusätzlichen Änderungsbedarf.

Dagegen haben wir nichts einzuwenden. Aber warum machen wir an dieser Stelle nicht schon den einen Schritt? Nach dem, was hier gesagt worden ist, gibt es nur einen einzigen Grund dafür, warum das Parlament diesen Weg wahrscheinlich nicht gehen wird und nicht gehen kann: nämlich die Haltung der FDP, die Herr Witzel vorgetragen hat.