Killewald, was ist das für eine Frage an einen Minister, wieso er zwei Jahre nichts getan hätte, der dafür steht, dass der Kombilohn NRW früher eingeführt worden ist, als die Einigung in Berlin zu erreichen war?
(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Jetzt zeigen Sie doch mal den Erfolg des Kombilohn auf!)
Was ist das für eine Frage an einen Minister, der dafür steht, die Initiative „Jugend in Arbeit plus“ so geführt zu haben, wie sie geführt wird? Was ist das für eine Frage, wenn Sie wissen, dass die medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen besser wird? Was ist das für eine Frage, wenn Sie wissen, dass wir nicht zuletzt mit dem behindertenpolitischen Programm „Teilhabe für alle“ akute Armutsprävention leisten? – Ich muss Ihnen sagen: Was Sie da vortragen, finde ich sehr hanebüchen.
Peanuts! Dann wollen wir einmal zu den großen Linien kommen, und zwar zu der Frage, wie die Situation heute ist. Zumindest die Kälteperiode, die in dem Sozialbericht zu Recht beschrieben ist, geht zu Ende. Ich habe durchaus den Eindruck, dass Deutschland auf Betriebstemperatur kommt.
Und ich habe den Eindruck, dass die höhere Wärme auch die Schattenseite unserer Gesellschaft erreicht. Dieser Klimawandel ist anders als der meteorologische ein guter Klimawandel.
Wir in Nordrhein-Westfalen leisten dazu entscheidende Beiträge. Weil wir wissen, dass unser Schulsystem viel zu vielen Kindern Grenzen aus ihrer Herkunft gesetzt hat, haben wir uns zu einem Neuanfang und zu einer neuen Richtung in der Schulpolitik entschieden und die individuelle Förderung der Kinder unabhängig vom Bildungserfolg, vom Berufserfolg und vom Geldbeutel ihrer Eltern an die oberste Stelle gesetzt. Weil wir wissen, dass der berufliche Misserfolg und die Armut von Menschen auf Dauer vorgebahnt werden, wenn sie keinen Anschluss an berufliche Bildung finden und keinen Erfolg in ihrer beruflichen Bildung haben, tun wir alles dafür, dass sich Men
schen für die Arbeit am ersten Arbeitsmarkt qualifizieren können, auch mit den unkonventionellen und mindestens für eine Übergangszeit völlig unverzichtbaren Instrumenten.
In Bezug auf die überbetriebliche Ausbildung ist während unserer Regierungszeit mehr geschehen als zu der Zeit, die Sie zu verantworten haben,
zum Beispiel mit einer systematischen Stärkung und auch mit einer Stärkung des dualen Bildungssystems, mit neuen Projekten wie dem Werkstattjahr, mit großen Anstrengungen im Ausbildungspakt Nordrhein-Westfalen und mit einem intensiven Lernprozess sowohl in den Optionskommunen als auch in den Arbeitsgemeinschaften.
Weil wir wissen, dass ganz besonders Kinder mit Migrationshintergrund von schulischem und beruflichem Erfolg abgekoppelt werden, wenn sie zu Beginn ihrer Schulzeit die deutsche Sprache nicht ebenso gut beherrschen wie ihre Alterskameraden deutscher Herkunft, haben wir gegen alle Kritik und unter großen Schwierigkeiten, mit allen Anlaufproblemen, nicht nur in Reden, sondern vor allem in raschem Handeln Sprachstandsfeststellungen eingeführt und für all diejenigen, die das brauchen, Sprachförderung auf den Weg gebracht, die wirkt, wenn die Schule beginnt.
Und weil wir wissen, dass der Staat seine Leistungen aus den Mitteln aller Steuerzahler, aller Bürger finanzieren muss, haben wir mit immer höherer Neuverschuldung im Landeshaushalt Schluss gemacht und die Neuverschuldung bereits halbiert. Immer höhere Schulden – das wissen wir – zu machen bedeutet, immer mehr Geld bei Banken, Kreditinstituten und Finanzinvestoren abzuliefern, anstatt für Leistungen auszugeben. Das schadet am meisten denen unter uns, die durch ihre Situation am stärksten auf staatliche Leistungen, Hilfen und Daseinsvorsorge angewiesen sind. Deshalb sind Haushaltskonsolidierung und das Erarbeiten neuer Handlungsfähigkeit nicht unsozial, sondern sozial und ebenfalls ein wichtiges Element der Armutsprävention.
Weil wir wissen, dass Wohlstand nicht vom Himmel fällt und die wichtigste Chance zur Überwindung von Armut nicht der Transfer staatlicher Sozialleistungen – so notwendig er auch immer ist – ist, sondern Arbeit, Anstrengung, Engagement und Leistung sind, bahnen wir, wo immer wir können, Wege dafür, dass Arbeit, Anstrengung, Engagement und Leistung möglich sind und belohnt werden und sich dann auch sowohl für den Einzelnen als auch für das Gemeinwesen lohnen.
Auf diesem Weg kommen wir voran, wenn auch langsamer als wir möchten, aber wir kommen voran. Das zeigt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt; das zeigt die Entwicklung in der Wirtschaft; das zeigt die Auftragslage im Exportbereich; das zeigt die angesprungene Binnenkonjunktur; das zeigt die gestiegene Vermittlungsrate der Agentur für Arbeit; das zeigt der Anstieg sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse; das zeigt das Sinken der Arbeitslosenquote.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir ganz am Rande den Hinweis, dass die nach dem Einkommen erfolgreichsten 10 % der Bevölkerung – Einkommenserfolg ist nicht automatisch gleich zu setzen mit Lebenserfolg; damit das auch klar ist – mit 32,1 % knapp ein Drittel aller Markteinnahmen in Nordrhein-Westfalen erzielen, aber immerhin mit 50,9 % mehr als die Hälfte der gesamten Lohn- und Einkommenssteuerlast tragen, während die nach dem Einkommen am besten abschneidenden 30 % der Bevölkerung auf knapp 60 % der Markteinnahmen kommen und 77,4 % der Lohn- und Einkommenssteuerlast tragen. In der Tat trägt also unser durchaus kritisierbares Steuersystem in erheblichem Umfang zum sozialen Ausgleich und damit auch zur Armutsprävention bei.
Weil wir wissen, dass auch ein Oskar Lafontaine so lange reden kann, wie er will, und der sehr respektierte Heiner Geißler noch zehnmal bei Attac eintreten kann, ohne dass deswegen die Globalisierung abgeschafft wird, tun wir alles dafür, die Innovationskraft unserer Betriebe sowie den Forschungsgeist an unseren Hochschulen und Universitäten, die Neugier unserer Kinder, Schüler und Studierenden zu fördern und voranzubringen, damit der Strom der Ideen nicht abreißt, der Deutschland zum Land der Ideen macht, damit wir als soziale Marktwirtschaft im internationalen Wettbewerb vorne bleiben.
Herr Killewald, deswegen geht das, was Sie vorgetragen haben, sowohl im Kleinen als auch im Großen fehl. Es geht in die Irre, weil Sie in den Details schlicht und ergreifend über alles hinwegsehen. Sie haben danach gefragt, wieso wir zwei Jahre lang nichts getan haben. Damit verlassen Sie schlichtweg den Boden einer seriösen Auseinandersetzung, weil Sie als Mitglied im Sozialausschuss die Debatten kennen und damit selbst Maßnahmen leugnen, die dort erörtert wurden, sogar solche Maßnahmen, die positiv aus der SPD-Fraktion kommentiert worden sind. Erst recht leugnen Sie alle Maßnahmen, denen Sie kritisch entgegengetreten sind.
Sie sehen aber auch an den großen Linien vorbei. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und sind dabei, Nordrhein-Westfalen zu verändern und damit auch Deutschland zum Besseren zu verändern. Zu den wichtigsten Motivationen unserer Arbeit gehört es jedenfalls, ein bisschen mehr an Helligkeit, ein bisschen mehr an Wärme und Sonne auch auf die Schattenseite unserer Gesellschaft zu bringen. Nach zwei guten Jahren für Nordrhein-Westfalen sage ich: Das ist eine Anstrengung, die sich lohnt. – Schönen Dank dafür, dass Sie mir zugehört haben.
Vielen Dank, Herr Kollege Henke. Als nächste Rednerin hat nun die Frau Kollegin Steffens für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Henke, ich finde, dass Ihr Verständnis von Parlamentarismus ziemlich schräg ist. Sie bedanken sich hier im Plenum dafür, dass wir über einen bestimmten Punkt reden können. Kennen Sie nicht die parlamentarischen Gepflogenheiten, dass Sie als Fraktion gerne beantragen können, dass man über ein Thema berät? In der Vergangenheit hätten Sie hier im Plenum jederzeit über den Sozialbericht diskutieren können.
Vorsicht! Damals haben wir gemeinsam darüber gesprochen, es gab aber nicht den Wunsch, darüber debattieren. Damals war dieses soziale Image für Sie wahrscheinlich noch nicht wahlkampffördernd.
Im Kinder- und Jugendausschuss hat nicht Ihre Fraktion beantragt, über dieses Thema reden zu wollen. Nein, das waren wir Grünen. Das war unsere Fraktion. Wir haben im Kinder- und Jugendausschuss beantragt, dass man auch dort über den Sozialbericht diskutiert, nicht nur im AGS, weil dieser Bericht für Kinder und Jugendliche relevant ist.
mitdiskutiert. Doch es war nicht Ihre Idee. Vielmehr war es Ihnen vollkommen egal, ob es in den Ausschüssen und im Plenum diskutiert wird.
Wenn Sie hier solche Vorwürfe erheben, rate ich Ihnen, mal einen Blick darauf zu werfen, wie die Reihen Ihrer Fraktion bei sozialen Themen gefüllt sind. Ihr Interesse ist da ganz oft gegen null.
Jetzt behaupten Sie, es sei falsch, dass man das damals vonseiten der Regierung nicht eingebracht habe. Bitte schön, nehmen Sie den Mund nicht so voll, sondern diskutieren Sie lieber über das, was für die Menschen wirklich entscheidend ist. Der Sozialbericht ist im AGS vorgestellt und diskutiert worden. Er ist auch im Kinder- und Jugendausschuss diskutiert worden.
Dass Sie damals in der Opposition nicht wussten, wie man über Themen im Plenum diskutieren kann, zeigt, wie damals Ihre Oppositionsarbeit war. Das spricht auch nicht für Ihre Regierungsarbeit heute.
Statt über das zu sprechen, was sich unter diesem Tagesordnungspunkt verbirgt, was der Bericht eigentlich aussagt und wie wir nach vorn gehen, drehen Sie sich rum und meinen, Sie könnten durch Nach-hinten-Gucken und Nach-hintenDraufhauen vom Thema ablenken. Daran merkt man immer wieder, dass es für Sie ein echter Nachteil ist, dass Sie erst jetzt nach NordrheinWestfalen gekommen sind. Hätten Sie die Debatten und Diskussionen in der Vergangenheit mitbekommen, würden Sie sich nicht an mancher Stelle mit fremden Federn schmücken.
Sie haben eben ausgeführt, dass es endlich Sprachstandserhebungen gibt. Würden Sie doch bloß einmal in Protokollen nachschauen. Im Jahr 2000 gab es hier eine interfraktionelle Arbeitsgruppe im Migrationsbereich. Ganz am Anfang war ich dort noch vertreten.
Wenn Sie so sicher sind, dass Sie die beantragt haben, gestehe ich Ihnen das gerne zu, aber ich kann Ihnen aus den Prozessen, die damals mit Willi Zylajew stattgefunden haben, viel erzählen. Da haben wir nämlich gemeinsam gefordert, man müsse so früh wie möglich in die kindliche
Sprachförderung hinein. Damals hat Ihre Fraktion immer noch diskutiert, ob die frühkindliche Förderung nicht mit Kindern im Alter von fünf Jahren anfangen soll. Dann wurde danach gefragt, wie viel Geld dort hinein gegeben werden darf. Überlegen Sie sich doch einmal, statt Ihre Vergangenheit zu verdrängen, was das für ein langer Weg für Sie war, auf unseren Zug aufzuspringen und jetzt noch einen Wagen dranzuhängen! Also, bitte schön, Sie waren langsam an dieser Stelle.
Ich will gar nicht abstreiten, dass Sie an der Stelle nun etwas tun. Aber hören Sie doch auf, immer in die Vergangenheit zu schauen und zu behaupten, wir hätten nichts getan, obwohl Sie doch genau wissen könnten, was in Nordrhein-Westfalen alles passiert ist. Tun Sie nicht so, als hätten Sie das Land seit zwei Jahren erfunden. Das Land gibt es schon länger und auch erfolgreiche Politik und erfolgreiche Konzepte gab es schon vorher.
Es ist aber nicht nur die kindliche Sprachförderung, sondern es gibt weitere Punkte, die Sie machen, einfach bewusst schönzureden versuchen und falsch darstellen.
Das trifft gerade für den Bereich des Unterrichtsausfalls zu. Ich kann es nicht mehr hören, dass Sie behaupten, die Situation beim Unterrichtsausfall sei besser geworden. Die Situation ist nicht besser geworden, Herr Laumann, sondern die Kinder sitzen dort und haben mit fünf Klassen gleichzeitig …