Könnten Sie vielleicht einmal zuhören, Herr Laumann. Verstehen setzt voraus, dass man zunächst einmal zuhört. Deswegen fände ich es gut, wenn Sie jetzt zuhörten.
Herr Henke, hören Sie doch auch wenigstens einmal zu. Sie müssen sich auch Kritik von uns anhören können. Sie wissen doch noch gar nicht, ob unsere Kritik vernünftig ist oder nicht. Sie führen sich hier auf wie im Kindergarten. Das ist unsäglich.
Wenn Sie sich anschauen, wie heute Unterrichtsausfall definiert wird, geht es dabei nicht um den Unterrichtsausfall selber, sondern die Kinderanwesenheit. Ob dort ein Lehrer ist oder kein Lehrer, spielt keine Rolle. Die Hauptsache ist, dass die Kinder in der Schule sitzen.
Das nennt sich bei Ihnen nichtstattfindender Unterrichtsausfall. Damit können Sie sich nicht schmücken. Wir haben dazu Zuschriften noch und nöcher. Dass Kinder dort einfach sitzen und nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden, sondern Bilder malen oder sonstigen Kram machen sollen, der gerade überhaupt nichts mit ihren Lehrplänen zu tun hat – damit sollten Sie sich vielleicht einmal auseinandersetzen.
Gucken Sie sich doch die Zuschriften an. Schauen Sie sich die Schulen an. Dort kommt morgens ein Lehrer in die Klasse und sagt: Eure Lehrkraft ist heute nicht anwesend. Ihr könnt in der ersten Stunde Hausaufgaben machen, etwas lesen oder malen. In der zweiten Stunde findet der Unterricht wie geplant statt.
Wenn Sie solche Schulen nicht kennen, wird auch daran wieder deutlich, wie Sie die Augen vor den Auswirkungen der Politik in diesem Land verschließen.
Sie schmücken sich an vielen Stellen mit Federn, die nicht die Ihren sind. Sie sprechen davon, wie toll die Initiative „Jugend in Arbeit plus“ sei. Schauen Sie sich einmal an, was von den Vertretern Ihrer Partei in der Vergangenheit zu den Programmen gesagt wurde, die wir durchgeführt haben. An manchen Stellen setzen Sie diese Projekte einfach fort. Nur weil Sie als Minister ihnen jetzt einen anderen Namen geben, sind diese Programme aber nicht neu; viele davon sind alt und fortgeführt.
Sie sind auch nicht – nur aus dem Grund, weil sie jetzt von der CDU verantwortet werden – besser. In den meisten Fällen ist ihre Qualität sogar schlechter geworden, weil Standards heruntergesetzt wurden.
Es gibt aber auch eine ganze Menge anderer Punkte. Sie schaffen die Finanzierung der Arbeitslosenzentren ab und behaupten, die betroffenen Personengruppen bräuchten diese nicht.
Sie schaffen die Finanzierung für Selbsthilfe ab. Genau auf dem Feld der Personengruppe, über die wir reden, haben Sie ganz viele Einsparungen und Kürzungen vollzogen. Ich will gar nicht darüber sprechen, was Sie alles in den Bereichen von Drogen und Sucht gekürzt haben – obwohl Sie diesbezüglich immer Ihre positiven Aktivitäten loben.
Ich möchte aber nicht rückwärts gewandt argumentieren, sondern mich mit Ihrem Bericht beschäftigen. Das hätten die Menschen in Nordrhein-Westfalen, die in diesem Bericht angesprochen sind, heute auch von Ihnen erwartet: dass man nicht nach hinten guckt, sondern in diesen Bericht, dass man die Probleme der Menschen ernst nimmt und dass man ihnen dann nach vorne gerichtet sagt, was man jetzt tun will.
Diese Menschen haben auch nicht erwartet, dass es hier ein solches Hickhack und Gestreite gibt. Eigentlich erwarten sie doch, dass man gemeinsam lösungsorientiert über die Probleme diskutiert.
Sie erwarten auch nicht, dass ein Minister Menschen, die sich wirklich arm fühlen, als „armutsgefährdet“ bezeichnet – nur weil er damals ein Häuschen hatte und meint, unter ihnen gebe es auch Menschen, die ein Häuschen besäßen und sich nicht arm fühlten.
Es gibt verdammt viele Menschen in diesem Land, die am und weit unter dem Existenzminimum leben. Für sie müssen wir Lösungen finden. Ihnen nützt es nichts, wenn sie wissen, dass Minister Laumann früher auch einkommensschwach war und ein Häuschen hatte. Damit ist ihnen nicht geholfen. Davon haben die Kinder heute nichts auf dem Teller.
Herr Laumann, Sie haben eben schon Ihre Redezeit überzogen. Sie dürfen gleich noch einmal reden. Können Sie mich als Oppositionsabgeordnete nicht einfach einmal reden lassen?
(Marc Ratajczak [CDU]: Aber nicht mit einer solchen Polemik! – Minister Karl-Josef Lau- mann: Aber nicht, wenn jemand so redet wie Sie!)
Frau Steffens, einen Augenblick. – Herr Minister, an dieser Stelle möchte ich Sie ausdrücklich darauf hinwei
sen, dass es jedem Abgeordneten in diesem Hause freisteht, das zu sagen, was er gerne möchte, solange es nicht gegen die parlamentarische Ordnung verstößt, und dass es Mitgliedern der Landesregierung nicht zusteht, dies in irgendeiner Form zu beanstanden oder zu rügen. – Danke.
Erstens. Wir haben ein strukturelles bzw. institutionelles Problem. Es ist ganz klar, dass an dieser Stelle ein Armutsrisiko besteht. Dazu wird gleich mit Sicherheit noch mehr gesagt werden. In Bezug auf dieses institutionelle Problem kann ich nur sagen: KiBiz ist ein Baustein, der im Moment in der Diskussion steht, aber überhaupt keine Antwort darauf darstellt.
Zweitens. Wir haben das bekannte Problem im Bildungssystem. Ich weiß nicht, wie Sie hier behaupten können, dass dieses Bildungssystem besser geworden sei, wenn gleichzeitig Herr Muñoz als Mitglied des UN-Menschenrechtsrates sagt, hier liege letztendlich eine Menschenrechtsverletzung vor; denn alle Bildungspolitiker forderten nicht Kopfnoten, sondern eine wirkliche Bildungspolitik.
Darüber hinaus geht es um die materielle Armut. Über die materielle Armut von Kindern werden wir ja beim nächsten Tagesordnungspunkt noch sprechen. An dieser Stelle werden Sie zeigen können, wie Sie dazu stehen.
Sie haben sich gemeinsam mit Herrn Rüttgers zur Speerspitze der Bewegung in Bezug auf ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gemacht und lang und breit diskutiert, über welchen Zeitraum sie denn welche Bezüge erhalten dürfen, wenn sie denn in die Arbeitslosigkeit fallen.
Ich bin einmal gespannt, ob bei Ihnen gleich wieder der Robin-Hood-Trieb durchkommt. Dann würden Sie sich nämlich unserer Auffassung anschließen und sich an dieser Stelle auch für die Kinder in diesem Land einsetzen; denn aus Ihrem Bericht geht klar und deutlich hervor, dass Kinder mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld
Von daher würde ich mir wünschen, dass Sie heute vielleicht einmal mit dem ersten Punkt beginnen und sagen, welche Folgen und Konsequenzen Sie aus diesem Sozialbericht ziehen; denn in Bezug auf Folgen und Konsequenzen sah es bei Ihnen bisher ganz dünn aus.
Letzter Punkt: In Ihrem Bericht steht deutlich, dass nicht nur die Armut zunimmt, sondern auch der Reichtum. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Umverteilung doch massiv. Auch auf diese Frage hätte ich von Ihnen heute eigentlich eine Antwort für die Menschen in diesem Land erwartet. Aber auch diese Antwort sind Sie uns schuldig geblieben.
Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Romberg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Frau Steffens, Sie haben eben unter Bezugnahme auf die Anwesenheit im Plenum bemängelt, dass die Koalitionsabgeordneten nicht an dem Thema Soziales interessiert seien. Ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass die Fraktion der Freien Demokraten bei Ihrer Rede mit mehr als der Hälfte der Fraktionsmitglieder hier vertreten war.
Auch die Kollegen der CDU sind von der Anzahl her deutlich stärker vertreten als die Sozialdemokraten,
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Fünf von zwölf ist mehr als die Hälfte? – Zuruf von der SPD: Sollen wir Hammelsprung machen?)
die hier als Konsequenz aus dem Sozialbericht neue Programme und noch mehr Schulden gefordert haben. Das war wirklich einfallslos und ineffizient. Wir brauchen nicht neue Programme und neue Schulden.
Wir verbessern die Rahmenbedingungen der Menschen in Nordrhein-Westfalen durch bessere Bildung, mehr Arbeit und bessere Gesundheit. Wir schaffen die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft und damit die Voraussetzungen, die Armut Schritt für Schritt wirklich abzubauen.