Protokoll der Sitzung vom 14.06.2007

Die SPD mahnt in Abschnitt III des Antrags „eine menschenwürdige Produktion von in Deutschland angebotenen Produkten“ an. Meine Damen und Herren, wohin führt das denn? Wer bestimmt denn am Ende im Detail, was wirklich menschenwürdig ist? Bestimmt das die SPD-Fraktion? Wo wollen wir die Grenzen ziehen? Es geht doch nicht nur um den Bereich, der in diesem Antrag beschrieben ist; es geht doch am Ende um alle Bereiche.

Wollen insbesondere Sie von den Grünen, Herr Groth, Entwicklungs- und Schwellenländer von heute auf morgen vom Welthandel ausschließen, weil die Produktionsstandards nicht der deutschen Arbeitszeitverordnung und dem deutschen Umweltrecht entsprechen? Das kann es doch nicht

sein. Diese Grenze zu ziehen, ist verdammt schwer.

Man muss feststellen, dass wesentliche gesellschaftliche Entwicklungen an der SPD vorbeigehen. Die Sozialdemokraten möchten den Menschen am liebsten wohl immer noch vorschreiben, wie und was sie zu konsumieren haben.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Unsere Bürger sind doch längst viel weiter in ihrem Denken und Handeln.

Die aktuelle Ausgabe des „Spiegel“ berichtet ausführlich über den fundamentalen gesellschaftlichen Trend: Konsumenten sind nicht mehr das Opfer der Marktmechanismen, sondern sie sind ihre treibende Kraft.

Herr Kollege, erlauben Sie …

Kriterien wie Nachhaltigkeit, Fairness und Solidarität sind zunehmend ein Bestandteil der individuellen Kaufentscheidung. Meine Damen und Herren, das entspricht einem liberalen Menschenbild von einem mündigen Bürger. Das unterscheidet uns glücklicherweise von den Sozialdemokraten. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Herr Rasche, haben Sie noch Interesse, zum Abschluss eine Frage von Herrn Groth zu beantworten?

Herr Groth, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Rasche, ich habe Sie zumindest so verstanden, dass Sie gerade gesagt haben, man könne nicht so richtig festmachen, was fair und was nicht fair ist.

Sind Sie denn nicht mit mir einer Meinung, dass Arbeit von Kindern unter 14 Jahren über zwölf Stunden am Tag, die keine Matratze zum Schlafen haben, die teilweise geprügelt werden und die keine Ausbildung machen können, unfair ist? Dann sagen Sie das doch einfach einmal!

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl- Josef Laumann: Das ist doch ganz klar! Menschenunwürdig ist das!)

Herr Laumann stimmt mir zu.

Die Grünen-Fraktion wird wach! Nein, Herr Groth, es ist genau umgekehrt. Das ist die Auffassung dieser Koalition. Das ist die Auffassung der Regierung. Sie, Herr Groth, schließen sich unserer Auffassung an.

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

Ich habe eben schon gesagt: Kein Mensch möchte diese Kinderarbeit! Aber es ist doch unmöglich, alle Produkte, die in Deutschland gehandelt und verkauft werden und irgendwo auf dem Weltmarkt erstellt werden, auf diese Weise zu kontrollieren, ob sie in Deutschland verkauft werden dürfen oder nicht.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Nicht gefordert!)

Es ist ein völlig falscher Weg, sich einzelne Produkte vom Weltmarkt herauszusuchen und dementsprechend in Deutschland zu behandeln.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir können gern im Ausschuss weiter diskutieren. Ich befürchte nur, dass Ihre Beiträge dort nicht besser werden.

(Beifall von FDP und CDU)

Als Nächster ist Herr Minister Laumann dran.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion greift ein Thema auf, das auch der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen schon lange am Herzen liegt. Dies wird schon durch die Unterstützung der landesweiten Kampagne „fair play : fair life“ in Nordrhein-Westfalen deutlich.

Unter dem Motto „Bringt faire Bälle ins Spiel!“ hat ein breites Bündnis erfahrener und engagierter Partner die Zeit vor und während der FußballWeltmeisterschaft im eigenen Land erfolgreich genutzt, um mit dem Fußball auf die Idee des fairen Handels aufmerksam zu machen. Zu diesem Bündnis gehören: Vertreter des Landtags und der Landesregierung, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, der Kirchen, des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen und des LandesSportBundes Nordrhein-Westfalen.

Für Schulen und Sportvereine wurde in den vergangenen Jahren umfangreiches didaktisches Material erstellt. Sowohl Hintergrundinformationen als auch Aktionsvorschläge und Arbeitsblätter für verschiedene Altersgruppen waren Bestandteil einer Praxismappe, die im Sommer 2005 an alle weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen

versandt wurde. Die Resonanz war so groß, dass diese Mappe jetzt in zweiter Auflage gedruckt wird.

Mit Unterstützung der Landesregierung wurde vor und während der Fußball-WM 2006 das öffentliche Bewusstsein für „Faire Bälle“ geschärft. Auch die Privatwirtschaft hat reagiert. So gibt es inzwischen hochwertige faire Bälle eines Sportartikelherstellers. Weitere Firmen, deren Namen Sie alle kennen, haben bereits reagiert und planen die Produktion und den Vertrieb von Bällen, bei deren Herstellung die ILO-Kernarbeitsnormen erfüllt werden.

Der SPD-Antrag greift allerdings insgesamt zu kurz. Einer der wichtigsten Beiträge zur Werteerziehung im Sport ist faires Verhalten. Die Lern- und Lebensorte Schule und Sportverein können dazu beitragen und befähigen, dass Fairplay und die gegenseitige Achtung wieder stärker als verhaltensorientierte Werte respektiert werden. Eine Vernetzung der schulischen Aktivitäten mit den Bemühungen in den Sportverbänden und Sportvereinen um mehr Fairplay ist vor dem Hintergrund einer Verstärkung der Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen sinnvoll.

Meine Damen und Herren, die Diskussion der Bedingungen des fairen Handels wird von der Landesregierung begrüßt. Der Einfluss dieser Diskussion geht aber insgesamt weit über die Anschaffung von Sportgeräten hinaus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Überall dort, wo Impulse zur Schaffung fairer Marktbedingungen gegeben werden können, werden Sie diese Landesregierung ganz vorne erleben können. Wenn damit gleichzeitig sogar die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert werden können, ist es noch besser.

Ich kann allerdings nicht erkennen, dass der Antrag der SPD-Fraktion dazu einen wirkungsvollen Beitrag leistet, zumal die darin enthaltenen Forderungen weitestgehend erfüllt sind. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

(Widerspruch von Holger Müller [CDU])

Doch, Holger Müller für die CDU-Fraktion.

Herr Groth, Sie haben das Wort „fair“ oft in den Mund genommen. Mit Ihrem

Beitrag hatte das aber nichts zu tun. Ich habe klipp und klar erklärt – das gilt sowohl für mich persönlich als auch für die CDU –, dass Kinderarbeit für uns nicht akzeptabel ist. Deshalb verwahre ich mich gegen Ihre Unterstellung, wir täten nicht genug gegen Kinderarbeit. Ich weiß nicht, ob Sie nicht zugehört haben.

(Beifall von der CDU)

Herr Groth, in der Demokratie kann jeder alles sagen. Aber ich muss mir nicht von jedem alles gefallen lassen.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben es geschafft, in eine Diskussion, in der wir uns weitestgehend einig sind, noch Gift hineinzubringen. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Müller. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zum Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/4479 an den Sportausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? Dann ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Tagesordnungspunkt

7 Regionale Initiative aufgreifen – Nationalpark Siebengebirge voranbringen!