Wir wollen außerdem längere gemeinsame Lernzeiten. Wir haben uns nach langer Diskussion mit vielen gesellschaftlichen Gruppierungen dafür entschieden. Wir stellen uns dieser Diskussion als Partei. Ich sage Ihnen: Sie können die Probleme genauso sehen wie wir; aber Ihnen fehlt der Mut, sich den Herausforderungen zu stellen.
Noch einmal zur Klarstellung: Für die SPD steht fest, dass eine Veränderung der Struktur allein noch keine qualitative Verbesserung im eigentlichen Sinne ausmacht.
Das wissen wir; da müssen Sie uns gar nicht schlau machen. In unserem bildungspolitischen Entwurf beschreiben wir einen notwendigen Veränderungsprozess. Die Reform des Schulsystems, um zu längeren gemeinsamen Lernzeiten zu kommen, ist ein Baustein in diesem Prozess.
Frau Pieper-von Heiden, es ist richtig: Ich habe im Januar 2005 hier gesagt, dass grundlegende Veränderungen der Struktur einen breiten gesellschaftlichen Konsens brauchen.
Diesen Konsens sehe ich zurzeit nicht. Das habe ich 2005 gesagt. Aber es hat sich in der letzten Zeit viel verändert. Lesen Sie keine Zeitungen? Merken Sie nicht, was in der Welt passiert?
Die Befürworter eines Wandels mehren sich. Auch der notwendige gesellschaftliche Konsens wächst. Wissen Sie wo? – Auch in den Reihen der CDU und der FDP.
Die Menschen begreifen, dass es ungerecht und unsozial ist, Kinder mit neun oder zehn Jahren auf unterschiedliche Schulformen aufzuteilen. Die Menschen begreifen, dass es vernünftig ist, alle länger gemeinsam lernen zu lassen, weil dann alle eine bessere Bildung bekommen.
Dazu kommt, dass viele Kommunen in NordrheinWestfalen berechtigte Sorgen um den Erhalt eines wohnortnahen, qualifizierten Bildungsangebotes haben und nach Lösungen suchen. Horstmar und Schöppingen waren unter der Federführung der CDU sozusagen Pioniere. Sie fordern eine Gemeinschaftsschule mit längeren gemeinsamen Lernzeiten bis zur siebten Klasse.
Frau Pieper-von Heiden und Herr Wüst, dafür braucht man keine Mammutsysteme. Was Sie in die Fläche streuen, ist ein billiges Argument, um Verunsicherung im Land zu schaffen! Das ist völliger Quatsch!
Fragen Sie einmal Bildungsforscher und Experten. Sie können Ihnen das berechnen. Es gibt dazu Berechnungsmodelle von Kommunen. Bauen Sie keinen Popanz auf!
In Siegburg – Herr Solf, Sie sitzen im Schulausschuss – fordert die CDU eine Gesamtschule. Was ist das denn?
Unser Angebot von der SPD ist die Gemeinschaftsschule in der zukünftigen Schullandschaft. Dabei geht es uns um pragmatische, orts- und stadtteilgenaue Lösungen. Es geht uns um eine Gemeinschaftsschule, in der alle Bildungsgänge abgebildet werden können, und zwar – passen Sie auf – entweder
integrativ oder kooperativ. Bei der Gemeinschaftsschule geht es uns um die gemeinsame Entscheidung der Schule, der Schulträger und der Eltern über die innere Organisation einer Gemeinschaftsschule.
Wir stehen zur der Aussage, dass das integrative Modell für uns eine besonders hohe Bedeutung hat. Das ist natürlich eine von uns gewünschte Perspektive. Aber das Angebot richtet sich an die Kommunen im Land, Rahmenbindungen für eine
Gemeinschaftsschule in kooperativer oder in integrativer Form zu schaffen, wie es Eltern, Kommunen und Schulträger wünschen.
Aber die CDU findet keine Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft. Stattdessen attackieren Sie auf billige Art und Weise diejenigen, die ernsthaft nach Lösungen suchen. Das ist ein durchsichtiges und plattes Ablenkungsmanöver,
weil Ihnen der Wind vor Ort mittlerweile heftig ins Gesicht bläst. Nehmen Sie ihn zur Kenntnis und bewegen Sie sich endlich! Beharren Sie nicht so stur auf ihrem mehrgliedrigen Schulsystem!
Sie geraten in eine bildungspolitische Sackgasse. Aber wir werden am Samstag Beschlüsse fassen; da können Sie ganz beruhigt sein. Wir haben noch viel Zeit, um mit den Menschen zu diskutieren.
Herr Wüst, ich finde, das ist genau der richtige Zeitpunkt. Das kommt gerade richtig. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was erleben wir in der jetzigen Diskussion? – Wir erleben, dass sich eine große Partei in Nordrhein-Westfalen, nachdem sie abgewählt worden ist und nachdem sie einräumt, Fehler in der Bildungspolitik gemacht zu haben, neu aufstellt.