Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Laschet, Sie haben damit eben schon wieder angefangen: Sie erzählen das Wunder von Aachen, von einer Kindertageseinrichtung der Arbeiterwohlfahrt in einem sozialen Brennpunkt.

(Minister Armin Laschet: Die gibt es überall!)

Da haben Sie sich mit den Erzieherinnen unterhalten. Sie haben demonstriert, die Eltern waren auch ganz sauer. Dann haben Sie denen vorgerechnet: Es gibt 70.000 € mehr. Klasse, Herr Minister, wirklich klasse! Sie haben wieder verschwiegen – das haben Sie den Leuten gegenüber nicht gesagt, ich habe nämlich mit dieser AWO-Kita gesprochen –, unter welchen Kautelen sie die 70.000 € mehr bekommen. Soll ich Ihnen das sagen? Da fallen zum Beispiel zwei zusätzliche pädagogische Fachkräftestellen weg.

(Widerspruch von Minister Armin Laschet)

Natürlich! Da fallen die Betriebspraktikantenstellen weg. Und das ist die Wahrheit über Ihr Gesetz.

(Minister Armin Laschet: Stimmt doch gar nicht!)

Darüber hinaus, Herr Minister, kann der Träger nur hoffen, dass das Jugendamt auch 45 Stunden Öffnungszeiten ermöglicht bzw. die Eltern auch

weiterhin mehr als 35 Stunden wählen und bezahlen können. Und das ist die Wahrheit über Ihr Gesetz. Dann schmilzen 70.000 € schnell weg, so schnell kann man gar nicht gucken. Das, Herr Minister, ist ein Punkt.

Aber der andere Punkt, auf den ich eingehen möchte: Ich möchte ein paar andere Einrichtungen nennen, die Sie demnächst mit Ihren Mathematikkünsten beglücken. Dann haben wir eine normale Einrichtung – eine Kita, drei bis sechs Jahre – mit zwei kleinen altersgemischten Gruppen. Sie sagen: Luxus, Luxus! Aber noch Anfang dieses Jahres wurde der Einrichtung vom Landesjugendamt testiert, dass sie den Stellenbedarf und all das, was sie da haben, auch dringend braucht. Sie hat ein Minus von 167.060 €

(Wolfgang Jörg [SPD]: Hört, hört!)

und ein Minus von drei Stellen. Da sollten Sie hingehen, Herr Minister. Ich kann Ihnen gleich die Adresse sagen. Besuchen Sie die einmal und beglücken Sie die mit Ihren Rechenkünsten!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt: Zwei Kindergartengruppen, eine Kitagruppe und noch eine andere Kitagruppe, zwei bis sechs Jahre. Da haben wir in der Zwischenzeit einen Verlust von zwei Stellen und ein Minus von 74.861 €.

Aber jetzt, Herr Minister, werde ich Ihnen das absolute Highlight Ihrer Politik präsentieren. Es ist eine Elterninitiative. Auch sie hat Anfang des Jahres testiert bekommen, dass sie all den Bedarf, den sie hat, auch nach wie vor finanziert bekommt, und das das alles berechtigt und richtig ist. Sie blicken auf ein Minus auf 134.500 € und 3,9 Stellen.

Wissen Sie, was der Vorsitzende dieser Elterninitiative, eines Vereins, mir gesagt hat? Er hat vor vier Jahren für sich und seine Familie ein Haus gebaut. Vereinsvermögen hat der Verein nicht mehr. Und vor dem Hintergrund, Herr Minister, wird er diese Kita schließen. Schade nur, dass wir da eine Kita mit 55 Stunden Öffnungszeiten neben einem Krankenhaus haben. Und dieses Krankenhaus nimmt diese Kita-Plätze gerne in Anspruch. Und das ist die Wahrheit über Ihr Gesetz, Herr Minister.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und angesichts dessen, was Sie vorhaben – Herr Lindner, Sie haben gefragt, was wir wollen –, sagen wir als Sozialdemokraten – ich habe es erkannt, das konnte man Ihnen am Sonntag im Fernsehen ja ansehen –: Ein Zurück auf Los geht

nicht mehr. Sie wissen, dann können Sie zurücktreten.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Reine Machpolitik!)

Das ist der Punkt.

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

Ja, natürlich. Das ist der Punkt. Also mit dem Kopf durch die Wand.

Wir geben Ihnen folgende Hinweise: Überlegen Sie, weil man aus dem KiBiz kein gutes Gesetz machen kann. Trotzdem werden wir Ihnen ein paar Änderungsvorschläge an die Hand geben. Kehren Sie zum Beispiel zurück zu den kindbezogenen Gruppenpauschalen, die Konsens waren. Das hat Ihre Kollegin, Frau Milz, kindbezogene Gruppenpauschalen genannt. Das war die Kompromissformel zwischen den Wohlfahrtsverbänden und Ihnen. Führen Sie den Elternbeitragsdefizitsausgleich wieder ein!

(Beifall von der SPD)

Sie müssen mittlerweile wahrgenommen haben, zu welchen Verwerfungen es hier im Land kommt. Sichern Sie die Finanzierung der Berufspraktikanten im Gesetz! Sie wissen, damit ist die Zukunft des Berufsfeldes Erzieherinnen verbunden.

(Beifall von der SPD)

Stellen Sie die Elternmitbestimmung wieder her! Und vor allen Dingen eines, Herr Minister: Schaffen Sie Übergangsregelungen! Schauen Sie sich Bayern an! Dort gab es drei Jahre Übergangsregelungen. Sie sind dann zu dem Schluss gekommen, noch zwei Jahre draufzulegen. Man kann kein Land, keine Kinder und Familien dazu verurteilen, den größten Flächenversuch Deutschlands in der Umstellung der Kindergartenfinanzierung zu machen.

(Beifall von der SPD – Wolfgang Jörg [SPD]: Kein Experiment mit unseren Kindern!)

Das alles, ganz sicher, Herr Minister, macht aus einem wirklich schlechten Gesetz kein wirklich gutes Gesetz. Aber das, was ich gerade genannt habe, ist das, was Sie ändern müssen, um erheblichen Schaden von Kindertageseinrichtungen, den Kindern und den Familien in NordrheinWestfalen abzuwenden.

Zum Schluss möchte ich aus der Anhörung zitieren, weil die Anhörung heute schon vielfach Thema war, und zwar von Frau Hepenstrick, von der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände. Sie hat in ihrem letzten Beitrag gesagt – ich zitiere –:

„Schließen möchte ich mit einer Ermutigung, die man den Worten des niedersächsischen Ministerpräsidenten zu dem Verfahren bezüglich der Nichtrauchergesetze entnehmen konnte. Anlässlich einer Anhörung dazu hat er wohl sinngemäß gesagt, dass es keine Schande für eine Landesregierung sei, gemäß dem Rat der eingeladenen Experten zu handeln und Wesentliches des Eingebrachten noch einmal zu verändern.“

Und ich, Herr Minister, wir als Sozialdemokraten wünschen uns, dass es genau dazu kommt, dass Sie in der Lage sind, Größe zu beweisen, und nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen und die Dinge verändern.

Ich habe Ihnen eben gesagt: Das ist die letzte Brücke, die Sie haben. Es geht nicht darum, dass Sie mit uns eine Brücke bauen müssen. Das habe ich lange für mich abgehakt. Sie müssen eine Brücke bauen zwischen sich und der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände und den kommunalen Spitzenverbänden, weil das die Leute sind, die Ihr Gesetz aushalten müssen, die es umsetzen müssen. Wenn Sie diese Brücke einreißen, dann – das kann ich Ihnen sagen – ist Ihr Ende nahe.

Diese Landesregierung wird es nicht ungeschoren überleben, wenn Sie diese Kindergartenlandschaft so zugrunde richten, wie Sie das mit diesem Gesetz vorhaben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Altenkamp. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Milz.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt eine Stunde zugehört. Ich habe wirklich die ganze Zeit zugehört. Ich hatte geglaubt, ich könnte ein DIN-A4Blatt mit den Argumenten, die genannt werden, vollschreiben, auf die ich dann antworten müsste. Aber ein Zettel hat gereicht, um zu notieren, was wichtig ist.

(Beifall von der CDU)

Er reicht für das, was von der Opposition kommt und was sich aufzuspießen lohnt.

(Zuruf von der SPD: Wenn Sie nicht so schnell schreiben können, Frau Kollegin!)

Mehr ist dabei nicht herumgekommen. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, einzelne Punkte zu benennen.

Erstens. Herr Jörg hat – das ist im Moment sehr beliebt – über Herrn Biesenbach gesprochen und gesagt – ich zitiere –: Tolle Nummer mit Herrn Biesenbach! – Ich hoffe, lieber Peter, eine tolle Nummer mit Dir und Herrn Jörg wird es nicht geben.

(Heiterkeit von der CDU – Sören Link [SPD]: Herr Jörg hat Geschmack! – Weitere Zurufe)

Darauf verlasse ich mich einfach einmal. Aber darauf herumzureiten, was in den Zeitungen gestanden hat, ist letztlich auch nicht substanziell für das KiBiz. Inhaltlich hat das mit der heutigen Debatte zum KiBiz nichts zu tun.

Zweitens zum Thema Christian Lindner: Wir alle denken zurzeit nach, was wir aus den Anhörungen machen. Herr Lindner denkt nach, er denkt manchmal auch laut nach; wir denken leise nach. Das müssen wir unter Koalitionspartnern akzeptieren. Das ist in Ordnung. Aber wenn Herr Jörg meint, er könne den Handyverkehr zwischen Herrn Lindner und Frau Kastner zitieren, frage ich mich, ob das ein Pilot für künftige Onlinedurchsuchungen ist, die sich dann noch auf SMS ausdehnen.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP – Heiterkeit von der Regierungsbank – Zurufe von der SPD)

Es mag ja sein, dass Herr Jörg auch mit Herrn Schäuble eine tolle Nummer macht und hierzu einen Piloten gegründet hat. Zum KiBiz selber hat Herr Jörg praktisch nichts gesagt.

(Beifall von CDU und FDP)

Das kann man von Frau Löhrmann nicht sagen. Frau Löhrmann hat angeblich aus dem Buch von Jürgen Rüttgers zitiert. – Herr Ministerpräsident, ich denke, Sie haben wahrscheinlich noch ein Exemplar, das Sie ihr geben können, damit sie darüber nicht nur redet, sondern es auch lesen kann.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)