Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Anspruchsberechtigungen müssen geprüft und verrechnet werden und Rückzahlungsmodalitäten müssen geprüft und festgelegt werden. Gute Reise, Herr Professor! Für das alles brauchen Sie mehr Geld und Personal, als Sie auf der anderen Seite einnehmen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Woher wissen Sie das?)

Jetzt komme ich zu dem schönsten Punkt. Die FDP hat jetzt offenbar die Marxisten entdeckt. Ich kann mir da ein gewisses Schmunzeln nicht verkneifen. Ja, es war Karl Marx, der im Jahr 1875 genau mit diesem Argument die Forderung nach „unentgeltlichem Unterricht in allen Bildungsanstalten“ ablehnte.

Herr Pinkwart ist aber kein Marxist. Da können wir aus Sicht von Herrn Pinkwart und ich glaube, auch aus Sicht von Herrn Marx ganz beruhigt sein. Zum Glück ist unsere Gesellschaft im Jahr 2005 nicht mehr die gleiche wie vor 130 Jahren. Das Erstaunliche ist: Karl Marx hatte damals Recht und Sie haben heute Unrecht. Damals, als Marx seine Kritik formulierte, gab es nämlich tatsächlich eine streng getrennte Klassengesellschaft in Deutschland. Damals lief die Studiengebührenfreiheit tatsächlich darauf hinaus, wie Marx es formulierte, „den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel zu bestreiten“. Damals war nämlich an ein Studium von Arbeiterkindern überhaupt nicht zu denken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber, lieber Herr Pinkwart, lieber Herr Lindner, das war 1875. Die Zeiten haben sich inzwischen Gott sei Dank geändert. Ich gebe gerne zu, dass sich auch heute noch durchschnittlich viele sogenannte Arbeiterkinder an unseren Hochschulen

finden. Das hat zahlreiche Gründe, die jedoch weniger an den Hochschulen als vielmehr an unserem immer noch viel zu selektiven Schulsystem liegen.

(Ralf Witzel [FDP]: Och!)

Tatsache ist jedoch, dass Arbeiterkinder heute anders als 1875 durchaus eine realistische Möglichkeit haben zu studieren und dass wir alles tun müssen, damit alle, die dazu in der Lage sind, diese Chance auch ergreifen. Denn heute brauchen wir jeden. Darum müssen die Weichen in der Bildungspolitik anders gestellt werden, als neue Hürden aufzubauen, als Selektion zu verstärken, statt sie abzubauen.

Ich kann auch andere Beispiele nennen. Kommen Sie bei den Grundschulbezirken zur Besinnung! Kassieren Sie das ein, wenn Sie im Verlauf des Verfahrens schlauer werden! Halten Sie nicht an solchen Instrumenten fest! Entwickeln Sie mit uns gemeinsam das vorhandene gute Studienkontenmodell weiter! Damit kommen wir den Ansprüchen, die Sie stellen, nämlich Nachfrageorientierung, Begrenztheit der öffentlichen Ressource, Verkürzung der Studienzeiten, entgegen. Das ist alles festgelegt - ohne neue Hürden für die jungen Menschen, die wir alle für unsere Zukunft brauchen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. - Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Kollege Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Frau Löhrmann, viel hilfreicher als Ihre Ausflüge in die Historie sind die realen Bezüge, mit denen wir es heute zu tun haben. Wir haben heute eine große soziale Mobilität: Jeder kann ohne Berufsabschluss ins Kabinett berufen werden oder Vizekanzler dieser Republik werden. Da haben wir die letzten Jahre einiges erlebt.

Wichtig ist, Frau Löhrmann - ich spreche damit auch Michael Vesper an -: Wenn Sie das, was Sie hier vorgetragen haben, ernst gemeint haben, hätten Sie dem damaligen FDP-Antrag zustimmen müssen, der in zahlreichen Punkten auf das von Ihnen vorgelegte Modell Bezug genommen hat. Vieles von dem, was damals an Ihrem Modell kritisiert wurde, ist auch heute noch aktuell. Nur: Sie haben es mit einem völlig anderen Konzept zu tun, das Ihnen Minister Pinkwart eingangs erläutert hat.

Es gibt vier Unterschiede, auf die Sie mit keinem Wort eingegangen sind.

Zum einen wollten Sie 650 €, und wir sagen 500 €. Insofern verstehe ich den Hinweis des Kollegen nicht, der gesagt hat: Die 500 sind der Einstieg, mehr zu verlangen. - Denn wir senken den Betrag.

Zum Zweiten haben Sie das zentral für alle Hochschulen als allgemeine Gebühr verfügt. Wir haben ein Wettbewerbsmodell. Die Hochschulen vor Ort entscheiden flexibel. Es wird völlig unterschiedliche Angebote geben. Es wird Hochschulen geben, die auch zukünftig Kostenfreiheit anbieten, und andere werden gestaffelte Beiträge einführen. Das ist Markt und Wettbewerb in einer freien Gesellschaft mit Entscheidungsmöglichkeiten.

Herr Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Vesper?

Sicher. Sie müssen nur die Uhr anhalten.

Herr Kollege Witzel, bestreiten Sie bei allem Drumherumgerede, dass in diesem Antrag Folgendes steht:

„Derartige Studiengebühren sind unabhängig davon, welches Etikett man ihnen anheftet,“

- und Sie heften gerade verschiedene Etiketten an -

„kein Beitrag zur Verbesserung von Wissenschaft und Forschung, sondern bildungspolitischer Unfug.“

Bestreiten Sie, dass Ihr Name unter dem Antrag steht und dass Sie sich jetzt davon meilenwert entfernen? Im Übrigen wurde der Antrag damals nicht abgestimmt, sondern für erledigt erklärt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD - Johannes Remmel [GRÜNE]: Eine ehrliche Antwort!)

Herr Vesper, ich bestreite nicht, dass mein Name unter diesem Antrag wie auch unter vielen anderen parlamentarischen Initiativen der letzten Legislaturperiode steht.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das war die Be- liebigkeit!)

Ich bin da auch in vollem Erklärungsbewusstsein. Als einzige Transferleistung verlange ich von Ihnen, den Kontext der Modelle zu berücksichtigen. Ihr Paket, Herr Vesper, diente in der Einführungsphase nur einem, nämlich dem Stopfen von

Haushaltslöchern. Als Sie das Modell auf den Weg gebracht haben - natürlich ist es weiterentwickelt worden -, ging es Ihnen nur um ein Ziel, das Stopfen von Haushaltslöchern. In der Anfangsphase ist kein Euro bei irgendeiner Hochschule angekommen. Es gab keinen Gegenwert. Und ich erwarte von Ihnen, sich im Gesamtzusammenhang der Wissenschaftspolitik des Landes mit den vorliegenden Modellen auseinander zu setzen. Sonst hätte Andreas Pinkwart heute die Unterrichtung über eine völlig neue Konzeption nicht vornehmen müssen.

Ein Allerletztes: Wir sind das erste Bundesland, in dem Sie einen Wissenschafts- und Innovationsminister haben, der die Studentenperspektive mit im Blick hat, indem er eine Geld-zurück-Garantie gibt. Wir sind in Gesprächen, wie wir das Modell im Detail entwickeln. Es muss aber ein Grundsatz sein, dass es auch einen Gegenwert, eine Gegenleistung gibt. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir zu Korrekturen und Sanktionen kommen, wenn diese Leistungen nicht erbracht werden. - Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. - Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schultheis, Sie haben eben gesagt, wir hätten uns ja nicht um die Übernahme der Regierung bewerben müssen. Damit kommt aus meiner Sicht ein völlig falsches Staatsverständnis zum Ausdruck. Das war in allen Beiträgen, die heute von Ihnen zu diesem Thema kamen, der Fall.

(Beifall von CDU und FDP)

Nicht wir haben das Recht, Regierungsübernahmen zu vergeben, sondern nur die Wählerinnen und Wähler. Und die haben Ihnen das Vertrauen entzogen und dieser Regierung das Vertrauen gegeben,

(Widerspruch von der SPD)

um für dieses Land bessere Ergebnisse zu erzielen, als es Ihnen vorher möglich war. Das ist die Geschäftsgrundlage.

(Beifall von CDU und FDP)

Weil von Herrn Vesper hier aus einem Antrag zitiert worden ist, den meine Fraktion im vergangenen Landtag eingebracht hat, kann ich, der ich mich auch in einer politischen Verantwortung für mein Handeln sehe und der ich mich an dem messen lassen möchte, was ich den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl gesagt habe, nur darauf hinweisen, dass das Wahlprogramm meiner Partei die Geschäftsgrundlage für meine Arbeit darstellt. Und im Wahlprogramm der Freien Demokratischen Partei in Nordrhein-Westfalen haben wir den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl gesagt - anders, als Sie es im Jahr 2000 gemacht haben -,

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

dass wir in diesem Land Studienbeiträge einführen wollen und wofür wir sie einführen wollen, nämlich um die Qualität des Studiums zu verbessern, schnellere Studienzeiten zu ermöglichen und zu einem Mentalitätswechsel an unseren Hochschulen zu kommen. Und genau das setzen wir jetzt um.

(Beifall von FDP und CDU - Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Dann ist es schon bemerkenswert: Einerseits sagt Herr Schultheis, man könne ja auch erwarten, dass diejenigen, die in der Hochschule arbeiten, ihren Verpflichtungen nachkommen und entsprechende Leistungen erbringen. Das ist völlig richtig. Auf der anderen Seite üben Frau Kraft, Herr Schultheis und andere Redner auch von den Grünen Kritik daran, dass wir den Hochschulen das Recht geben wollen, selbst zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Studienbeiträge erheben. Das sollten wir, wenn überhaupt, dann doch per Ordre de Mufti vorgeben, so, wie Sie immer Politik betrieben haben.

Meine Damen und Herren, erwarten Sie denn wirklich, dass Menschen dann, wenn etwas von oben angesagt wird, daraufhin ihr Verhalten ändern und tatsächlich zu Qualitätsverbesserungen bereit sind? Das können Sie nur erwarten, wenn diejenigen, die vor Ort Verantwortung tragen, sich auch vor Ort zu diesen Beiträgen bekennen, und zwar zu beiden Seiten der Beiträge: dass sie mehr Einnahmen bringen und die Hochschulen umgekehrt auch zu besserer Leistung verpflichten.

Wir bringen beide Seiten zusammen, Freiheit und Verantwortung. Nur das ist die Grundlage dafür, dass Qualität im Wettbewerb auch hervorgebracht werden kann.

(Beifall von CDU und FDP - Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Ein ebenso falsches Verständnis kommt in Ihren Äußerungen zu dem Bemühen zum Ausdruck, das wir hier auf den Weg zu bringen versuchen. Es ist sicherlich kein einfaches Unterfangen - dessen bin ich mir selbst auch bewusst -, mit unseren Beiträgen - Sie haben ja auch Gebühren eingeführt, dies aber nicht entsprechend verankert - auch eine Art Geld-zurück-Garantie zu verbinden.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht ein- klagbar! Was ist das denn für eine Garan- tie?)

- Sie reden immer gleich von „einklagbar“. Sie sehen nur den Staat, die Gerichte und den Bürger, der dann über die Gerichte irgendwie zu seinem Recht kommen muss. Ich möchte, dass die Studierenden ohne den Weg über die Gerichte endlich zu ihrem Recht kommen, an den Hochschulen ordentlich unterrichtet zu werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Das bringen wir eben zusammen. Wir trennen nicht nach dem Motto: Der Gesetzgeber gibt etwas vor, und unten müssen irgendwelche Menschen es ausführen. - Wir bringen es zusammen. Diejenigen, die unten ausführen, können auch die Bedingungen mitbestimmen, nach denen sie es ausführen.