Protokoll der Sitzung vom 25.10.2007

Es ist erfreulich, Herr Minister Pinkwart, wenn derzeit die Studienanfängerzahlen wieder steigen. An dem miserablen Betreuungsverhältnis und der ebenso miserablen Ausstattung an den Hochschulen hat sich aber leider nichts grundlegend verändert.

Das fürs Erste. In einer zweiten Runde werden wir Gelegenheit haben, dies noch weiter auszuführen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Jetzt hat das Wort Herr Prof. Pinkwart.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich sehr dafür bedanken, dass wir neben einigen politisch stärker motivierten sonstigen Bemerkungen insgesamt in der Debatte erkennen können, dass es viel Lob und Anerkennung für die Forscherinnen und Forscher in Nordrhein-Westfalen gibt. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Für die eine oder andere von Frau Seidl und von Herrn Schultheis ausgesprochene Anerkennung bedanke ich mich ausdrücklich. Denn es ist gut, wenn gewisse Erfolge, die objektiv auch vorhanden sind, Anerkennung finden. Das ist, denke ich, gut für die Debattenkultur.

Zu den mehr parteipolitisch geprägten Einlassungen möchte ich allerdings auch kurz Stellung nehmen. Herr Schultheis, es ist ein Problem, dass man sich schnell in einen Widerspruch hineinbewegt, wenn man auf der einen Seite sagt, alles das, was es jetzt positiv zu vermelden gebe, habe man der Vorgängerregierung zu verdanken – so stellen Sie es dar –, und auf der anderen Seite ausführt, all das, was es noch zu kritisieren gebe,

habe die Nachfolgeregierung zu verantworten. Ich finde, so einfach können wir uns das nicht machen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Ich habe von Anfang an eine sehr nüchterne Bilanz gezogen, als ich das Amt angetreten habe. Ich habe auch bei Vorlage der Innovationsstrategie mit der Regierungserklärung Anfang 2006 deutlich gemacht, wo wir stehen: mit guten Dingen, aber auch mit erheblichen Rückständen. Ich habe das nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil: Nur eine klare Analyse der Ausgangslage hilft uns erst, aufschließen zu können zu denen, die eine solche Analyse schon viel früher vorgenommen und die notwendigen Ableitungen daraus gezogen haben.

Deswegen habe ich auch heute wieder gesagt: In einer Debatte, die sicherlich auch Anlass bietet, sich positiv zu äußern, sehen wir erst einmal für uns jedenfalls einen Etappenerfolg. Die Aufholjagd geht weiter, weil wir genau wissen, dass die anderen, gerade Baden-Württemberg, besser sind. Aber die haben eben auch schon Jahre und Jahrzehnte vorher andere politische Prioritäten gesetzt. Und das müssen Sie sich, liebe Frau Seidl, schon sagen lassen, auch wenn Sie den Hochschulbau ansprechen.

Wie viel Hochschulbaumittel haben Sie denn Anfang dieses Jahrzehnts unter Ihrer Regierungsverantwortung vom Bund abgeholt? Noch nicht einmal die Hälfte dessen, was NordrheinWestfalen gebraucht hätte, haben Sie verhandelt. Und Sie waren in der Verantwortung bei der ersten Föderalismusreform, als Nordrhein-Westfalen durch Herrn Müntefering als Chefverhandler mit Herrn Stoiber diese schlechte Hochschulbaufinanzierungsquote verhandelt hat. Also: Tragen Sie doch nicht Dinge vor, die Sie in Ihrer Zeit hätten anders gestalten können.

(Beifall von CDU und FDP)

Ja, die Ausgangslage ist schwierig. Wir müssen uns nach vorne arbeiten.

Auch was zum Beispiel Privatisierungserlöse anbetrifft: Bayern und Baden-Württemberg haben in den 90er-Jahren schon solche Dinge viel schneller vorangetrieben. In Nordrhein-Westfalen wurde es nicht einmal angedacht. Wir gehen erstmalig hin und nutzen kleinere Privatisierungserfolge, um sie im Sinne eines Innovationsfonds zusätzlich zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Technologie einzusetzen. Bayern und BadenWürttemberg machen uns das schon seit zehn, 15 Jahren erfolgreich vor und ernten jetzt die Früchte

einer sehr vorausschauenden Innovations- und Forschungspolitik.

Dann zu dem Hinweis „Geld statt Ordnungspolitik“: Herr Schultheis, wir brauchen beides. Wir brauchen Gestaltungsfreiheit und Gestaltungskraft. Der Unterschied liegt darin: Wir geben unseren Hochschulen nach Kräften beides, weil wir ihnen zutrauen, dass sie mit dieser Gestaltungsfreiheit verantwortlich umgehen können, und weil wir wollen, dass sie mit der zusätzlichen Gestaltungskraft, die wir ihnen geben, angesichts der vielfältigen Maßnahmen, die wir vorgenommen haben, die notwendigen Spielräume haben, um aufschließen zu können.

Wenn es dann heißt, Frau Seidl, für die Qualität der Lehre gebe es zu wenig Geld, dann möchte ich auch hier einmal eine Zahl nennen. Sie hören das nicht gern, aber das ist doch die Faktenlage. Den Qualitätspakt, den Sie für die Hochschulen verabschiedet haben,

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Sie setzen ihn jetzt um!)

haben wir mit dem Zukunftspakt bis 2010 fortgeschrieben, und wir haben im Rahmen des Globalbudgets den Hochschulen die Möglichkeit gegeben, sämtliche Effizienzgewinne, die auch die Hochschulen etwa im Verwaltungsbereich wie jede andere Verwaltung erwirtschaften können, selbst zu behalten. Zusätzlich haben wir die Exzellenzinitiative finanziert. Zusätzlich haben wir den Hochschulpakt finanziert. Und wir haben die Studienbeiträge nicht nur eingeführt, sondern sie auch ausschließlich den Hochschulen zur Verfügung gestellt, während Sie die Einnahmen aus den Langzeitstudienkonten beim Finanzminister abgeliefert haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Die Studienbeiträge bringen – jetzt schauen Sie sich einmal die Zahl an – unseren Hochschulen in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Einnahmen, die dreimal so hoch sind wie sämtliche Mittel, die unsere Exzellenzhochschulen aus der Exzellenzinitiative in den nächsten fünf Jahren bekommen werden, nämlich statt 400 Millionen € rund 1,2 Milliarden €. Die können Sie ausschließlich dafür nutzen, die Qualität der Lehre zu verbessern. Sie wirken nicht kapazitätserhöhend, sie dienen ausschließlich dazu,

(Karl Schultheis [SPD]: Sie nehmen sie den Studierenden!)

die Qualität der Lehre zu erhöhen. Vergleichen Sie das bitte objektiv mit Ihren Zahlen aus der Vergangenheit! So viel zusätzliche Mittel hatten

die nordrhein-westfälischen Hochschulen noch nie, um in die Qualität der jungen Menschen angemessen investieren zu können.

(Zuruf von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

Sie brauchen es dringend, und sie brauchen auch noch mehr. Aber so viel, wie wir ihnen jetzt ermöglichen, hat es schon lange nicht mehr in Nordrhein-Westfalen gegeben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Prof. Pinkwart. – Der Abgeordnete Groth hat noch einmal für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen um das Wort gebeten.

(Karl Schultheis [SPD] meldet sich zu Wort.)

Herr Kollege Schultheis, Sie hätten noch 45 Sekunden. Die wollen Sie voll ausnutzen? – Dann müssen Sie sich noch ein wenig gedulden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte lohnt es sich, auch 45 Sekunden auszukosten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die steigenden Studierendenzahlen, die Sie uns mit so viel Stolz präsentieren, reklamieren Sie sozusagen für die neue Landesregierung bzw. Ihre Koalition. Dazu kann man Ihnen nur eines sagen: Sie erreichen gerade einmal wieder das Niveau aus dem Jahre 2005. Dazu muss man auch sagen, dass die Studierendenzahlen zwar ansteigen, aber sie steigen weniger als die Anzahl der Studienberechtigten. Das heißt, insgesamt machen Sie in diesem Bereich prozentual weniger, als vorher Rot-Grün gemacht hat. Sie bieten weniger Studierwilligen und Studierberechtigten einen Studienplatz an. Das ist das Desaster für Nordrhein-Westfalen,

(Beifall von den GRÜNEN)

wo wir im Grunde jeden brauchen, der studieren will und studienberechtigt ist. Den müssen wir zu einem vernünftigen Abschluss führen. Das tun Sie nicht.

Exzellenz ist gut und wichtig in der Forschung, aber jetzt, meine Damen und Herren, müssen wir eine bessere Lehre finanzieren. Das sagen zumindest wir vom Bündnis 90/Die Grünen. Wir stehen mit unserer Meinung insoweit auch überhaupt nicht alleine, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist vor allem die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die verlangt, dass die Länder nachziehen, um eine gute Lehre zu finanzieren.

Um bei der Betreuung der Studierenden auch nur in die Nähe der internationalen Konkurrenz kommen zu können, so – das sagt zum Beispiel der DFG-Präsident Matthias Kleiner; ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – „müssen die Länder die Grundmittel für die Universitäten um 20 bis 30 % aufstocken“. Er rechnet vor, dass heute auf einen deutschen Universitätsprofessor fast 70 Studenten kommen. Pro Student geben die Hochschulen zwischen 4.000 und 9.000 € jährlich aus. Allein an der renommierten ETH in Zürich sind es hingegen 40.000 € nach seinen Angaben. Die privaten Spitzenhochschulen in den USA kämen sogar – wir konnten das in New York und Washington selbst erleben – auf Werte zwischen 90.000 und 100.000 € pro Student und selbst die besten staatlichen Universitäten dort noch auf 22.000 bis 25.000 €. Und wir kleckern mit 4.000 € und ein bisschen drüber.

Das, meine Damen und Herren, kann nicht wahr sein. So kann keine Lehre stattfinden. So können wir unsere jungen Leute nicht dahin bringen, wo wir sie hinhaben wollen, nämlich zu Spitzenabschlüssen in Nordrhein-Westfalen, zu Spitzenforschung und später zu Spitzenmitarbeitern in unseren Unternehmen.

Stattdessen fahren unsere Hochschulen etwas ganz anderes: Sie fahren eine deutliche Überlast. Sie wissen nicht, wohin mit ihren Studentinnen und Studenten. Trotzdem haben Studentinnen und Studenten – Frau Dr. Seidl hat es Ihnen eben vorgetragen – eine Hauptnutzfläche in NordrheinWestfalen von nur 3,9 m². Meine Damen und Herren, wo sind wir denn? – Jeder Hund, der größer ist als 65 cm Widerristhöhe hat den Anspruch auf 10 m². Sie aber lassen unsere Studentinnen und Studenten in den Hochschulen sozusagen zusammenpferchen. Sie wissen nicht, wo sie vernünftig studieren sollen.

Schauen Sie einmal nach Wuppertal. Dort überlegt man im Moment, ob man Zelte aufrichtet, damit man mit dieser Überlast fertig werden kann. Ist Nordrhein-Westfalen ein Dritte-Welt-Land geworden? – Dann ist es jedenfalls Ihr Verschulden der letzten 2,5 Jahre. Zu unserer Zeit ist das so nicht gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es fehlen Studienplätze und es fehlt eine vernünftige Betreuungsrelation als Grundlage für eine qualitativ hochwertige Lehre an unseren Hochschulen. Für alles dass, was Sie unseren Studentinnen und Studenten zumuten, zahlen die dann auch noch. Und das ist das, was Sie loben, Herr Minister: dass sie zahlen. Das ist genau das Geld,

das neu hinzukommt. Dieses Geld ist das, was aus den Studenten herausgepresst wird. Es ist tatsächlich neu da. „Vielen Dank“ werden sie sagen. Manchmal, wenn diese Mittel in die Gebäude fließen und dafür gebaut wird, dann haben diejenigen Studenten, die heute Studiengebühren bezahlen, am Ende ihrer Studienzeit überhaupt nichts davon gehabt.

Stattdessen müssen wir die Lehre verbessern. Das Geld aber versickert in der Grundversorgung. Schauen Sie es sich zum Beispiel an der RWTH Aachen an. Die Studiengebühren dürfen aus meiner Sicht nicht in die Ersatzbeschaffung von Mikroskopen fließen, sondern sie sollten für die Verbesserung der Lehre aufgewandt werden. Für die Ersatzbeschaffung von Mikroskopen wäre das Land zuständig. Dies ist nur ein kleines Beispiel, wie Sie versuchen, staatliche Mittel und staatliche Verantwortung durch private Mittel zu ersetzen, nämlich durch die Mittel der Studenten. Sie ersetzen staatliche Verantwortung und staatliche Mittel getreu Ihrem Motto „Privat vor Staat“ durch die Studiengebühren der Studenten.

Herr Minister, hierzu gehört dann auch der Hochschulbau. Auch hier fließen massiv Mittel aus den Studiengebühren hinein, wie ich es Ihnen eben schon sagte. Dabei wäre es ganz selbstverständlich, wenn wir uns alle darauf verständigen würden, dass das eine Frage ist, die in die staatliche Verantwortung gehört. Staatliche Mittel, Mittel des Landes und auch des Bundes, Mittel, die in der Vergangenheit, beginnend mit der Ära Kohl und Genscher, eher nach Bayern und BadenWürttemberg geflossen sind, müssen vermehrt nach Nordrhein-Westfalen kommen. Wir brauchen für unsere Hochschulen diese Mittel. Davon haben wir nicht genug.

Es bleibt mir nur festzustellen: Die übermäßige Investitionen, die bislang in die Hochschulen in Bayern und Baden-Württemberg geflossen sind, tragen nun Früchte. Ja, das ist richtig. NordrheinWestfalen kann sich trotzdem sehen lassen, weil wir Hochschulen mit engagiertem Personal und engagierten Studierenden haben. Wenn wir wollen, dass auch die Stärken unserer Hochschulen in ähnlicher Weise oder noch besser als bisher schon in der Exzellenzinitiative gewürdigt werden, dann müssen wir dafür sorgen, dass auch bei uns mehr Mittel fließen, und zwar nicht aus Taschen der Studierenden, meine Damen und Herren, sondern aus den Haushalten des Bundes und dieses Landes. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Jetzt kann Herr Schultheis für 45 Sekunden noch einmal an das Rednerpult kommen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu drei Punkten kurz Stellung nehmen.

Erstens. Sie haben gesagt, meine Ausführungen seien politisch gefärbt gewesen. Ich gehe davon aus, dass hier Politikerinnen und Politiker sitzen. Ich vertrete die Position der Sozialdemokraten, wie Sie die Position der FDP vertreten. Tun Sie nicht so, als ob dies nicht der Fall wäre. Ich glaube, das kommt schlecht an. Ich stehe zu dem, was ich für die SPD vortrage.