Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, es geht nur um die Kommunikationsdaten. Erinnern Sie sich vor diesem Hintergrund an Ihren Satz zur 1. Lesung am 31. August 2006, als Sie bei Einbringung dieses Gesetzentwurfs dem Gesetzgeber erklärt haben:
„Zu diesen offensiven Internetbeobachtungsmaßnahmen gehören neben der Beobachtung von Homepages auch das Auslesen von EMails auf Festplatten.“
Sie haben dieses böse Wort „Festplatten“ benutzt. Erinnern Sie sich daran noch? Wie stehen Sie heute zu dieser Aussage?
Nachdem Sie das vorhin schon einmal vorgelesen haben, erinnere ich mich natürlich ganz besonders genau. Ich erinnere mich auch daran, dass Ihnen Herr Biesenbach die passende Antwort darauf gegeben hat,
dass wir natürlich in Richtung E-Mail-Accounts müssen. Es geht nach wie vor um InternetTelefonie bzw. Internetkommunikation.
Herr Minister, Sie wollen einen PDF-Anhang, der mit einer E-Mail gekommen ist und eine Bombenbauanleitung für einen Terroristen enthält, nicht aus dem Rechner auslesen? Verstehe ich Sie jetzt richtig?
Herr Kollege Rudolph, es wäre schön, wenn Sie – statt in die Untiefen des Internets zu steigen – zunächst einmal sagen, ob Sie eine solche Regelung überhaupt wollen. Ich habe in Ihrem Redebeitrag nichts davon gehört, wie Sie überhaupt zu der Frage stehen, ob man solche Maßnahmen zur Sicherung der Bundesrepublik Deutschland ergreifen kann.
Ich habe nur festgestellt, dass der geschätzte Innenministerkollege Herr Bruch gestern in der „FAZ“ gesagt hat, er erachte genau diese Regelungen für notwendig. Sie drücken sich um diese Themen herum. Daran merkt man, dass Sie nur Lust am Tamtam haben und nicht an der inhaltlichen Auseinandersetzung.
Meine Damen und Herren, wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir das Ganze beschränken wollen. Das ist zutreffend gesagt worden. Das hat nicht nur in der Begründung seinen Niederschlag gefunden, sondern das ist auch in der entsprechenden Schrift unseres Prozessvertreters ausführlich dargelegt worden. Das wird im Einzelnen natürlich noch diskutiert.
Letztendlich ist es für uns wichtig, dass im Einzelfall verantwortungsbewusst mit den gesetzlichen Mitteln umgegangen wird. Wenn man sieht, dass unser Verfassungsschutz unter Berücksichtigung der hohen rechtlichen Hürden im Durchschnitt weniger als eine Handvoll Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen im Jahr durchführt, habe ich daran keinen Zweifel.
Es lässt sich sicherlich trefflich darüber streiten, welche Grundrechte hier betroffen sind. Spannenderweise ist von der Opposition heute gar nichts mehr dazu gesagt worden. Es wurde viel darüber diskutiert, ob es sich um einen Fall nach Art. 13 des Grundgesetzes und damit um die Unverletzlichkeit der Wohnung handelt. Deshalb wurde notwendigerweise über den Richtervorbehalt diskutiert, der dann zwingend vorgeschrieben ist.
Wir meinen nicht, dass der Wohnraum der richtige Anknüpfungspunkt ist. Man denke nur an Laptops, die sich nicht zwingend in der Wohnung befinden müssen. Nicht die Privatheit der Wohnung, sondern die Privatheit der Kommunikation und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind betroffen. Daher sind bei dem Zugriff auf Internetkommunikationsdaten die Art. 10 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes betroffen. Hierfür ist grundsätzlich die G-10-Kommission als Kontrollorgan zuständig, die Herr Kollege Rudolph nicht einmal gekannt hat.
Die G-10-Kommission steht für eine unabhängige und parlamentarisch legitimierte Kontrolle, die – anders als der Einzelrichter – auch die Durchführung und den Abschluss der Maßnahme einschließlich der Benachrichtigung des Betroffenen nachhaltig begleitet.
Wir haben es mit verfassungsrechtlichem Neuland und einer höchst diffizilen Materie zu tun. Ob die gesetzlichen Begrenzungen für die Kommunikationsüberwachung durch Zugriff auf informationstechnische Systeme hinreichend bestimmt formuliert sind, hat das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. Ich werde mich aus Respekt vor dem höchsten deutschen Gericht nicht an Mutmaßungen und Spekulationen beteiligen.
Ich stelle allerdings fest, dass dieses rot-grüne Tamtam schwer erträglich ist. Sie sind doch gerade Spezialisten für verfassungsrechtliche Niederlagen, meine Damen und Herren. Sie haben sich doch dieses Prädikat „rechtsstaatliche Versager“ redlich verdient. Ich erinnere nur daran, dass die Aufrechterhaltung der 5-%-Klausel unter Ihrer Regentschaft verfassungswidrig war. Sie haben die Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium betrieben.
Das war verfassungswidrig. Sie haben eine Niederlage beim NPD-Verbotsverfahren kassiert. Sie haben seit 1994 ein LPVG aufrechterhalten, das verfassungswidrig war. Ich glaube, Sie haben allen Grund, ganz zurückhaltend zu sein, unbeschadet der rot-grünen Niederlagen in Berlin, meine Damen und Herren.
Sie sind Spezialisten für Verfassungswidrigkeiten und für Fälle, die sozusagen die Verfassungswidrigkeit schon auf der Stirn getragen haben. Bei uns ist es eine schwierige Materie. Das Bundesverfassungsgericht wird am Ende einen Beitrag dazu leisten, ob tatsächlich und wenn ja, in welchem Umfang, Modifikationen notwendig sind.
Einer Aussetzungsverfügung, meine Damen und Herren, bedarf es nicht. Der Zugriff auf informationstechnische Systeme erfolgt nur aufgrund einer von mir persönlich unterzeichneten Anordnung, die dann vor Vollzug von der G-10-Kommission des Landtags zu bestätigen ist. Dieses Verfahren bietet die Gewähr dafür, dass die vorgeschriebenen gesetzlichen Grenzen auch unter Berücksichtung der Erörterung in der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts eingehalten werden. Bis heute ist von der Ermächtigung kein Gebrauch gemacht worden. Der Antrag ist deshalb obsolet. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Biesenbach, Sie haben ja zu Recht die Frage gestellt, ob wir über dieselbe Verhandlung sprechen. Ich habe das Gefühl, dass Sie sich nicht ganz sicher waren, über welche Verhandlung wir sprechen.
Ich will Ihnen das anhand der Mitteilung der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts deutlich machen. In der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts heißt es: Bundesverfassungsgericht verhandelt Verfassungsbeschwerden gegen die Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen. – Darüber ist beim Verfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt worden. Verhandelt wurde nicht über die Hintergründe, die natürlich auch eine Rolle spielen und gewiss im März/April nächsten Jahres eine Rolle spielen werden, wenn das Urteil ergehen wird.
Meine Damen und Herren, unser Eindruck ist, im Vorfeld der Verhandlung in Karlsruhe ist Ihnen klar geworden, welche Hürden dort möglicherweise aufgebaut werden. Nun wäre es konsequent gewesen, wenn Sie als Koalitionsfraktionen und der zuständige Innenminister sich dafür entschieden hätten, alles zu tun, damit das Gesetz sattelfest ist, um über die Hürden zu kommen – um einmal in diesem Bild zu bleiben. Sie haben genau das Gegenteil gemacht. Sie haben durch den Schriftsatz – Sie legen heute ja noch einmal nach – versucht, das Gesetz so geschmeidig darzustellen, dass Sie sozusagen unter den Hürden durchkommen.
Nur mit Verlaub, Herr Innenminister, das Bundesverfassungsgericht behandelt hier keinen „beliebigen Gegenstand“ – ich will das gar nicht abwerten, was Sie, Herr Innenminister, vorhin an Gegenständen genannt haben –, sondern es verhandelt eine Änderung eines Verfassungsschutzgesetzes. Da kann man sich an fünf Fingern abzählen, dass das Gericht gerade einen solchen Gegenstand mit ganz besonderer Sensibilität behandeln wird.
Meine Damen und Herren, was Ihr eigenes Gesetz anbelangt: Damit keine Vorwürfe aufkommen, ich ließe mich von irgendwelchen Informationen leiten, nehme ich einmal eine Landtagsdrucksache, und zwar die Landtagsdrucksache 14/2211, die eine Gegenüberstellung der geltenden Gesetzesbestimmung und des Gesetzentwurfs der Landesregierung enthält. Darin ist die Rede von dem heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme. Darin wird von dem Zugriff auf gespeicherte Computerdaten geschrie
ben. Es war ja auch bezeichnend, dass der Innenminister nicht aus dem Gesetz, sondern vorhin aus der Begründung des Gesetzes vorgetragen hat.
Wir nähern uns doch immer mehr dem Punkt, an dem deutlich wird, dass dieses Gesetz über keinerlei Klarheit verfügt. Weder die Begründung noch der Schriftsatz zum Verfassungsgericht hat es klarer gemacht. Die Diskussion, die wir heute geführt haben, und die Überlegungen, die von Ihrer Seite dargestellt worden sind, haben es auch nicht klarer gemacht.
Lassen Sie mich abschließend noch zwei Bemerkungen machen: Die Hinweise auf den Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht und die Aussage, man wolle das Urteil respektieren, waren in der Tat überflüssig. Denn das gehört zu einer guten Tradition von Landesregierungen und Parlamenten, das zu tun. Das muss man nicht noch unterstreichen.
Aber im Vorfeld der Verhandlung in Karlsruhe und während der Verhandlung wäre es wirklich ein Zeichen des Respekts vor dem Verfassungsgericht gewesen, wenn Sie unserem Antrag gefolgt wären und eine Aussetzungsverfügung auf den Weg gebracht hätten. Das hätte etwas mit Respekt zu tun gehabt vor dem, was dort verhandelt worden ist, und vor dem, was von dort zu erwarten ist.
Herr Dr. Wolf, über die vermeintlichen Beispiele, die Sie gerade genannt haben, kann man sicherlich reden und diskutieren, aber ich hätte zumindest erwartet, dass Sie dann da keine Tradition fortsetzen wollen. Sie werden dann aber, wenn Sie glauben, dass sei eine bestimmte Tradition, in diese Tradition eintreten. Sie haben sich bereits eine Klatsche eingeholt. Ich will das einmal flapsig formulieren. Im März/April nächsten Jahres kommt die zweite, die endgültige. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Vielen Dank, Herr Kollege Kuschke. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Biesenbach zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kuschke, bei allem Respekt, mit dem ich Ihnen auch gerne zuhöre: Ihre Ausführungen machen deutlich, dass Sie das hier oberflächlich betrieben haben.
Sich auf die Pressemitteilung zu beziehen und von unserem Gesetz zu sprechen, ist überhaupt nicht das, was Sie dem Gericht damit antun. Dort sind die Fragen geklärt worden. Unstreitig – darüber müssen Sie sich auch im Klaren sein – ist die Gefahr durch das Internet. Dort findet der Austausch aller Daten statt. Unstreitig ist ebenfalls, dass wir dann, wenn die Daten einmal verschlüsselt sind, hinterherlaufen. Dann können wir mit ihnen nichts mehr anfangen.
Jetzt wird das Bundesverfassungsgericht folgende Frage klären: Wann darf ich auf den Rechner des Gefährders zugreifen? Welche Schwellen gelten dafür?
Was wurde diskutiert? – Soll es der Verfassungsschutz dürfen? Soll es die Polizei dürfen? Daraus ergeben sich diametrale Unterschiede. Wenn es die Polizei darf, dann brauchen Sie eine hohe abstrakte Gefahr, nicht mehr eine konkrete Gefahr. Dann können wir uns alles schenken. Wenn es der Verfassungsschutz soll – der, der kann –, stellt sich die Frage: Mit welchen Schwellen arbeitet dieser Verfassungsschutz? Das werden die Fragen sein, die dort beantwortet werden.
Wir haben unsere Antwort gegeben. Wir haben gesagt, wir glauben, dass die Schwellen des G10-Gesetzes ausreichen. Darüber ist debattiert worden. Dann ist darüber debattiert worden, wie die Abfrage möglich ist. Das hat zwei bis drei Stunden gedauert. Das waren die Fragen, die dort diskutiert wurden und die auch bundesweit Bedeutung haben. Da reicht die Frage nicht aus: Von welchen Hürden reden Sie? In der Pressemitteilung steht das nicht drin.
Im Übrigen haben Sie mir nicht genau zugehört. Ich habe nämlich nicht gesagt, dass wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts respektieren, denn das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich habe gesagt: Der Respekt vor dem Gericht gebiert, bis zum Urteil keine parlamentarischen Debatten mehr zu führen und so zu tun, als ob wir es besser wüssten. Wir werden die Antworten des Souveräns, in diesem Fall: des Gerichtes, bekommen, und dann machen wir weiter. Es wäre schön, wenn wir bei diesen existenziellen Fragen, z. B. wie wir unser Land schützen, versuchen würden, uns zumindest in der Sache anzunähern und gemeinsam eine Lösung zu finden und hier nicht wieder rumzupalavern.