Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

(Beifall von der CDU)

Wir unternehmen jetzt einen konsequenten Ausbau dessen, was im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, und empfinden daher das, was Sie heute vorlegen, ein Stück weit als Kompliment an unsere gemeinsame Arbeit auf dem Themenfeld der Familienpolitik. Denn wie Sie zutreffend festgestellt haben, setzt die Landesregierung neben dem notwendigen Krippenausbau auch vermehrt auf Angebote von Tagesmüttern und Tagesvätern. Die CDU-Landtagsfraktion hat das gemeinsam mit der Fraktion der FDP in einem Antrag gefordert und die Landesregierung dazu aufgefordert, die finanzielle Förderung der Kindertagesplätze in das GTK aufzunehmen.

Anders als für Sie stellt die Tagespflege für uns allerdings nicht nur eine sinnvolle Ergänzung zum Angebot in den Kindertagesstätten dar. Sie ist für uns eine alternative, ergänzende und qualitativ anerkannte Betreuungsform, die sich daher – wie von uns gefordert – auch im KiBiz wiederfindet. Wir werden die Kindertagespflege ab dem 1. August 2008 erstmalig mit 725 € jährlich aus Landesmitteln fördern und auch Qualitätsstandards festlegen, die es bis dato in der Form noch nicht gegeben hat. Wir würden uns wünschen, dass Sie das anerkennen.

In Ihrem Antrag finden sich darüber hinaus auch sachliche Ungereimtheiten. Das Thema der steuerlichen Problematik wie auch der Sozialversicherungspflicht ist längst schon geregelt, wenn man es im privaten Umfeld macht. Nur bei den Kommunen ist das bisher nicht der Fall gewesen.

Die geplante Steuer- und Sozialversicherungspflicht der Einkommen von Tagesmüttern und

-vätern, die Sie ansprechen, ist in der Tat ein Problem; das ist keine Frage. Aus steuerrechtlicher Sicht ist das alles nicht zu beanstanden. Problematisch ist vor allem die Sozialversicherungspflicht, die den angestrebten Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen gefährden kann. Das ist alles bekannt, auch der Landesregierung.

Sie haben näherungsweise versucht, in Ihrem Beitrag darzustellen, dass es bereits eine ganze Reihe von Initiativen gegeben hat. So hat sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz umfassend mit der Thematik befasst und auch den Beschluss gefasst, die Bundesregierung aufzufordern, das Inkrafttreten des Erlasses des Bundesfinanzministers zum 1. Januar 2008 auszusetzen, bis die Bundesregierung eine Lösung für die hieraus entstehende Problematik für die Tagespflegetätigen entwickelt hat.

Auch im Sinne des von allen Bundesländern angestrebten Ausbaus der Betreuung der unter Dreijährigen kommt diesem Anliegen eine hohe Priorität zu. Daher wurde von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz die Einrichtung einer BundLänder-Arbeitsgruppe gefordert. Sie sehen an dieser Stelle: Sie hinken mit Ihrem Antrag längst den aktuellen Entwicklungen hinterher. Die Landesregierung ist in diesem Sinne bereits tätig gewesen. Insofern gibt es keine Notwendigkeit, jetzt einen Beschluss zu fassen, der den Eindruck suggeriert, die Landesregierung sei bis dato untätig gewesen und reagiere erst auf Ihre Initiative. Das Gegenteil ist der Fall. Sie hängen sich an dieser Stelle an die Dinge an, die schon längst stattfinden.

Deshalb hätten wir uns gefreut, Frau Asch, wenn man sich im Vorfeld über diese Themen verständigt und im Vorfeld über diese Dinge geredet hätte. Dann hätte man sicherlich heute auch zu anderen Entschließungen – möglicherweise auch zu interfraktionellen – kommen können, natürlich auch in einem anderen Duktus. Insofern können wir Ihren Antrag heute nicht annehmen.

Allerdings biete ich Ihnen weiterhin an, dass wir uns über diese Dinge verständigen. Wir würden uns freuen, wenn auch Ihre Fraktion unsere Landesregierung auf der Bundesebene in den verschiedenen Gremien unterstützen würde.

(Beifall von der CDU – Christian Lindner [FDP]: Die Grünen haben doch nichts zu sa- gen! Was sollen die Grünen denn unterstüt- zen? Die haben doch so gut wie in keinem Land etwas zu sagen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Jarzombek. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Hack das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

„Die Tagespflege kann und darf nicht den bedarfsdeckenden Ausbau der Kita-Plätze für unter Dreijährige ersetzen.“

So schreiben Sie, liebe Kollegen der GrünenFraktion, in Ihrem Antrag. Das ist richtig. Diese Auffassung teilen wir.

Sie schreiben auch – Frau Asch, Sie haben es vorhin erwähnt –:

„Langfristig ist die Absicherung der Tagespflege in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen notwendig.“

Auch dem stimmen wir völlig zu.

Wir teilen allerdings nicht die Auffassung, dass es sich bei den geplanten Änderungen, die hier in Rede stehen, um übereilte Maßnahmen handelt, die zudem nicht abgestimmt seien. Seit über einem halben Jahr wird daran gearbeitet, und das nicht in Geheimzirkeln, sondern unter anderem in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe.

Die bisherige Regelung – es ist zum Teil schon angesprochen worden –, die die unterschiedlichen Einkommen in der Tagespflege je nach Zahler steuerfrei oder steuerpflichtig stellt, ist nicht schlüssig und bedeutet dauerhafte Ungleichbehandlung. Dies soll auf Wunsch aller Länder geändert und vereinheitlicht werden.

Es ist unseres Erachtens auch nicht angemessen, für ein und dieselbe Arbeit unterschiedliche Steuerbelastungen vorzusehen. Wir begrüßen die geplante Gleichbehandlung aller in der Tagespflege Tätigen.

Ich betone ausdrücklich, dass die Änderung nicht dazu dient, Mehreinnahmen zu erzielen, wird doch zugleich die anrechenbare Ausgabenpauschale um 54 € auf 300 € monatlich erhöht.

Zahlreiche Tagespflegepersonen werden auch mit einer solchen neuen Regelung unter der Grenze der Steuerpflichtigkeit bleiben, also keinerlei Einbußen haben. Hier macht ja das Steuerrecht keine Ausnahme. Das Argument, mit der geplanten Änderung würden sowieso Geringverdienende zusätzlich belastet, ist ja nicht stichhaltig. Niedrige Einkünfte werden nach wie vor gar nicht oder gering besteuert.

Wenn nun Einkünfte die Grenze der Geringfügigkeit überschreiten, also Sozialversicherungsbeiträge anfallen, ist es auch und gerade in diesem wesentlich von Frauen ausgeübten Tätigkeitsfeld nur richtig und erstrebenswert, dass mit Arbeit auch ordnungsgemäße Ansprüche, beispielsweise spätere Rentenzahlungen, erworben werden. Über die Bedeutung der Frauenerwerbsquote in Nordrhein-Westfalen hat sich ja heute auch der Ministerpräsident geäußert.

Aber das ist für uns nur ein Aspekt. Ein zweiter – nicht weniger wichtig – ist die Aufwertung der Tagespflegetätigkeit zu einer beruflichen, mithin ein wichtiger Schritt zur notwendigen und von uns sehr gewünschten Professionalisierung dieser Arbeit. In Ergänzung der von uns immer favorisierten Bildung und Betreuung in Einrichtungen – daraus haben wir ja nie ein Geheimnis gemacht – muss Tagespflege eine Aufwertung erfahren. Immerhin 86 % der deutschen Jugendämter sahen bei einer Befragung zum Thema Ausbau der Betreuungsangebote in der Qualifizierung von Tagespflegepersonen einen notwendigen Ansatzpunkt zur Verbesserung der Situation.

Bessere Qualifikation, vom Bund ab Ende dieses Jahres bis 2010 in zweistelliger Millionenhöhe durch ESF-Mittel gefördert, verdient immer auch bessere Bezahlung, die nach unserem Verständnis Sozialversicherungspflicht nach sich zieht. Aus der Pflicht wird aber langfristig das Recht etwa auf Absicherung im Alter.

So wie derzeit befürchtet wird, dass sich Tagesmütter und die wenigen -väter zurückziehen oder in die Schwarzarbeit gehen, kann es ja ebenso möglich sein – und das ist anzustreben –, dass sich qualifizierte Kräfte unter veränderten Bedingungen für diese Berufstätigkeit entscheiden,

(Beifall von der SPD)

die dann eben nicht mehr geringfügig und oft auch nicht lohnend ist. Qualitätvolle Arbeit in Tagespflege darf sich nicht an der Frage entscheiden, ob Sozialversicherungspflicht besteht oder nicht.

Und, meine Damen und Herren, wie die Koalitionsfraktionen mit ihrem offenkundig zusätzlichen Kommunikationsproblem umgehen, ist zwar nicht Gegenstand des Antrags, aber ich will es nochmals deutlich sagen: Die Finanzminister der Länder, also auch NRW-Minister Helmut Linssen, haben auf die Neuregelung gedrängt und ihr zugestimmt. Die SPD-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Für die Fraktion der FDP spricht der Kollege Lindner.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank für das Wort. Meine Damen und Herren, die Überschrift des Antrags der Grünen ist gut. Aber wir werden ihn trotzdem ablehnen, weil er unglaubwürdig ist.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Das ist nicht konse- quent, Herr Lindner!)

Das sei nicht konsequent? Wer hier nicht konsequent ist, das sind Sie. Sie spielen sich hier auf als die Retter der Tagespflege. Dabei hat Frau Asch noch in der Aktuellen Stunde am 26. Januar dieses Jahres gesagt:

„Die Tagespflege geht am Bedarf der Eltern vorbei.“

Ein anderes charakteristisches Merkmal als „kostengünstig“ ist Ihnen in Bezug auf die Tagespflege im Übrigen auch nie eingefallen, auch nicht in einem Rundschreiben an pädagogische Fachkräfte und Eltern vom 13. März dieses Jahres. Darin schreiben Sie:

„Alle Studien und die Erfahrungen in Ostdeutschland belegen, dass Tagespflege recht gering nachgefragt ist, am ehesten noch bei Kindern unter einem Jahr.“

Jetzt stellen Sie sich hier hin und spielen sich auf, als bräuchten wir Sie, um zu erkennen, dass hier von der Bundesregierung ein Anschlag auf Betreuungsangebote in Nordrhein-Westfalen geplant wird. Dafür brauchen wir Sie nicht, Frau Asch. Sie haben ja dankenswerterweise zumindest darauf hingewiesen, dass die Landesregierung ihrerseits Initiativen entwickelt hat und dass es auch aus den Koalitionsparteien heraus hier schon öffentliche Appelle gegeben hat.

Wir haben in der Tat in der Langfristperspektive das vielleicht sogar gemeinsame Ziel, die Kindertagespflege zu einem Berufsfeld zu machen, das nicht der Privilegierung im Einkommenssteuerrecht bedarf. Gegenwärtig ist die Situation aber noch so. Was Peer Steinbrück plant, führt zu einer Verunsicherung der vielen Frauen und wenigen Männer, die auf diesem Feld in NordrheinWestfalen tätig sind. Als ehemaliger Ministerpräsident hat er zu verantworten, dass NordrheinWestfalen Schlusslicht bei der Betreuung kleiner Kinder im Bundesvergleich war.

(Beifall von FDP und CDU)

Als Bundesfinanzminister wirft er uns jetzt bei der Aufarbeitung dieses Defizits erneut Knüppel zwischen die Beine. Das werden wir in dieser Form nicht akzeptieren. Deshalb ist es richtig, dass KarlJosef Laumann und andere Landesminister über den Bundesrat darauf einwirken, dass diese Pläne mindestens suspendiert werden, damit langfristig eine tragfähige Lösung erreicht wird. Ihres Antrags hat es dazu nicht bedurft. Er ist lediglich ein Ausweis Ihrer Inkonsequenz. Sie drehen sich die Sachen so, wie Sie den Applaus des Tages finden. Das werden wir nicht unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Landesregierung hat in Vertretung für Herrn Minister Laschet Herr Minister Linssen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unterstützt und fördert den Ausbau der Kinderbetreuung. Dies wird nicht zuletzt durch die finanziellen Mittel möglich, die aufgrund des Kinderbildungsgesetzes künftig zur Verfügung gestellt werden. Mit 725 € je Kind werden die Kommunen in Zukunft bei der sozialen Absicherung der Tagesmütter und -väter sowie bei deren Qualifizierung unterstützt.

Es sind Befürchtungen laut geworden, dass das strittige Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 24. Mai 2007 negative Folgen für die Ausbaupläne haben könnte. Mit diesem Schreiben wird die Einkommensbesteuerung der Tagesmütter ab 2008 für aus öffentlichen Mitteln gezahlte Gelder neu geregelt.

Die Sorgen der betroffenen Personen, deren Arbeit wir sehr schätzen, dass sich ihre Tätigkeit als Folge der steuerrechtlichen Änderungen und den damit zusammenhängenden sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen zukünftig finanziell nicht mehr lohnt, kann ich gut verstehen. Sie wissen, dass die steuerliche Auswirkung im Grunde zu vernachlässigen ist, weil die Freibeträge entsprechend erhöht werden. Die Besteuerung wird deshalb nicht das Problem werden.

Aber der Stundenlohn einer Tagesmutter ist nicht gerade üppig, meine Damen und Herren. Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Finanzministerkonferenz bereits mit dieser Angelegenheit befasst. Sie hat beschlossen, dass eine Verschlechterung der sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Tagespflegepersonen verhindert werden sollte, und die Arbeits- und Sozi

alminister oder -ministerinnen um eine entsprechende Prüfung gebeten.

Jeder wird nachvollziehen können, dass eine Lösung im Sozialversicherungsrecht jedenfalls nicht mehr kurzfristig bis zum 1. Januar 2008 herbeigeführt werden kann. Deshalb fordern die Arbeits- und Sozialminister der Länder die Bundesregierung auf, das Inkrafttreten der neu geregelten Steuerpflicht für Tagesmütter um mindestens ein Jahr hinauszuschieben. In der Zwischenzeit soll eine fachübergreifende Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen werden, um gemeinsam eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung der einkommensteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Problematik zu erarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Vorschlag halte ich für einen gangbaren Weg.