Heute, ein halbes Jahr später: Die BAföGErhöhung ist gekommen. Die Koalition der Erneuerung hat ebenso Wort gehalten wie die CDUBildungsministerin Schavan.
Angesichts der langen Tagesordnung, die wir vor uns haben, sollten wir das Thema der Aktuellen Stunde relativ schnell als erledigt erklären.
Freuen wir uns über die BAföG-Erhöhung, und streiten wir uns nicht über Erstgeburtsrechte! – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In der Tat besteht kein Anlass dafür, dass die Sozialdemokraten sich in Bezug auf die BAföG-Erhöhung selbst in dieser Weise feiern.
erinnert – die Bundesbildungsministerin eine solche Erhöhung in Aussicht gestellt. Dagegen haben die Sozialdemokraten noch im Februar dieses Jahres eine andere Auffassung im Deutschen Bundestag markiert. Ich darf aus dem Plenarprotokoll vom 1. Februar 2007 die SPD-Abgeordnete Renate Schmidt zitieren:
„Für das Jahr 2007 kann eine spürbare Erhöhung der Bedarfssätze, Einkommensfreigrenzen und Vom-Hundert-Sätze haushaltsmäßig nicht mehr dargestellt werden. Natürlich stimmt es, wie die Bundesregierung im BAföG-Bericht darstellt, dass die Haushaltskonsolidierung gerade auch im Interesse der jungen Generation liegt.“
Jetzt, einige Monate später, in der Weise aufzutreten, wie Sie das getan haben, Herr Schultheis, spricht für eine gewisse Dreistigkeit; das muss ich schon sagen.
Offenbar hat Sie die mangelnde Durchsetzungsstärke der NRW-SPD und der sozialdemokratischen Bildungspolitiker im Deutschen Bundestag gegenüber Peer Steinbrück und anderen dazu veranlasst, uns in Nordrhein-Westfalen aufzufordern, Ihnen Schützenhilfe gegen Ihre eigenen roten Genossen in Berlin zu geben.
Mit Ihrem Antrag „Chancengleichheit verbessern – BAföG 2007 erhöhen“ wollten Sie Ihre eigenen roten Kollegen in Berlin über den Landtag NRW auffordern, die BAföG-Erhöhung einzuleiten.
So kann man das natürlich auch machen. Damals haben wir Ihnen gesagt, dass Bundesparteitage der SPD dafür gewiss das bessere Plenum geboten hätten. Wir brauchten jedenfalls mitnichten Nachhilfeunterricht von Ihnen, ganz im Gegenteil.
Ein Beispiel ist das elternunabhängige BAföG. Die von der SPD mitgetragene Bundesregierung plante, die Förderung des zweiten Bildungswegs stark einzuschränken. Daran hat die Landesregierung in der Sitzung des Bundesrats vom 30. März dieses Jahres deutliche Kritik geübt und sich positioniert. Dafür hat die Landesregierung von der nordrhein-westfälischen SPD sogar ein herzliches Dankeschön erhalten.
„Herr Kaiser, an dieser Stelle – das lasse ich nicht zur Gewohnheit werden, auch wenn Sie es gerne hätten – sage ich auch herzlichen Dank an die Landesregierung.“
Es hat also zu keinem Zeitpunkt und bei keinem Aspekt der Nachhilfe der Sozialdemokratie für diese Landesregierung bedurft.
Deshalb halten wir die Beantragung einer Aktuellen Stunde für überzogen, denn am Ende des Tages hat nicht mehr stattgefunden als das, was in § 35 BAföG vorgeschrieben ist: eine regelmäßige Überprüfung der Zuwendungshöhe im Lichte der Veränderungen der Einkommensverhältnisse, der Lebenshaltungskosten und der finanzwirtschaftlichen Entwicklung. Das ist also eine Selbstverständlichkeit. Aber in Ermangelung anderer politischer Themen wollten und mussten Sie das auf die Tagesordnung setzen.
Wenn wir den Blick nach vorn richten, ist es bedauerlich, dass die Große Koalition die Anpassung der Bedarfssätze eben nicht dafür genutzt hat, auch notwendige Strukturveränderungen beim BAföG zu prüfen. Die FDP hat hierzu schon vor einiger Zeit konkrete Vorschläge unterbreitet, die wir aktualisieren werden.
Nach unserer Auffassung steht zur Weiterentwicklung des BAföG ein Drei-Körbe-Modell zur Diskussion. In den ersten Korb wollen wir die bisherigen Sozialleistungen aller Studierenden einbringen. Der zweite Korb soll aus einer bedarfsabhängigen staatlichen Zusatzleistung für sozial Bedürftige bestehen. Der dritte Korb schließlich könnte eine Darlehenskomponente enthalten, die allen Studierenden offensteht.
Als letzten Gedanken will ich anschließen, dass die SPD so tut, als sei die Erhöhung des BAföG ein Meilenstein, um mehr Bildungschancen für Menschen aus sozial schwächeren Milieus zu erreichen.
Menschen aus nichtakademischen Haushalten den Zugang zur Hochschule zu erleichtern. Aber die Ursache für den geringen Anteil von Studierenden aus sozial benachteiligten Elternhäusern ist nicht die Studienfinanzierung. Der Grund liegt in Ihrem so extrem stark an die Herkunft gebundenen Bildungssystem, das Sie uns hinterlassen haben.
Der Grund dafür, dass so wenige Menschen aus sozial benachteiligten Milieus studieren, hängt damit zusammen, dass sie erst gar nicht bis zur allgemeinen Hochschulreife kommen,
weil Sie uns ausweislich der PISA-Studie das sozial ungerechteste Schulsystem in Deutschland hinterlassen haben.
Insofern ist all das, was wir in der Schulpolitik und bei der Elementarerziehung leisten, viel besser geeignet, den Anteil von Studierenden aus sozial benachteiligten Familien zu erhöhen als das, was Sie uns an Show-Aktuellen-Stunden, ShowAnträgen und Show-Pressemitteilungen präsentieren.
Wir handeln. Wir kümmern uns um gute und beste soziale Ergebnisse. Sie bleiben bei sozialen Ankündigungen und bei sozialer Schaufensterpolitik. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Grünen begrüßen die Erhöhung des BAföG; das ist keine Frage. Sie war dringend notwendig und längst überfällig – vor allem dann, wenn man sich vor Augen führt, dass die letzte Anpassung noch unter rotgrüner Verantwortung im Jahr 2002 stattgefunden hat.
Dennoch möchte ich etwas Wasser in den Wein der Euphorie gießen, denn es ist kein Quantensprung in der Studienfinanzierung, was uns die
Bundesregierung vorgelegt hat. Deshalb finde ich, dass sich CDU und SPD eigentlich nicht so über die Urheberschaft streiten müssen – weder über die Vaterschaft noch über die Mutterschaft.
Ich denke, diesmal geht es wieder einmal nur um eine bloße Erhöhung des BAföG. Aber eigentlich brauchen wir – da muss ich ausnahmsweise einmal Herrn Lindner recht geben –
eine qualitative Veränderung, eine grundsätzliche strukturelle Reform der Ausbildungsförderung. Das ist nicht geschehen, obwohl alle Fachleute eine solche Reform seit Langem fordern und es seit vielen Jahren bereits konkrete Vorschläge gibt, wie man so etwas auf den Weg bringen könnte.
Aus meiner Sicht ist dabei der wesentliche Punkt das Stichwort der Elternunabhängigkeit. Auf der einen Seite fordern wir von unseren Studierenden immer mehr Eigenständigkeit und wollen sie als gleichberechtigte Partner an den Hochschulen sehen. Ich erinnere an die Sichtweise der CDU und der FDP, nach der die Studierenden zukünftig sogar Kunden der Hochschule sein sollen.
Auf der anderen Seite ist es bei der Frage, wo die Studierenden das Geld für ihren Lebensunterhalt hernehmen sollen, plötzlich mit der Eigenständigkeit vorbei. Hier werden die Studierenden nach wie vor als unmündige Kinder ihrer Eltern behandelt, die die direkten und indirekten staatlichen Transferleistungen erhalten und entscheiden, was damit passieren soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das finde ich nach wie vor unsinnig und widersprüchlich.