Deswegen ist es ein legitimes Mittel der Politik, Branchen für allgemeinverbindlich zu erklären und in besonderen Fällen – da geht es um europäische Schutzinteressen – auch in das Entsendegesetz aufzunehmen.
Wie ist es jetzt mit dem Entsendegesetz in Deutschland? 1996 – damals war Helmut Kohl Bundeskanzler und Norbert Blüm Arbeitsminister – ist der Baubereich als erste Branche ins Entsendegesetz aufgenommen worden.
Dann hat sich in den Jahren der SPD-Regierung unter Herrn Schröder in der Frage der Allgemeinverbindlichkeit und der Aufnahme in das Entsendegesetz nichts mehr getan. Still ruhte der See! Man hat sich um das Thema nicht gekümmert.
Ich finde, die Grünen haben überhaupt keinen Grund, darüber zu reden. Denn immer dann, wenn sie an der Regierung beteiligt waren, ist in dieser Frage in Deutschland gar nichts geschehen.
Erst jetzt wieder, wo die Unionsparteien in Berlin die Kanzlerin stellen und erheblich an der Regierung beteiligt sind, sind zusätzliche Branchen ins Entsendegesetz aufgenommen worden, nämlich die Gebäudereiniger und jetzt mit dem Beschluss des Deutschen Bundestags und des Bundesrates – morgen werden wir darüber im Bundesrat sprechen – der Postbereich.
Sie wollen natürlich nicht hören, dass unter Herrn Schröder und unter Herrn Clement überhaupt keine Allgemeinverbindlichkeiten festgestellt worden sind. Immer dann, wenn Sie regieren, haben Sie dieses Instrument nicht genutzt.
Damit müssen Sie nun einmal leben. Es ist Ihre Erblast und nicht meine Erblast, über die ich hier reden will!
Es bleibt Bestandteil nordrhein-westfälischer Politik, Lohndumping zu verhindern und auch politische Instrumente einzusetzen, um die Tarifpolitik in unserem Land zu begleiten.
Deswegen habe ich in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zum Bund das Wachgewerbe und den Hotel- und Gaststättenbereich in die Allgemeinverbindlichkeit aufgenommen. Ich werde auch in dem vor uns liegenden neuen Jahr als Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen dafür arbeiten, dass wir in weiteren Branchen zu Allgemeinverbindlichkeitserklärungen kommen. Denn es gibt in Nordrhein-Westfalen noch Branchen, in denen wir eine Tendenz zu Lohndumping haben.
Es gibt einen weiteren Punkt, zu dem ich mich ganz klar bekenne und sich auch die Landesregierung bekennt: Die Frage, ob wir in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen gut leben können und ob wir wettbewerbsfähig sind, dürfen wir nicht über den Aspekt der niedrigen Löhne entscheiden, sondern die niedrigen Löhne sind ein „süßes Gift“ in der Wettbewerbsfähigkeit. Es kommt darauf an, dass wir Innovation und Qualität haben und der Wettbewerb über Verlässlichkeit und Vertrauen stattfindet und nicht über die Frage, wer die billigsten Arbeitnehmer findet. Das ist eindeutig unsere Position.
Deswegen werden wir uns in der Frage, was unseren Einsatz für eine gerechte Lohnfindung in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen angeht, von niemandem etwas vormachen lassen.
Jetzt will ich Ihnen einen weiteren Punkt nennen. Herr Kollege Schmeltzer, Sie haben angesprochen, dass die Landesregierung mit dem Briefzustelldienst von PIN Post versendet. Das ist richtig. Aber völlig klar ist, dass die Landesregierung zu Beginn des nächsten Jahres, wenn der Mindestlohn für den Briefzustellbereich gilt, dafür sorgen wird, dass selbstverständlich die Briefzusteller, die für die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen arbeiten, auch diesen Mindestlohn bezahlen.
Wir werden also diesen Mindestlohn bezahlen. Wir werden uns darum kümmern. – Außerdem ist es nicht so, dass die Firma PIN erst seit dem Zeitpunkt für die Landesregierung gearbeitet hat, als wir an die Regierung kamen, sondern schon vorher. Die Verträge kommen noch aus Ihrer Zeit.
Jetzt will ich einen weiteren Punkt deutlich nennen. Wir müssen in der Frage, weitere Branchen in die Allgemeinverbindlichkeit aufzunehmen, ganz sorgsam Gespräche führen. Es ist nicht einfach, Tarifvertragsparteien, die schon jahrelang nicht miteinander geredet haben, wieder an einen Tisch zu bekommen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass es zurzeit in Nordrhein-Westfalen keinen gültigen Tarifvertrag im Friseurhandwerk gibt.
Ich habe ein hohes Interesse daran, dass wir diese Branche wieder in eine Art der Lohnfindung bringen, wo man davon reden kann, dass wir gerechte Löhne haben. Weil wir das in dieser Landesregierung so sehen, werden wir morgen im Bundesrat den Postmindestlohn nicht ablehnen.
Wir werden ihn nicht ablehnen. Deswegen wird das Abstimmungsverhalten im Bundesrat so sein, dass wir nicht ablehnen. Nehmen Sie es einfach einmal zur Kenntnis!
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Passen Sie auf, dass Sie gleich, wenn Sie zurückgehen, nicht ausrutschen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Jetzt möchte ich gerne noch auf den Post- und Briefzustellbereich eingehen. Dass dieser Tarifvertrag allein mit dem Arbeitgeberverband Post gemacht worden ist und andere Arbeitsgeberverbände – egal, aus welchem Grund – an den Tarifverhandlungen nicht beteiligt waren, hat schon, um es vorsichtig auszudrücken, ein „Geschmäckle“. Das heißt, dass solche Tarifverträge, wenn ein wichtiger Teil der Branche nicht bei den Tarifverhandlungen vertreten ist, keine befriedende Wirkung haben.
In diesem Bereich ist natürlich nicht zu leugnen, dass der Post-Arbeitgeberverband, der im Wesentlichen nur aus einem Arbeitgeber besteht, sich in der Frage von Mindestlöhnen deswegen so schnell mit ver.di geeinigt hat, weil das etwas mit Wettbewerb in den sich jetzt öffnenden Briefmärkten zu tun hat. Das wollen Sie doch wohl nicht bestreiten. Deshalb ist dieses schon eine etwas
andere Materie, als wenn wir uns über andere Branchen unterhalten, in denen wir eine höhere Tarifbindung von verschiedenen Arbeitgebern haben.
Ich bin auch der Meinung, dass sich Herr Zumwinkel mit seinem Aktienpaket nicht gerade förderlich verhalten hat in der Frage, die Stimmung in unserem Land für Postmindestlöhne und für Allgemeinverbindlichkeiten zu stärken.
Ich bin der Meinung, dass man ein wenig Verständnis dafür haben muss, dass wir bezüglich des Postmindestlohns nicht mit Hurrafahnen durch das Land laufen, wie wir das in anderen Bereichen tun. Aber das ändert nichts daran, dass es eine kontinuierliche Fortsetzung der Politik der nordrhein-westfälischen Landesregierung gibt, die Tarifbindung in unserem Land weiter zu unterstützen und zu erhöhen. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Kleff hat den Ablauf der Mindestlohndebatte und die Positionierung der Parteien im Verfahren bereits umfassend dargestellt. Ich möchte mich deshalb auf wenige zusätzliche Bemerkungen zur ökonomischen Sinnhaftigkeit von Mindestlöhnen beschränken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach den Gesetzen der Physik fließt Wasser immer talwärts. Nach denen Gesetzen der Ökonomie gibt es nur so viel Arbeit, wie die Unternehmen bezahlen können. Es ist nach den Gesetzen der Physik sinnlos, dem Rhein zu befehlen, er möge bergwärts fließen. Ebenso sinnlos nach den Gesetzen der Ökonomie ist es,
wenn der Staat Löhne festsetzt, die Unternehmen für eine bestimmte Qualifikation am Markt nicht erwirtschaften können. Tut es der Staat doch, dann bauen die Unternehmen Arbeitsplätze ab. Der gerechte Lohn lässt sich in Zahlen ebenso
wenig ausdrücken wie der angemessene Gewinn. Ihn zu finden, ist in der sozialen Marktwirtschaft Aufgabe der Tarifparteien und von niemandem sonst. Dabei sind vor allem drei Kriterien zu beachten:
Die Aufnahme bestimmter Branchen in das Entsendegesetz halte ich grundsätzlich für sachgerecht. Im Falle des Postmindestlohns können wir allerdings nicht ausschließen, dass es den Tarifparteien mehr um den Schutz eines Monopolisten vor lästiger Konkurrenz denn um die Abwehr von Dumpinglöhnen aus anderen Bereichen geht.