Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/212

Zur Einbringung hat Herr Prof. Dr. Sternberg von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

(Unruhe)

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun kommen wir nach dieser hitzigen Debatte zu einem kleineren Thema.

(Anhaltende Unruhe - Glocke)

Meine Damen und Herren, ich darf bitten, etwas mehr Aufmerksamkeit dem Redner zuteil werden zu lassen und etwas leiser - am besten gar nicht - zu reden.

Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht einmal einen Monat her, dass hier in Nordrhein-Westfalen ein erstrangiges internationales Ereignis stattfand: der katholische Weltjugendtag in Köln 2005. - Fast schon vergessen.

Wer denkt jetzt im Wahlkampfgetöse drei Tage vor der Bundestagswahl noch an dieses Ereignis? Und trotzdem lohnt es sich, dieses Ereignis in Erinnerung zu behalten. Aus 188 Nationen kamen junge Leute in unser Land, 410.000 waren für die Tage vom 16. bis 21. August offiziell eingeschrieben - mehr als drei Viertel von ihnen kamen übrigens aus dem Ausland -, und 23.000 halfen freiwillig.

Es fanden nicht nur in den rheinischen Städten, sondern im Vorlauf auch in einer ganzen Reihe von anderen nordrhein-westfälischen Städten Veranstaltungen statt, darunter ein großer Tag mit sozialen Engagements.

Einen besonderen Akzent bekam das Treffen durch die erste Auslandsreise des neuen Papstes und den ersten Besuch in Deutschland von Benedikt XVI. Seinen Höhepunkt fand das Treffen am Abend des 20. August und am Morgen des 21. August auf dem Marienfeld, einem rekultivierten ehemaligen Braunkohlentagebau in Frechen/Kerpen; 270 ha groß, 125 ha davon genutzt. 800.000 junge Leute schliefen auf dem Gelände. Am Sonntagmorgen waren es dann 1,1 Millionen Menschen, die mit dem Papst Gottesdienst feierten.

Noch ein paar Zahlen: 8.263 Journalisten ließen sich akkreditieren, und neben dem WDR übertrugen 56 internationale Anstalten in 120 Länder Fernsehbilder. Am 21. August verfolgten weltweit 250 Millionen Menschen das Geschehen im Rheinland.

Aber das Eine sind die großen Zahlen, das Andere sind die Begegnungen, die von dem eindrucksvollen Besuch des Papstes in der Kölner Synagoge bis zu vielen einzelnen persönlichen Freundschaften unter bis dahin Fremden reichen.

Auf dem Gelände waren temporäre Wege angelegt worden, die voll rückbaufähig sind, um den Boden nicht zu sehr zu verdichten. Mit einem eigenen Konzept „Bewahrung der Schöpfung“ wurden ökologische Belange bei der Ausgestaltung des Marienfeldes besonders ernst genommen.

Blickpunkt auf dem Marienfeld war aber ein künstlicher Hügel, auf dem die Gottesdienste stattfanden. Es handelt sich um eine Erdaufschüttung mit einer Fläche von 13.900 m2 an der Basis und

3.000 m2 oben. Erde aus vielen Ländern wurde symbolisch eingebracht, ganz ähnlich der viel diskutierten künstlerischen Intervention von Hans Haake für das Reichstagsgebäude in Berlin. Nach 55 Tagen Bauzeit war der Hügel im Mai aufgeschüttet und ist nunmehr begrünt.

Meine Damen und Herren, mit diesem Ort verbinden sich positive Erinnerungen von über 1 Million Menschen, die hier das Erlebnis einer internationalen Begegnung in einem religiösen Erlebnis hatten. Es ist ein Akt einer richtig verstandenen Erinnerungskultur, dass dieser Ort erhalten bleibt. Diejenigen, die vielleicht nach langen Jahren wieder einmal nach Deutschland kommen, nach Nordrhein-Westfalen, werden hier den Ort besuchen, an dem sie eine - vielleicht zu kalte - Nacht verbracht haben, an dem sie mit vielen anderen Jugendlichen aus vielen Ländern gemeinsam feierten, den Papst erlebten und vielleicht auch Unannehmlichkeiten zu überbrücken hatten, wie sie ein solches Großereignis natürlich auch mit sich bringt.

Diese Erinnerungen verbinden sich mit unserem Land Nordrhein-Westfalen, und wir haben die Chance, diese Erfahrungen in der Erhaltung dieses Ortes zu lokalisieren.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Nun hat es Stimmen gegeben, dieser Hügel müsse ganz im Gegenteil möglichst schnell wieder abgeräumt werden. Allen Ernstes heißt es einen Tag nach dem Großereignis - ich zitiere -:

Die Landschaft, Tiere und Pflanzen haben genug gelitten unter dem Weltjugendtag.

Das sind dieselben Stimmen, die schon einmal den vielleicht viel besser geeigneten Platz bei Hangelar für dieses Ereignis verhindert hatten. Eine solche Argumentation ist eine Variante zu den rheinischen Feldhamstern und den westfälischen Bachneunaugen.

(Beifall von der CDU)

Das sind Argumentationen, mit denen unliebsame Vorhaben verhindert werden sollen. Es handelt sich auf dem Marienfeld aber nicht um einen Eingriff in die Natur, sondern um Gestaltung von Natur.

(Beifall von der CDU)

Das ist ein wichtiger Unterschied - unser gesamtes Land Nordrhein-Westfalen ist eine geschichtlich geprägte Kulturlandschaft -, ganz besonders wichtig für ein Rekultivierungsgebiet, wie es ein Tagebau nun einmal ist.

Ganz nebenbei würde das Abräumen des Hügels erhebliche Kosten verursachen. Etwa 5.000 LKWLadungen Kies müssten transportiert und entsorgt werden. Ein erstes Angebot belief sich auf annähernd 800.000 €. Mit einer solchen Maßnahme würden Natur und Erinnerung zugunsten eines mehr als fragwürdigen Begriffs von Natur zerstört.

Das Gelände gehört zurzeit der Weltjugendtags gGmbH, die es im Falle einer Nutzung als Erinnerungsort kostenlos übertragen würde. Zurzeit liegt das Gelände noch auf Kerpener und Frechener Gebiet. Klärungen der Zuständigkeiten sind aber offensichtlich möglich und vorgesehen. Gemeinsam mit den Kommunen, dem Kreis und dem Eigentümer soll sich die Landesregierung wegen der hohen Bedeutung dieses Ortes für die dortige Region und für unser gesamtes Land um eine gute landschaftspflegerische oder künstlerische Lösung bemühen. Wie das aussehen kann, wird den beteiligten lokalen, kulturellen und kirchlichen Stellen überlassen bleiben müssen.

Herr Kollege.

Zu wünschen wäre etwa ein Wettbewerb, vielleicht unter jungen Künstlerinnen und Künstlern, die eine Markierung des Erinnerns finden können. Jedenfalls wären der schlichte Altartisch und der karge Stuhl während der Feiern formale Zeichen, die eine Anregung sein könnten.

Ich komme zum Schluss. - Es gibt eine politische Verantwortung des Landes auch für positive Erinnerungen.

(Beifall von der CDU)

Diese können Anregung und Anstoß sein für internatonale Begegnung und Verständigung. Was gelungene Erinnerungskultur ist, zeigt uns das Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf beste Weise. Nur: Es bedarf der frühen Wahrnehmung des Erhaltungswerts, …

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.

… bevor der Hügel im aktuellen Eifer weggeräumt wird. Wir haben die Chance, in einer Region, die unter dem Tagebau wesentliche Teile Ihrer Geschichte verloren hat, einen markanten Punkt zu bewahren und zu neuer Identität beizutragen.

Herr Kollege.

Ich komme zum letzten Satz. - Dass das auch einen touristischen und ökonomischen Effekt haben wird, ist zwar nicht wichtigster Grund, soll aber auch nicht unerwähnt bleiben. Ich glaube, wir sollten hier die Chance zu einer Erinnerungskultur nutzen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Sternberg. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Freimuth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ziemlich genau vier Wochen erlebte die Stadt Köln, die umliegenden Städte und Gemeinden und unser Land insgesamt ein außerordentlich eindrucksvolles Treffen von Jugendlichen aus fast 200 Ländern. Zu Hunderttausenden waren sie angereist, um auf Einladung der katholischen Kirche unter dem Motto „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“ ihren Glauben zu feiern und miteinander zu diskutieren. Es wurde bis spät in die Nacht diskutiert, gemeinsam Musik gemacht, ausgelassen auf den Straßen getanzt, fröhliche Gesichter, bunte Fahnen aus aller Welt schmückten das Straßenbild: eine tolle Veranstaltung aufgrund des herausragenden Engagements vieler ehrenamtlicher Helfer und des hervorragenden Einsatzes unserer Polizei- und Ordnungsbehörden. Allen ehrenamtlichen Helfern im Namen des Hauses - das kann ich wohl für alle Fraktionen des Hauses sagen - ein herzliches Dankeschön!

(Allgemeiner Beifall)

Die Veranstaltung war eine tolle Visitenkarte für unser Land Nordrhein-Westfalen. In weltweit 45.000 Zeitungsartikeln und insgesamt 11.000 Fernsehminuten wurde über diesen Weltjugendtag berichtet. Ich war zu diesem Zeitpunkt in Seattle, State Washington, USA. Es wurde sogar in den amerikanischen Zeitungen - sogar auf Seite 1 - und in den CNN-Nachrichten darüber berichtet. Es war schon ein tolles Erlebnis, sagen zu können: In Nordrhein-Westfalen, wo ich zu Hause bin, findet eine solche Veranstaltung statt.

Der Höhepunkt waren ganz ohne Zweifel die beiden Gottesdienste unter Leitung von Papst Benedikt XVI. auf dem Marienfeld in Kerpen. Der zentrale Ort und der Blickpunkt dieser Feiern war ein aufgeschütteter Hügel.

Wie jedes Ereignis ging auch der Weltjugendtag zu Ende. Aber der Hügel blieb. Deswegen stellt sich insbesondere wegen der beträchtlichen Rückbaukosten die Frage: Was passiert mit die

sem Hügel? Wie kann er erhalten bleiben und eine gute Gelegenheit sein, die Erinnerung, die für viele Menschen mit diesem Ort verbunden ist, wach zu halten, aber auch durch eine Ausgestaltung zu einem Ort der Begegnung, des Miteinanders zu werden durch Kultur- und Freizeitveranstaltungen und internationale Begegnungen, die dort stattfinden könnten.

Wir sprechen uns dafür aus, dass dieser Hügel erhalten bleibt, dass wir gemeinsam mit den Eigentümern, den Kirchen, den Kommunen überlegen, wie wir diesen Ort erhalten und daraus einen Ort der Begegnung gestalten können.

Wir bitten dafür um Ihre Unterstützung. Wir werden im Hauptausschuss darüber noch eingehender beraten. Dort wird wohl auch zur Sprache kommen, welche Pläne die Eigentümer haben. Ich würde mich über eine gemeinsame Initiative des gesamten Landtags freuen,

(Beifall von FDP und CDU)

um diesen Begegnungsort zu erhalten. - Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Freimuth. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kuschke.