Meine Damen und Herren, wir haben gestern sehr intensiv über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gesprochen. Sind uns solche Aspekte egal? Geht es uns nur darum, dass ein Schüler Fachwissen auswendig gelernt hat?
Ist es uns egal, wenn sich dieser Schüler nebenher höchst respektlos gegenüber anderen Mitschülern verhält?
Wir reden zunehmend über Gewalt, Drogenkonsum und Ähnliches in unseren Schulen. Sind das Dinge, die uns bei der Erziehung egal sind, solange jemand für eine Prüfung sein Fachwissen gelernt hat?
Es geht doch in der Erziehung um ganzheitliche Ziele. Bildung und Erziehung sind zwei Seiten einer Medaille; sie gehören untrennbar zusammen.
Wir brauchen mehr Leistung und mehr Qualität, was die Fachlichkeit angeht. Schließlich zeigt PISA eindeutig, welchen Leistungsrückstand wir hatten. Uns reicht es aber ausdrücklich nicht aus, nur auf Fachleistung zu gucken. Denn Menschen sind keine Maschinen. Menschen sind soziale Wesen, die miteinander zusammenleben.
In diesem Zusammenhang ist auch die menschliche Interaktion wichtig. Denn es geht nicht nur darum, wer für welche Prüfung welches Wissen auswendig gelernt und in einer Arbeit reproduziert hat, meine Damen und Herren. Deshalb gehört ausdrücklich beides zusammen.
Das haben Sie in den höheren Altersjahrgängen verschwiegen. In den Grundschulen haben Sie es mit Verbalbeurteilungen gemacht, die viele Eltern nicht verstanden haben. Gerade Eltern aus bildungsfernen Hintergründen haben die Lehrer ihrer Kinder angerufen und gesagt: Im Grundschulzeugnis steht eine lange Verbalbeurteilung über mein Töchterchen. Was heißt das? Was wollen Sie mir damit sagen? – Jetzt gibt es Klarheit über eine Notengebung, die von Eltern und Schülern verstanden wird.
Meine Damen und Herren, die Notengebung ist ehrlich. Frau Schäfer, Sie haben doch selbst bei früheren Debatten über Kopfnoten hier im Hause gesagt: Jeder Lehrer, der eine Fachnote gibt, gibt damit auch ein Urteil über das Arbeitsverhalten im Unterricht ab. Das fließt doch entsprechend ein. – Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Unser System ist ehrlicher. Kopfnoten sind von den Schülern so beeinflussbar wie wenig anderes, was in der Schule bewertet wird.
Auch der Schüler, der mal eine Prüfung verhauen hat, der einen Blackout hatte, der, obwohl er sich vielleicht vorbereitet und gelernt hat, nicht seine Leistung zeigen konnte, hat die Gelegenheit, über einen kontinuierlichen Eindruck, der über das gesamte Schuljahr Tag für Tag erneut erbracht wird, zu dokumentieren, dass Arbeitswille, Bemühen und Fleiß vorhanden waren.
Ich finde es ausdrücklich richtig, dass ein Schüler, der mal schlechte Fachleistungen erbracht hat, trotzdem eine Chance hat, dokumentiert zu bekommen, dass er lernwillig war, ein gutes Sozialverhalten hat und sich anständig im Umgang mit seinen Mitmenschen verhalten hat, meine Damen und Herren.
Deshalb sind Sekundärtugenden und Kopfnoten ausdrücklich nichts, was Sie in die Ecke eines altertümlichen Denkens und verquaster Einstellung rücken können.
Sie sind hochmodern, weil sie insgesamt zeigen: Menschen sind vielfältig. Es kommt auf die Qualität in den Fachleistungen an, aber sehr wohl auch auf das Sozialverhalten im gegenseitigen Umgang. Das wird zukünftig transparent gemacht.
Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, so wie bei jeder Reform im Bildungsbereich: Wenn man viele Reformen durchführt, muss man evaluieren. Wir werden uns die Ergebnisse, die die jetzigen Entscheidungen mit sich bringen, gründlich anschauen und auswerten. Da, wo nachgesteuert werden muss, werden wir nachsteuern. Wer aber unser Land in der Bildungspoli
tik nicht reformiert, der fällt zurück, und das ist bei dem, was Sie hinterlassen haben, unverantwortlich.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Es ist die vorweihnachtliche Großzügigkeit, dass wir jetzt eine Minute und zehn überzogen haben. Ich würde das aber nicht zur Regel machen wollen; das ist meine Bitte einerseits. Andererseits noch einmal für Sie alle: Während der Aktuellen Stunde sind keine Zwischenfragen erlaubt. Deswegen nehmen wir auch keine entgegen.
Als nächste Rednerin hat sich für die Landesregierung noch einmal Frau Ministerin Sommer zu Wort gemeldet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was neu ist, löst immer Unsicherheit bei den Beteiligten aus; das ist leicht nachzuvollziehen. Man muss das Neue aber auch als eine Chance begreifen. Ich freue mich, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer diese neue Aufgabe durchweg ernst nehmen und sich mit dem neuen Instrument auseinandersetzen.
(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Das ist nicht neu! Das ist das Problem! Das ist Mittelalter!)
Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist doch eigentlich immer das Gleiche: Erst wird ein Horrorszenario aufgebaut wie beispielsweise bei den Schulbezirken, und dann geht doch alles reibungslos über die Bühne. Keine Probleme zum Beispiel bei den Einzugsbezirken.
Natürlich wird es – das versichere ich an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich – eine Evaluation der Kopfnoten geben. Wir werden alle Beteiligten fragen – Eltern, Lehrerinnen, Lehrer, die Schülerinnen und Schüler, aber auch die sogenannten Abnehmer. Dann werden wir weitersehen. Das heißt aber auch, dass wir das Instrument erst einmal erproben müssen. Darum werden wir die sogenannten Kopfnoten, wie im Schulgesetz vorgeschrieben, erteilen.
Allen Kritikern, allen Besserwissern und Nörglern rufe ich an dieser Stelle ein Bibelwort zu: „Tadle nicht, ehe du geprüft hast; zuerst untersuche, dann weise zurecht!“
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte noch eins aufgreifen, was uns Frau Beer und vorher auch Frau Löhrmann im weihnachtlichen Ambiente vorgestellt haben. Sie haben – darauf kann man sicherlich am letzten Plenartag vor Weihnachten zurückgreifen – ein „Donnerwort“ geprägt, nämlich gesagt: Lassen Sie es doch zu einer Generalamnestie kommen! Lassen Sie die Kopfnoten weg!
Generalamnestie hat nichts mit Generalamnesie zu tun. Das betrifft diejenigen, die ihre gute Erziehung vergessen haben und immer dazwischenbrüllen.
(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Jetzt kriegen wir Kopfno- ten zu Weihnachten!)
Meine Damen und Herren, wer zu einer Amnestie greift, muss jemanden haben, der vorher straffällig geworden ist. Ich sehe nicht, wer das sein sollte. Sie meinen doch nicht etwa die vielen Lehrerinnen und Lehrer, die in voller Kenntnis ihrer Verantwortlichkeit handeln, die individuell fördern, sich um die Ganzheit des Schülers als Persönlichkeit kümmern, diesen in den Blick nehmen und in dieser Verantwortung Kopfnoten finden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde ist eines deutlich geworden: Sie haben in NordrheinWestfalen ein Problem mit den Kopfnoten, sind aber nicht in der Lage, das zuzugeben. Sie reden drum herum.