Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Um es gleich am Anfang zusammenzufassen: Kopfnoten sind überflüssig wie ein Kropf.
Die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern wissen das ganz genau. Kopfnoten sagen nichts über Kompetenzen aus. Man maßt sich darüber an, über eine Persönlichkeit urteilen zu können. Wer meint, mit Kopfnoten soziale Kompetenzen beschreiben zu
Bei Kopfnoten schlägt das durch, was aus dem Elternhaus mitgebracht wird. Was Kopfnoten bewerten, wird in der Schule gar nicht systematisch vermittelt. Aber Kopfnoten haben immer auch einen gewissen „Nasenfaktor“: Passt mir die Nase oder passt sie mir nicht?
Kopfnoten benachteiligen Kinder, die zu Hause keine Arbeitshaltung vermittelt bekommen, wenig Arbeitsruhe finden oder keine hilfreiche Strukturierung des Tages erleben. Kopfnoten benachteiligen die Kinder, in deren Familien die Schule einen geringen Stellenwert hat.
Ich sage hier ganz klar: Wir Grüne stehen für die Entwicklung von Sozialkompetenz, für das Lernen von Arbeitstechniken. Wir stehen für das Vermitteln einer förderlichen Arbeitshaltung und für Rückmeldungen, die Entwicklung und Lernen weiterbringen. Aber genau darum geht es bei Kopfnoten gar nicht.
Nennen wir das Kind doch einmal beim Namen: Es ging nur darum, eine weltanschauliche Positionierung Ihrer Schulpolitik gegenüber Ihrer Klientel hinzubekommen. Über Kopfnoten lässt sich so schön am Stammtisch reden. Auf dem Niveau bewegen sich Kopfnoten.
Da haben Sie den Schulen eine schöne Bescherung bereitet. Die Kopfnoten sind eine Zumutung aus der pädagogischen Mottenkiste für die Schulen, die Unterstützung in der Bildungs- und Erziehungsarbeit und keine bürokratische Beschäftigungstherapie brauchen, die ihnen nämlich die Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben stiehlt. Deshalb begehren die Schulen auf.
Was macht die Ministerin? – Sie versucht sich in der Vorweihnachtszeit als Knecht Ruprecht und droht mit der Rute der Schulaufsicht.
Aber die Schulen glauben weder an den Weihnachtsmann noch daran, dass Kopfnoten Sinn machen. Deswegen erfinden Sie ganz kreativ eigene Wege, mit dem bürokratischen Monster und
pädagogischen Unfug umgehen zu können. So gibt es inzwischen regionale Absprachen zwischen Gymnasien dahingehend, dass ein bestimmter „Grundwert“ für die Kopfnote in der Schule anzusetzen und nur bei großen Auffälligkeiten davon abzuweichen sei.
Pech ist nur, dass die Einheitsnote in Dortmund „gut“ und in Düsseldorf oder Köln „sehr gut“ ist. Zu Recht fühlen sich die Schülerinnen und Schüler verschaukelt und benachteiligt, wenn diese vom Ministerium verordneten untauglichen Kopfnoten Zeugnisse schmücken und sie sich damit bewerben und in der Konkurrenz behaupten müssen. Wenn Gymnasien davon sprechen, „gut“ oder „sehr gut“ sei an ihrer Schule der angemessene Grundwert, dann frage ich Sie, was andere Schulformen annehmen sollen. Ich kann nur alle Schulen in diesem Land ermutigen, zu ihren Kindern zu stehen und zu sagen, unsere Kinder sind in Ordnung, wie die Förderschulen das von Anfang an gemacht haben. Das halten wir ganz genauso. Der Unfug der Kopfnoten muss weg.
Frau Ministerin, Sie sind einmal angetreten zum Wohl der Schülerinnen und Schüler, nicht zum Wohl von Kopfnoten. Ist Ihnen, die Sie diesen Unfug zu verantworten haben, eigentlich klar, dass Kopfnoten zur Strafe für Kinder mit Handicap werden? In der Logik der Kopfnoten gibt es nämlich für Kinder mit ADHS, also Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder Hyperaktivitätsstörung, keine Sonderregelung im Sinne eines Nachteilsausgleichs. Das heißt, gesundheitliche Beeinträchtigungen werden von dieser Landesregierung durch Noten abgestraft.
Kopfnoten können in der Tat – ich sage es zugespitzt – zu einem Kainsmal werden, das man mit sich durch das Leben trägt. Sie bleiben ein Attribut auf den Zeugnissen, egal ob sich junge Menschen weiterentwickeln oder nicht. Nur Noten auf Abgangszeugnissen können nach Angabe des Ministeriums beklagt werden. Aber Schüler und Schülerinnen bewerben sich nicht erst mit Abgangszeugnissen. Die untauglichen „Kopfnöte“ – ja, ich spreche von „Kopfnöten“, die sich bei Schülerinnen und Schülern entwickeln –, also die Kopf
noten können Berufsperspektiven kaputt machen. Man kann sich lediglich bei der Schulleitung darüber beschweren, wenn einem die Kopfnote auf einem Nichtabgangszeugnis nicht passt. Das ist ein Skandal. Die Schülerinnen und Schüler bekommen diese Note einfach nicht weg.
Diese Noten sind nicht justiziabel, beeinträchtigen aber den Lebensweg von Kindern und Jugendlichen. Es ist also kein Wunder, dass Grundsatzklagen dazu erwogen werden.
Kopfnoten bedeuten immense Mehrarbeit für pädagogischen Unfug, 180 Noten im Halbjahr zusätzlich für 30 Schüler und Schülerinnen. Die GEW spricht zu Recht von einem Aufwand von ca. 1.100 Lehrerstellen. Das ist noch sehr freundlich gerechnet.
Die Lehrkräfte sollten ihre Energien in die individuelle Förderung von Kindern stecken und nicht in Kopfnoten. Aber Herr Kaiser sagt ja immer so gerne – und dann geht es eigentlich gar nicht so sehr um die individuelle Förderung der Kinder –. es gehe um die individuelle Förderung der Lehrkräfte, damit die einmal miteinander über die Schüler und Schülerinnen ins Gespräch kommen und Teamentwicklung lernen. Nachtigall, ick hör dir trapsen! Kopfnoten sind also eine Erziehungsmaßnahme für Lehrkräfte und eine Kompensation dafür, dass Sie die Fortbildungsmaßnahmen kaputt gemacht haben und nichts mehr im Land stattfindet. Das ist doch sehr entlarvend.
Dazu gibt es noch das Sahnehäubchen. Die Kopfnoten sind nämlich ein typischer Fall von WEW. Kennen Sie die Abkürzung? – WEW steht für Winands Erlasswahnsinn.
Dem Protest der Lehrkräfte gegen diese unsinnige Mehrarbeit versucht nämlich der Staatssekretär, mit einem Erlass aus heiterem Weihnachtshimmel zu begegnen. Plötzlich kann ein ganzer Konferenztag beschlossen werden. Der damit verursachte Unterrichtsausfall spielt auf einmal keine Rolle mehr. Eltern- und Schülerberatungstage, Kollegiumsfortbildungen wurden zwangsabgesetzt. Für die Kopfnoten mit null Aussage darf tageweise Unterricht ausfallen. Das macht fast 7.000 Tage in Nordrhein-Westfalen aus. Dies produzieren Sie mit diesem Schulgesetz. Das ist wirklich Unfug.
Jetzt wehren sich auch die kirchlichen Schulträger gegen den Kopfnotenzwang. Das christliche Menschenbild sei nicht mit einem System vereinbar, das die Persönlichkeit in Schulnoten messen wolle. Die Freiheit, die den kirchlichen Schulen zusteht, auch wenn der Staatssekretär das immer noch bestreitet, ist genauso den staatlichen Schulen, den öffentlichen Schulen einzuräumen.
Frau Ministerin, Sie können den Schulen endlich das Geschenk machen, das sich die Schulen schon auf der ersten Gütesiegelveranstaltung ausdrücklich von Ihnen und vom Ministerpräsidenten gewünscht haben: Erlösen Sie die Schulen hier und heute von den Kopfnoten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Beer, eine Bitte vorweg – Sie wissen, dass ich durchaus Humor habe und nicht alles bierernst sehe –: Wenn Sie mich zitieren, dann richtig oder lassen Sie es sein. Was Sie eben gemacht haben, das war nicht in Ordnung.
Wir haben es nicht anders erwartet, als dass die Frage der Kopfnoten zu einer kontroversen Auseinandersetzung werden würde, denn diese Fragestellung eignet sich wie kaum eine andere zur tagespolitischen Debatte. Diese Aktuelle Stunde und vor allem die begründenden Anträge sind der Beweis dafür. Bei keiner anderen Frage habe ich je erlebt, dass die Beurteilung zwischen Praxis und Interessenvertretungen stärker auseinanderfiel als bei den Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten. Die heutige Aktuelle Stunde ist Beleg dafür, dass die öffentliche Hysterie – es ist ja schon fast klamaukhaft, was hier vorgetragen wurde, Frau Beer – der einschlägig Interessierten
Deshalb zur Sache: Bei den Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten sind zunächst zwei Dinge festzustellen. Beurteilungen zum Arbeits- und Sozialverhalten auf Zeugnissen sind nicht grundsätzlich neu; die Vorgängerregierung hatte sie bereits eingeführt. Neu ist aber deren Verbindlichkeit, neu ist das Zusammenfassen in Ziffernnoten und neu ist, dass die Ziffernnoten um beschreibende Beurteilungen ergänzt werden können. Das sind die Fakten, von denen wir reden.
Zur Zielsetzung der Kopfnoten sei gesagt: Der immer und stets laute Ruf nach mehr Erziehung und nach Erziehung zur Verantwortlichkeit in der Schule wird regelmäßig wiederholt. Beides wird nicht zuletzt von Kirchen und gesellschaftlich verantwortlichen Gruppen öffentlich eingefordert. Es geht um die Vermittlung von Werten und Verhaltensweisen, die ein besseres gesellschaftliches Miteinander ermöglichen und dem Einzelnen zusätzliche Chancen eröffnen. Die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten sind somit Teil der Innovationsstrategie unseres Bildungssystems. Wir wollen den erzieherischen Auftrag der Schule wieder stärker in den Blick nehmen