Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber, Herr Ministerpräsident, mittlerweile sind Sie auch unter die „Heuschreckenjäger“ gegangen. Vor drei Jahren haben Sie diesen Begriff, als Franz Müntefering ihn benutzt hat,

(Minister Armin Laschet: Da war er auch falsch!)

noch in die Nähe des Staatssozialismus gerückt. Vor lauter Kampfrhetorik übersehen Sie jetzt offensichtlich, dass Sie mit der Privatisierungsheuschrecke FDP koalieren. Auch wenn Sie es nicht mehr so gerne in den Mund nehmen: Nach wie vor ist die Losung „Privat vor Staat“ Regierungshandeln dieser schwarz-gelben Koalition.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und Herr Papke hat eben deutlich gemacht, was er meint.

Meine Damen und Herren, eine verlässliche Zukunftsperspektive hat die WestLB mit der Helaba nicht. Es ist nur eine vage Absichtserklärung zwischen dem Bittsteller Rüttgers und dem hoffentlich zukünftigen Ex-Ministerpräsidenten Koch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dem wird auch Ex-Ministerpräsident Clement nicht helfen. Dazu nur ein Satz: Wer so viele Baustellen hinterlassen hat und für so eine alte Standort- und Energiepolitik steht wie das Fossil Clement, der sollte über die Zukunftsfähigkeit eines Landes besser schweigen. – So weit an die Adresse von Wolfgang Clement.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Das war euer Koalitionspartner!)

Zurück zur WestLB! Herr Dr. Linssen, glauben Sie wirklich noch an die Fusion mit der Helaba als einer Variante auf Augenhöhe, von der Sie eben geredet haben? Da müsste die Helaba schon ganz schön in die Knie gehen, bevor sie Ihre Augenhöhe erreicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Sie haben die WestLB abgewirtschaftet. Ich verspreche Ihnen eins: Ihre Vorschläge zur Lösung der Kapitalkrise der WestLB werden wir uns sehr genau ansehen. Und wenn, wie im WDR-Klartext angedeutet, der weitere Verkauf von Landesvermögen als Ausweg angesprochen wird, dann ist das wirklich keine gute Alternative. Denn dann müssten am Ende die Sozialmieterinnen und -mieter für die katastrophalen Zockereien der Börsenspekulanten bezahlen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dann, Herr Rüttgers, können Sie sich auf eine harte Auseinandersetzung gefasst machen. Dann entpuppt sich Ihre Sozialrhetorik ein weiteres Mal als das, was sie in Wirklichkeit ist: Maskerade.

Auch das ist bezeichnend: Als am Sonntag in einem Krisengespräch um die Zukunft der Bank gerungen wurde, haben Sie laut „Westfalenpost“ Ihren – ich zitiere – „Neujahrsempfang im Stil einer amerikanisch-pathetischen Wahlkampf-Party“ zelebriert. Weiter heißt es: „Auf die NRW-Hymne folgt auf der Leinwand ein Bilderreigen mit einem Motiv: ‚Rüttgers, Rüttgers, Rüttgers’.“ Ich habe mir sagen lassen, dass das selbst einigen Ihrer Anhänger ein bisschen zu weit ging.

(Zuruf von der SPD: Mehr als peinlich!)

Meine Damen und Herren, aus der für heute geplanten Feierstunde mit viel Weihrauch, Dank und Klatscherei über die gute Wirtschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen, vermeintlich infolge des Regierungswechsels im Mai 2005, ist nichts geworden. So schnell fällt einem die Wirklichkeit auf die Füße. Wer sich so hochjubelt und überhöht, der fällt dann auch sehr tief.

Für Ihre Hochglanzbroschüren und Festveranstaltungen können sich die Menschen in unserem Land nichts kaufen, Herr Ministerpräsident. Wir und die Menschen erwarten von Ihnen weniger Inszenierung und mehr ernsthaftes Bemühen, die wichtigen Aufgaben des Standorts NordrheinWestfalen systematisch und nachhaltig anzugehen. Ich hoffe, Herr Ministerpräsident, dass Sie

uns gleich mehr bieten als die Beschimpfung der Opposition. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Vielleicht guckt er Sie auch mal an!)

Vielen Dank, Frau Löhrmann. – Für die Landesregierung spricht jetzt Ministerpräsident Dr. Rüttgers.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu der aktuellen Lage Stellung nehme, will ich einige wenige Bemerkungen zum bisherigen Ablauf dieser Debatte machen.

Frau Kraft, Sie sind nach meiner Einschätzung der Versuchung erlegen, die Not der Menschen in den betroffenen Firmen für parteipolitische Ziele ausnutzen zu wollen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das war ja wohl nichts!)

Und Frau Löhrmann hat sich erdreistet, auch noch den hessischen Wahlkampf in diese Debatte hineinzuziehen. Das hat kein Format. Sie haben kein Format, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Sie haben kein Format!)

Ich habe genau zugehört, ob unter all den Angriffen und auch all den Verdrehungen irgendwelche konkreten Alternativen und Vorschläge sind.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie regieren!)

Ich habe mitgeschrieben: kein Frühwarnsystem, kein Plan, kein Plan für die WestLB, keine Verhandlungsstrategie für Nokia.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wenn Sie mitge- schrieben haben, dann wissen Sie es ja jetzt! Dann halten Sie sich daran!)

Das waren die Vorwürfe. Das sind aber keine Alternativen. Denn diese Forderungen zeigen ein bestimmtes Bild, das vielleicht irgendwann einmal, vor langer, langer Zeit, eine Antwort auf krisenhafte Entwicklungen in der Wirtschaft sein konnte, das aber garantiert unter den Bedingungen der Globalisierung ein überholtes, ein veraltetes Konzept im Geiste beinhaltet, nämlich zu glauben, man könne als Staat, man könne als Landesregierung, man könne als Bundesregierung, man könne als Landtag mit irgendwelchen Plänen, mit irgendwelchen Systemen wirtschaftliche Entwicklungen, getrieben durch die internationalen Finanzmärkte, vorhersehen und im Anschluss bekämpfen. In Wahrheit

steht hinter all diesen Begriffen nichts anderes als die Vorstellung – Sie haben das ausdrücklich unter Hinweis auf diese 10 %, die man hätte liegen lassen sollen, gesagt –, dass man dann losläuft und subventioniert, subventioniert, subventioniert und versucht, damit etwas zu lösen. Nokia ist doch gerade der Beweis, dass das nicht auf Dauer funktioniert, meine Damen und Herren!

(Beifall von CDU und FDP – Marc Jan Eu- mann [SPD]: Das ist Quatsch!)

Dann stellen Sie sich hierhin und klagen gleichsam mit Tränen in den Augen – im übertragenen Sinne – darüber, dass da Menschen sind, die jetzt Angst haben, und bestreiten, nachdem Sie darauf hingewiesen worden sind, dass Sie selbst, die SPD-Fraktion, vertreten durch ihre Sprecherin, vom Abbau von 1.500 Jobs bei der WestLB gesprochen haben.

(Gisela Walsken [SPD]: Zitieren Sie doch mal richtig!)

In der „Bild-Zeitung“ stand am 28. November 2007: SPD-Politikerin sicher: Bei der WestLB fallen 1500 Jobs weg.

(Gisela Walsken [SPD]: Und jetzt den Text!)

Es stimmt doch! Sie reden nicht nur die WestLB, Sie reden den Standort Nordrhein-Westfalen systematisch schlecht!

(Gisela Walsken [SPD]: Den Text! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Weiterlesen!)

Sie haben Lust an der Krise! Das werfe ich Ihnen vor! Lust an der Krise!

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Lesen Sie zu Ende! Das ist feige!)

Wie war das doch noch vor wenigen Tagen anders, als wir zusammen das Gespräch mit dem Betriebsrat im Nokia-Werk in Bochum geführt haben. Wie hörte sich das damals noch an, als wir da gesessen haben, als wir darüber nachgedacht haben, wie man es schafft, den Menschen zu helfen, den Standort zu sichern. Damals haben Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher und Ihre Parlamentarische Geschäftsführerin nach diesem Gespräch ausdrücklich festgestellt, dass wir eine gemeinsame Strategie haben und dass richtig ist, was wir dort vorgeschlagen haben. Es ist völlig klar, dass diese Strategie bei Nokia auch heute noch gelten muss. Das Erste und Wichtigste ist Solidarität mit den Betroffenen. Deshalb war der gestrige Tag mit der Demonstration in Bochum auch ein guter Tag für Bochum.

(Beifall von CDU und FDP)

Es war richtig, sich zuerst einmal darauf zu konzentrieren, die Gesprächsblockade aufzulösen. Gespräche wurden ja nicht nur mit der Politik, sondern auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit dem Betriebsrat im Nokia-Werk Bochum verweigert. Die ersten Gespräche haben gestern vom Betriebsrat in Helsinki stattgefunden. Gespräche mit der Wirtschaftsministerin sind verabredet.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Von Ihnen war da nie die Rede!)

Es war richtig, diese Gesprächsblockade aufzulösen, um überhaupt eine Chance zu bekommen, etwas für die Menschen zu tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Es war und ist richtig, zuerst einmal zu versuchen – auch heute noch –, so viele Arbeitsplätze wie möglich am Standort Bochum zu retten, damit die Menschen dort weiter arbeiten können.

(Beifall von der CDU)

Da nützt das ganze Gerede über Pläne und Subventionen überhaupt nichts.