Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Düker, natürlich kann ich, wenn Sie es wünschen, heute noch einmal sagen, dass wir nicht für die nachträgliche Sicherungsverwahrung von Jugendlichen sind. Das werden wir nicht mitmachen. Das ist aber auch nicht hier zu entscheiden, sondern in Berlin. Ich kann Ihnen aber versichern, dass auch unsere Berliner Parteifreundinnen und Parteifreunde auf dieser Linie sind.
Meine Damen und Herren! Herr Jäger, ich fand es etwas traurig, dass Sie Ihren Wortbeitrag, mit dem Sie ein wichtiges Thema behandeln, einzig darauf gestützt haben, die ganze Zeit über ein Mitglied der Landesregierung anzusprechen, anstatt sich primär damit auseinanderzusetzen, was in der Sache vorgesehen und nötig ist.
Insofern fand ich es zwar interessant, wie Sie auch im Rechtsausschuss die Chronologie von Presseerklärungen wiederholt haben, aber für die Zuhörerinnen und Zuhörer in diesem Saal ist es wichtig zu wissen, wo Sie eigentlich stehen.
Da kann ich für die FDP-Fraktion sagen: Wir sind für eine konsequente und zügige Ahndung von Straftaten. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass, wenn wir über verschiedene Instrumentarien beim Jugendstrafvollzug und bei der Vermeidung von Jugendkriminalität sprechen, man meint, wir wollten nicht dafür Sorge tragen, dass in Zukunft weniger Straftaten geschehen, dass Opfer geschützt werden und dass auch geahndet wird, meine Damen und Herren. Das will ich vorneweg ganz klar sagen.
Aber – darin unterscheiden wir uns von einigen Stimmen, die wir aus anderen Parteien und Fraktionen gehört haben, ganz eindeutig – die FDP will keine sogenannten Erziehungscamps.
Denn mit diesem Begriff wird suggeriert, dass man eine Anstalt amerikanischen Vorbildes meint. Es ist ein Schlagwort. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Kollegen aus der CDU-Fraktion, dass sie sich im Konkreten etwas anderes darunter vorstellen.
Aber die Öffentlichkeit denkt an etwas anderes. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir darauf Rücksicht nehmen müssen, was die Öffentlichkeit denkt; dementsprechend nehmen wir diesen Begriff nicht in den Mund. Wir sind für Erziehungshilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.
Denn jedes Modell, das auf Drill setzt, setzt letztendlich darauf, jemanden zu erniedrigen und seinen Willen zu brechen. Wir aber möchten, dass Menschen diese Einrichtungen verlassen, die in Zukunft auch frei Entscheidungen treffen können. Wer frei eine Entscheidung treffen können soll, dem kann ich nicht vorher seine freie Willensbildung nehmen. Wir meinen, das wäre der falsche Weg.
Diesen Weg haben wir schon seit dem Jahre 2003 beschritten. Der Kollege Horst Engel an erster Stelle hat mit anderen zusammen das Projekt „Menschen statt Mauern“ auch hier im Landtag vorgestellt und Anträge formuliert. Leider haben insbesondere die damaligen Regierungsfraktionen diese Anträge abgelehnt. Wir wären, meine Damen und Herren, heute schon viel weiter, wenn
Sie damals den Weg mitgegangen wären, anstatt sich jetzt darüber zu beschweren, dass wir keine entsprechenden Einrichtungen und Plätze haben.
Wenn man dann den Fokus einmal etwas weg von Bedburg-Hau nimmt und fragt, was sonst im Jugendstrafvollzug zu regeln ist, dann brauchen wir allerdings – darin unterscheiden wir uns von den Grünen und von der SPD, aber nicht von der CDU – einen Warnschussarrest. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass ein Jugendlicher, der eine kleine Tat begangen hat, Arresttage bekommt, während ein Jugendlicher, der einen Raub und damit ein Verbrechen begeht und in aller Regel automatisch eine Bewährungsstrafe bekommt, das als eine Bestrafung empfindet, bei der nichts passiert. Derjenige, der schwarzfährt, bekommt etwas aufgebrummt, aber derjenige, der einen Raub begeht, bekommt „aus Sicht des Jugendlichen“ im Ergebnis nur Bewährung.
Und das geht ja noch weiter. Derjenige, der bei einem Raub geholfen hat, bekommt als Strafe einen Arresttag, und der Haupttäter bekommt eine Bewährungsstrafe. Sehr häufig wird von den jungen Menschen eine reine Bewährungsstrafe als eine Nichtbestrafung angesehen. Es wird nicht realisiert, dass irgendwann etwas folgen kann.
Deswegen sind wir der Ansicht, dass man, weil das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, dass man Arrest- und Bewährungsstrafe nicht zusammen verhängen kann, solange die Gesetze nicht geändert sind, diese Gesetzeslücke schließen sollte, um spätere Haftstrafen, lange Haftstrafen, die häufig einen negativen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben, zu vermeiden. Dafür brauchen wir den Warnschussarrest. Das ist also etwas, was wir den jungen Menschen geben, und nicht etwas, was sie in schlimmere Bahnen bringen soll.
Wir als FDP setzen des Weiteren darauf, die Jugendstrafe als solche nicht heraufzusetzen. Wir wollen aber eine Umwandlung des bisherigen Systems. Wir möchten, dass zukünftig die über 18-Jährigen in der Regel nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Gleichwohl möchten wir die Instrumentarien der Jugendgerichtsgesetze anwenden können, was im Moment nicht möglich ist. Darüber hinaus wollen wir zukünftig bei der Strafzumessung die Einsichtsfähigkeit, die Reife berücksichtigt sehen. Damit wären wir auch nach unserem Modell über den Zeitraum der bis 21Jährigen hinaus. Wir wollen es auf 24 bis 26 Jah
Alles in allem hat die Landesregierung insbesondere im Bereich der Jugendkriminalität viel gemacht. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass vor 2005 in diesem Bereich etwas passiert ist.
Nein. – Wir haben sehr vieles auf den Weg gebracht. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung, das Justizministerium und das Innenministerium haben sich zusammengesetzt und einen 20-Punkte-Katalog aufgestellt. Hier ist also vieles in Bewegung geraten. Darüber hinaus haben wir Jungtäterabteilungen im Erwachsenenstrafvollzug, und wir bauen eine Jugendstrafvollzugseinrichtung, für die Sie übrigens nicht das Geld bewilligt haben. Hier muss man sich einmal fragen, wie das zusammenpasst, auf der einen Seite darüber zu reden, dass man Haftplätze braucht, und auf der anderen Seite das Geld dafür nicht zu bewilligen.
Unser Konzept hingegen ist stimmig. Wir diskutieren nicht über Begrifflichkeiten im Primären, sondern wir wollen etwas umsetzen. Mir ist die Debatte über einzelne Ministeräußerungen es nicht wert, hier näher darauf einzugehen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Müller-Piepenkötter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Beginn der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Problem der Gewalt unter Jugendlichen, um den Abgeordneten Jäger zu zitieren, der Beginn einer entschiedenen und konsequenten Bekämpfung der Jugendkriminalität datiert in Nordrhein-Westfalen auf den Mai 2005.
an möglichst wertfreier Jugend- und Familienpolitik und an einer von Starrsinn und jeglicher Realitätsferne geprägten Multikulti-Ideologie
den Kindern und Jugendlichen unseres Landes angetan haben, stellen Sie, liebe Frau Löhrmann, mit Ihrem Antrag und Sie, Frau Düker, mit Ihrem an der Realität und der wissenschaftlichen Diskussion nicht haarscharf, sondern meilenweit vorbeigehenden Wortbeitrag ein beredtes Abschluss- und zugleich beschämendes Armutszeugnis aus.
Sie führen in Ihrem Antrag als Ursachen für Jugendkriminalität ausdrücklich die – ich zitiere – „schlechte soziale Lage der Familien“ und die – ich zitiere – „geringen schulischen Bildungschancen und Schuldistanz“ auf. Damit beschreiben Sie doch nur die bitteren Früchte Ihres jahrelangen sorglosen Umgangs mit den wirklichen Nöten und den essentiellen Bedürfnissen der jungen Menschen und Familien. Die äußerste Brutalität junger Gewalttäter liegt doch mitursächlich in nie vermitteltem Respekt und in einer nie erlernten Empathie gegenüber anderen, insbesondere älteren Mitmenschen begründet.
Gerade Respekt und Empathie sind es, die unter der Werteerosion nachhaltig gelitten haben. Dort, wo Werte, das Wertvolle, das Besondere nicht mehr vermittelt werden, wo alles nivelliert und gleichgemacht wird, da wird im wahrsten Sinne des Wortes alles gleichgültig und damit beliebig und schließlich wertlos.
Sie dürsten sogar danach. Wenn es um Werteerziehung geht, so haben SPD und Grüne die Kinder und Jugendlichen in unserem Land im Stich gelassen.