Seien Sie deswegen ganz vorsichtig, wenn Sie über Liberalismus und über Freiheit reden! Sie schaffen wirklich nur die Freiheit für die Stärkeren, die sich das erlauben können. Ihnen liegt nichts an der Chancengleichheit in diesem Land.
Deshalb kommen Sie das nächste Mal bitte ganz in Lila. Das ist die Farbe der Gestörten, hat die Ministerin gesagt.
Danke schön, Frau Beer. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weitere Wortmeldung vor. Daher können wir jetzt zum Schluss der Beratung kommen.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/5784 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend – sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung
erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer enthält sich? – Wer ist dagegen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Ich weise darauf hin, dass dieser Antrag gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b der Geschäftsordnung vom Plenum an den Rechtsausschuss überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Diese Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses liegen nun vor.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vorletzten Jahr haben wir von den Plänen der Landesregierung erfahren, die Zahl der Amtsgerichte und weiterer Gerichte hier in Nordrhein-Westfalen zu reduzieren. Im Einzelnen sollen im Rahmen einer Organisationsreform die Amtsgerichte Mönchengladbach-Rheydt, Duisburg-Hamborn, Duisburg-Ruhrort, Essen-Borbeck, Essen-Steele, GelsenkirchenBuer und Herne-Wanne sowie ein Landesarbeitsgericht und ein Finanzgericht dran glauben.
Die Prüfung dauerte Monate. Ergebnisse sind teilweise vorgestellt worden. Ich frage Sie aber, Frau Ministerin: Warum? Warum dieses Verfahren? Warum eine Änderung in diesem Bereich? Soll es eine Reform um der Reform willen sein?
Bis heute haben wir von Ihnen in zahlreichen Ausschussberatungen zu diesem Thema noch kein einziges stichhaltiges Argument gehört, welche Vorteile eine Reduzierung der Zahl der Amtsgerichte hier in Nordrhein-Westfalen denn haben soll – kein einziges Argument für Ihre Ideen.
nämlich, dass es durch die Schließung eines Gerichts in Herne zu jährlichen Mietmehrkosten von 300.000 € kommen wird. – So weit das Ergebnis Ihrer Überprüfungen.
Frau Ministerin, groß ist nicht gleich besser, schneller und billiger. Ich glaube, da irren Sie sich.
Ich spare mir an dieser Stelle auch, zahlreiche Stellungnahmen zu Ihrem Vorhaben vom Deutschen Richterbund, vom Bund der Rechtspfleger, von zahlreichen Gerichten und von Oberlandesgerichtspräsidenten, Resolutionen von Stadträten sowie Schreiben und Eingaben von Oberbürgermeistern und Gemeinderäten zu zitieren.
Ich erspare Ihnen aber nicht die Anmerkung, dass Sie mit Ihrer Prüfung seit anderthalb Jahren unnötig Personal in Ihrem Hause gebunden haben und unnötig Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gerichten über die Zukunft ihrer einzelnen Standorte verunsichert haben.
Wir sind der Auffassung, dass sich die bisherige Gliederung der Gerichtsstruktur – einige der betroffenen Gerichte haben ja vor einigen Jahren ihre 125-Jahr-Feier gehabt – bewährt hat. Kleinere und mittelgroße Gerichte bedeuten mehr Bürgernähe und effektives Arbeiten. Das sagt übrigens auch schon das Kienbaum-Gutachten aus den 90er-Jahren. Gerade darin sind zu große Behördenstrukturen eindeutig kritisiert worden.
Dazu muss man wissen, dass bei Präsidialgerichten in der Führung und Leitung Zwischenebenen eingezogen werden müssen, um solche Behörden organisatorisch vernünftig aufstellen zu können. Daher haben sich gerade mittlere und kleine Gerichte als sehr effektiv erwiesen.
Unsere Gerichte in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten zehn, 15 Jahren gut ausgestattet worden. Sie sind mit neuer Technik versehen und arbeiten gut.
Was passiert, wenn Sie Standorte aufgeben? Wir haben an vielen Standorten ungeklärte Nachfolgenutzungen. Was soll mit den Gebäuden passieren? Stattdessen müssten wir in neue Erweiterungsbauten an anderen Stellen investieren. All dies kann wirtschaftlich doch nicht sinnvoll sein. Aber auch nach anderthalb Jahren Prüfung haben Sie uns dazu noch keine konkreten Zahlen genannt.
und in den Stadtzentren wichtige Standortfaktoren. Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Bauminister Wittke! Er reist durchs Land und macht Reklame für „Ab in die Mitte!“ und damit für die Stärkung der Mittelzentren und der Stadtzentren. Sie produzieren genau das Gegenteil, wenn Sie solche Behörden aus diesen Zentren herausnehmen. Diese Behörden sind dort wichtige Standortfaktoren. Einzelhändler fürchten Kaufkraftabflüsse und weitere Schäden für die Mittelzentren.
Jetzt wird der Kollege Dr. Orth mir gleich sagen: In Düsseldorf klappt es doch auch mit einem Gericht, obwohl diese Stadt genauso groß ist wie Essen und Duisburg.
Wir gucken noch einmal, ob Düsseldorf mehr Einwohner hat als Essen. Das weiß ich noch nicht so genau. – Sie sagen also, dass es da doch auch klappt. Aber heißt das denn, dass Düsseldorf dann auch besser ist, Herr Kollege Dr. Orth?
Schauen Sie doch einmal in andere Bundesländer! Hamburg macht genau das Gegenteil. Hamburg hat jetzt zwei weitere Amtsgerichte eingerichtet, um dezentraler tätig werden zu können. In diesem Zusammenhang darf ich an die heute Morgen geführte Diskussion zum Thema „Kriminalität – effektive Strafverfolgung – rasche Aburteilung“ erinnern. In Hamburg hat man sich gerade auch deshalb für das dezentrale System entschieden, weil die dort tätigen Richter mehr Milieunähe und eine größere Ortskenntnis haben, was auch in diesem Bereich durchaus positive Effekte haben dürfte.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Frau Ministerin, Ihr Plan, der seit anderthalb Jahren bei Ihnen auf dem Tisch liegt, ist unausgegoren. Sie konnten bis heute noch nicht vorweisen, welche Einsparungen oder Strukturverbesserungen denn tatsächlich eintreten sollen.
Ich empfehle Ihnen dringend: Legen Sie diesen Plan in die Schublade. Nehmen Sie ihn in Sicherungsverwahrung, und lassen Sie ihn da nicht mehr heraus. Ersparen Sie uns in Zukunft jedes Jahr ein neues Gesetzgebungsverfahren für andere örtliche Zuständigkeiten! – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen das Vorhaben der Landesregierung, die örtliche Struktur der Amtsgerichte zu überprüfen und gegebenenfalls zu straffen.
Zurzeit gibt es insgesamt 130 Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen, und diese haben unterschiedliche Amtsbezirke. Während es in Köln mit einer Fläche von 500 km² und mit rund 1 Million Einwohner nur ein einziges – ich wiederhole: nur ein einziges – Amtsgericht gibt, existieren beispielsweise, wie gerade angesprochen, in Essen – einer Stadt im Vergleich zu Köln mit einer nur 210 km² großen Fläche und mit rund 580.000 Einwohnern – gleich drei Amtsgerichte.
In Gelsenkirchen – auch das war in der Beratung ein Thema – mit einer Fläche von 105 km², also einem Fünftel von Köln, und etwa einem Viertel der Einwohner von Köln, nämlich rund 270.000, gibt es zwei Amtsgerichte. Und in Herne mit einer Fläche von einem Zehntel der Stadt Köln und 170.000 Einwohnern gibt es ebenfalls zwei Amtsgerichte. Da erkennen Sie ein Missverhältnis.
Der Sprengel der Amtsgerichte durchschneidet in Großstädten oftmals Straßen. Man kann manchmal nur umständlich an der Hausnummer feststellen, ob das eine oder das andere Amtsgericht örtlich zuständig ist.
Niemand wird allen Ernstes behaupten können, dass ein Amtsgericht mit einem Bezirk von rund einer Million Einwohnern für Rechtsuchende unzumutbar ist. Es funktioniert; das kann ich auch aus meiner anwaltlichen Tätigkeit bestätigen. Und wenn es in Köln funktioniert, dann wird es auch erst recht in deutlich kleineren kreisfreien Städten mit kleineren Einzugsbereichen und kürzeren Entfernungen funktionieren. Das gilt für Essen, aber auch für Gelsenkirchen und für Herne. Auch dort gibt es jeweils einen funktionierenden ÖPNV, sodass auch dort bei einer gestrafften Gerichtsstruktur das Amtsgericht für jeden gut erreichbar ist.
Die nordrhein-westfälische Justiz wird sich nicht aus der Fläche zurückziehen. Jede kreisfreie Stadt wird auch weiterhin ein Amtsgericht haben. Es wird dann auch zukünftig für alle Rechtsuchenden und auch Prozessbeteiligten Amtsgerichte in zumutbarer Entfernung geben.