Thomas Kutschaty

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss II legt Ihnen heute seinen Abschlussbericht vor. Bei der Vorstellung des Berichtes möchte ich zunächst auf die Vorgeschichte und die Einsetzung des Ausschusses eingehen. Nach einer Schilderung des Verfahrensgangs komme ich dann zu den Ergebnissen unserer Arbeit.
Im Juni 2006 wurde der damalige Leiter der Abteilung IV im Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Friedrich, zunächst von der Wahrnehmung seiner Aufgaben freigestellt. Anschließend wurde das Beschäftigungsverhältnis wegen des Vorwurfs der Missachtung des Vergaberechts sowie der Verletzung weiterer Dienstpflichten fristlos gekündigt.
Das nachfolgende arbeitsgerichtliche Verfahren endete im Oktober 2006 mit einem Vergleich. Inhalt des Vergleichs war eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 75.000 € brutto.
Zuvor hatten die Vertreter des Umweltministeriums zu Protokoll erklärt, dass Dr. Friedrich keinen Verstoß gegen ministeriumsinterne Vergaberegelungen begangen habe, weil es derartige Regelungen in der Vergangenheit nicht gegeben habe.
Bereits im Juli 2006 nahm das Landeskriminalamt Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts gegen Dr. Friedrich auf. Knapp zwei Jahre später, im Mai 2008, erließ das Amtsgericht Wuppertal Haftbefehl gegen Dr. Friedrich – unter anderem wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Untreue.
Am 29. Mai 2008 wurde Dr. Friedrich festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Am selben Tage wurden ferner bei 13 weiteren Tatverdächtigen und in 45 Objekten in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg Durchsuchungen durchgeführt. Bei diesem Einsatz waren insgesamt 270 Polizeibeamte sowie fünf Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Einsatz. Weiter erfolgten Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung. Schließlich wurden auch Personen verdeckt observiert.
Nach drei Wochen wurde Dr. Friedrich am 20. Juni 2008 aus der Haft entlassen.
Im Januar 2009 wurde das Ermittlungsverfahren in weiten Teilen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Eine weitere Teileinstellung erfolgte im Mai 2009. Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. Friedrich ist derzeit noch wegen drei Tatkomplexen anhängig.
Die Angelegenheit Dr. Friedrich war mehrfach Gegenstand von Beratungen in Ausschusssitzungen des Landtages. Im Einzelnen haben sich der Aus
schuss für Haushaltskontrolle, der Umweltausschuss, der Innenausschuss sowie der Rechtsausschuss damit beschäftigt. Hier haben sich unter anderem Minister Uhlenberg und sein Staatssekretär Dr. Schink sowie Justizministerin Müller-Piepenkötter geäußert.
Am 25. Juni 2009 hat der Landtag auf Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dann die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Dieser sollte insbesondere die Geschehensabläufe im Umweltministerium und im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen vom Zeitpunkt der Regierungsübernahme Mitte 2005 bis Ende Juni 2009 untersuchen.
Am 2. Juli 2009 haben wir uns als Ausschuss konstituiert.
In seiner knapp neun Monate dauernden Arbeit hat der Ausschuss 1.013 Akten beigezogen. Erstmals sind den Ausschussmitgliedern dabei auch Kopien der beigezogenen Akten in digitaler Form zur Verfügung gestellt worden. Wir haben insgesamt 26 Sitzungen durchgeführt und 33 Zeugen vernommen.
Hierbei haben sich drei Zeugen – auch Herr Dr. Friedrich – zunächst auf ein zum Teil vollständiges Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat gegen diese Zeugen beim Oberlandesgericht Düsseldorf die Festsetzung von Ordnungsgeldern beantragt, weil er die geltend gemachten Auskunftsverweigerungsrechte als unbegründet angesehen hat. In einem Fall ist dieser Antrag abgelehnt worden. Gegen zwei weitere Zeugen ist ein Ordnungsgeld verhängt worden. Dr. Friedrich hat, nachdem gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 450 € festgesetzt worden war, am 3. und 4. Februar 2010 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt.
Auch mit den Anträgen auf Festsetzung von Ordnungsgeldern hat der Ausschuss Neuland beschritten. Umso bedauerlicher ist es, dass über die Beschwerde gegen den letzten Festsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus zeitlichen Gründen nicht mehr entschieden werden konnte. Hier wären sicherlich einige neue und interessante juristische Fragen zur Beantwortung gekommen.
Der Ihnen jetzt vorliegende Abschlussbericht wird von den Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP getragen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ein Sondervotum erstellt, welches Ihnen ebenfalls vorliegt.
Bevor ich zu den Ergebnissen des Abschlussberichtes komme, danke ich zunächst persönlich und sicherlich auch im Namen aller Ausschussmitglieder allen, die durch ihre große Einsatzbereitschaft die Ausarbeitung und Erstellung dieses Berichts ermöglicht und unterstützt haben. Mein Dank geht an die wissenschaftlichen Referentinnen und Referenten
der Fraktionen, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags, an die Damen und Herren des Stenografischen Dienstes und insbesondere an die Mitarbeiterinnen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II, Frau Dr. Carola Graf, Frau Silvia Winands und Frau Christine Henkel.
Ferner möchte ich zuvor noch auf die Neutralitätsverpflichtung hinweisen, die mich als Vorsitzenden des Ausschusses trifft. Diese Pflicht gebietet mir eine gewisse Zurückhaltung während der Sitzungen und auch heute hier. Aus diesem Grunde werde ich Ihnen nur die Ergebnisse der Arbeit des Ausschusses darstellen. Eine weitergehende Würdigung überlasse ich anschließend den Fraktionen.
Nun komme ich zu unseren Ergebnissen. Die Kündigung von Dr. Friedrich ist auf den Vorwurf der Missachtung des Vergaberechts und die Verletzung weiterer Dienstpflichten gestützt worden. Dieser arbeitsrechtliche Schritt wurde von Staatssekretär Dr. Schink in den Blick genommen, nachdem er im April 2006 von folgendem Sachverhalt erfahren hatte:
Im November 2005 ging beim Landesrechnungshof eine anonyme Mail ein, in der Missstände bei der Vergabe des Projektes MAPRO im Umweltministerium angezeigt wurden. Bei dem Projekt MAPRO handelt es sich um die – jetzt muss ich genau ablesen – „Wissenschaftliche und fachliche Begleitung der iterativen Entwicklung der integrierten Maßnahmeprogramme zum Schutz und Verbesserung der Gewässergüte in den NRW-Anteilen der Flussgebietseinheiten Rhein, Weser, Ems und Maas“. – Hieran sehen Sie, mit welch schwierigen Materien wir uns auch beschäftigen mussten.
Einer Bitte des Landesrechnungshofes um Stellungnahme zur anonymen Eingabe kam Dr. Friedrich mit Schreiben vom 7. April 2006 nach – jedoch ohne, wie dies seine Pflicht gewesen wäre, zuvor den Beauftragten für den Haushalt in seinem Ministerium zu beteiligen. Auch die Ministeriumsspitze wurde nicht informiert.
Der Untersuchungsausschuss hat allerdings nicht feststellen können, dass die Kündigung von Dr. Friedrich durch andere als die genannten Gründe veranlasst worden ist. Es gibt insbesondere keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Entlassung von Dr. Friedrich von langer Hand geplant wurde, um einen politisch missliebigen Abteilungsleiter aus dem Ministerium zu entfernen. Auch ist nicht erkennbar, dass die Hausspitze Mitarbeiter veranlasst hat, von ihm begangene Verfehlungen zu sammeln. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Entlassung von Dr. Friedrich durch außenstehende Dritte motiviert worden ist oder dass diese zu seiner Kündigung beigetragen haben.
Gleichwohl hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss einige Auffälligkeiten konstatieren
müssen, und zwar sowohl in den Abläufen im Umweltministerium als auch bei dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, bei der durchgeführten Telekommunikationsüberwachung und bei der Information des Landtags durch die Landesregierung.
So ist in einer Mail im Umweltministerium in Bezug auf Dr. Friedrich und sein Verhalten von Sammeln die Rede.
Der Justiziar des Umweltministeriums zeichnete sich bereits vor April 2006 durch besonderen Eifer aus und wurde ohne entsprechende Anweisung seiner Vorgesetzten auch in Bereichen tätig, die nicht in seine Zuständigkeit fielen.
Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden durch das LKA eingeleitet. Greifbare Anhaltspunkte, dass diese Ermittlungen vom Umweltministerium angeschoben wurden, bestehen nicht. Das LKA wurde vielmehr durch die Presse auf den Sachverhalt aufmerksam.
Allerdings zeichnete sich in diesem Rahmen wiederum der Justitiar des Umweltministeriums durch besonderen Eifer aus. So übermittelte er dem LKA zu Beginn der Ermittlungen eine Vielzahl von Unterlagen, die vom LKA gar nicht angefordert waren. Insoweit drängt sich der Eindruck für den Ausschuss auf, dass er den ermittelnden Beamten seine persönliche negative Einschätzung über Dr. Friedrich nahezubringen versucht hat.
Der Justitiar hat das LKA ferner unaufgefordert und unzuständigerweise über die Existenz von Hinweisen auf korruptive Sachverhalte informiert. Soweit diesbezüglich überhaupt eine Verpflichtung zur Anzeige bestand, hätte diese Pflicht nach den Regelungen des Korruptionsbekämpfungsgesetzes ausschließlich den Minister betroffen. Allerdings hatten der Minister und sein Staatssekretär von den Aktivitäten ihres Justitiars keine Kenntnis. Der Vorwurf einer Befeuerung des Verfahrens kann ihnen daher nicht gemacht werden.
Sowohl Minister Uhlenberg als auch Staatssekretär Dr. Schink können sich aber insoweit nicht von jeder Verantwortung freizeichnen. Für das Handeln ihrer Mitarbeiter tragen letztlich sie die Verantwortung. Insbesondere wäre es wünschenswert gewesen, wenn der zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium gegenüber seinem Mitarbeiter mehr Führungsverantwortung gezeigt hätte.
In Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren lässt sich hieraus allerdings kein gravierender Vorwurf gegenüber dem Minister oder dem Staatssekretär herleiten. Denn es ist nicht erkennbar, dass das Verhalten des Justitiars ursächlich für die Verhaftung von Dr. Friedrich und die weiteren strafprozessualen Maßnahmen im Mai 2008 war. Auch wenn diese Maßnahmen bei rückwirkender Betrachtung unverhältnismäßig erscheinen, ist ausdrücklich festzuhalten, dass sie auf Beschlüssen unabhängiger Gerichte beruhen. Es bestehen
keinerlei Anhaltspunkte, dass diese bei ihren Entscheidungen einer Einflussnahme von dritter Seite ausgesetzt waren. Gleiches gilt für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren.
Allerdings sind auch hier Auffälligkeiten zutage getreten. Den Ermittlungsbehörden wurde vom Umweltministerium nur unvollständiges und einseitiges Aktenmaterial des arbeitsgerichtlichen Verfahrens übermittelt. Beanstandet hat dies die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal jedoch nicht.
Weiter wurden zur Beurteilung juristischer Fragen von der Staatsanwaltschaft Nichtjuristen herangezogen. Bei einer dieser Personen handelt es sich zudem um eine Mitarbeiterin des Umweltministeriums, die sich auch im Rahmen des Kündigungsverfahrens schon aktiv und intensiv gegen Dr. Friedrich eingesetzt hat.
Auch wurde die Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft Wuppertal in mehreren Punkten von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf beanstandet. Der Generalstaatsanwalt wäre nach eigenem Bekunden nicht unglücklich gewesen, wenn der sachleitende Dezernent der Staatsanwaltschaft Wuppertal das Verfahren mitunter etwas enger, mit einer kritischeren Distanz und vielleicht auch gelegentlich mit etwas mehr Fingerspitzengefühl begleitet hätte.
In Bezug auf die Telekommunikationsüberwachung ist für den Ausschuss zunächst nicht nachvollziehbar, dass der sachleitende Dezernent der Staatsanwaltschaft Wuppertal über acht Wochen bis Mitte August 2008 benötigte, um die im Rahmen dieser Maßnahmen erfassten Gespräche abzuhören und auszuwerten. Dies gilt umso mehr, als er spätestens Mitte Juni 2008 davon erfahren hatte, dass auch ein Landtagskollege von uns von der Telekommunikationsüberwachung betroffen war und ihm die politische Brisanz der Abhörmaßnahme klar sein musste.
Daneben ruft Erstaunen hervor, dass die Ermittlungsbehörde bei der Löschung der dabei gewonnenen Daten erhebliche Schwierigkeiten hatte. Diese dokumentieren sich nicht zuletzt darin, dass sich angeblich gelöschte Daten in den dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II übermittelten Akten finden.
Meine Damen und Herren, die Telekommunikationsüberwachung stellt einen gravierenden Grundrechtseingriff für die Betroffenen dar, bei dem es zudem um den Umgang mit hoch sensiblen Daten geht. Deshalb erscheint es für die Zukunft unabdingbar, die hier zutage getretenen Probleme unverzüglich und vollständig zu beseitigen.
Der Ausschuss hatte ferner die Aufgabe, die Information des Landtages in der Angelegenheit
Dr. Friedrich durch die Landesregierung zu überprüfen.
Hierzu ist zum einen festzuhalten, dass Staatssekretär Dr. Schink in der Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle am 3. Juni 2008 jedenfalls objektiv die Unwahrheit gesagt hat. Dort hat er erklärt, es entziehe sich seiner Kenntnis, ob der Lehrauftrag von Dr. Friedrich an der RWTH Aachen bezahlt worden sei oder nicht. Eine Anzeige hierüber sei an das Ministerium nicht erfolgt.
Tatsächlich hatte Dr. Friedrich aber im Februar 2006 die unentgeltliche Wahrnehmung eines Lehrauftrages an der RWTH Aachen im Ministerium schriftlich angezeigt. Diesem Schreiben war beigefügt ein Vordruck der Universität Aachen, in dem angekreuzt ist, dass der Lehrbeauftragte auf eine Vergütung verzichtete. Dieses Schreiben trägt die Paraphe von Staatssekretär Dr. Schink.
Es kann allerdings nicht mehr festgestellt werden, ob sich der Staatssekretär bei seinen Ausführungen im Haushaltskontrollausschuss dieses Schreibens noch bewusst war. Zwar hat er im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hierzu erklärt, dass ihm Detailkenntnisse insoweit nicht mehr präsent gewesen seien, er habe sich die Unterlagen vor der Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle nicht mehr angesehen. Es ist aber auch für den Ausschuss nicht erkennbar, ob es sich hierbei um eine zutreffende Angabe des Staatssekretärs oder aber um eine bloße Schutzbehauptung des Staatssekretärs handelt.
Zum anderen ist zur Information des Landtages über die hier in Rede stehende Angelegenheit anzumerken, dass die Justizministerin in der Sitzung des Rechtsausschusses am 14. Januar 2009 zwar erkennbar eine kurze Zusammenfassung des Berichts der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vom 9. Januar 2009 vorgetragen hat; eine detaillierte Darstellung erfolgte aber nicht. In dieser Sitzung hat Frau Müller-Piepenkötter insbesondere nicht erwähnt, dass eine Einstellung des Verfahrens auch wegen der im Raume stehenden korruptiven Sachverhalte erfolgen sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn sich keine Beweise für eine politisch motivierte Entlassung von Dr. Friedrich oder für eine politische Einflussnahme auf die gegen ihn gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen finden ließen, rechtfertigen die festgestellten Auffälligkeiten und Ungereimtheiten jedoch den Schluss, dass die Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II auch bei rückwirkender Betrachtung nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig war.
Abschließend bedanke ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Untersuchungsausschusses für die konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit bei der Bewältigung eines nicht immer einfachen Verfahrens,
das zwar unter erheblichem Zeitdruck stand, von uns jedoch sorgfältig und gewissenhaft geführt wurde. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, anlässlich der Entlassung eines Sexualstraftäters aus der Untersuchungshaft im letzten Sommer haben Sie uns in der Sitzung des Rechtsausschusses am 19. August 2009 berichtet, dass Sie mit den Spitzen der Oberlandesgerichte und der Generalstaatsanwaltschaften im Gespräch sind, qualitätssichernde Maßnahmen zu
treffen. Dabei sprachen Sie auch von einem Frühwarnsystem.
Ich frage Sie: Welche Maßnahmen haben Sie denn seit Sommer 2009 zur Installierung eines Frühwarnsystems bis jetzt getroffen?
Da würde ich gerne nachfragen: Welche konkreten Maßnahmen sind da denn jetzt notwendig, und welcher Kostenaufwand entsteht dadurch?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich gehofft, wir hätten in der Situationsbeschreibung, was die Bedrohung durch die Mafia hier anbelangt, mehr Gemeinsamkeiten in diesem Hause. Aber ganz offensichtlich ist das Problem der Mafiakriminalität noch immer nicht bei allen angekommen. Insbesondere an Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Engel – ich schätze Sie sonst sehr, was das anbelangt –, scheint das Problem vorbeigegangen zu sein. Selbst Herr Kruse ist an dem Punkt weiter als Sie.
Wir müssen es mit aller Deutlichkeit zurückweisen, dass man uns hier blanken Populismus vorwirft, wenn wir uns Sorgen um die Sicherheit in diesem Lande machen, nachdem in Duisburg sechs Menschen auf offener Straße erschossen wurden. Herr Engel, es ergibt für uns keinen Unterschied, ob es italienische Landsleute oder deutsche Staatsbürger sind, die davon betroffen sind. Das Problem ist mitten in unserer Gesellschaft angekommen.
Herr Minister Wolf, Ihre heutige Rede hat noch einmal gezeigt, es geht Ihnen tatsächlich um Statistik. Nicht umsonst haben Sie heute noch einmal Ihre tolle Leistungsbilanz vorgestellt und erklärt, in welchen Bereichen die Kriminalität in Nordrhein
Westfalen zurückgegangen ist. Herr Kollege Rudolph hat zu Recht auf Ihren Erlass vom 11. August 2008 hingewiesen. Ich darf daraus zitieren: Eine Verringerung der Gesamtkriminalität wird nur gelingen, wenn die Polizei ihre Bekämpfungsaktivitäten im Schwerpunkt gegen Massen- und Straßenkriminalität vornimmt und richtet. – Das heißt, Sie blenden einen ganz großen Teil aus und sagen, in der Statistik passiert gar nicht viel. Klar, die Mafiakriminalität spielt sich im Dunkelfeld ab. Das ist keine Kriminalität im Hellfeld. Deswegen kann man da – aus Ihrer Sicht – die Statistiken schön heranziehen. Dem Problem werden Sie damit allerdings nicht gerecht.
Die Mafiakriminalität hat erhebliche wirtschaftliche Dimensionen. Das sehen wir insbesondere auch beim Drogenhandel. Da gibt es riesengroße Gewinnperspektiven. Ein Kokabauer erhält in Kolumbien 450 € für 1 kg Kokain; der Zwischenhändler bekommt 1.500 €, die Großmarktpreise in Europa liegen bei 25.000 €; und an die Endverbraucher wird es für 60.000 € verkauft. Da besteht eine extrem hohe Gewinnquote.
Ich hatte gehofft, die Landesregierung geht ein bisschen intensiver und strenger vor. Dann habe ich eine Pressemitteilung der Justizministerin vom 30. Juli 2007 gefunden, in der es heißt: Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter hat den Kampf gegen die Drogenkriminalität in NordrheinWestfalen verschärft. – Da dachte ich mir: Aha, endlich tut mal einer etwas gegen die organisierte Drogenkriminalität in Nordrhein-Westfalen. – Wie heißt es dann allerdings weiter? Weiter heißt es: Ich habe angeordnet, dass die Eigenbedarfsgrenze bei Drogendelikten herabgesetzt wird sowie eine Sonderregelung bei Verstößen Jugendlicher eingeführt wird. – Diese Vorgabe im Jugendrecht ist bundesweit einmalig.
Tatsächlich ist die Politik dieser Landesregierung einmalig, was die Bekämpfung organisierter Kriminalität anbelangt. Leugnen Sie es bitte nicht immer. Nehmen Sie es ernst, damit wir in diesem Lande gemeinsam vernünftig etwas für die Sicherheit tun können. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Vor drei Wochen brachen aus der Justizvollzugsanstalt Aachen zwei Schwerverbrecher aus und beunruhigten die Öffentlichkeit nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern über die Landesgrenzen hinaus. Michael Heckhoff und Peter Paul Michalski gelten als extrem gewaltbereit und gefährlich. Auf ihrer Flucht nahmen sie mehrere Geiseln. Am 29. November gelang es der Polizei, Heckhoff in Mülheim an der Ruhr und Michalski in Schermbeck festzunehmen.
Die Umstände und die Ursachen der Flucht lassen aber nach wie vor – auch heute noch, drei Wochen nach dem Ausbruch – viele Fragen offen. Die Ministerin war sich jedoch sehr schnell ganz sicher, wie es war. Obwohl die beiden Häftlinge noch nicht gefasst waren, war für sie schon klar, wer keine Fehler gemacht hatte. Zweifel am richtigen Personalbestand oder am Krankenstand ließen Sie erst gar nicht zu, Frau Ministerin. Allein verantwortlich sei ein einzelner krimineller Bediensteter gewesen.
Entgegen Ihrem eigenen Grundsatz, sich nicht in laufende Ermittlungsverfahren einzumischen, und unter Missachtung der Unschuldsvermutung schoben Sie gleich alle Verantwortung für den Ausbruch auf einen einzelnen Bediensteten und machten sich keinerlei Gedanken, ob Sie evtl. auch etwas damit zu tun haben. So einfach, Frau Ministerin, können Sie sich das hier nicht machen.
Die Kontrolle über die Vorgänge haben Sie mittlerweile längst verloren. Abwechselnd geben hektisch Staatsanwaltschaft Aachen und das Ministerium Pressekonferenzen und Presseerklärungen. Zugegeben wird immer nur etwas scheibchenweise, nämlich das, was gerade bekannt geworden ist oder bekannt zu werden droht.
Die Presse spricht von einer Salamitaktik. Scheibchenweise kommt die Wahrheit ans Licht. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Wie lang ist die Wurst denn noch?
Mit Ihrer Taktik haben Sie zumindest jedes Vertrauen in die Sicherheit unseres Strafvollzuges in Nordrhein-Westfalen gefährdet. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Nach wie vor gibt es Unklarheiten und Unwahrheiten. Lassen Sie mich vielleicht einmal auf drei Punkte zu sprechen kommen, drei Fragen, die nach wie vor noch im Raum stehen und ungeklärt sind.
Erste Frage: Seit wann ist die Pforte in der Justizvollzugsanstalt Aachen nur mit einem Bediensteten besetzt? Beim Ausbruch war das so. Das steht, glaube ich, mittlerweile fest. Es steht auch wohl fest, dass der Ausbruch hätte verhindert werden können, wenn die Pforte mit zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern besetzt gewesen wäre.
Sie, Frau Ministerin Müller-Piepenkötter, sagten, das sei schon lange so. 2002/2003 sei es schon so gewesen, dass die Pforte in der Nacht nur mit einem Mitarbeiter der Nachtschicht besetzt gewesen ist. Jetzt erfahren wir das genaue Gegenteil. Wir erfahren nämlich von einer Dienstanweisung vom 8. Mai 2008. Man höre: 2008, Frau Ministerin; da waren Sie schon einige Jahre im Amt. Damals ist die Personalreduzierung an der Pforte durchgesetzt worden. Sollten sich die Presseberichte dazu als wahr erweisen, Frau Ministerin, so haben Sie dem Parlament und der Öffentlichkeit die Unwahrheit erzählt.
Nach Angaben Ihrer Sprecherin in den „Aachener Nachrichten“ vom 10. Dezember 2009 wussten Sie von Ihrer Falschaussage schon seit über einer Woche. Ich frage Sie: Warum haben Sie nicht die Gelegenheit genutzt, das Parlament und die Öffentlichkeit zu informieren und Ihre Falschaussage zu berichtigen?
Der zweite Punkt, der immer noch unklar ist, meine Damen und Herren: Warum haben Sie die ernsthaften Warnungen aus der Justizvollzugsanstalt Aachen, die Ihnen mitgeteilt worden sind, nicht ernst genommen? Der Personalrat schreibt Ihnen einen Brandbrief. Er macht auf Missstände in der Justizvollzugsanstalt aufmerksam. Er schreibt sehr deutlich, dass die Sicherheit in der Anstalt nicht mehr gewährleistet ist.
Was machen Sie? – Sie machen einen Plan zum Abbau von Überstunden. Sie reduzieren das Personal in der Schicht von 50 auf 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Lage wird dadurch immer explosiver und nicht sicherer.
Da hilft es auch nicht, fünf neue, ungelernte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hektisch nach Aachen zu schicken. Die müssen erst eingearbeitet werden und stellen daher eher eine Belastung als eine Entlastung dar. So kann das nicht funktionieren.
Die dritte Frage, die wir hier zu diskutieren haben, lautet: Warum wurden die Warnungen bezüglich des mutmaßlichen Fluchthelfers Michael K. nicht ernst genommen oder nicht richtig bewertet? Denn Michael K., der 40-jährige Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Aachen, ist kein unbeschriebenes Blatt. Schon einmal wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Gefangenenbefreiung ermittelt. Es ist anstaltsbekannt gewesen, dass er zuvor einen engen Kontakt zu den beiden Ausbrechern hatte. Die erforderliche Distanz war nicht mehr gegeben. Wie die Staatsanwaltschaft Aachen jetzt mitteilte, wurde Michael K. zehn Tage vor dem Ausbruch dabei beobachtet, wie er von einer Ehefrau eines anderen Gefangenen Geld, nämlich 200 €, angenommen hat. Gleichzeitig wird bekannt, dass in der Justizvollzugsanstalt Aachen umfangreiche Ermittlungen wegen eines schwunghaften Drogenhandels stattfinden.
Was wussten Sie, Frau Ministerin, von diesen Verdachtsmomenten? Was wusste Ihr Haus von diesen Verdachtsmomenten? – Ich kann natürlich verstehen, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Interesse daran haben, Hintermänner eines großen Drogenhandels zu finden, aufzuklären, und vielleicht die Sache erst einmal laufen lassen.
Aber in diesem Fall muss auch eine Abwägung vorgenommen werden, Frau Ministerin: auf der
anderen Seite das Interesse, Straftaten aufzuklären, auf der anderen Seite aber doch die erheblichen Sicherheitsinteressen in einer Justizvollzugsanstalt. Eine Justizvollzugsanstalt ist kein Mädchenpensionat, gerade Aachen nicht. In dieser Justizvollzugsanstalt werden Langzeitstrafen verbüßt; dort gibt es Sicherungsverwahrungen. Es ist grob fahrlässig, Sicherheitsrisiken ganz bewusst bestehen zu lassen und gerade den Verdächtigen sogar ganz alleine nachts an die Pforte zu lassen.
Das Risiko war eindeutig größer als die mögliche Chance einer Aufklärung einer anderen Straftat. Dieses Risiko sind Sie eingegangen, und damit haben Sie die Sicherheit in diesem Land erheblich gefährdet.
Frau Ministerin, so, wie Sie in dieser Sache aufgetreten sind, darf man nicht auftreten. Da kann man nicht lachend verkünden, die Knäste im Land seien so sicher wie nie. Ich darf Ihnen schildern: Ich wohne in Essen, an der Stadtgrenze zu Mülheim. In meinem Wahlkreis, in meinem direkten Umfeld haben sich die Verbrecher mehrere Tage lang aufgehalten. Es gab ernsthafte Diskussionen unter den Eltern und in der Schule meiner Kinder: Können wir die Kinder morgens noch alleine zur Schule gehen lassen?
Die Leute hatten Angst, abends auf die Straßen zu gehen. Das war ein unerträglicher Zustand. Da kann man nicht lächelnd sagen, der Knast sei sicher. Ihr Sicherheitsempfinden hat sich ganz, ganz weit von dem Sicherheitsempfinden der Bevölkerung entfernt, Frau Ministerin.
Jetzt, da immer neue Details an die Öffentlichkeit kommen, wirkt Ihr Verhalten – ich sage es vorsichtig – einfach nur noch peinlich.
Angemessen wäre es, die Probleme im Vollzug und insbesondere die Probleme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug ernst zu nehmen sowie die Sache schonungslos aufzuklären. Sie sind offensichtlich dazu nicht in der Lage. Frau Ministerin, machen Sie Platz, damit andere die Sache aufklären können!
Ich knüpfe an die Frage des Kollegen Sichau an. Sie haben vorhin ausgeführt, wer alles in der Arbeitsgruppe war. Ich frage mich, warum die Stadt Bielefeld als Kommune nicht rechtzeitig in diese Arbeitsgruppe mit einbezogen worden ist. Man hätte sich viel Arbeit ersparen können, wenn diese Kommune vorher beteiligt gewesen wäre und dann nicht Nein sagt hätte.
Frau Ministerin, welche Auswirkungen erwarten Sie durch das Scheitern in Bielefeld für die Betroffenen dort?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist bislang sehr entlarvend gewesen. Wir haben auf der einen Seite einen Innenminister, der fast anderthalb Jahre nach der desaströsen Niederlage vor dem Verfassungsgericht immer noch nicht weiß, was er für ein Gesetz machen möchte, auf der anderen Seite haben wir Herrn Engel von der FDP-Fraktion, der sagt, dass das, was wir vorschlagen, viel zu weitgehend und viel zu eingreifend in die Rechte der Bürger sei, auf der anderen Seite Herrn Kruse von der CDUFraktion, der genau das Gegenteil sagt, nämlich es gehe noch längst nicht weit genug, wir müssten noch viel mehr machen. Da frage ich die Fraktionen von CDU und FDP: Tragen Sie eigentlich noch gemeinsam eine Landesregierung in diesem Hause?
Sind Sie sich einig, was Sie machen wollen? – Nach diesen Aussagen von Herrn Engel und Herrn Kruse kann man nicht den Eindruck haben, Sie wollten in Nordrhein-Westfalen noch weiter gemeinsam regieren.
Offensichtlich gibt es deswegen auch die Abstimmungsschwierigkeiten, dass Sie noch keinen Gesetzentwurf vorlegen können, weil Sie sich nicht einig sind, was zu machen ist.
Herr Engel, die SPD-Fraktion will keinen Polizeistaat und keine Totalüberwachung. Sie wissen das; das steht auch nicht in unserem Gesetzentwurf. Das haben Sie hier ein bisschen salopp formuliert. Aber wir müssen uns, Herr Engel, tatsächlich Gedanken darüber machen, wie die Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland aussieht. In den letzten Jahren, seit der letzten Novelle des Polizeigesetzes, hat sich tatsächlich das eine oder andere geändert.
Wir haben reale Angriffssituationen auf die Freiheit unseres Staates. Ich nenne nur die Kofferbombenattentäter in Dortmund und die Sauerlandgruppe, die von ihren Sprengstoffvorbereitungen gerade noch rechtzeitig abgehalten werden konnten. Wir haben also eine existierende Bedrohungslage in diesem Lande. Die Gefahren werden immer anders, sie werden auch vielschichtiger. Die Täter sind bislang nicht bekannt, sie arbeiten in kleinen Gruppen verdeckt, und sie nutzen moderne Kommunikationsmittel. Deswegen ist es Aufgabe des Staates – das rechtfertigt sich auch aus dem Grundgesetz –, diesen realen Gefahrenlagen entgegenzuwirken. Auch die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung sind ein Staatsziel. Aus diesem Grunde legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor.
Herr Kruse, Ihnen geht das nicht weit genug. Ich sage Ihnen: Vielleicht ist nicht alles, was verfassungsrechtlich zulässig ist, auch wünschenswert und sinnvoll. Auch da muss man unterscheiden, was man tatsächlich haben muss. Denn bei einer vernünftigen Ausgestaltung des Polizei- und Verfassungsschutzgesetzes mit zeitgemäßen, lagegerechten und handhabbaren Eingriffsbefugnissen darf nicht vergessen werden, dass das Grundgesetz auch den Schutz der Freiheitsrechte der Bürger als Auftrag an uns enthält. Deshalb brauchen wir eine ausgewogene Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Ich meine, unser Gesetzentwurf zeigt dies sehr deutlich.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns den genauen Rahmen aufgezeigt, in dem wir uns bewegen dürfen, nicht nur durch die Entscheidung zur Onlinedurchsuchung am 27. Februar 2008. Da gab es etliche Entscheidungen: Wohnraumüberwachung, TK-Überwachung, Rasterfahndung und Kennzei
chenerfassung, aber insbesondere die Entscheidung zur Onlinedurchsuchung, bei der Sie, Herr Minister, mit Ihrem Gesetzentwurf kläglich gescheitert sind. Nach dieser Entscheidung richtet sich der Rahmen dafür, wie wir bei der Onlinedurchsuchung vorgehen können.
Tatsächlich sind wir an der Stelle etwas restriktiver als das BKA-Gesetz und sagen: In NordrheinWestfalen sind wir liberaler und freiheitsdenkender als das BKA-Gesetz. Bei uns ist eine Onlinedurchsuchung nur dann möglich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut vorhanden sind. Wir haben einen ausschließlichen Richtervorbehalt vorgesehen. Außerdem ist uns ganz wichtig, dass der Kernbereichsschutz als Teilbereich der persönlichen Lebensführung unangetastet bleibt. Unser Gesetz erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr altes Gesetz hat diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Die Onlinedurchsuchung ist auch nicht zum Ausspionieren vorgesehen. Das ist allein schon deswegen klar, weil wir das nicht ins Verfassungsschutzgesetz packen, sondern sagen, dass die Onlinedurchsuchung eine Maßnahme zur konkreten Gefahrenabwehr ist. Deswegen gehört diese Vorschrift ins Polizeigesetz.
Meine Damen und Herren, wir halten fest: Wir sehen bei der Landesregierung Stillstand, den selbst Herr Kruse beklagt. Herr Kruse, in Ihrer Rede am 19. März 2009 haben Sie zu Recht darauf hingewiesen, dass in der ersten Jahreshälfte ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Sie sagten gerade sehr niedlich, das dauere vielleicht etwas zu lang. Sprechen Sie einmal mit Ihrem Innenminister, warum das so lange dauert. Vielleicht kann er uns dazu noch etwas sagen.
Herr Innenminister, zu Ihnen kann man nur sagen: Wenn Ihre Gesetze weiter so gemacht werden, müssen wir die Freiheit vor Ihnen in Sicherheit bringen. Unser Gesetz sichert die Freiheit, ohne dabei die Freiheit selbst aufzugeben.
Herr Minister, ich habe gerade gut zugehört. Sie haben eine Klausel des Vertrags zitiert, wonach es ein Recht des Verkäufers gibt, auch ohne Zustimmung des Käufers Inhalte zu veröffentlichen, wenn ein besonderes Veröffentlichungsinteresse des Verkäufers besteht. Meine Frage an die Landesregierung und die beiden beteiligten Ministerien lautet daher: Welche Überlegungen gab es denn im Bereich der Landesregierung, von dieser Klausel Gebrauch zu machen, um die Öffentlichkeit und das Parlament zu informieren?
Herr Minister, nachdem Sie gerade bestritten haben, dass es eine Klausel mit besonderem Veröffentlichungsinteresse gibt, bzw. Sie dazu etwas vorgetragen haben, frage ich Sie, ob Ziffer 23.2 des Vertrages wie folgt von mir richtig zitiert ist:
Die Parteien haben Form und Inhalt jeder Pressemitteilung oder ähnlicher freiwilliger Verlautbarungen zu diesem Vertrag, seinem Zustandekommen und seiner Durchführung vor deren Veröffentlichung abzustimmen. Dies gilt nicht hinsichtlich solcher Verlautbarungen, die Name und Geschäftsgegenstand
der Parteien, die bloße Tatsache des Abschlusses und Vollzuges des Vertrages – jetzt kommt es – und solche Informationen betreffen, bezüglich deren der Verkäufervertreter ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vor Veröffentlichung schriftlich gegenüber dem Käufervertreter bejaht hat. Diese Informationen können auch ohne Abstimmung mit den anderen Parteien veröffentlicht werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie noch einmal: Welche Überlegungen hat sich die Landesregierung zu der Frage gemacht, welche Informationen können dazu der Öffentlichkeit gegeben werden?
Wir haben gerade gehört, wer in diesem Fonds investiert hat. Das sind für uns unbekannte, teilweise ausländische Unternehmen.
Hat sich die Landesregierung vor Verkauf der LEG an Whitehall – also an den Fonds oder an die Fonds – informiert und vergewissert, welche Investoren dahinter stehen? Ist das ein Blindinvestment gewesen oder wie läuft das bei dem geschlossenen Immobilienfonds, um den es sich hierbei wohl handelt?
Wir haben gehört, dass Sie die LEG an mehrere Fonds mit wiederum mehreren Investoren verkauft haben. Nennen Sie doch einmal Ross und Reiter. Welche Personen haben mit welcher Handlungsvollmacht den Vertrag unterschrieben?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben als SPD-Fraktion diesen Tagesordnungspunkt beantragt, weil die Vorlage des Verfassungsschutzberichts uns sehr in Sorge versetzt hat, was die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten und die Entwicklung in diesem Bereich anbelangt.
So ist die rechte Kriminalität im letzten Jahr um mehr als 11 % gestiegen, die Gewaltkriminalität von Rechten sogar um über 25 %. Wir haben deutlich mehr Körperverletzungen zu registrieren, und bei 3.349 Delikten – jeden Tag zehn rechtsextreme Straftaten in Nordrhein-Westfalen – stehen diesen Delikten im Jahre 2008 nur 256 ermittelte Tatverdächtige gegenüber. Die Mehrheit davon – zwei Drittel – sind Jugendliche und Heranwachsende.
Meine Damen und Herren, die Entwicklung ist nicht neu. Seit 2001 beobachten wir stetig steigende Zahlen im rechtsextremistischen Gewaltspektrum, und auch gerade das ist besonders besorgniserregend.
Aber, was sagen uns die Zahlen, was sind das für Phänomene? Insbesondere müssen wir uns hier ja auch die Frage stellen lassen: Was können wir dagegen tun, was müssen wir sogar dagegen tun? Drei Besonderheiten möchte ich erwähnen, die beim derzeitigen Stand und bei der Auswertung des Verfassungsschutzberichts aufgefallen sind:
Die erste Besonderheit ist die deutliche Zunahme der Gewaltbereitschaft unter Rechten. Die Zunahme der Körperverletzungen deutet darauf hin, dass die bisherige Strategie der rechten Parteien, bürgerlicher aufzutreten, bei einem Großteil der Anhängerschaft so nicht akzeptiert wird, insbesondere bei Jugendlichen nicht, die sich in freien Kameradschaften und sogenannten autonomen Nationalisten zusammentun, auf die Straße gehen und rumprügeln.
Die Konfrontation mit dem politischen Gegner wird nicht mehr verbal, sondern ausschließlich gewalttätig gesucht. Hier hat sich gerade die Anzahl der Gewaltdelikte mit über 33 % deutlich erhöht. Aber ich sage auch: Wer, politisch motiviert, prügelnd durch die Straßen rennt, der hat die Grenzen zur Toleranz weit überschritten, und er muss auch mit strafrechtlichen Konsequenzen jeder Art rechnen.
Das zweite Problem, das wir haben, ist die doch alltägliche Präsenz des Rechtsextremismus in unserem Leben. Die größte Gefahr ist, glaube ich, die schleichende Normalisierung rechtsextremer Gedanken. Wir haben einer relativ jungen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung entnehmen können, dass 3,7 % der deutschen Bevölkerung, repräsentativ befragt, die Diktatur für eine akzeptable Staatsform halten. 15 % der deutschen Bevölkerung haben einen nationalen Überlegenheitsanspruch. 9 % denken antisemitisch, und 21,2 % haben ausländerfeindliches Gedankengut.
An diesen Ergebnissen lässt sich ablesen, dass Einstellungen, aus denen sich rechtes Denken und Handeln entwickeln kann, bei einem besorgniserregend hohen Anteil der deutschen Bevölkerung vorhanden ist. Über 20 % haben Vorurteile gegenüber Menschen anderer Kultur, 15 % fühlen sich als etwas Besseres, nur weil sie deutsche Eltern haben.
Nach diesen Untersuchungen finden wir rechtsextremes Gedankengut in allen Bereichen. Das ist kein ostdeutsches Problem allein, das ist hier im Westen genauso vorhanden. Das ist bei Frauen wie bei Männern vorhanden, bei Jungen und bei Alten, bei Kirchenmitgliedern und Gewerkschaftsmitgliedern. Das ist kein Randproblem, um das wir uns
nicht zu kümmern brauchen, das Problem ist genau in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.
Die dritte Auffälligkeit – das hat der Innenminister bei der Vorstellung seines Verfassungsschutzberichtes mitgeteilt –: Rechtsextreme Parteien kommunalisieren sich, sie wollen in die Kommunalparlamente eintreten. Da haben Sie recht, das ist zutreffend. Es ist auch relativ leicht, Mandate und Sitze in kommunalen Parlamenten zu erlangen, entsprechend finanzielle Ausstattungen zu bekommen, um dann in kommunalen Parlamenten Propaganda machen zu können. Dieser Umstand erfüllt uns ebenfalls mit großer Sorge, insbesondere in diesem Zusammenhang die neu aufgetretene Bewegung „pro NRW“ – in Köln entstanden –, die jetzt auch landesweit bei Kommunalwahlen antreten will. Diese Organisation ist gerade deswegen so gefährlich, weil sie bieder und bürgerlich auftritt.
Die entscheidende Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, lautet: Was können wir tun, was müssen wir tun? Dazu gibt es keine Patentrezepte; das sage ich vorweg. Rechtsextremismus ist ein vielschichtiges Problem. Aber zunächst ist eines wichtig, das wir heute in dieser Debatte festhalten können: Rechtsextremismus hat – darüber sind wir, meine ich, einer Auffassung – hat in unserer Gesellschaft und Demokratie keinen Platz.
Aber es gibt auch ganz einfache Mittel, mit denen wir etwas tun können. Rechtsextremistische Parteien haben ein relativ festes Stammwählerpotenzial. Das heißt, bei niedrigen Wahlbeteiligungen sind proportional die Ergebnisse und die Chancen rechtsextremer Parteien, Sitze in Stadträten zu bekommen, viel leichter und viel einfacher zu erreichen. So kann es doch nur Aufgabe eines jeden Demokraten sein – unabhängig von diesem Thema –, die Wahlbeteiligung möglichst hochzukriegen.
Herr Innenminister, gerade vor diesem Aspekt bitte ich Sie, ernsthaft darüber nachzudenken, ob der Kommunalwahltermin richtig platziert ist.
Der zweite Bereich: Es wird immer wieder viel von Verboten gesprochen. Ich weiß, mit Verboten kann man rechtsextremes Gedankengut nicht aus den Köpfen der Menschen herausbekommen. Aber Verbote behindern doch erheblich die Aktivitäten von Vereinen, Organisationen und Parteien, und sie zeigen die Ächtung dieser Organisationen durch die Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass derzeit Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit durch Steuergelder mitfinanziert werden. Ich halte das nicht nur für ein falsches Verständnis von Parteien- und Vereinsprivilegien, sondern auch für einen Skandal.
Müssen wir denn diejenigen, die unsere Demokratie abschaffen wollen, auch noch mit Steuermitteln finanzieren? Das muss nicht sein. Ich danke ausdrücklich dem Bundesinnenminister Schäuble, dass er jetzt nach langem Verfahren den Verein HDJ endlich verboten hat; wir haben das bereits im letzten Jahr hier gefordert.
Meine Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe ist, das rechtsextreme Gedankengut aus den Köpfen der Menschen herauszubekommen. Dazu nur noch der eine oder andere Aspekt:
Wir müssen dem Fach Politik und Demokratie wieder mehr Stellenwert in der Schule geben.
Wir brauchen eine vernünftige politische Bildungsarbeit, und die müssen wir mit ausreichend Mitteln versorgen. Die Landeszentrale für politische Bildung muss besser ausgestattet werden; sie macht gute Arbeit in Nordrhein-Westfalen.
Und, Herr Innenminister, drehen Sie den Kommunen bitte nicht die Luft ab! Sie brauchen finanzielle Mittel, um vernünftige Jugendarbeit vor Ort machen zu können. Auch das ist eine wirksame Maßnahme.
Schließlich, meine Damen und Herren, brauchen wir Zivilcourage und eine Kultur des Hinsehens in unserer Gesellschaft.
Wir haben zahlreiche Organisationen in NordrheinWestfalen, die sich mit diesem Thema sehr engagiert in runden Tischen vor Ort beschäftigen und Gegenstrategien entwickeln. Ihnen gebührt unser besonderer Dank.
Meine Damen und Herren, abschließend – darüber sind wir uns, meine ich, einig –: Rechtsextremismus gefährdet unsere Demokratie. Lassen Sie uns das Thema nach der heutigen Debatte bitte nicht wieder in die Schublade legen, bis der nächste Verfassungsschutzbericht kommt, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! Unsere Demokratie muss es uns wert sein. – Herzlichen Dank.
Frau Ministerin, welche Erklärung gibt es dafür, dass hinter den einzelnen Projekten die Namen unter anderem des Ministerpräsidenten und des stellvertretenden Ministerpräsidenten stehen?
Frau Ministerin, auf meine erste Frage „Wie kommen denn die Namen hinter die Projekte?“ sagten Sie, das seien bedeutende Persönlichkeiten, die auch Schirmherrschaften hätten.
Meine Nachfrage: Was verstehen Sie und Frau Lichtinghagen in diesem Zusammenhang unter Schirmherrschaften, und welche Schirmherrschaften gibt es da konkret?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, gerade die Anhörung hat gezeigt, dass wir hier keine nachhaltige Zukunftsgestaltung bei der Gestaltung unseres Gerichtssystems in Nordrhein-Westfalen machen. Ich war bei der Anhörung auch dabei. Sie haben schon eine sehr selektive Wahrnehmung gehabt.
Wenn Sie nämlich den Vertreter der Stadt Herne so verstanden haben, dass eine Bündelung der Gerichte für Herne-Mitte sehr gut oder vielleicht auch sehr interessant ist, dann haben Sie offensichtlich überhört, dass er auch gesagt hat, dass das für den Stadtbezirk Herne-Wanne insbesondere städtebaulich ein großer Verlust ist.
Ähnlich ist das in Gelsenkirchen der Fall, weil Gelsenkirchen eben eine Stadt ist, die aus zwei Städten entstanden ist. Sie ist anders strukturiert als andere Städte. Hier muss man sicherlich einen sinnvollen Ausgleich finden. All das wird derzeit untersucht. Aber es ist letztendlich noch kein Konsens mit der Stadt Gelsenkirchen getroffen worden, was das anbelangt. Die Stadt Gelsenkirchen hat einen gültigen Ratsbeschluss, der das kritisch sieht. In der Angelegenheit ist also im Augenblick ein bisschen Bewegung. Wir hätten uns gewünscht, Frau Ministerin, dass eine Entscheidung über diesen Standort erst nach einem Abschluss der Gespräche und
Verhandlungen mit der Stadt Gelsenkirchen getroffen worden wäre.
Insgesamt sind wir der Auffassung, dass sich das Gerichtssystem in Nordrhein-Westfalen mit den 130 Amtsgerichten so bewährt hat. Das hat auch der Vertreter des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen in der Anhörung so eindeutig bestätigt. Gerade die Gerichte, die Sie für eine Schließung vorgesehen haben, arbeiten sehr gut und sehr effektiv. Wir haben dort, ganz anders als bei großen Gerichten, kurze Laufzeiten. Man kennt sich in der Behörde, was auch das ganze Verfahren entsprechend beschleunigt.
Was mich bei der ganzen Sache so ein bisschen verärgert, ist, dass, hier offensichtlich Justizpolitik unter dem Aspekt der Haushaltskonsolidierung gemacht wird, ohne aber vorher genau zu sagen, wo denn die Einsparungen im Detail liegen. Wir haben bis heute keine verlässlichen Zahlen von Ihnen bekommen, was denn eingespart werden kann und wie hoch die Mehrausgaben tatsächlich sind. Aber dennoch soll alles gut werden. So wie Sie das sagen, ist das meines Erachtens ein bisschen zu blauäugig.
Der zweite Aspekt, der uns bei der ganzen Sache ärgert, ist, dass Sie bis heute nicht nachgewiesen oder untersucht haben, wie denn die ideale Gerichtsstrukturgröße in Nordrhein-Westfalen ist. Ab wann ist ein Gericht effektiv? Auch die Sachverständigen haben uns dazu unterschiedliche Aussagen gegeben. Wir erleben das in anderen Bundesländern. Hamburg beispielsweise ist dazu übergegangen, große Amtsgerichte in kleinere Amtsgerichte aufzuteilen, weil dort einfach eine bessere Milieunähe gegeben ist. Der Richter kennt seine Pappenheimer besser; das möchte ich bei der Gelegenheit einmal so lax sagen. Das trägt auch dazu bei, die Rechtssprechung sicherer, schneller und effektiver zu machen.
Kurzum: Wir halten Ihren Vorschlag, ohne dass die Städte Herne und Gelsenkirchen konkret in die Abschlussplanung einbezogen worden sind, für übereilt und lehnen daher Ihren Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben durchgeführte Debatte zeigt mal wieder deutlich die Grundeinstellung der Landesregierung, aber auch von CDU und FDP im Bereich der Sozial- und Rechtspolitik. Wir sprechen von der Möglichkeit der Teilhabe auch einkommensschwächerer Bevölkerungsgruppen an unserem Rechtssystem, und Sie sprechen von Steuergeldverschwendung – eine Unverschämtheit in diesem Zusammenhang!
Tatsächlich sind die Ausgaben für die Beratungshilfe gestiegen. Dafür gibt es zwei Gründe: Die Anwaltsgebühren sind leicht gestiegen, und die Fallzahlen haben sich erhöht.
Die Beratungshilfegebühren, die der nordrheinwestfälische Steuerzahler trägt, liegen in NordrheinWestfalen bei 101,86 € pro Fall. Wollen Sie da noch Anwaltsgebühren reduzieren? Das kann doch wohl nicht sein! Wenn man umrechnet, was den Steuerzahler die Beratungshilfe insgesamt kostet, ist das pro Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr ein Euro. Wir sprechen von einem Euro gut angelegtem Geld für eine vernünftige Teilhabe einkommensschwacher Leute.
Im europäischen Vergleich liegen wir damit im untersten Bereich. In Großbritannien wird für Prozesskosten- und Beratungshilfe zehnmal so viel ausgegeben wie in der Bundesrepublik Deutschland.
Und dann wollen Sie die Zuzahlung auf 30 € erhöhen und kommentieren dies damit, dass dies für einen ALG-II-Empfänger umgerechnet nur 2,50 € im Monat seien. – Frau Müller-Piepenkötter, das sind 30 €, wenn das anfällt. 30 € sind 10 % des Monatseinkommens eines ALG-II-Empfängers.
Offensichtlich sind Sie und auch Herr Kollege Orth so weit weg von der Realität, dass Sie gar nicht wissen,
was 30 € tatsächlich für einen Sozialhilfeempfänger bedeuten.
Gegen die Erhöhung der Beratungshilfegebühr um 20 € auf 30 € bei einer anwaltlichen Vertretung bestehen aber auch rechtliche Bedenken, weil sie die ihr zugedachte Steuerung des Verhaltens des Rechtsuchenden nicht erreicht. Die Eigenbeteiligung – das haben Sie gerade gesagt – soll die Leute dazu anhalten, ihre Angelegenheit grundsätzlich erst einmal selbst zu regeln und nicht gleich in die Beratung zu rennen. Voraussetzung für die Bewilligung von Beratungshilfe ist doch nach § 2 Beratungshilfegesetz, dass sich die Leute gerade nicht selbst helfen können. Insofern verbietet sich eine Zuzahlung in dieser Größenordnung.
Völlig entsetzt, Frau Müller-Piepenkötter, war ich von Ihrer Äußerung im Bundesrat zu diesem Thema. Sie sprechen von einer zunehmenden Inanspruchnahme der Beratungshilfe als allgemeine Lebenshilfe. – Als ob die Leute Langeweile hätten und deshalb einen Anwalt aufsuchen und Lebenshilfeberatung wollten! Tatsächlich sind doch die Fallzahlen gestiegen und die Fälle sind immer problematischer geworden. Das ist es doch. Die Bürger kommen heute nicht mehr klar und schauen nicht mehr durch.
Dann wollen Sie die Leute nicht zum Anwalt schicken, sondern in andere Beratungsstellen.
Welch ein Hohn, die Leute in Beratungsstellen zu schicken, wenn gleichzeitig aufgrund von Sparmaßnahmen die Arbeitslosenzentren geschlossen werden und, wie wir heute morgen gehört haben, auch die Frauenhäuser in ihrer Existenz bedroht sind.
Aber, meine Damen und Herren, das Gesetz passt prima zur Arbeit dieser Landesregierung und dieses Ministerpräsidenten, Herr Ministerpräsident Rüttgers. – Er hört gar nicht zu!
Herr Ministerpräsident, auf dem CDU-Bundesparteitag in Stuttgart sprechen Sie von Sozialpolitik, für Gerechtigkeit und für mehr Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Und was machen Sie hier zu Hause im Land? Eine sozialpolitische Errungenschaft nach der anderen wird einkassiert und die Bürger werden stärker belastet.
So weit wie bei dieser Landesregierung liegen Anspruch und Wirklichkeit nirgendwo auseinander. Frau Müller-Piepenkötter, es bleibt nur zu hoffen,
dass dieses Gesetz im Bundestag genauso scheitern wird wie Ihre alten Überlegungen zur Reduzierung der Prozesskostenhilfe. Aber, bei Ihnen ist guter Rat wohl teuer!
Frau Ministerin, die Verfügung, die Sie gerade ansprechen, sieht ja vor, dass die Erprobung im Richteramt im Regelfall auf einer Richterstelle stattzufinden hat und nur im Einzelfall Ersatzerprobungen zulässig sein können. Aus welchen Gründen teilen Sie denn dann nicht die Einschätzung des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass eine Ersatzerprobung gerade nicht im Büro der Justizministerin oder ihres Staatssekretärs stattfinden kann?
Frau Ministerin, die Kritik an der Erprobung in Ihrem Hause kam ja nicht von irgendjemandem, sondern vom höchsten Landesrichter, den wir haben. Meine Frage daraufhin: Beabsichtigen Sie aufgrund der doch starken Kritik des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs dieses Landes, die Erprobung von Richtern in Zukunft nicht mehr im Bereich Ihrer politischen Leitungsebene durchführen zu lassen?
Vielen Dank. – Mich interessiert, welche Unternehmen es denn sind, die diese zukünftig privaten Stellen mit Mitarbeitern besetzen werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, vor 20 Monaten haben Sie uns angekündigt, dass Sie diverse Gerichtsstandorte in Nordrhein-Westfalen schließen wollen. Seit 20 Monaten warten wir auf überzeugende Argumente aus Ihrem Hause, warum dies gemacht werden soll. Diese Argumente sind Sie leider auch heute schuldig geblieben.
In einem Punkt können wir Ihre Aussage unterstützen: Die Gerichte in Nordrhein-Westfalen arbeiten gut und effektiv. Dazu gehören auch die Amtsgerichte in Buer und in Wanne. Aus diesem Grunde sehen wir keinerlei Veranlassung, diese beiden Standorte aufzugeben. Ich denke auch, in Ihrem Hause gibt es im Augenblick andere Probleme zu lösen, als dass Sie uns mit solchen Gesetzgebungsverfahren beschäftigen müssen.
Ich habe zwar Verständnis dafür, dass im Rahmen der Haushaltskonsolidierung Ihr Haus ebenfalls Überlegungen anstellen muss und dass dann auch die Gerichtsstruktur einer kritischen Überprüfung standhalten muss. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Strukturveränderung ist nur dann sinnvoll, wenn sich auch anhand objektiver Kriterien feststellen lässt, dass dadurch tatsächlich Verbesserungen zu erwarten sind. Sie sind gerade im vorliegenden Fall mit Sicherheit nicht zu erwarten.
Eine Verbesserung der Justiz im Sinne von Effizienzsteigerung und Kostenminimierung durch die Streichung zweier Gerichte ist bei einer umfassenden Bewertung aller Einflussfaktoren einfach nicht ersichtlich. Die Kostenersparnis ist nicht glaubhaft.
Auch hier liegen uns nach wie vor keine konkreten Zahlen vor. Vor ein paar Monaten haben Sie in einer Vorlage angegeben, es würden in Herne
Mietmehrkosten in Höhe von 300.000 € anfallen. Davon steht jetzt nichts mehr darin. Die Zahlen, die Sie jetzt nennen, müssen wir daher als willkürlich gegriffen ansehen.
Frau Ministerin, in Ihrer Rede am 24. Januar 2008 sagten Sie zu diesem Thema, die Landesregierung wolle die Bewertung der Justiz gerade nicht auf reine Kostengesichtspunkte reduziert sehen. Das ist gut so. Das unterstützen wir.
Aber dann hören Sie doch bitte auf die Leute, die etwas davon verstehen. Haben Sie sich zu der Frage einmal mit dem Deutschen Richterbund zusammengesetzt?
Ja, fragen Sie einmal den Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen. Vielen Dank für den Hinweis. Kennen Sie den Ratsbeschluss der Stadt Gelsenkirchen vom 14. Juni 2007? Die Stadt Gelsenkirchen hat sich eindeutig gegen die Schließung des Amtsgerichtsstandorts GelsenkirchenBuer ausgesprochen.
Wenn Sie Politik für die Kommunen machen wollen, dann hören Sie mal auf die Kommunen, und machen Sie keine Politik gegen sie. Aber da setzt sich die Politik der Landesregierung konsequent fort. Das kann man so sehen.
Nächster Punkt: Kienbaum-Gutachten. Kennen Sie das Kienbaum-Gutachten von 1992? Es ist zwar ein bisschen alt, aber es ist trotzdem angesagt, was die Struktur der Amtsgerichte anbelangt.
Dort ist nämlich festgehalten worden, dass kleinere Amtsgerichte oft durchaus besser funktionieren können als größere. Die Erledigungszahlen pro Richter sind besser, und die Erledigungszeiten sind kürzer. Die Identifikation der Mitarbeiter und ihre Motivation sind deutlich höher. Es kann nämlich kein Mitarbeiter untertauchen. Man kennt sich in der Behörde. Größere Behörden benötigen zusätzliche Zwischenführungsebenen, um solche Ebenen steuern zu können. Deshalb sind kleinere Gerichte durchaus nicht nur bürgerfreundlich, sondern auch gut organisiert.
Jetzt kommt das Argument – das kam von Ihnen, und ich schätze, die Kollegen von CDU und FDP werden es auch wieder bringen – : Köln, eine Millionenstadt, hat auch nur ein Amtsgericht. Schau
en Sie sich doch einmal diesen Rechtsprechungsbunker in der Luxemburger Straße an. Meinen Sie, das ist im Sinne einer effektiven und sinnvollen bürgernahen Justiz? Heißt das denn, dass ein einzelner Standort für ein großes Gericht gut sein muss? Ist es ein Vorbild für Sie, solche Gerichtsgebäude zu haben?
Ich glaube, der Trend geht im Augenblick in eine ganz andere Richtung, Frau Ministerin. Beispiel Hansestadt Hamburg: Hamburg hat in den letzten Jahren zwei neue Amtsgerichte geschaffen. Die Stadt Hamburg hat jetzt acht Amtsgerichte. Sie hat in den Jahren 2002 und 2003 zwei neue Amtsgerichte geschaffen.
Warum? – Sie haben gerade gesehen, dass kleinere Behörden besser zu organisieren sind, effektiver arbeiten können und dass auch die Richter durch mehr Milieunähe natürlich einen besseren Praxisbezug haben, sodass Rechtsfragen sach- und zielgerechter gelöst werden können.
Wir halten es also aus fachlicher Sicht nach wie vor für äußerst fragwürdig, ja sogar für kontraproduktiv, Gerichtsstandorte aufzugeben.
Aber es gibt einen weiteren Punkt. Der hat auch etwas mit Stadtteilpolitik, Stadtteilmanagement und Politik vor Ort zu tun. Sie nehmen den Leuten in Gelsenkirchen und in Wanne-Eickel tatsächlich Punkte, die für sie Eigenständigkeit und Identifikation bedeuten. Das führt zu schwerwiegenden Einbußen, zum Beispiel in der Infrastruktur vor Ort. Das ist ein ganz deutliches negatives Zeichen, das Sie in der Kommune setzen.
Deswegen kann ich hier nur noch einmal an Sie appellieren: Stoppen Sie Ihr unsinniges Gesetzgebungsverfahren. – Herzlichen Dank.
Frau Ministerin, wer hat denn entschieden, diesem Angebot an die Journalisten auch ein Foto der Justizvollzugsanstalt Siegburg beizufügen?
Frau Ministerin, ist es in Ihrem Hause üblich, interne Informationen über Inhaftierte, Lage und Organisation der JVA Siegburg zu verbreiten?
Frau Ministerin, wenn Staatsanwalt Mackel persönlich keine Kritik geäußert haben soll, trifft es denn zu, dass sich insgesamt die Staatsanwaltschaft Bielefeld in ihren Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Verfassungs
schutzes seitens des Innenministeriums nicht ausreichend unterstützt sieht?
Frau Ministerin, Ihre Antwort auf meine erste Frage veranlasst mich zu einer Frage an den neben Ihnen sitzenden Innenminister: Herr Wolf, aus welchem Grund unterstützt denn das Innenministerium die Staatsanwaltschaft Bielefeld nicht bei den Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vorletzten Jahr haben wir von den Plänen der Landesregierung erfahren, die Zahl der Amtsgerichte und weiterer Gerichte hier in Nordrhein-Westfalen zu reduzieren. Im Einzelnen sollen im Rahmen einer Organisationsreform die Amtsgerichte Mönchengladbach-Rheydt, Duisburg-Hamborn, Duisburg-Ruhrort, Essen-Borbeck, Essen-Steele, GelsenkirchenBuer und Herne-Wanne sowie ein Landesarbeitsgericht und ein Finanzgericht dran glauben.
Die Prüfung dauerte Monate. Ergebnisse sind teilweise vorgestellt worden. Ich frage Sie aber, Frau Ministerin: Warum? Warum dieses Verfahren? Warum eine Änderung in diesem Bereich? Soll es eine Reform um der Reform willen sein?
Bis heute haben wir von Ihnen in zahlreichen Ausschussberatungen zu diesem Thema noch kein einziges stichhaltiges Argument gehört, welche Vorteile eine Reduzierung der Zahl der Amtsgerichte hier in Nordrhein-Westfalen denn haben soll – kein einziges Argument für Ihre Ideen.
An einer einzigen Stelle wurden Sie in Ihren Zwischenberichten etwas konkreter. Dort hieß es
nämlich, dass es durch die Schließung eines Gerichts in Herne zu jährlichen Mietmehrkosten von 300.000 € kommen wird. – So weit das Ergebnis Ihrer Überprüfungen.
Frau Ministerin, groß ist nicht gleich besser, schneller und billiger. Ich glaube, da irren Sie sich.
Ich spare mir an dieser Stelle auch, zahlreiche Stellungnahmen zu Ihrem Vorhaben vom Deutschen Richterbund, vom Bund der Rechtspfleger, von zahlreichen Gerichten und von Oberlandesgerichtspräsidenten, Resolutionen von Stadträten sowie Schreiben und Eingaben von Oberbürgermeistern und Gemeinderäten zu zitieren.
Ich erspare Ihnen aber nicht die Anmerkung, dass Sie mit Ihrer Prüfung seit anderthalb Jahren unnötig Personal in Ihrem Hause gebunden haben und unnötig Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gerichten über die Zukunft ihrer einzelnen Standorte verunsichert haben.
Wir sind der Auffassung, dass sich die bisherige Gliederung der Gerichtsstruktur – einige der betroffenen Gerichte haben ja vor einigen Jahren ihre 125-Jahr-Feier gehabt – bewährt hat. Kleinere und mittelgroße Gerichte bedeuten mehr Bürgernähe und effektives Arbeiten. Das sagt übrigens auch schon das Kienbaum-Gutachten aus den 90er-Jahren. Gerade darin sind zu große Behördenstrukturen eindeutig kritisiert worden.
Dazu muss man wissen, dass bei Präsidialgerichten in der Führung und Leitung Zwischenebenen eingezogen werden müssen, um solche Behörden organisatorisch vernünftig aufstellen zu können. Daher haben sich gerade mittlere und kleine Gerichte als sehr effektiv erwiesen.
Unsere Gerichte in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten zehn, 15 Jahren gut ausgestattet worden. Sie sind mit neuer Technik versehen und arbeiten gut.
Was passiert, wenn Sie Standorte aufgeben? Wir haben an vielen Standorten ungeklärte Nachfolgenutzungen. Was soll mit den Gebäuden passieren? Stattdessen müssten wir in neue Erweiterungsbauten an anderen Stellen investieren. All dies kann wirtschaftlich doch nicht sinnvoll sein. Aber auch nach anderthalb Jahren Prüfung haben Sie uns dazu noch keine konkreten Zahlen genannt.
Lassen Sie mich ein weiteres Argument anführen. Die Amtsgerichte sind vor Ort in den Mittelzentren
und in den Stadtzentren wichtige Standortfaktoren. Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Bauminister Wittke! Er reist durchs Land und macht Reklame für „Ab in die Mitte!“ und damit für die Stärkung der Mittelzentren und der Stadtzentren. Sie produzieren genau das Gegenteil, wenn Sie solche Behörden aus diesen Zentren herausnehmen. Diese Behörden sind dort wichtige Standortfaktoren. Einzelhändler fürchten Kaufkraftabflüsse und weitere Schäden für die Mittelzentren.
Jetzt wird der Kollege Dr. Orth mir gleich sagen: In Düsseldorf klappt es doch auch mit einem Gericht, obwohl diese Stadt genauso groß ist wie Essen und Duisburg.
Wir gucken noch einmal, ob Düsseldorf mehr Einwohner hat als Essen. Das weiß ich noch nicht so genau. – Sie sagen also, dass es da doch auch klappt. Aber heißt das denn, dass Düsseldorf dann auch besser ist, Herr Kollege Dr. Orth?
Schauen Sie doch einmal in andere Bundesländer! Hamburg macht genau das Gegenteil. Hamburg hat jetzt zwei weitere Amtsgerichte eingerichtet, um dezentraler tätig werden zu können. In diesem Zusammenhang darf ich an die heute Morgen geführte Diskussion zum Thema „Kriminalität – effektive Strafverfolgung – rasche Aburteilung“ erinnern. In Hamburg hat man sich gerade auch deshalb für das dezentrale System entschieden, weil die dort tätigen Richter mehr Milieunähe und eine größere Ortskenntnis haben, was auch in diesem Bereich durchaus positive Effekte haben dürfte.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Frau Ministerin, Ihr Plan, der seit anderthalb Jahren bei Ihnen auf dem Tisch liegt, ist unausgegoren. Sie konnten bis heute noch nicht vorweisen, welche Einsparungen oder Strukturverbesserungen denn tatsächlich eintreten sollen.
Ich empfehle Ihnen dringend: Legen Sie diesen Plan in die Schublade. Nehmen Sie ihn in Sicherungsverwahrung, und lassen Sie ihn da nicht mehr heraus. Ersparen Sie uns in Zukunft jedes Jahr ein neues Gesetzgebungsverfahren für andere örtliche Zuständigkeiten! – Herzlichen Dank.
Frau Ministerin, aus welchem Grund hat Ihr Haus selbst nicht auf die Anfrage eines Journalisten des „Düsseldorfer Express“ zu dem Thema Taskforce geantwortet, sondern dann wieder erneut auf den Generalstaatsanwalt Düsseldorf bzw. die Staatsanwaltschaft Düsseldorf verwiesen?
Ich knüpfe an die Frage von Herrn Kollegen Wißen an. Ist es zutreffend, dass fünf Staatsanwälte an der Sollstärke bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf fehlen?