Protokoll der Sitzung vom 20.02.2008

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Damit sind wir vor allem beim heutigen Bundesfinanzminister. Ich kann mich täglich nur wundern, dass Peer Steinbrück bei diesem Thema so in die Tasten haut. Darüber kann man sich wirklich nur wundern. Es ist menschlich, dass man, wenn man irgendwo abgewählt worden ist und einen schönen neuen Job gefunden hat, gewissermaßen den ersten Teil der eigenen politischen Laufbahn mental verdrängt.

(Carina Gödecke [SPD]: Das wird Ihnen auch passieren! – Weitere Zurufe von der SPD)

Aber wir werden das nicht akzeptieren; denn unter Peer Steinbrück sind bei der WestLB Risiken in einer Art und Weise ignoriert worden, wie es abenteuerlicher nicht hätte sein können.

Ich zitiere kurz aus einer Kleinen Anfrage vom September 2003 mit der Überschrift „Verantwortung des Ministerpräsidenten bei der WestLB klären“. Eine Frage lautete:

„An welchem Tag exakt ist Herr Steinbrück erstmals auf die besonderen Risiken aus Boxclever aufmerksam gemacht worden?“

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

An Boxclever erinnern Sie sich vielleicht. Davon haben Sie sicherlich schon einmal gehört, Frau Kollegin Kraft. Momentan läuft ein Prozess.

Die Antwort auf diese Frage, von Herrn Finanzminister Dieckmann für die Landesregierung gegeben, lautet – ich finde sie so entlarvend –:

„Auf die besonderen Risiken des BoxcleverEngagements bei der WestLB ist Herr Ministerpräsident Steinbrück erstmalig am 12. Mai 2003 durch die Berichterstattung in der „Financial Times Deutschland“ aufmerksam geworden.“

Das ist bemerkenswert. So haben Sie sich damals mit den Risiken auseinandergesetzt. Laut des amtlichen Dokuments der alten, abgewählten Landesregierung hat er aus der Zeitung davon erfahren. So sind Sie damit umgegangen.

(Beifall von FDP und CDU)

Peer Steinbrück war zwischen dem 29. Oktober 1998 und dem 30. August 2002, also vier Jahre lang, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender der WestLB.

(Zuruf von der FDP: Hört, hört! – Zurufe von der SPD)

Und dann hat er, wie jeder andere interessierte Bürger in Nordrhein-Westfalen, von Boxclever aus der Zeitung erfahren!? War das die Verantwortung Ihrer Regierung – an der auch Sie beteiligt waren, Frau Kollegin Kraft – für die WestLB? – Dann kann ich nachvollziehen, dass Sie diese Debatte wegdrücken wollen.

(Zurufe von der SPD)

Aber ich sage Ihnen, Sie werden sich der Debatte über das, was Sie der WestLB und dem Land eingebrockt haben, stellen müssen, Frau Kollegin Kraft. Aus der Bredouille lassen wir Sie nicht heraus.

(Beifall von FDP und CDU)

Peer Steinbrück knüpft an dieses überaus „erfolgreiche“ Engagement bei der WestLB nahtlos an, siehe IKB. Er tut so, als hätte er mit dem, was er bei der WestLB hinterlassen hat, überhaupt nichts zu tun, und hat sich gleich die IKB vorgeknöpft. Das ist atemberaubend.

Und dann geht er so offensiv an die Öffentlichkeit und kritisiert diese Landesregierung wegen angeblicher Versäumnisse bei der WestLB? Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, was Herr Steinbrück hier abliefert.

(Beifall von FDP und CDU)

Diese Debatte wird Sie weiter begleiten. Wir können dazu auch gern noch zusätzliches Material liefern.

Die Landesregierung und die sie tragende Koalition stellen sich der Verantwortung bei der WestLB, aber wir werden auch immer klipp und klar sagen, wer der WestLB und dem Land diese Suppe eingebrockt hat, die wir jetzt gemeinsam mit den Steuerzahlern auslöffeln müssen.

Wie weit sind wir bei diesem schwierigen Prozess der Neuaufstellung der Bank gekommen? – Zu den Tatsachen, die gerne verdrängt werden, gehört, dass das, was in den letzten Wochen vordergründig als Rettungsaktion für die WestLB diskutiert worden ist, in Wahrheit eine Rettungsaktion für das gesamte öffentlich-rechtliche Kreditwesen in Nordrhein-Westfalen ist. Es ist im Kern eine Rettungsaktion für viele Sparkassen in Westfalen und im Rheinland.

Das hängt mit zwei schlichten Tatsachen zusammen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Sparkassen als Mehrheitseigner der WestLB für die Risiken, die bis zum Auslaufen der Gewährträgerhaftung Mitte 2005 eingegangen worden sind, natürlich wie das Land geradestehen. Das gilt also nicht nur für das Land, sondern auch für die Sparkassen. Schauen Sie sich dazu einmal diesen zweistelligen Milliardenbetrag an, über den wir dort reden.

Dass es sich in Wahrheit um eine Rettungsaktion für die Sparkassen handelt, hängt zum Zweiten damit zusammen, dass die Beteiligung an der WestLB mit einem ordentlichen Betrag in den Büchern aller Sparkassen steht. In den Büchern der Sparkassen wird der Wert der WestLB auf 4,8 Milliarden € beziffert. An diesem Wert sind die Sparkassen mit der Hälfte beteiligt. Was es bedeuten würde, wenn in großem Stil Abschreibungen daran nötig würden, können Sie sich vielleicht vorstellen.

Ich will noch einmal für meine Fraktion in aller Klarheit sagen: Wir gehen schweren Herzens in die nötigen Maßnahmen zur Rettung der WestLB, und zwar schweren Herzens nicht zuletzt deshalb, weil wir am Anfang so eindeutig vor den Risiken gewarnt haben. Dass wir das machen, resultiert nicht nur aus unserer Verantwortung für die WestLB, sondern auch aus der Verantwortung, die wir für die Sparkassen im Rheinland und in Westfalen empfinden. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Martin Bör- schel [SPD])

Das ist doch absurd, was Sie erzählen. – Wenn wir die Sparkassen in dieser schwierigen Situation nicht unterstützen würden, dann würden viele Sparkassen unter der Last der WestLB-Beteiligung zusammenbrechen. Das ist die Realität.

Darum geht es. Deshalb sagen wir: Wir wollen keine Krise der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen keine Bankenkrise zulassen. Deshalb gehen wir in dieses zusätzliche Engagement.

Aber wir konditionieren dieses Engagement, weil wir auch nicht bereit sind, einfach so weiterzumachen wie bisher.

Das übliche Schema bei der sogenannten Lösung früherer WestLB-Krisen unter sozialdemokratischer Führung, Frau Kollegin Kraft, sah wie folgt aus:

Erstens. Wir wechseln den Vorstandsvorsitzenden aus.

Zweitens. Wir machen das Portemonnaie des Steuerzahlers auf.

Drittens. Wir reden über eine neues Geschäftsmodell.

Passiert ist dann nichts. Ja, es gab zwar einen neuen Vorstandsvorsitzenden, teilweise sogar jährlich. Der Steuerzahler musste zusätzliche Risiken übernehmen. Ein neues Geschäftsmodell gab es aber nicht.

Das werden wir jetzt nicht zulassen, weil wir keinen Blankoscheck zulasten des Steuerzahlers ausstellen werden. Das bedeutet ganz konkret: Wir brauchen eine neues Geschäftsmodell, mit dem die WestLB in Zukunft wieder Geld verdienen kann. Das ist der Maßstab. Wenn der WestLB keine Perspektive eröffnet wird, in Zukunft endlich wieder Geld zu verdienen, dann ist es unverantwortlich, dem Steuerzahler weitere Risiken bei der WestLB zuzumuten. Das ist in diesem Zusammenhang die Wahrheit.

(Beifall von der FDP)

Das Geschäftsmodell kann nur heißen, den vertikalen Verbund zu stärken.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Aber selbstverständlich. Wer denn meint, dass man der WestLB eine Geschäftsperspektive geben kann – im Übrigen gilt das auch für die Sparkassen –, ohne den organischen Verbund zwischen Sparkassen und WestLB zu stärken, der versucht, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen, oder, Herr Kollege Remmel, er hat von der Materie gar keine Ahnung. Beide Möglichkeiten gibt es.

(Beifall von der FDP – Heike Gebhard [SPD]: Die Lippenbekenntnisse von Herrn Stahl sind obsolet geworden!)

Selbstverständlich bedeutet deshalb ein neues Geschäftsmodell, dass wir einen stärkeren, einen tragfähigen, einen organischen vertikalen Verbund innerhalb des öffentlich-rechtlichen Kreditsektors brauchen. Ich füge hinzu: Dieser Verbund wird nicht nur zum Vorteil der WestLB sein, sondern auch zum Vorteil der Sparkassen.

Wir sind hierzu mit einigen Sparkassenfunktionären – nicht mit den Sparkassen insgesamt – durchaus über Kreuz. Das ist nicht von der Hand zu weisen.

Herr Papke, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Remmel?

Das machen wir bitte gleich zum Schluss, Herr Präsident, weil ich diesen Punkt gern vortragen möchte.

Also nicht.

Rufen Sie die Zwischenfrage gleich noch einmal auf. In aller Regel passen die Zwischenfragen von Herrn Remmel besser zum Schluss einer Rede als mittendrin, wenn es um Sachverhalte geht, die man damit nicht belasten sollte.

Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten aus der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 14. Februar 2008 zitieren. Dort heißt es mit Blick auf die Gespräche, die der Finanzminister geführt hat:

„Die Sparkassenfunktionäre waren wild entschlossen, ihre Wagenburg bis zum letzten Mann zu verteidigen.“

Dann heißt es weiter im Artikel von Thomas Wels